Gemeinderäte

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Beitragsfoto: Sprecher in einem Gremium | © Shutterstock

Die Gemeinderäte, die übrigens aus den Stadträten des Mittelalters hervorgegangen sind, können als die untersten politischen Gremien, weil auf kommunaler Ebene angesiedelt, betrachtet werden. Die heutigen Gemeinderäte werden im Gegensatz zu den ehemaligen Stadträten von der Gesamtbevölkerung und nicht nur von den städtischen Eliten gewählt und können damit auch als die Volksvertreter direkt vor Ort betrachtet werden. Eine zeitgemäßere, weil für den Großteil der Bevölkerung verständlichere Bezeichnung wäre Orts- bzw. Stadtparlament.

Wie in allen anderen Parlamenten auch, gibt es nur wenige Voraussetzungen, um für das Amt eines Gemeinderats zu kandidieren. Man muss das Mindestalter dafür erreicht haben und man muss bereits für eine bestimmte Zeit seinen Hauptwohnsitz und Lebensschwerpunkt in der Gemeinde haben; in Deutschland sind dies drei Monate. Wenn man jetzt noch bei einer Partei oder Wählergruppe einen Listenplatz ergattert, dann entscheidet nur noch der Wähler über den Einzug in den Gemeinderat — selbstverständlich hat dabei auch noch das bei den Wahlen angewandte Auszählsystem einen nicht unwesentlichen Einfluss; diesbezüglich wurde in Baden-Württemberg das Berechnungsverfahren für die Sitzverteilung in kommunalen Gremien von d’Hondt auf das Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers umgestellt. 

Wenn man dann aber einmal Gemeinderat ist, kann man tun und lassen, was man möchte. Möchte man aber seinen Listenplatz auch für die kommende Wahl behalten, dann unterliegt man dem Fraktionszwang und muss so abstimmen, wie es die eigene Partei gerne hätte. Die Ausnahme sind hierbei die Freien Wähler, die gerade hier den Unterschied machen.

Eines aber sollte man auf jeden Fall nicht machen, nämlich seinen Wohnsitz und Lebensschwerpunkt während der eigenen Amtszeit zu verlegen, denn damit entfällt auch die tatsächlich einzige Voraussetzung für das Amt eines Gemeinderats. Und so ist es eigentlich üblich, dass man die Wahlperiode, für die man gewählt wurde auch beendet. Manchmal kommt es vor, dass sich einige Gemeinderäte trotz ihres bereits sehr hohen Alters noch einmal wählen lassen, nur um dann feststellen zu müssen, dass sie ihr Versprechen gegenüber dem Wähler nicht halten können. Dann übernimmt ein Nachrücker dieses Mandat.

In seltenen Fällen kommt es vor, dass ein Gemeinderat durch Tod, schwere Krankheit oder eine berufliche bzw. familiäre Veränderung auf sein Mandat verzichten muss.

Und so muss der Bürger mit dem leben, was er auch gewählt hat. Und meist ist es so, dass er immer wieder dieselben Gemeinderäte wählt — egal, was diese auch machen oder nicht machen — solange diese nur von den Parteien einen Listenplatz erhalten.

Und so hat es sich eingebürgert, dass unsere Gemeinderäte machen können, was sie wollen. Und da es keine qualitativen Voraussetzungen — außer gewählt zu werden — für dieses Amt gibt, passiert auch meist nicht mehr sehr viel Produktives, was durchaus das jahrzehntelange Warten auf bestimmte Vorhaben, wie z. B. die Saarlandstraße oder Sauberkeit, Ruhe und Ordnung in der Stadt erklären kann.

Allerdings kann es auch immer noch sehr viel schlimmer kommen, wie wir es gerade am Beispiel einer Stadt in unserer Nachbarschaft miterleben können. Die dortigen Gemeinderäte werfen die Steuergelder nicht nur mit vollen Händen, sondern bereits mit Wäschekübeln zum Fenster hinaus und erdreisten es sich dabei sogar, vom Land weitere zusätzliche Mittel zu fordern. In dieser Zwergstadt hat das demokratische Korrektiv des Wählers schon längst versagt, und so bleibt zu hoffen, dass unser Land, denn das Korrektiv des Landkreises hat offensichtlich ebenfalls nicht funktioniert, demnächst die Notbremse zieht.

So müssten wir Wähler eigentlich erkennen, dass es in erster Linie auf uns selber ankommt, nämlich indem wir ganz genau hinschauen, wen wir wählen. Einfach nur städtische „Berühmtheiten“ zu wählen, ohne darauf zu achten, ob diese wenigstens lesen und schreiben können sowie die Grundrechenarten beherrschen, hat zur Folge, dass unsere Gemeinden in sehr schwierige Fahrwasser geraten. Und wenn dann die Parteien sich noch auf Bürgermeister einigen, die außer einem Parteibuch nichts vorzuweisen haben, dann wird es insgesamt für die Gemeinden mehr als lebensbedrohlich. Denn der „professionelle“ Bürgermeister führt nicht nur den „ehrenamtlichen“ Gemeinderat, sondern auch noch die Gemeindeverwaltung — bei uns in Heilbronn immerhin weit über 3 000 Mitarbeiter.

