US-Amerikaner

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Beitragsfoto: US Flagge | © Pixabay

Nicht erst seit der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus 1945 sind US-Amerikaner aus unserem Stadtbild nicht mehr wegzudenken, denn die deutsch-amerikanischen Beziehungen gründen weit tiefer, ohne aber damit den Verdienst der US-Soldaten von 1945 bis 1992 für unser Land im Allgemeinen und die Stadt Heilbronn im Besonderen schmälern zu wollen.

Spätestens seit dem 18. Jahrhundert wandern Deutsche, teilweise sogar massenhaft, in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, und seit dieser Zeit gibt es auch immer wieder Rückwanderungen, Besuche aus den USA und, vor allem anderen auch, amerikanische Unterstützung nicht nur für in Deutschland verbliebene Familienglieder.

Faktum ist es aber auch, dass die US-Amerikaner, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Heilbronner Stadtbild wesentlich mit prägten und bis 1992 wahrscheinlich auch die größte Minderheit in Heilbronn stellten.

US-Amerikaner bewohnten dabei nicht nur zahlreiche Kasernen in und außerhalb Heilbronns, sondern waren auch gern gesehene Mieter von Wohnungen und Häusern. Nicht nur Heilbronner Autohändler, Taxi-Unternehmen und vor allem auch das Gaststättengewerbe hätte es in dieser Vielfalt, Quantität und Qualität kaum ohne unsere amerikanischen Mitbürger gegeben.

Auch dass Heilbronn heute an der Bodenseewasserversorgung angeschlossen ist, ist ein Verdienst der US-Amerikaner, die zuerst den Wasserhochbehälter „Schweinsberg“ mit 24.000 m³ Fassungsvermögen für ihre darunter liegende Kasernenanlage forderten.

Für uns Heilbronner, die in den 1950er- bis 1990er-Jahren in Heilbronn lebten, ist es wohl unmöglich gewesen, nicht mit US-Amerikanern ins Gespräch zu kommen oder gar Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften zu pflegen. Und das jährliche Deutsch-Amerikanische Volksfest wird von vielen, auch von mir, vermisst.

Und so ist es wenig verwunderlich, dass es noch heute US-Amerikaner in Heilbronn gibt, die etwa der Liebe wegen hier blieben oder auch nur deshalb, weil es ihnen in Heilbronn einfach gefällt.

Meine Beziehung zu den US-Amerikanern war erstmals familiär, da eine Tante einen US-Soldaten aus Neckarsulm heiratete und eine andere Tante mit Hilfe einer amerikanischen Familie aus Heilbronn in die USA auswandern konnte.

Später dann war es der Sport, der mich mit amerikanischen Mitbürgern verband, da jüngere Soldaten stetig nach Jungs Ausschau hielten, die mit ihnen Basketball spielten, oder das Teakwondo-Training, wobei die amerikanische Community stets exzellente Trainer vorweisen konnte. Gerne erinnere ich mich an Mars Sagario und seine Trainingseinheiten zurück. Selbst beim Tanzen gab es immer wieder Anknüpfungspunkte, denn auch amerikanische Eltern schickten zumindest in meiner Jugendzeit ihre Kinder gerne in die Tanzschule.

Zuletzt waren meine Beziehungen zur American Community eher beruflich, da ich als Soldat, wenn in Heilbronn, gerne auf das dortige Kasino zurückgriff oder die Vorteile des PX nutzte, denn Erdnussbutter, Popcorn und Eiscreme hatte ich schon in meiner Jugend lieben gelernt.

Interessanter Weise fand meine spätere Ehefrau nach ihrer Banklehre und einem USA-Aufenthalt eine Anstellung bei einer US-Bank, die damals u. a. in den Heilbronner Kasernen Filialen betrieb.

Zugegebener Maßen gab es immer wieder auch Unstimmigkeiten zwischen der Heilbronner Zivilbevölkerung und ihrer Garnison, welche aber allen Garnisonsstädten immanent sind und sich deshalb auch nicht auf ein schlechtes Verhältnis der Amerikaner zu uns Deutschen oder auf ein „amerikanisches“ Fehlverhalten, sondern jeweils nur auf ein rein individuelles, reduzieren lassen.

Ganz im Gegenteil, von Anfang an sahen viele Heilbronner die amerikanischen Mitbürger als reine Besatzer an, und damit auch den verlorenen Krieg nicht als Befreiung von einem Terrorregime, sondern als eine weitere schamvolle nationale Niederlage.

Hinzu kam bloßer Rassismus, der erstaunlicher Weise zumindest niederschwellig von ziemlich vielen Heilbronnern mitgetragen wurde: die „OFF LIMITS“ Schilder sind bestimmt jedem von uns noch gut in Erinnerung.

Dass dies in Heilbronn durchaus ein großes Problem darstellte, musste ich Anfang oder Mitte der 1980er selbst erleben, als ich unüberlegt zwei schwarzafrikanische Kameraden für ein paar Tage nach Heilbronn brachte; die Schockstarre in den Gesichtern vieler Heilbronner, die sich zuvor bereits an farbige US-Soldaten gewöhnt hatten, ist mir heute noch gut in Erinnerung.

Zum Höhepunkt des Kalten Krieges wurden dann unsere amerikanischen Mitbürger zur Projektionsfläche allen Hasses und sämtlicher Vorurteile der Fünften Kolonne, die zumindest damals auch in Heilbronn sehr viele und sehr aktive Mitglieder hatte.

Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands waren sich dann alle darin einig, dass der Mohr seine Schuldigkeit getan hat, und forderten und förderten unisono die Rückverlegung der amerikanischen Streitkräfte.

Einerseits waren dann die aufgegebenen US- und Bundeswehrliegenschaften für die weitere Entwicklung Heilbronns äußerst wertvoll, andererseits aber hat Heilbronn mit dem Wegzug der US-Amerikaner auch sehr viel verloren.

Denn die Stadt Heilbronn wurde, wie nach der Vertreibung und Ausrottung unserer jüdischen Mitbürger, auch mit dem Weggang unserer US-Mitbürger ärmer — selbst wenn sich dies nicht gleich im Geldbeutel bemerkbar macht.

„When a thing is done, it’s done. Don’t look back. Look forward to your next objective.“ 

George Marshall, zitiert von Tom Callahan (2. Juni 2005)

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