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Kampf für die Europawahl als „Europawahlkampf“ der Europa-Union

In dieser Arbeitsgruppe der 7. Hertensteiner Gespräche soll ein Brainstorming erfolgen, wie in der deutschen Bevölkerung, aber auch überall in Europa, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines in der Welt geeint agierenden Europas vermittelt werden kann: als Bedingung für ein gutes Weiterleben unter den uns wichtigen gesellschaftlichen Bedingungen.

Dies müsste tendenziell ein sehr festes, inneres Wissen und Überzeugtsein werden, wie es beispielsweise für immer mehr Menschen der gesamtgesellschaftlich energischere und nachhaltigere Umgang mit der Klimakrise ist, aktuell - zumindest in Ansätzen - sogar auch mit einer militärischen Bedrohung Europas durch den Angriffskrieg von Russland. Aktuell hieße das natürlich auch, zur Europawahl zu gehen.  

Europa kriegt auch als politische Konstruktion schon einiges hin, auch besser, als es häufig in der Berichterstattung und im Bewusstsein der Menschen sich darstellt, hat aber dieses bekannte demokratische Defizit, das nicht nur formal unschön ist, sondern Ausdruck dessen, dass es für die Menschen seit Jahrzehnten immer noch eher eine mehr oder weniger schöne ‚Zusatzveranstaltung‘ ist. Es wird zu wenig begriffen, wie essentiell und überlebenswichtig ein starkes Europa in der wirklichen, nicht nur in der idealtypischen Wirklichkeit für uns alle ist und immer mehr wird.

Dieses Europa kann aber von den -- oft noch nur national sich legitimierenden -- politischen Akteuren auf oberster Ebene auch nur dann dementsprechend exekutiert werden, wenn immer mehr Menschen dies immer nachhaltiger, im Notfall auch mit Protest auf der Straße, von ihnen verlangen: ihnen quasi die Hütte heiß machen, genauso wie auch beim Klimaschutz.

Das Mobilisierungspotenzial dafür hat -- anlassbezogen, weil gerade mal wieder „5 vor12“ -- seinerzeit „Pulse of Europe“ gezeigt. Es geht aber nicht mehr nur um ‚Anlässe‘, etwa die befürchtete Wahl eines europafeindlichen Regierungschefs irgendwo (damals Wilders in den Niederlanden), es geht auch nicht um einzelne, mehr oder weniger ausgeprägte Abweichungen von europäischen Werten oder Standards, sondern es geht um eine -- weit parteiübergreifende, lediglich die scharfen Ränder rechts und links konsequent ausgrenzende -- Mobilisation: auch nicht Großmachtfantasien fördernd, aber auch nicht ständig vor lauter Ängstlichkeit davor dies schon im Voraus beflissen von sich weisend.

Nur aggressiv darf es nicht sein -- und das sind wir auch nicht -- , schon aber ein Machtblock, an dem sich andere Weltzentren tunlichst nicht vergreifen sollten.

Es stellt sich uns somit -- wie vor 40 Jahren den Grünen, die strickend im Bundestag saßen, wobei wir da schon weiter sind -- die Frage, ob mit einer solchen Orientierung neuer Energie, auch neue Botschaften und Parolen kreiert werden können, die uns selbst Kraft geben, uns dafür einzusetzen, weil sie eben auch erfolgversprechend erscheinen im Hinblick darauf, zunehmend mehr Menschen zu gewinnen und von der Notwendigkeit Europas zu überzeugen.

Denn: Der Druck von Europa kann nicht nur von oben nach unten kommen, ihm muss seine wesentliche Fundierung viel stärker und breiter von unten aufwachsen! Wenn Europa so wichtig ist, wie wir denken, kann es eigentlich gar nicht anders sein, als dass das auch gelingt! Wir hätten dann vielleicht bisher einfach nur gewisse Potentiale nicht recht erkannt, oder so … ?! 

Dr. Walther Heipertz hat in seinem Forumsbeitrag all die Probleme und unerledigten Hausaufgaben angesprochen, die die überzeugten Europäer immer wieder beschäftigen, nicht zuletzt mit Blick auf die nächsten Europawahlen im Frühjahr 2024. 

Er benennt eine Reihe alter Probleme: Die Klimakrise und all das, was nötig ist, damit wir die fatale Entwicklung stoppen bevor der Kipppunkt erreicht wird;  die Gefahren, die von europafeindlichen Regierungschefs ausgehen und auch das Demokratiedefizit, das in der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Europäischen Union steckt und das – so scheint mir – niemand so richtig anpacken mag. Der Themenbereich „Flüchtlinge, Asyl und Migration“ und weitere Stichworte können noch genannt werden. Es ist zu erwarten, womöglich zu befürchten, dass im kommenden Europa-Wahlkampf gerade mit dem Themenkreis „Flüchtlinge, Asyl und Migration“ gezündelt wird ohne irgendwelche Lösungsvorschläge zu erreichen, die den in Artikel 2 EUV zitierten europäischen Werten entsprechen. Die Abschreckung von Zuwanderern wird womöglich zum wesentlichen Wahlkampfslogan werden. 

Allerdings dürfte ein Thema inzwischen vom Tisch sein – und das ist gut so: Die Gedankenspiele um den Austritt aus der Europäischen Union. Was seit dem Brexit in Großbritannien abläuft, dürfte für die meisten EU-Gegner eine Warnung sein. „Selbst der konservative „Telegraph“ räumte dieser Tage ein, dass durch den Brexit nichts erreicht worden sei. Der Traum vom neuen Anfang scheint ausgeträumt“ berichtet die Heilbronner Stimme am 31.1.23 aus London (Überschrift: „Aus dem Brexit-Traum erwacht“).

