Europa wieder proaktiv gestalten!

5
(1)

Mädchen mit Europaflagge | © Shutterstock

Ein Appell an die zukünftige Bundesregierung

Der Bundestagswahlkampf geht bald in die heiße Phase, spätestens dann muss es auch eine Debatte darüber geben, wie die Parteien die Zukunft der Europäischen Union mitgestalten wollen. Gerade nach dem Ende der Merkel-Ära, die leider zu oft von Visionslosigkeit in der europäischen Politik und einem reaktiven Politikstil geprägt war, öffnet sich für die neue Bundesregierung ein Fenster, um endlich wieder in den Gestaltungsmodus umzuschalten.

Und das ist bitter nötig. Denn die EU-Mitgliedstaaten haben mit verschiedenen Herausforderungen zu kämpfen, die sie nur gemeinsam lösen können. Wir befinden uns längst in einem Wettstreit mit autoritären Staaten, die die Demokratie und Freiheit des Individuums einschränken. Auch wirtschaftlich entwickelt sich eine Systemrivalität, insbesondere mit China und seinem Staatskapitalismus. Deshalb muss die EU global schlagkräftiger werden, indem sie ihre wirtschaftliche Stärke und ihre immer noch hohe Anziehungskraft als Leuchtturm für Demokratie und Freiheit in aktive Politik umsetzt. Als Freie Demokraten fordern wir daher mutige Reformen bei den Aufgaben der EU, ihrer Arbeitsweisen und den Institutionen. So kann die EU handlungsfähiger und effizienter werden.

Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik fordern wir den Übergang zu qualitativen Mehrheitsentscheidungen und den Ausbau des Amts des Hohen Vertreters zu einem vollwertigen EU- Außenminister. Außerdem wollen wir den schrittweisen Aufbau einer europäischen Armee beginnen und den gemeinsamen Schutz unserer Außengrenzen sicherstellen. Die integrationswilligen Mitgliedsstaaten sollten für Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch gemeinsame militärische Fähigkeiten aufbauen – natürlich in enger Kooperation mit der NATO.

Gerade in wichtigen Bereichen wie zum Beispiel Energieversorgung, Rohstoffimporte und digitale Technologie müssen wir mehr europäische Souveränität anstreben. Zudem sollte sich die EU auf eine ihrer größten Stärke konzentrieren: der weitere Ausbau eines offenen und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts und den Einsatz für Freihandelsabkommen und gegen Handelshemmnisse aller Art. So bleibt die EU automatisch eine gestaltende Kraft auf der Weltbühne.

Doch die EU darf Probleme im Inneren nicht ignorieren und muss die eigenen Werte endlich kompromisslos verteidigen. Die ständigen Provokationen der polnischen und ungarischen Regierungen bis hin zu massiven Verletzungen der EU-Grundrechtecharta dürfen wir nicht weiter ignorieren. Viel zu lange wurde in der Merkel-Ära ein Auge für den damaligen Parteifreund Orbán zugedrückt. Das Ergebnis: die Lage verschlimmerte sich immer weiter und erfordert jetzt einen enormen Kraftakt vieler Akteure. Nun muss die EU-Kommission den neuen Rechtsstaatsmechanismus anwenden und konsequent Transferleistungen aussetzen. Für die zukünftige Bundesregierung gilt es, im Rat den Rechtsstaatsmechanismus weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus brauchen wir institutionelle Reformen für mehr Transparenz und Effizienz in der EU. Das Europäische Parlament sollte gestärkt werden, Initiativrecht bekommen und teilweise über transnationale Listen gewählt werden. Die Europäische Kommission sollte hingegen verkleinert werden. Hierfür werden Vertragsänderungen notwendig sein. Davor, diese anzustoßen, darf die neue Bundesregierung nicht zurückschrecken. Als Freie Demokraten treten wir daher für einen Verfassungskonvent und die Schaffung einer bundesstaatlich verfassten EU ein. Ein solcher Schritt hin zu einem Bundesstaat gäbe der EU endlich eine eigene Staatlichkeit, aber mit gleichzeitig stark dezentraler und subsidiärer Prägung. So würde einerseits das heutige Stadium eines immer noch relativ lockeren Verbundes überwunden und gleichzeitig eine zu zentralisierende Struktur vermieden. Aus unserer Sicht wäre dies der beste Weg, die EU in jenen Bereichen zusammenwachsen zu lassen, in denen wir Europa als auf Dauer angelegte politische Union brauchen, um die Selbstbehauptung Europas im 21. Jahrhundert zu gewährleisten.

Michael Georg Link MdB

Europapolitischer Sprecher der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicken Sie auf die Sterne, um den Beitrag zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 1

Bisher keine Bewertungen.

Es tut mir leid, dass der Beitrag für Sie nicht hilfreich war!

Lassen Sie mich diesen Beitrag verbessern!

Wie kann ich diesen Beitrag verbessern?

Seitenaufrufe: 1 | Heute: 1 | Zählung seit 22.10.2023

Weitersagen: