Bilder und Schlagzeilen aus Putins Krieg … und was sie bedeuten

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Beitragsfoto: „Krieg“ | © Wendelin Jacober auf Pixabay

                                               

Beim Betrachten der schlimmen Bilder von Putins Krieg und auch beim Lesen der entsprechenden Schlagzeilen und Berichte frage ich mich: Wie lange können die Menschen in der Ukraine das Unglück ertragen, das über sie und ihre Land hereingebrochen ist ehe sie abstumpfen und versteinern um sich selbst zu schützen? Wie lange brauchen Putin und die übrigen Verantwortlichen für den Krieg noch um zu begreifen, dass sie nicht nur ihr Nachbarland zerstören sondern auch ihr eigenes? Oder haben sie ganz einfach einkalkuliert, dass auch Russland als Folge der der Sanktionen des Westens trostlosen Zeiten entgegengehen wird?  

Ein paar dieser Fragen will ich in diesem Beitrag aufgreifen. Viele Details sind noch nicht zu übersehen, viele Fragen noch nicht zu beantworten. Etwa die Frage, wie der Westen mit Putin umgehen kann und soll, wenn der heiße Krieg zu Ende ist?  

Bilder und Schlagzeilen aus Putins Krieg … und was sie bedeuten

Täglich flimmern sehr unterschiedliche aber meist bedrückende Bilder aus dem Krieg in der Ukraine über die Bildschirme. Da waren die Bilder von den Massengräbern in Butscha und andernorts, die von den Untaten der russischen Sodateska zeugen. „Folter und Mord auf Befehl“ überschrieb die Süddeutsche Zeitung einen Bericht über das, was nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region um Kiew sichtbar wurde.  „Die mutmaßlichen Gräueltaten von Butscha dürften keine Entgleisung Einzelner sein. Sie passen vielmehr zur russischen Kriegsführung, bei der blutiger Terror gegen Zivilisten fester Teil der Strategie ist. Dafür gibt es genug Beispiele.“  Allein bis Sonntag, 3.4.2022 seien nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa 410 Leichen getöteter Zivilisten gefunden worden. Der Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow sprach von angeblichen Zeichen der Videofälschungen und lehnte jede Verantwortung für die nach dem Abzug der russischen Truppen entdeckten Morde ab. Dazu steht im Bericht der Süddeutschen Zeitung: „Doch Art und Umfang der mutmaßlichen Kriegsverbrechen passen zur russischen Kriegsführung, bei der Mord, Folter und Terror gegen Zivilisten von russischen Soldaten oft mit einem Wort zusammengefasst werden: Bespredel – die Abwesenheit jeder durch Regeln reglementierten Kriegsführung. Und das selbst im eigenen Land.“ Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij stellte dazu fest: „So wird der russische Staat nun wahrgenommen werden“ (sueddeutsche.de, 4.4.2022: „Folter und Mord auf Befehl“). Schließlich sind da die Bilder verzweifelter Menschen, die fassungslos vor den Trümmern ihrer Häuser und ihrer Habe stehen und da sind die Bilder der Mütter mit ihren Kindern, die als Flüchtlinge irgendwo aus Zügen und Bussen steigen. Den Frauen ist die Angst und Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, den Kindern die Unsicherheit darüber, was ihnen gerade widerfahren ist.

Putin und die für den Überfall auf die Ukraine Verantwortlichen haben Blut an den Händen. Sie sind auch verantwortlich für das, was sie ihrem eigenen Land antun und was auf die Menschen in Russland noch zukommen wird. Auch davon gibt es Bilder und Berichte, doch es scheint, als seien diese Beschwernisse bei der russischen Bevölkerung noch nicht richtig angekommen. Putin und seine Unterstützer haben nicht nur das Blut des „Brudervolkes“ in der Ukraine an den Händen sondern auch das der eigenen Landsleute. Am 7.4.2022 räumte Kreml-Sprecher Peskow in einem Interview ein, die russischen Streitkräfte hätten in der Ukraine „bedeutende Verluste“ erlitten. Dies sei „für uns eine riesige Tragödie.“ Am 13.3.2022 nannte die russische Führung offizielle 1 351 Tote. Die ukrainische Seite schätzt mehr als 18 000 russische Opfer, wobei unklar ist, ob diese Zahl auch die Verletzten umfasst (sueddeutsche.de, 8.4.2022: „Die „riesige Tragödie“ – umformuliert zur Fußnote“).

Ein paar Tage später meldete die New York Times mit Bezug auf westliche Geheimdienste die russischen Verluste mit geschätzten 7 000 – 10 000 Toten und 20 000 – 30 000 Verwundeten. Angemerkt wurde zu diesen Zahlen, dass die großen Spannen die Unsicherheit der geschätzten Zahlen belegen (nytimes.com, 19.4.2022: „More Cautious, Russia Embarks on New Phase of Ukraine War“).