Aber dies können wir alles wieder regeln, nämlich dadurch, indem wir entsprechend wählen gehen und bei der kommenden Wahl darauf achten, mit welchen Kandidaten die Parteien und Wählergruppen ins Rennen gehen. Erlauben Sie mir einen Hinweis: Sie suchen sich ihren Arzt auch nicht nach der Haarfarbe oder danach aus, wie oft sie ihn in ihrem Lieblingsbesen sehen. Und schon gar nicht, weil dieser auf einer von Parteien erstellten Liste ganz oben steht.

Was wir Bürger allerdings sehr schwer ändern können, das ist ein Systemversagen, und hier muss ich als Heilbronner dann doch mehr als staunen!

Als Berufsoffizier konnte ich kaum bis gar nicht mein passives Wahlrecht wahrnehmen, da unsere entsprechenden Gesetze und Regelungen (z. B. mindestens drei Monate Hauptwohnsitz) für die Lebenssituationen von immer mehr Menschen nicht mehr geeignet sind. Und so war es mir auch nicht möglich, bereits 2014 für den Gemeinderat zu kandidieren, da ich erst wieder Ende 2014 meinen Hauptwohnsitz nach Heilbronn zurückverlegen konnte.

Und so war ich dann 2019 mehr als erstaunt, als mindestens eine Heilbronner Partei mindestens eine Kandidatin aufstellte, die ihren Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt schon vor längerem in eine andere Stadt verlegt hatte — zumindest hatte diese mir dies bei ihrem Vereinsaustritt so schriftlich mitgeteilt. Das Rational der Partei dahinter ist mir schon verständlich, man möchte dieser Kandidatin den Listenplatz geben, damit sie bei späteren Wahlen bereits bekannt ist, wenn sie dann wieder in Heilbronn leben wird — falls sie dann wieder in Heilbronn leben wird! Das Ganze ist aber illegal und illegitim! Hinzu kommt, dass man dann allen Heilbronnern — auch mir in den vergangen Jahrzehnten diese Möglichkeit hätte einräumen müssen. So werfe ich zumindest dieser Partei vor, dass diese ein komisches Demokratieverständnis hat.

Sie können sich vorstellen, dass ich dann doch etwas schockiert war, als die Wahlkommission sämtliche Parteilisten als völlig in Ordnung absegnete — denn diese gleicht die Kandidaten und deren Wohnsitze ab, zumindest wäre das ihre Aufgabe. Und da half es mir auch nicht, dass mir altergraute Wahlkämpfer mitteilten, dass man das in Heilbronn schon immer so mache. Aus eigener Erfahrung darf ich nun hinzufügen, auch nur für die „besseren“ Heilbronner — und dazu gehöre ich offensichtlich nicht.

Nach der Wahl 2019 hat man mir dann sehr schnell mitgeteilt, dass diese bestimmte Kandidatin nicht gewählt wurde und damit doch alles wieder in Ordnung sei.

Was dann aber doch nicht in Ordnung sein kann ist, wenn nun 2019 gewählte Gemeinderäte ihren Lebensschwerpunkt eindeutig außerhalb von Heilbronn ansiedeln. Ich persönlich fand es schon etwas grenzwertig, wenn Abgeordnete, die über Jahre hinweg in Berlin leben, weiterhin ihr Gemeinderatsmandat beibehalten — was übrigens deren Entscheidungen in Berlin gegen Heilbronner Interessen, wie eine funktionierende Frankenbahn und ein Schleusenausbau, erklärt.

Diese Grenze dürfte aber eindeutig dann überschritten sein, wenn ein Heilbronner Gemeinderat gut ein Jahr lang in Südamerika studiert oder in den USA eine Firma betreut, wobei noch die eigene Familie dort vor Ort lebt! Und dies sind nur die wenigen Fälle, die mir als Heilbronner Bürger so zu Ohren kommen. Sehr interessant wäre es, wenn man die verantwortlichen Parteien oder Wählergruppen ganz offiziell dazu befragt, ob deren Gemeinderäte überhaupt die Möglichkeit haben, um sich um unsere Heilbronner Interessen kümmern zu können!

Und so ist es von mir vielleicht sogar falsch gewesen, wenn ich einzelnen Gemeinderäten persönliches Versagen vorwarf, denn wenn diese überhaupt nicht wissen, was in Heilbronn so vor sich geht, dann können diese wohl kaum für unsere Interessen eintreten. Aber dann muss man den dafür verantwortlichen Parteien und Wählergruppen den Vorwurf machen! Und wir müssen uns alle fragen, was für ein Demokratieverständnis bei diesen Parteien vorliegt — nur für Parteimitglieder zu sorgen, damit diese ein möglichst bequemes Leben haben, ist etwas zu wenig.


„What is it we all seek for in an election? To answer its real purposes, you must first possess the means of knowing the fitness of your man; and then you must retain some hold upon him by personal obligation or dependence.“

Edmund Burke, Reflections on the Revolution in France (2017[1790])

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  • Das Verständnis der Sinekure kann immerhin auf eine lange Tradition zurückblicken. Erstaunlich mit welcher Energie – die man besser seriös und zielorientiert einsetzen könnte – es immer wieder modernisiert und weiter gerechtfertigt wird.