Über Besitz

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Beitragsfoto: Bäume | © Joe auf Pixabay 

Stellen wir uns einmal vor, wir liefen durch einen mächtigen Eichenwald mit jahrhundertealten Eichen und weiteren mächtigen Bäumen und der Besitzer dieses Waldes erzählt uns ganz stolz von seinem Besitz. Nun könnte man sich einmal die Frage stellen, wie ein Mensch solche wunderbaren Geschöpfe überhaupt besitzen möchte, die schon da waren, als es ihn noch nicht gab und noch da sein werden, wenn sich außer den Bäumen vielleicht schon gar keiner mehr an ihn erinnert.

Dass so etwas überhaupt geschehen kann, liegt einzig und alleine an unserer eigenen Welt, die nur deshalb existiert, weil sich die darin enthaltenen Lebewesen gegenseitig verbrauchen. Ob dies nun eine gute Welt ist oder nicht, wird von ein paar wenigen Philosophen immer wieder einmal diskutiert. Letztendlich aber ist das Gute daran, dass es selbst unser eigenes Universum nicht juckt, ob es unser Sonnensystem überhaupt gibt oder nicht. Und so könnte man das Fazit ziehen, dass selbst die Menschheit in ihrer Gänze nur ein völlig unbedeutender Vogelschiss im Raum-Zeit-Kontinuum ist, außer für uns selbst natürlich!

Bei einem Spaziergang mit einem Kameraden über einen Fischmarkt in Neapel machte ich ihn auf die vielen kleinen Tintenfische aufmerksam, die sich allesamt bemühten, ihrem Schicksal noch zu entrinnen. Er stimmte mit mir darin überein, dass die meisten Tintenfische über mehr Intelligenz verfügten als so mancher Mitbürger. Auf meine Folgefrage, wie man dann solche Geschöpfe überhaupt essen könne, erwiderte er völlig zurecht, „ganz einfach, weil ich der Stärkere bin“.

Und so darf man es bereits als einen großen Erfolg der Menschheit ansehen, dass diese zu der Überzeugung gelangt ist, dass man wenigstens seine Mitmenschen nicht besitzen kann, geschweige denn essen. Bei den anderen Mitbewohnern unseres Planeten sind wir noch längst nicht so weit, denn diese besitzen wir weiterhin kraft Gesetz. Allerdings können wir uns diesen Besitz nur dann auch zu eigen machen, wenn wir diese Lebewesen verbrauchen, und so besitzt der stolze Waldbesitzer auch keine Bäume, sondern nur Festmeter an Holz.

Eine weitere Errungenschaft der Menschheit ist es, dass diese zumindest in den kultivierteren Teilen unserer Welt zu der Überzeugung gelangte, dass Eigentum verpflichtet. Denn damit werden dem Besitzer anderer Lebewesen mit seinem Besitz auch Pflichten auferlegt, nämlich indem er nur dann der rechtmäßige Besitzer ist, wenn er sich auch um seinen Besitz kümmert.

Und dies gilt selbstverständlich und ganz folgerichtig auch für toten Besitz, seien es Geld, Werkzeuge, Handelswaren oder anderes Eigentum. Und wenn man diese Tatsache nun etwas näher betrachtet, so wird der Besitz nicht nur durch die eigene Lebenszeit limitiert, sondern auch durch die Fähigkeit, sich um sein Eigentum kümmern zu können.

Und so ist es eigentlich ganz gut, wenn man Geld und anderer Verbrauchsgüter immer nur zum eigenen Verbrauch verwendet und damit immer wieder in den Kreislauf zurückgibt. Etwas anders ist es mit Werkzeugen und jenen Dingen, die man benutzt und auch kontinuierlich benötigt, und die sich, weil man sich darum kümmert, auch nicht so schnell abnutzen oder „verbrauchen“ lassen. Selbst hierbei macht dieser Besitz nur dann wirklich Sinn, wenn man diese Dinge tatsächlich auch benötigt. Und so könnte man sich wirklich einmal die Frage stellen, ob man z. B. als nicht im Handwerk Beschäftigter die Werkbank im Keller tatsächlich besitzen muss.

Viele Mitbürger sehen diese Art von Besitz, was gerne als Eigentum definiert wird, wohl als Teil der Vermögensbildung und häufen damit Dinge an, die sie eigentlich selbst nicht benötigen, aber dem Gebrauch durch andere Menschen entziehen. Es sei denn, diese Dinge werden als „Kapital“ anderen Menschen gegen Miete, Gebühren oder andere Vergünstigungen wieder zur Verfügung gestellt. So oder so, auf jeden Fall wird damit letztendlich mehr Besitz geschaffen als eigentlich notwendig, was wiederum den Gesamtverbrauch erhöht.

Und dies ist in allen unseren Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen der Fall, selbst in jenen, die dem Kapital, dem Besitz oder dem Eigentum ganz offiziell abschwören. Deren Versuche führen interessanterweise allesamt nur zu einer Verknappung sämtlicher — selbst der immateriellen — Güter, was vermuten lässt, dass wir das mit dem Besitz noch nicht so richtig und in Gänze verstanden haben oder aber auch nur, dass wir als menschliche Gesellschaften nicht in der Lage sind, um uns zum Wohle aller zu organisieren — hierbei scheinen uns die Bäume viel vorauszuhaben.

„Es gehört zur Moral, nicht bei sich selber zu Hause zu sein. Darin zeigt sich etwas an von dem schwierigen Verhältnis, in dem der Einzelne zu seinem Eigentum sich befindet, solange er überhaupt noch etwas besitzt.“

THEODOR W. ADORNO, MINIMA MORALIA (14. AUFLAGE 2022 [1951]: 43)

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