Millionen Menschen auf der Flucht

 „Ich habe nicht gedacht, dass meine Mutter Putin zweimal entkommen könnte.“

Überschrift eines Berichts der New York Times

Unter dieser Überschrift beschreibt die ukrainische Journalistin Anna Myroniuk, die als Reporterin bei der Zeitung Kiew Independent tätig ist, in einem Gastbeitrag in der New York Times das zweifache Flüchtlingsschicksal ihrer Mutter, das 2014 in der Ostukraine begann. Als die von Russland unterstützten Separatisten vor acht Jahren in der Region Donezk den Krieg anzettelten, floh die Lehrerin in die Westukraine, wo ihre damals 20 Jahre alte Tochter gerade im Studium stand und fand  dort eine neue Stelle.  Sie ließ sich in Butscha nieder – in jenem Vorort von Kiew, aus dem die Welt jüngst erfahren musste, dass das russische Militär Zivilisten folterte und ermordete und abscheuliche Gräueltaten begangen hatte.

Anna Myroniuks Mutter wollte zunächst bleiben, wollte nicht ein zweites Mal vertrieben werden, und als sie schließlich einsehen musste, dass sie nicht bleiben konnte, war es zu spät: Die russischen Truppen hatten Butscha eingenommen. Sie verbrachte 10 Tage im Keller, ohne Elektrizität, Heizung und Wasser und bei knapper werdenden Lebensmitteln. Schließlich gelang es ihr, über einen humanitären Korridor in die Hauptstadt Kiew zu ihrer Tochter zu gelangen. „Am nächsten Tag setzte ich sie in einen Zug; sie ist nun bei Verwandten in der Westukraine – erneut eine Vertriebene innerhalb des eigenen Landes. Sie hat ihren Job und ihre Heimat zweimal verloren. Aber sie hatte das Glück, am Leben zu bleiben, im Gegensatz zu hunderten ihrer Nachbarn, die in Massengräbern in Butscha begraben sind.“ 

Anna Myroniuk erwartet nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Gegend um Kiew nun die Schlacht um den Donbass: „Der Krieg, der vor acht Jahren im Osten begann, kehrt nun zu seinem Höhepunkt dorthin zurück.“ (nytimes.com, 17.4.2022: „I Didn’t Think My Mother Would Escape Putin Twice“; Gastbeitrag von Anna Myroniuk).

An Zynismus und Menschenverachtung nicht zu überbieten ist die Auszeichnung Putins für die 64. Motorschützenbrigade. Die Ukraine wirft dieser Einheit schwerste Kriegsverbrechen in Butscha vor (Quelle:  Liveblog „Krieg in der Ukraine“ der Süddeutschen Zeitung am 19.4.2022).

Flüchtlingszahlen: Nach Angaben der UN wurden durch den Krieg bereits 10 Millionen Menschen – knapp ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung – aus ihren Häusern vertrieben. 3,4 Millionen haben das Land verlassen  (Heilbronner Stimme, 21.3.2022: „Zehn Millionen Menschen auf der Flucht“).

Am 20.4.2022 meldete die ARD-Tagesschau die Zahl von 12 Millionen Flüchtlingen.

„Ein symbolträchtiger Schlag“

Überschrift der Süddeutschen Zeitung zum Untergang des Raketenkreuzers „Moskwa“ 

Das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, der Raketenkreuzer „Moskwa“ ist am 14.4.2022 gesunken. „Russland kann das Jahrzehnte alte, mit Orden ausgezeichnete und mehrmals modernisierte Schiff nicht einfach ersetzen. Dieses Schiff steht symbolhaft für andere überraschende Verluste in diesem Krieg und dafür, wie verwundbar die übermächtige Streitmacht immer wieder ist“, schrieb dazu Frank Nienhuysen in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung (sueddeutsche.de, 15.4.2022: „Ein symbolträchtiger Schlag“).

Ähnlich formulierte auch die New York Times: „Der Untergang des Schiffes ist von symbolischer, diplomatischer und militärischer Bedeutung … Der Verlust ist ein für Russland schmerzhaftes Symbol, hat aber auch praktische Auswirkungen auf den Krieg. Die Raketen, die für die Ukraine bestimmt waren, liegen nun auf dem Grund des Schwarzen Meeres“ (nytimes.com, 15.4.2022: „Prized Russian Ship Was Hit by Missiles, U. S. Officials Say“).