Allerdings wird Europa ein besonders schwerwiegendes Ereignis noch lange beschäftigen: Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine, der am 24.2.22 begann und dessen Folgen mit dem Begriff Zeitenwende beschrieben werden. Das Thema Europäische Sicherheit ist zum europäischen Spitzenthema geworden. In einem Zeitschriftenbeitrag beschreibt Bundeskanzler Olaf Scholz die Zeitenwende als „epochale tektonische Veränderung“, die weit über den Krieg in der Ukraine und über das Thema Europäische Sicherheit hinausgeht. Die zentrale Frage sei, so Scholz: „Wie können wir, als Europäer und als Europäische Union unabhängige Akteure in einer immer mehr multipolaren Welt bleiben.“ (Foreign Affairs, January/February 2023: „The Global Zeitenwende – How to Avoid a New Cold War in a Multipolar Era“).

Als überzeugte Europäer haben wir das Europäische Projekt immer wieder als Friedensprojekt beschrieben und waren stolz darauf, dass es seit über 70 Jahren weitgehend gelungen ist, den Frieden in Europa zu bewahren. Im Jahr 2012 wurde die Europäische Union mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.  Putins Krieg hat uns den Stolz und die Freude an dieser Auszeichnung vermiest. Ganz gleich wie der Ukraine-Krieg enden wird, das daraus entstandene Misstrauen wird noch lange bleiben. Die Europäer werden Russland nicht mehr trauen, so lange Putin  dort das Sagen hat.  Und was kommt danach?

Die Europa-Union Deutschland zog angesichts der gegenwärtigen Lage in Europa zum „Jahr der Jugend 2022“ eine ernüchternde Bilanz. „Oft entsteht der Eindruck, dass Politik hauptsächlich für Ältere gemacht wird und die fundamentalen Interessen jüngerer Menschen und der nachfolgenden Generationen vernachlässigt werden.“ Allerdings sollte Zukunftspessimismus und Jammern bei der Europawahl nicht im Vordergrund stehen. Eine Bildunterschrift in der Zeitschrift Europa aktiv der Europa-Union Deutschland trifft den Kern: „Jetzt erst recht! Europa-Union und JEF sind bereit, sich den Herausforderungen des Jahres 2023 zu stellen und ihren Beitrag zu leisten für eine lebenswerte Zukunft in einem friedliche, freiheitlichen und demokratischen Europa“ (Europa aktiv, Nr. 5/2022 – Herausgeber: Europa-Union Deutschland: „Ernüchternde Bilanz zum „Jahr der Jugend“).

Ein Beschluss des Bundestags lässt mich (Jahrgang 1936) hoffnungsvoll auf die Europawahl blicken: Am 10.11.22 änderte der Bundestag das Europawahlgesetz und senkte das Mindestwahlalter von 18 auf 16 Jahre. Damit können etwa 1,4, Millionen 16- und 17-jährige EU-Bürgerinnen und EU-Bürger bei der Europawahl 2024 mitwählen. Allerdings gilt dies (noch) nicht für die Teilnahme an der Bundestagswahl. Dazu ist eine Zweidrittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes erforderlich, die gegenwärtig im Bundestag offenbar nicht zu erreichen ist (Europa aktiv, Nr. 5/2022: „Bundestag beschließt Wahlrecht ab 16 bei Europawahlen; Kommentar von Prof. Dr. Hermann Heußner). Und natürlich gilt auch bei der kommenden Europawahl: Nur wer tatsächlich wählt, entscheidet mit.

Heinrich Kümmerle hat auf diesen Beitrag reagiert.
Heinrich Kümmerle

Seitenaufrufe: 3.331 | Heute: 5 | Zählung seit 22.10.2023
  • Ergänzung: Die Inflation ist stärker als vor dem Euro?

    Nein. Seit 25 Jahren gibt es den Euro. Das Eurosystem (EZB + Nationale Zentralbanken) haben das Inflationsziel zwischen 1999 und 2020 im Durschnitt deutlich besser erreicht als es davor der Fall war. Die Phase der jetzigen Inflation in Folge der Corona-Krise und der Lieferengpässe und der Energiekrise hat die Preise weltweit 2021, 2022 getrieben. Die Inflation sinkt seit Ende 2022 kontinuierlich und nähert sich wieder den 2 % an.
    Darüber hinaus hat die gemeinsame Währung Europa Stabilität in diversen Krisen gegeben.
    Die gemeinsame Währung stützt den Binnenmarkt und hat Deutschland geholfen, starke Exportleistungen zu erzielen.

  • Zum Protokoll des Gesprächskreises „Europa jetzt!“ würde ich gerne hinzufügen, dass wir Teilnehmer auch darüber debattiert haben, wie „selbstverständlich“ Europa gerade für uns jüngeren geworden ist. Viele von uns kennen es gar nicht anders. Reisen ohne Grenzen, zahlen in Euro, keine Zollgebühren beim Onlineshopping, anders kennen wir es fast nicht. Es gilt, diese Freiheiten aufzuzeigen um das Interesse an Europa zu wecken.
    Ebenso war sich der Großteil der Gruppe einig, dass wir keine Angst haben, sondern Bedenken und Unsicherheit empfinden, wenn wir die aktuellen Entwicklungen beobachten.

    • Wie wir feststellen durften ist die Halbwertszeit solcher Runden nicht ausreichend, um ein Forum nur annähernd zu füllen. Wo die Unverbindlichkeit zum Prinzip erhoben wurde, muss man tatsächlich über ganz neue Kommunikationskanäle nachdenken.