Geschäftsmodell

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Beitragsfoto: Opferrolle | © Pixabay

Ich schreibe diesen Beitrag nur, weil meine Sonntagsruhe durch lautstarkes und von Megaphonen noch verstärktes Gebrüll massiv gestört wurde und es mir unmöglich machte, mich in ein Buch zu vertiefen. Auch lasse ich mich ungern zum Opfer machen.

Die Freizügigkeit, Liberalität und ganz besonders die Humanität der westlichen Gesellschaften hat zu einem neuartigen Geschäftsmodell geführt, dessen sich inzwischen nicht nur „Schurkenstaaten“, Kleinstdiktaturen, sondern bereits auch ganze Bevölkerungsgruppen wie auch Familienclans oder gar Einzelpersonen widmen.

Man macht sich selber zur diskriminierten Minderheit oder gar einem „Opferland“, dem dabei aber nicht nur sämtliche Rechte einer freiheitlich-demokratischen Welt- und Grundordnung zustehen, sondern man selber von jeglichen entsprechenden Verpflichtungen freigestellt ist, da dies von einem „Opfer“ nicht verlangt werden darf.

Denn als „Opfer“ von jedem und allem muss man selbst überhaupt nichts zum Allgemeinwohl beitragen oder gar beginnen, einmal produktiv tätig zu werden — einzig das Einsammeln von Spendengeldern, Transferzahlungen und Almosen kann als regelmäßige Beschäftigung angesehen werden.

Und wenn keiner guckt, oder man eine momentane Überlegenheit verspürt, dann werden sämtliche Werte, Gesetze und Regeln von denen man selbst so gut lebt, über den Haufen geworfen und man wird zum allerschlimmsten vorstellbaren Täter.

Kommt es dann zu Notwehrhandlungen, etwa von Staatengruppen, Ländern, Bevölkerungsteilen oder Einzelpersonen, schlüpft man sehr schnell wieder in die vermeintliche Opferrolle — scheut auch nicht davor zurück, bei Bedarf selbst in der eigenen Bekanntschaft für tatsächliche Opfer zu sorgen — und besteht lautstark und sehr aufdringlich auf noch mehr Zuwendung und noch mehr Zugeständnisse aller Art.

Als vermeintliches „Opfer“ lebt es sich in unseren Gesellschaften und im Rahmen der Vereinten Nationen — bis hin zum Friedensnobelpreis — ganz gut. Und wenn das mit den Einnahmen und dem bequemen Leben nicht mehr ganz so gut läuft, oder man nicht mehr die Zuwendung bekommt, die einem als „Opfer“ zusteht, dann entführt man Flugzeuge, schießt Raketen auf Wohngebiete, meuchelt oder entführt ein paar Mitmenschen, droht gar mit Nuklear- oder anderen Vernichtungswaffen und dies solange, bis die Weltöffentlichkeit den vermeintlichen Opferstatus wieder anerkennt. Noch perfider und ganz bewusst auch so gewollt ist dabei, dass die tatsächlichen Opfer — wenn sie nicht aus den eigenen Reihen kommen — zu Tätern erklärt werden.

Der große Erfolg dieses Geschäftsmodell funktioniert aber nur solange, wie es noch eine westliche Welt mit ihren Werten und ihrer unendlichen Toleranz gibt, und stößt schon heute in manchen Gegenden, wo diese nicht vorhanden ist, an seine Grenzen — dort dürfen sich die „Opfer“ dann auch einmal tatsächlich als Opfer sehen.

„Ein Mensch ist immer das Opfer seiner Wahrheiten.“

 Albert Camus, Der Mythos von Sisyphos (1960 [1942]: 46)

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Seitenaufrufe: 8 | Heute: 1 | Zählung seit 22.10.2023

Weitersagen:

  • Dieses Zitat von Élisabeth Badinter aus der Weltwoche 13/2004 passt auch ganz gut: „Der Feminismus sieht überall nur Opfer. Das Opfer ist der große Held unserer Gesellschaft geworden.“

    • Stimmt! An dieser neuartigen „Opfermentalität“ scheint mehr dran zu sein, als man so ganz spontan vermutet. Auf jeden Fall ist das Ganze, wie man sieht, schon länger ein Thema. Und im Falle des Feminismus wohl auch ohne „Vernichtungsfantasien“ –> höchstens die einer Entmannung.