„Der Verlust des Flaggschiffs der russischen Schwarzmeerflotte kommt dem Verlust eines Kronjuwels gleich“, zitierte die New York Times Ktarzyna Zysk vom norwegischen Institut für Verteidigungsstudien in Oslo. „Ein ernsthafter Prestigeverlust, der wohl auch Putin persönlich getroffen hat, nachdem er sehr viel Wert auf den Wiederaufbau Russlands zur großen Seemacht gelegt hat.“

Eine interessante Anmerkung machte dazu der US-Admiral James G. Foggo III„Sie (die Russen) glaubten, sie könnten im Schwarzen Meer herumschippern wo immer sie wollten. Sie mussten etwas anderes erfahren.“ Der „Moskwa“ wäre ein wichtiger Part beim russischen Angriff auf die Hafenstadt Odessa zugekommen. Sie hätte die Landungsoperation der Marine-Infanterie mit Raketen decken sollen. Als Folge der Versenkung der „Moskwa“ wurden andere russische Schiffe von der ukrainischen Küste zurückgezogen.  „Je weiter die russischen Schiffe von der Küste entfernt liegen, desto weniger können sie einen Angriff auf ukrainische Städte unterstützen. Die ukrainischen Neptun-Raketen haben eine Reichweite von 190 Meilen, ca. 300 Kilometer. Die Verteidigung von Odessa hat für die Ukraine oberste Priorität. (Ergänzend ist zu vermerken, dass den Russen das Nachschieben eines ähnlichen Schiffes ins Schwarze Meer nicht möglich ist, nachdem die Türkei die Durchfahrt am Bosporus gesperrt hat).

Wie so oft in diesem Krieg gibt es auch zum Untergang der „Moskwa“ widersprüchliche Meldungen der beiden Seiten. Zunächst wurde von russischer Seite mitgeteilt, an Bord des Schiffes sei ein Feuer ausgebrochen und es sei dann im Sturm gesunken. Dem gegenüber meldete die ukrainische Seite, die „Moskwa“ sei durch ukrainische Neptun-Raketen versenkt worden. Diese Version wird von offizieller amerikanischer Seite unterstützt. Die New York Times  veröffentliche dazu eine Karte des Seegebiets zwischen der Halbinsel Krim und der ukrainischen Südküste und zeichnete darauf die Bewegungen der „Moskwa“ ein. Demnach lag das Schiff am 7.4.2022 im Hafen von Sewastopol, wurde am 10.4.2022 in Hafennähe auf See gesichtet und befand sich am 12.4.2022 etwa 75 Nautische Meilen vor Odessa. Getroffen wurde die „Moskwa“ nach diesem Bericht von zwei ukrainischen Raketen 65 Nautische Meilen südlich von Odessa (Zitate und Angaben aus nytimes.com, 15.4.22: „Prized Russian Ship Was Hit by Missiles, U.S. Officials Say“).

„Warum eine Staatspleite Russlands immer wahrscheinlicher wird“

Überschrift eines Berichts der Süddeutschen Zeitung

„Russland hat seine Auslandsschulden erstmals in Rubel statt in US-Dollar beglichen. Insgesamt geht es um fällige Zahlungen in Höhe von rund 650 Millionen Dollar. Den eigentlich in Dollar zu zahlenden Betrag überwies das russische Finanzministerium diesmal in Rubel, nachdem eine amerikanische Korrespondenzbank sich – auf Anordnung des US-Finanzministeriums – geweigert hatte, die Zahlungsanweisung in der US-Währung auszuführen. Es besteht nun die Gefahr, dass Russland nach einer Frist von 30 Tagen von den Ratingagenturen als zahlungsunfähig eingestuft wird. Der Kreml darf Dollar-Schulden nicht in Rubel begleichen so steht es in den Anleiheverträgen.“ So beschreibt die Süddeutsche Zeitung die komplexe Situation, vor der Russland aufgrund der westlichen Sanktionen steht  (sueddeutsche.de, 6.4.2022: „Warum eine Staatspleite Russlands immer wahrscheinlicher wird“). Es ist jedoch zu vermuten, dass dieses Problem für Putin lediglich ein Nebenkriegschauplatz sein wird. 

Schon vor Beginn der russischen Invasion am 24.2.2022 hat der Westen ein Bündel unterschiedlicher Sanktionen gegen Russland vereinbart und anschließend in Kraft gesetzt. Ziel der Maßnahmen ist es, Russland für den völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine zu bestrafen und die Führung des Landes derart unter Druck zu setzen, dass sie den Krieg gegen das Nachbarland beendet und seine Truppen zurückzieht. Putin hat mit dieser Geschlossenheit des Westens auf Grund früherer Erfahrungen offenbar nicht gerechnet; hier liegt eine seiner Fehleinschätzungen. Die EU hat am 7.4.2022 das fünfte Sanktionspaket in Kraft gesetzt und auch die Vereinigten Staaten steigern den Druck mit dem Ziel, Russland vom internationalen Finanzsystem abzuschneiden. Die amerikanische Finanzministerin Janet L. Yellen – sie war früher die Chefin der amerikanischen Notenbank – erklärte dazu: „Unser Ziel war von Anfang an, Russland möglichst viele Schmerzen zu bereiten, während wir gleichzeitig alles tun, um die Vereinigten Staaten und ihre Partner vor unnötigem wirtschaftlichen Schaden zu bewahren.“ Am 6.4.2022 schnitten die Vereinigten Staaten der Sberbank, dem größten russischen Finanzinstitut und der Alfa Bank, einer der größten russischen Privatbanken, den Zugang zum amerikanischen Finanzsystem vollständig ab. Bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus plädierte Janet L. Yellen für eine weitere Isolierung Russlands auf der internationalen Bühne, etwa den Ausschluss aus der Runde der G 20. Die USA sollten am nächsten G 20-Treffen nicht teilnehmen, falls Russland anwesend ist (Hintergrundinformationen und Zitate aus nytimes.com, 6.4.2022: „Yellen says the aim is ‚maximum pain’ for Russia without hurting the U.S. economy“).

