Großstadtgedanken

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Beitragsfoto: Skyline von New York | © Pixabay

Wenn viele heute noch an Großstädte denken, dann beziehen sie sich auf eine Begriffsbestimmung der Internationalen Statistikkonferenz aus dem Jahre 1887, die damals und heute noch gültig festlegte, dass alle Städte mit mindestens 100 000 Einwohnern auch Großstadt sind.

Wahrscheinlich sind sich alle darin einig, dass sich in den letzten knapp 150 Jahren doch so einiges verändert hat, aber auch darin, dass Menschen an lieb gewonnenen Dingen so lange wie möglich festhalten. Ein dies bezügliches Beispiel ist das mittelalterliche Stadtrecht, das heute noch für Städte gilt, die weniger Einwohner als die kleinsten Gemeinden im regionalen Umfeld haben.

Deswegen ist es wohl auch utopisch – zumindest so lange wir Europäer im Weltgeschehen noch ein Wörtchen mitzureden haben -, dass man die Grenze zur Großstadt beispielsweise auf eine Million Einwohner erhöht.

Deswegen ist es aber auch notwendig, dass man sich einmal überlegt, was so eine Großstadt eigentlich ausmacht, denn das ist es doch offensichtlich, was Hunderttausende von Menschen dazu bewegt, gerade dort leben zu wollen.

Eine Großstadt liegt grundsätzlich an einem Verkehrsknotenpunkt, der diese mit mindestens zwei weiteren Großstädten verbindet. Sollte eine Großstadt verkehrstechnisch nur an eine Großstadt angebunden sein, muss man davon ausgehen, dass es sich eher um eine Satellitenstadt handelt oder wie es die Wirtschaftswoche 2017 so schön ausdrückte, eine ideale Pendler-Lage.

Der großstädtische Verkehrsknotenpunkt sollte Land, Luft und Wasser sowie zusätzlich die Telekommunikation umfassen. Wasser könnte hierbei aus geografischen Gründen entfallen und im Bereich des Luftverkehrs könnten zwei oder auch mehr Großstädte auf einen Zentralflughafen zurückgreifen, vorausgesetzt, dass jede von ihnen eine eigenständige Anbindung besitzt. Der Flughafen Basel-Mülhausen ist ein gutes Beispiel und der Flughafen Leipzig hätte es für Berlin und Leipzig ebenfalls sein können.

Ein weiteres Beispiel dieser großstädtischen Infrastruktur ist die Verknüpfung der entsprechenden Verkehre, wobei der Personen-, Waren- und Güterumschlag möglichst optimal erfolgt.

Alleine mit diesen verkehrstechnischen Voraussetzungen ist die Chance für eine Stadt, auch Großstadt zu werden bzw. zu bleiben gegeben.

Schlecht ist es, wenn man Schienenanbindungen kappt oder ganz bewusst auf eine andere Großstadt hin ausrichtet. Schlecht ist es auch, wenn man eine vorhandene Wasseranbindung nicht auf heutige Verkehre hin optimiert. Noch schlechter ist es, wenn man die Verknüpfung der unterschiedlichen Verkehre nicht optimiert und ganz schlecht ist es, wenn die ein- und ausgehenden Verkehre durch die Stadt selbst eher behindert als verbessert werden.

Eine Großstadt benötigt darüber hinaus grundsätzlich auch ein Bildungs- und Ausbildungsangebot, das die gesamte Bandbreite und Tiefe von Bildung abbildet, einschließlich entsprechender Forschungs- und Entwicklungskapazitäten. Zum einen ist das System Großstadt inzwischen so komplex, dass man auch Menschen benötigt, die dieses System in Gänze verstehen und dann auch bewältigen können. Zum anderen ist Bildung so umfangreich und teuer, dass man dieses Angebot in Großstädten konzentrieren muss, um es möglichst vielen Menschen anbieten zu können; hierbei kommt nun die verkehrstechnische Anbindung einer Großstadt an ihr Umland voll zum Tragen.

Die Bildung ist allerdings auch das einzige Kriterium einer Großstadt, welches man wohl nicht in jeder Großstadt verwirklichen werden kann, denn im Gegensatz zu allen anderen Rohstoffen ist Intelligenz wirklich nur begrenzt vorhanden und damit ein Gut, um welches sich alle Großstädte mühen und welches letztendlich auch darüber entscheidet, wie und wohin sich eine Großstadt entwickeln wird.

Ein weiteres Kriterium einer Großstadt ist, dass diese neben der Bildung und Ausbildung weitere Angebote und Dienstleistungen zur Verfügung stellt, die man ebenfalls nicht überall in ausreichender Quantität und Qualität zur Verfügung stellen kann. Gute Beispiele sind das Gesundheitswesen, Religions-, Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen.

Darüber hinaus kommen noch Verwaltungs- und Aufgaben der nationalen Vorsorge sowie Verteidigungskapazitäten hinzu, die man ebenfalls am besten an Verkehrsknotenpunkten, ergo in Großstädten zusammenführt.

Insgesamt werden damit auch der Handel, das Gewerbe und die Industrie florieren, sodass eine Großstadt weitere Menschen anziehen wird, die entweder gleich vor Ort leben möchten oder aber das tägliche Ein- und Auspendeln mit Freude in Kauf nehmen.

Paul Hegelmaier, Heilbronner Oberbürgermeister von 1884 bis 1904, sah die Entwicklung Heilbronns etwas kritischer als ich. Wahrscheinlich, weil er einfach nur ein „Neigschmeckter“ war und sich nie so richtig mit uns Heilbronnern anfreunden konnte. Auch wenn damals die Abneigung wohl auf Gegenseitigkeit beruhte, wird seine Leistung für die Entwicklung der Stadt Heilbronn heute unumwunden anerkannt.

Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn man öfters einmal den Spiegel vorgehalten bekommt, vor allem dann, wenn man selber weniger selbstkritisch ist.

Abschied von Heilbronn

Leck mich im A…, du Stadt der Krämerseelen,
Ich blas aus dir heut meinen Abschiedsmarsch.
An Narrenstreichen wird es nie euch fehlen,
doch mehr an Licht. Leckt mich im A… .
Mein Willkomm einst war fast zu überschwenglich,
Der Abschied scheint vielleicht etwas zu barsch.
Das kommt daher: wir kannten uns zu wenig,
Jetzt aber nur zu gut. Leckt mich im A… .

Paul Hegelmaier, 1904

„Was hat Heilbronn mir gegeben? Demokratie als Lebensform. Das ist das Erbe dieser Stadt. Und was heißt Demokratie als Lebensform? Doch nur dies: dem Menschen, gleichviel wer er sei und woher er käme, als Mensch zu begegnen.“

Theodor Heuss, so zitiert im Museum in Brackenheim

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