Kirchenbesuche

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Beitragsfoto: Militärlager in Afrika

Da das Christentum die Menschheit schon eine ganze Weile begleitet, ist es eigentlich fast überall auf der Welt möglich, auch einen solchen Gottesdienst besuchen zu können — vielleicht nicht gerade einen der eigenen Konfession aber auf jeden Fall einen christlichen Gottesdienst.

Wenn man als Soldat im Ausland tätig ist, kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass man auch von Pfarrern oder Priestern begleitet wird. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, was leider vielen erst vor Ort klar wird — und wenn man Monate lang von zuhause weg ist, durchaus auch dazu führen kann, dass man die eigene Gläubigkeit ganz neu bewertet.

Vor ein paar Jahren konnte ich es leider nicht durchsetzen, dass meine Mitarbeiter und ich bei einem Einsatz in Schwarzafrika auf zumindest einen Pfarrer zurückgreifen konnten. Zugegebener Maßen haben wir dies zumindest in den ersten Wochen auch nicht sehr vermisst — die Herausforderungen waren einfach zu zahlreich.

Als wir uns dann aber vor Ort etabliert hatten und außer sehr viel Landschaft nur noch mehr Gegend vorhanden war, begrüßten wir es sehr, dass wir in der „Nachbarschaft“ eine Kirche fanden, die bei uns wenigstens sonntags für etwas Abwechslung sorgen konnte.

Und als auch ich mich ein paar Wochen später und gut eine Tagesreise von den meisten meiner Mitarbeiter entfernt, ebenfalls so zurecht gefunden hatte, dass ich glaubte, mir doch den einen oder anderen Sonntagmorgen freischaufeln zu können, suchte auch ich mir in der Nähe meiner Unterkunft eine Kirche.

Diese fand ich sogar gleich in der Nähe und pilgerte sonntags sehr früh dorthin, denn durch die Lautsprecherbeschallung einer Moschee in der Nachbarschaft wurde nicht nur ich geweckt, sondern auch ein sehr großes und vor allem sehr lautstarkes Vogelpaar, welches direkt vor meinem Fenster wohnte und sich immer und sehr lange über den Vorbeter beschwerte, so dass ausschlafen keine Alternative war. Unter der Woche konnte man sich gleich an die Arbeit machen, sonntags dann gleich auf den Weg zur Kirche.

Der Vorteil dieser Kirche war dabei, dass zumindest die sonntäglichen Gottesdienste stets in Schichten stattfanden, wobei die Kirche jedesmal bis auf den letzten Platz gefüllt war. Weniger gut waren dabei die Zeitangaben, welche der Kirchengemeinde eher als grober Anhalt dienten.

So konnte ich anhand der Prozessionsaufstellung vor der Kirche sehen, wie lange es noch bis zum nächsten Gottesdienst dauert und mich dann entscheiden, ob ich mich noch in den laufenden Gottesdienst begebe oder auf den kommenden warte.

Die ersten Gottesdienste, welche immer gut zwei Stunden dauerten, verbrachte ich noch hinten in der Kirche, um als einziger Weißer nicht ganz so aufzufallen, verlor aber immer mehr die Scheu und ergatterte mir schließlich, der Bequemlichkeit wegen, doch einen Sitzplatz inmitten der Gemeinde. Was übrigens einmal dazu führte, dass ein kleines, hinter mir sitzendes Mädchen während der Predigt meinen Jackenärmel zurückschob, um zu gucken, ob mein Arm ebenfalls weiß ist. Als ich mich umdrehte und dem Mädchen in die Augen sah, verfiel es in einen Schreikrampf und die sonst sehr laute Kirche war plötzlich mäuschenstill. Die Mutter beruhigte es und die Predigt ging weiter. Kurz darauf schob das kleine Mädchen mein Hosenbein hoch und ich wagte es nicht mehr nach hinten zu schauen.

Bis auf den Frühgottesdienst folgte jeder Gottesdienst derselben Ordnung. Der Platz vor der Kirche war voll und die Menschen unterhielten sich. Bevor die Pfarrer, die Musikkapelle, andere Ehrenamtliche und die Gemeinde selbst feierlich aus der Kirche auszogen, versammelte sich die gleiche Prozession vor der Kirche, um nach dem Auszug der ersten genauso feierlich in die Kirche einzuziehen. Manche Pfarrer begleiteten dabei mindestens zwei Gottesdienste, was ich mitbekam, wenn ich mich zu spät in den Gottesdienst begeben hatte und dann gleich noch den nächsten mitverfolgte.

Da die Gottesdienste hauptsächlich in einer oder mehreren afrikanischen Sprachen stattfanden, konnte ich dem Ganzen inhaltlich nur schwer folgen, was aber weniger tragisch war, da die Musik und der Gesang immer dominierten. Und auch sonst herrschte gewöhnlich in den Reihen der Gemeinde Trubel, was manchmal den Eindruck erweckte, dass Pfarrer und Ehrenamtliche vorne einen anderen Gottesdienst feiern als der Rest der Gemeinde in den hinteren Reihen.

Manchmal kam es sogar vor, dass plötzlich ein Gemeindeglied schreiend, mit Armen und Beinen wedelnd und am ganzen Körper zittern nach vorne eilte und einer der Pfarrer so eine Art „Teufelsaustreibung“ vollführte, wobei dann die gesamte Gemeinde in eine Art Ekstase geriet.

So waren auch nach ein paar Monaten die zweistündigen Gottesdienste immer schneller vorbei als so mancher Gottesdienst bei uns. Auch blieben meine Besuche nicht unbemerkt, und so war es nur eine Frage der Zeit, dass ich nach dem Gottesdienst die Einladung zur gleich darauf folgenden Bibelstunde erhielt, was meinen sonntäglichen Kirchgang auf gut vier Stunden ausdehnte.

Anfangs waren diese Bibelstunden eine ganz besondere Erfahrung, denn die Teilnehmer analysierten unter Anleitung eines Pfarrers ein Kapitel nach dem anderen und versuchten mich dabei mit einzubinden. Dies führte aber auch dazu, dass ich immer mehr von der Gemeinde und ihrer dort vertretenen Religion mitbekam. Als dann gleich mehrere Pfarrer in der Bibelstunde insistierten, dass Homosexuelle getötet werden müssen, weil sie des Teufels seien, waren meine Kirchenbesuche in dieser Gemeinde Vergangenheit und ich nutzte die freigewordene Zeit lieber zu sonntäglichen Ausflügen ins Umland.

Meine Erfahrung mit Kirchengemeinden ist die, dass es keine zwei gleichen Kirchengemeinden gibt. Jede Kirchengemeinde ist anders und dabei einzigartig, sie spiegelt die einzelnen Kirchenglieder wider und entwickelt ihre eigenen Traditionen, auch wenn diese allesamt auf der einen Schrift — unserer Bibel — fußen. Und so kann man sich glücklich schätzen, wenn man als Christ genau die Gemeinde findet, in der man sich selbst wohl und geborgen fühlt.

„Die Irreligiösen sind religiöser als sie selbst wissen, und die Religiösen sind’s weniger, als sie meinen.“

Franz Grillparzer, Studien zur Philosophie und Religion. Historische und politische Studien (2011: 32, 1857.)

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