Was das Sanktionsregiment am Ende bewirken wird ist schwer vorherzusagen. Offen bleibt auch die Frage, was noch geschehen muss, um Putin und seine Führungsriege im Kreml zu einer Kursänderung zu bringen.  Der Mann, der innerhalb einer Woche den Einmarsch seiner Truppen in Kiew erwartet hatte, ist offenbar nicht mehr fähig und in der Lage, nach über sieben Wochen Krieg und Zerstörung eine Entscheidung zum Waffenstillstand und in Richtung Frieden zu treffen. Umgeben von Ja-Sagern scheint Putin zum Getriebenen des Kriegs geworden zu sein. Erklärendes Verständnis für seine Aktionen oder gar Mitleid hat er nicht verdient. Am 19.4.2022 begann die russische Großoffensive im Osten der Ukraine. Am 22.4.2022 nannte Rustam Minnekalew, der Vize-Kommandeur des zentralen Militärbezirks Russlands nach einer Meldung russischer Medien als Ziel der Invasion die vollständige Kontrolle über den Donbass im Osten der Ukraine und über den Süden mit den Schwarzmeerhäfen. Zwischen der Krim und dem Donbass solle ein Landkorridor entstehen (sueddeutsche.de, 22.4.2022: „Moskau will Osten und Süden kontrollieren“).

Russlands Wirtschaft bekommt Sanktionen zu spüren“, lautet die Überschrift eines Berichts der Süddeutschen Zeitung. Darin wird Elvira Nabiullina, die Chefin der russischen Notenbank mit der zukunftsträchtigen Aussage vom 18.4.2022 zitiert: „Der Zeitraum, in dem die russische Wirtschaft von Reserven leben kann, ist endlich.“ Bereits im Frühjahr und Sommer werde eine Phase des Strukturwandels und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen beginnen müssen. Die Sanktionen hätten sich bisher vor allem auf den Finanzmärkten ausgewirkt. „Aber jetzt werden sie sich zunehmend auch auf die Wirtschaft auswirken.“ Nabiullina nannte dazu Zahlen: „Durch die ausländischen Sanktionen wurden etwa 300 der insgesamt 640 Milliarden großen Gold- und Devisenreserven eingefroren.“ Dagegen seien rechtliche Schritte geplant. Einzelheiten dazu nennt der Bericht nicht. Genannt wird jedoch die aktuelle Teuerungsrate in Russland: Sie liegt mit 17,49 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren (sueddeutsche.de, 18.4.2022: „Russlands Wirtschaft bekommt Sanktionen zu spüren“).

Die gleichen Aussagen und Zahlen meldet auch die New York Times und ergänzt mit einer Aussage des Moskauer Bürgermeisters Sergei S. Sobyanin: In der russischen Hauptstadt mit 13 Millionen Einwohnern wird befürchtet, dass durch die zu erwartenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten etwa 200 000 Menschen arbeitslos werden. Der Bürgermeister kündigte ein 40 Millionen Dollar Programm an, um den von ausländischen Firmen entlassenen Menschen zu helfen, vorübergehende Arbeitsplätze und neue Jobs zu finden.

Putin selbst ist zuversichtlich, dass die Sanktionen des Westens ihr Ziel verfehlen werden: „Die Strategie eines wirtschaftlichen Blitzkriegs ist gescheitert.“ Entsprechende Botschaften verbreitet auch die staatliche Propagandamaschine. Doch im Bericht der New York Times wird mit Blick auf die Aussagen der Notenbankchefin und des Moskauer Bürgermeisters darauf verwiesen, dass die Reaktionen der russischen Bevölkerung auf die Ukraine-Invasion mit darüber entscheiden werde, ob sich Putins Klammern an der Macht verfestigen oder die Unterstützung für den Krieg schwächer werden wird (Informationen und Zitate aus nytimes.com, 18.4.2022: „Bleak assessments of the Russian economy clash with Putin’s rosy claims“).

Bis jetzt, so schließe ich aus den hier dargestellten Schilderungen, ist die Schlacht um die Köpfe und Herzen der russischen Bevölkerung noch nicht entschieden. In einem ausführlichen Bericht der New York Times wird die Unsicherheit der Menschen bei der Betrachtung und Bewertung des Krieges beschrieben: „Sechs Wochen nach Präsident Vladimir V. Putins Invasion der Ukraine bleibt vielen Russen der Umfang der Verluste ihres Landes noch immer im Dunkeln – und so auch das Blutbad und die brutalen Gräueltaten, die ihr Militär beim Rückzug im Norden begangen hat. In wachsendem Maß erscheint jedoch die Wirklichkeit des Krieges im Alltag der Familien; wenn Todesnachrichten und die schwarzen Leichensäcke ankommen hinterfragen manche … den Sinn des Krieges. 

Wie schwer es der russischen Führung fällt, über die Opferzahlen zu berichten, zeigt das Hin-und-Her nach dem Untergang der „Moskwa“. Ursprünglich wurde gemeldet, die gesamte, mehr als 500 Mann umfassende Crew sei gerettet worden. Diese Meldung war nicht zu halten, vor allem nicht, nachdem offizielle verlautete, das Schiff sei am 14.4.2022 im Sturm gesunken. Anfragen von Angehörigen bei verschiedenen Stellen wurden zum Teil widersprüchlich beantwortet. Anna Syromaysova, die Mutter eines für vermisst gemeldeten Seemanns, erklärte einer unabhängigen russischen Nachrichtenagentur: „Sie sagen uns gar nichts. Es gibt keine Listen. Wir müssen selbst danach suchen.“ Häufig erhielten Angehörige die Auskunft, der Gesuchte sei „vermisst“. Anfragen ausländischer Agenturen werden von den Angehörigen nur sehr vorsichtig oder gar nicht beantwortet. 

Am 19.4.2022 erklärte der Kremlsprecher Dimitri Peskow, er sei nicht befugt, irgendwelche Informationen über vermisste Seeleute zu geben, dafür sei das Verteidigungsministerium zuständig. Der Vater eines Vermissten postete auf VKontakte, dem mit Facebook vergleichbaren russischen System die Frage: „Wie kommt es, dass die Leute auf See als vermisst gemeldet werden?!!! Ich fragte ganz direkt, warum die Offiziere am Leben sind und mein Sohn, der eingezogen wurde, ist tot?“ (nytimes.com, 21.4.2022: „With sunken warship, Russian disinformation faces a test“). 

Solche und ähnliche Fragen werden sich mit der Fortdauer des Krieges immer weniger unterdrücken lassen.  Allerdings gibt es auch eine gegenteilige Wirkung: Die Nachrichten über die Opfer bestärken bei anderen die Entschlossenheit, die Ukraine zu besiegen und Putin im Konflikt mit dem Westen zu unterstützen“  (nytimes.com, 6.4.2022: „More Russians Consider Costs of War in Ukraine as Casualties Mount“). 

Mit entscheidend für die Einstellung der Bevölkerung wird auch sein, wie lange es Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – wie etwa der Notenbankchefin oder dem Bürgermeister von Moskau – möglich und erlaubt ist, hinter Aussagen und Entscheidungen des Kremlchefs ein Fragezeichen zu setzen. Das Wort „Krieg“ in der Berichterstattung zu verwenden ist Journalisten bei Strafe verboten, öffentliche Demonstrationen gegen den Krieg wurden mit harter Polizeigewalt unterbunden und mit Strafen belegt. Die Propagandamaschine hat inzwischen eine weitere Zielgruppe entdeckt: Kinder im Kindergarten, die Schulen und die Universitäten. In Russland wurde ein neues Schulfach eingeführt: „Gespräche über das Wichtigste“ – dabei geht es jeden Montag um die „Spezialoperation“ in der Ukraine. Die Süddeutsche Zeitung berichtet darüber unter der Überschrift „Verordnete Liebe zum Vaterland“: „Nationalhymne singen, Flaggen hissen, nun noch ein neues Schulfach: Mit „patriotischer Erziehung“ versucht die russische Regierung, Schüler und Studenten zu indoktrinieren. Lehrer, die nicht mitziehen, müssen ihren Rauswurf fürchten – und Schlimmeres.“ Im Bericht wird eine Schuldirektorin zitiert, die ihre Lehrer ermahnte, „dass wir keine eigene Meinung haben dürfen, weil der Staat uns bezahlt.“ (sueddeutsche.de, 21.4.2022:  „Verordnete Liebe zum Vaterland“).

Ich kann mich an ähnliche Veranstaltungen aus meiner Schulzeit erinnern, die im Herbst 1942 an der Rosenauschule in Heilbronn begann: Antreten im Schulhof zum Fahnenappell. Was der Schulrektor dabei vortrug, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Vielleicht hat er uns vom bevorstehenden Endsieg erzählt, doch den gab es nicht. Und nicht alle, die damals auf dem Hof der Rosenauschule mit dabei waren, haben den Krieg überlebt. Für die, die überlebten wurde später klar, dass diese „Fahnenhisser“ unsere Kindheit und Jugend unsäglich versaut hatten. Wie sich die Lehrerinnen und Lehrer dabei fühlten, haben sie uns nicht gesagt. Unsere Klassenlehrerin in der 2. Klasse hat uns immer wieder in die Heilbronner Altstadt geschickt um markante Gebäude anzusehen und zu beschreiben. Ich erinnere mich an eine dieser Aufgaben:  Beschreibung des Kirchbrunnens bei der Kilianskirche. Vielleicht ahnte unsere Lehrerin, was der Heilbronner Altstadt und den Menschen die dort wohnten am 4. Dezember 1944 widerfahren würde. Unsere Lehrerin ist beim Fliegerangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 ums Leben gekommen …

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mich über Russland schämen müsste.“

Olga Smirnova, Star-Ballerina und früheres Mitglied des Bolschoi-Balletts

„I never thought I would be ashamed of Russia, but now I feel that a line has been drawn that separates the before and the after”. So beschreibt die weltberühmte Ballerina Olga Smirnova – bis vor kurzem Mitglied des Bolschoi-Balletts in Moskau – ihre Bestürzung und Scham über den Krieg ihres Landes gegen die Ukraine.  Zu Beginn des Krieges hielt sich Olga Smirnova in Dubai auf, um eine Knieverletzung auszukurieren.  Angesichts der Brutalität und der Unterdrückung abweichender Meinungen in Russland wurde ihr klar, dass sie nicht nach Hause zurückkehren konnte. „Wollte ich nach Russland zurückgehen, müsste ich meine Ansichten über den Krieg grundlegend ändern. Eine Rückkehr wäre offensichtlich gefährlich.“ Die Ballerina übersiedelte nach Amsterdam und hat sich dem dortigen Nationalballett angeschlossen.

In der New York Times wird ausführlich beschrieben, was dieser Weggang für das kulturelle Ansehen Russland bedeutet: „Der Weggang von Frau Smirnova ist ein Schlag für den Stolz eines Landes, in dem – seit der Zeit der Zaren – das Ballett eine übergroße Bedeutung als nationales Kleinod, als kulturelles Exportgut und als Werkzeug der sanften Macht war. Ihr Weggang ist eines deutliches Zeichen dafür, wie die russische Invasion der Ukraine das Ballett auf den Kopf gestellt hat, weil nun prominente Künstler namhafte russische Tanzkompanien meiden; westliche Theater sagen Vorstellungen des Bolschoi und des Mariinski ab; und die Tanzkunst in Russland, die sich in den Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Welt geöffnet hatte, scheint sich wieder nach innen zu wenden.“   

Doch Putin nimmt nicht nur in Kauf, dass viele Menschen – und zwar auf beiden Seiten – getötet und verwundet werden, dass unsägliches Flüchtlingsleid entsteht, dass Städte und Dörfer und die Lebensgrundlage der Menschen in der Uktraine zerstört werden. Er nimmt auch in Kauf, dass eine wichtige Lebensader der Kunst und Kultur, der gegenseitige Austausch, die gegenseitige Begegnung und dadurch die gegenseitigen Anregungen gestoppt werden. Die russische Kunst und Kultur wird isoliert und immer dünner werden und ihren Ruf in der Welt verlieren.

„Wir kehren zurück in die Zeit des Kalten Krieges“, stellt Ted Brandsen, der künstlerische Leiter des Niederländischen Nationalballetts und neue Chef von Olga Smirnova fest und verweist auf die Zeit, als Ballettgrößen wie Rudolf Nureyev, Mikhail Baryshnikov und Natalia Makarova die Sowjetunion verließen.  Ähnlich wie damals, so berichtet Brandsen, kämen heute täglich russische Tänzer zu ihm und erklärten: „Ich kann mich in diesem Land als Künstler nicht entfalten.“ Das Ballett, so schreibt der Journalist Alex Marshall in der New York Times, sei lange Zeit ein Symbol der russische Kultur gewesen; „und nun wird es zum Symbol der russischen Isolation“ (Zitate und Hintergrundinformationen aus nytimes.com, 15.4.2022: „War Brings New Iron Curtain Down on Russia’s Storied Ballet Stages“).

Den Exodus aus der Kunst und Kultur in Russland vollziehen nicht nur russische Künstlerinnen und Künstler.  Die New York Times berichtet über die Ausreise des Amerikaners Gavriel Heine, der 15 Jahre als Dirigent am Mariinsky Theater in St. Petersburg gewirkt hat und dort an hunderten Vorstellungen, zum Beispiel an Klassikern wie „Schwanensee“ mitwirkte. Heine war 1998 der erste amerikanische Absolvent des Moskauer Konservatoriums. Den Durchbruch schaffte er 2007, als er Valerie Gergiev, den Generaldirektor und künstlerischen Leiter des Mariinsky Theaters nach der Möglichkeit einer Tätigkeit dort ansprach und daraufhin zum Debüt mit Mozarts „Hochzeit des Figaro“ eingeladen wurde. Im Jahr 2009 wurde Heine zum festen Dirigent berufen und stand seither bei über 850 Aufführungen am Pult. Doch Valery Gergiev hat einen besonderen Freund im russischen Staatsapparat: Er und Vladimr Putin kennen sich seit 1990, und diese Bekanntschaft hat Gergiev auch für das Mariinsky nutzen können. „Ich nehme an, dass die Kultur – aus welchem Grund auch immer – für die Regierung eine Priorität hat“, wird Heine in der New York Times zitiert.  Nach und nach habe er verstanden, dass die Künste und der Staat in Russland unerbittlich verbunden seien.  Hier ist wieder von jenem Putin-Freund Valery Gergiev die Rede, der vor kurzem auch in Deutschland in die Schlagzeilen geriet, weil er sich geweigert hatte, den russischen Krieg gegen die Ukraine öffentlich zu verurteilen und daraufhin aus dem Engagement bei den Münchener Philharmonikern entlassen wurde.  Anders als seinen Chef Valery Gergiev hat dieser Krieg den heute 47jährigen Gavriel Heine tief erschüttert, denn er war von 2003 – 2007 auch Chefdirigent des Sinfonieorchesters von Charkiw in der Ukraine. Sein Fazit: „Russland ist nicht das Land, in dem ich meinen Sohn aufwachsen sehen möchte. Es ist nicht das Land, in dem meine Frau leben sollte. Es ist nicht das Land, in dem ich noch länger sein möchte.“ 

Gavriel Heine hat davon gesprochen, dass die Kultur – aus welchem Gründ auch immer – für die russische Regierung eine besondere Bedeutung hat. Die Antwort hat der russische Präsident vor Kurzem selbst gegeben als er Valery Gergiev fragte, was er von der Idee halte, das Bolshoi-Theater in Moskau mit dem Mariinsky-Theater in St. Petersburg zusammenzuschließen und damit in die Zeiten der Zaren zurückzukehren? Mit einem Mann wie dem Putin-Freund Gergiev an der Spitze würde damit in Wirklichkeit der Kreml diese neue Institution übernehmen und den Spielplan bestimmen. Dies würde der Macht und dem Ansehen des Präsidenten ungemein nützen (Zitate und Informationen aus nytimes.com, 18.4.2022: „Citing Ukraine War, an American Resigns From Russia’s Mariinsky“).   

Eine Frage zum Schluss: Und was kommt nun?

In diesem Papier habe ich über einige Details und Folgen von Putins Krieg geschrieben. Dabei lagen mir Kunst und Kultur besonders am Herzen – sie stehen in den Schlagzeilen gegenwärtig nicht an erster Stelle.  Allerdings gibt es durchaus Überschriften wie „Die Kunst verliert“ – in dem Bericht der Süddeutschen Zeitung wird festgestellt: „Der Krieg in der Ukraine zerstört auch die Zusammenarbeit zwischen russischen und westlichen Museen, ganze Sammlungen verschwinden“ (sueddeutsche.de, 7.4.2022). Auch Claudia Roth, die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung sieht diese Gefahren. Die Heilbronner Stimme überschrieb ihr Interview mit Claudia Roth mit „Das ist ein Putin-Krieg, kein Puschkin-Krieg“ (Heilbronner Stimme, 13.4.2022).

Die alles entscheidenden Fragen, etwa wie dieser Krieg zu Ende gehen kann und wird, oder wie die neue Ordnung in Europa dann aussehen wird, vermag ich nicht zu beantworten. Ob es in absehbarer Zeit eine neue Periode des Friedens in Europa geben wird, wie wir sie seit langem hatten, ist fraglich. „Putin’s War in Ukraine Shatters an Illusion in Russia“, lautet eine Überschrift der New York Times. Die Rede ist in dem Bericht von der früher von vielen Russen gepflegten Einstellung: „Halte dich raus aus der Politik und lebe dein Leben wie es geht“. Das Einkommen der Durchschnittsbevölkerung habe sich in der letzten Dekade zwar wesentlich erhöht aber gleichzeitig sei das politische System mehr und mehr in eine autoritäre Richtung abgedriftet, schreibt die Journalistin Sabrina Tavernise (nytimes.com, 9.4.2022). 

Doch nicht nur die Illusionen in Russland hat dieser Krieg zerstört, auch die Illusionen außerhalb Russlands haben keinen Bestand mehr. „Der Präsident Russlands ist verrückt? Das glaubt ihr vielleicht. Er und seine Anhänger glauben das nicht. Jede und jeder in Europa muss wissen: Es geht hier um uns alle, ganz persönlich“, schreibt Wladimir Sorokin, der bedeutendsten zeitgenössische Schriftsteller Russlands in der Süddeutschen Zeitung (sueddeutsche.de, 22.4.2022: „Unser Krieg“; Gastbeitrag von Wladimir Sorokin). Ein klein wenig Optimismus spricht aus der Überschrift eines weiteren Gastbeitrag von Sorokin in der Süddeutschen Zeitung: „Putin ist geliefert“ – Putins Regime wird zusammenbrechen. Dieser Krieg ist der Anfang vom Ende“ (sueddeutsche.de, 26.2.2022: „Putin ist geliefert“; Gastbeitrag von Wladimir Sorokin).   

„Auch den Krieg muß man als ein Naturereignis betrachten.“

Otto Dix, Notiz auf Seite 107 seines Kriegstagebuchs aus dem Ersten Weltkrieg

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  • Lieber Herr Müller, als alter Haudegen hätte ich bei Krieg an Kultur selber zuletzt gedacht. Deshalb freut es mich, das Ganze aus einer anderen Perspektive heraus betrachtet zu bekommen. Allerdings bin ich nicht so optimistisch wie Wladimir Sorokin, denn es kommt darauf an, wie Europa auf diesen Krieg reagiert.

    Und derzeit sieht es nicht gut aus, da unsere Politiker immer noch zuerst an sich selber und ihre ganz persönlichen Interessen denken. So können die USA vielleicht den „heißen“ Krieg beenden, der Krieg geht dann aber erst in Europa so richtig los. Und ob die Demokratie in Europa als Sieger vom Platz geht, steht aktuell völlig in den Sternen.

    • Lieber Herr Kümmerle,
      vielen Dank für Ihre Anmerkungen und Ergänzungen zu meinem heutigen
      Papier. Kunst und Kultur im Krieg — ein unerschöpfliches Thema;
      vielleicht hätte ich meine Betrachtungen ergänzen sollen mit dem, was
      Kunst und Kultur und vielen Künstlern und Schriftstellern nach 1933 in
      Deutschland angetan wurde.

      Schon in jungen Jahren habe ich mich damit beschäftigt, vor allem die
      Geschichte des Films hat mich interessiert. Ich war fasziniert von der
      zunächst bei Rowohlt herausgekommenen Fassung des Buches „Von Caligari
      bis Hitler“ von Siegfried Kracauer (1889 – 1966). Aus einer jüdischen
      Familie stammend musste Kracauer Deutschland verlassen um sein Leben zu
      retten. Im Caligari-Buch hat er untersucht, wie im Film der Weimarer
      Zeit bereits angelegt war, was später tatsächlich geschah: Teile der
      Bevölkerung waren bereit, einen Diktator zu akzeptieren. Die
      erfolgreichen Filme jener Zeit waren nicht der Grund für Hitlers
      Aufstieg, sie zeigten aber an, in welche Richtung viele Leute
      programmiert waren. Kracauer hat damit die Filmsoziologie begründet.

      In meinem heutigen Papier habe ich mit ein paar Beispielen den Exodus
      von Künstlern aus Stalins Sowjetunion und Putins Russland beschrieben
      und unter anderem Gavriel Heine, den langjährigen amerikanischen
      Dirigenten des Maiinsky-Theaters in St. Petersburg zitiert: „Russland
      ist nicht das Land, in dem ich noch länger sein möchte.“ Auch aus
      Deutschland gab es nach 1933 einen ähnlichen Weggang von Künstlern; auch
      von Wissenschaftlern und Schriftstellern, in die Emigration. Aus der
      Filmbranche waren darunter Fritz Lang, Conrad Veidt, Billy Wilder, Lili
      Palmer, Peter Lorre, Marlene Dietrich, um nur ein paar zu nennen. In
      Hollywood entstand damals eine Kolonie deutscher Emigranten. Nur ein
      Teil davon ist nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurückgekehrt.

      Mir ist der Anblick des ausgebrannten Heilbronner Stadttheaters in
      prägender Erinnerung geblieben. Begeistert hat mich aber auch, über die
      Schauspieltruppe um Fritz Wilde zu lesen, die nach dem Krieg in
      Heilbronn wieder Theater machten. In der Tat: Kunst und Kultur im
      Krieg — ein immer wieder neues Thema.

      Beste Grüße
      Hans Müller

      • Lieber Herr Müller, dieser Aspekt „Teile der Bevölkerung waren bereit, einen Diktator zu akzeptieren. Die erfolgreichen Filme jener Zeit waren nicht der Grund für Hitlers Aufstieg, sie zeigten aber an, in welche Richtung viele Leute programmiert waren.“ ist gerade heute sehr interessant, da man vermuten kann, dass die Sozialen Medien noch mehr Einfluss haben als die Filme von damals.