Zufall oder Fügung? Zwischen Kausalität und Synchronizität

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Beitragsfoto: Raumzeit | © Willgard Krause from Pixabay
Der Beitrag wurde ursprünglich auf Lothar Birkners Weblog veröffentlicht.

Wahrscheinlich hat fast jeder in seinem Leben schon etwas Ähnliches erlebt. Es geschieht etwas oder man begegnet jemandem, was irgendwie Sinn zu machen scheint, ohne dass es eine vernünftige Erklärung dafür gibt. Meist tut man das dann ab mit dem Kommentar: Das war aber ein eigenartiger Zufall. Oder es kommt die Frage auf, ob hier eventuell eine höhere Macht am Werk ist. Die meisten Anhänger der klassischen Naturwissenschaft tun solche Überlegungen größtenteils als mystisches Gerede ab. Es mangelt an handfesten physikalischen Beweisen und Einsichten.

Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie C. G. Jung hat sich sehr intensiv mit diesem Phänomen beschäftigt. Jung hat auch mit dem Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli bereits ab 1947 einen lebhaften Briefwechsel geführt und nach einer physikalischen Deutung sogenannter Synchronizität gesucht. Jung und Pauli standen lange in einen intensiven schriftlichen Dialog. Was andere namhafte Physiker betraf, war ihnen wohl die Vorstellung, dass Seelenzustände und die unbelebte Welt miteinander verknüpft und irgendwie aufeinander wirken sollten zu verwegen.

In den letzten zwei Jahrzehnten, seit einige Erkenntnisse, die die Quantenphysik mit sich bringt, immer mehr Fragen aufwerfen, hat sich in der Einstellung einiger Physiker etwas geändert. Die Quantenphysik ist die Lehre des Allerkleinsten: Sie beschreibt, wie sich Elementarteilchen, Atome und andere winzige Objekte verhalten. Neben der Relativitätstheorie ist sie eine der Säulen der modernen Physik und fordert wegen ihrer skurrilen Gesetze seit 100 Jahren Philosophen und Denker heraus.

Geradezu legendär ist das Gedankenexperiment von Erwin Schrödinger aus den 1930er-Jahren: Er stellte sich vor, was mit einer Katze geschehen würde, die den Regeln der Quantenphysik unterliegt. Sie könnte in diesem Fall gleichzeitig tot und lebendig sein. Die Quantenmechanik beschäftigt sich mit den kleinsten Teilen, kleiner als ein Atom. Die Entdeckungen der Quantenphysik haben das mechanische Newtonsche Weltbild erweitert und uns eine andere Sicht auf die Welt gegeben. Was Einstein einst als „spukhafte Fernwirkung“ beschrieb, gehört zu den paradoxesten und verblüffendsten Prinzipen der gesamten Physik. Die Verschränkung ermöglicht es, dass Teilchen auf eine Weise miteinander korreliert sind, dass sie nicht mehr unabhängig voneinander charakterisiert werden können – obwohl sie sich an unterschiedlichen Orten befinden.

Einige Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, zwischen der geistigen und der Welt der Quantenphysik existieren überraschende aber nicht zu leugnende Parallelen bzw. Zusammenhänge. Der Physiker und Mediziner Christian Hellweg, der sich jahrelang mit der wissenschaftlichen Erforschung der Hirnfunktionen beschäftigte, ist überzeugt, die Eigenschaften des Geistigen entsprechen haargenau denjenigen Charakteristika, die die äußerst rätselhaften und wunderlichen Erscheinungen der Quantenwelt auszeichnen. Der Physiker Hans-Peter Dürr formuliert seine Einsichten sogar so: „Die Materie ist die Kruste des Geistes“. Und er sagt weiter: „In der Quantenphysik entspricht dem Geist das, was wir Potentialität nennen. Ich könnte also in Analogie sagen, alles ist aus Geist aufgebaut, Wirklichkeit ist Geist, die Materie ist eine greifbare Ausdrucksform.“

Unter dem Strich viel mehr verblüffende Erkenntnisse und offene Fragen als belastbar bewiesene Antworten. Jedenfalls scheint die Trennung zwischen Geisteswissenschaften wie Philosophie oder Psychologie auf der einen Seite und Physik andrerseits nicht mehr so strikt aufrechterhalten werden können, wie viele lange dachten. Bewusstsein von der klassischen Physik oft als Epiphänomen abgetan, scheint in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu erlangen. Die Weltsicht – alles ist Materie, der Rest nur nachgelagert – scheint nicht haltbar. Wobei ich immer die Deutung abgelehnt habe – das materielle Gehirn sei allein ausschlaggebend, und Bewusstsein und Gedanken werden halt vom Gehirn abgesondert (ungefähr so wie die Niere Urin ausscheidet). 

Sicherlich wird es in der Zukunft neue Forschungsergebnisse und Erkenntnisse geben. Ob menschliche Erkenntnisfähigkeit jemals ausreichen wird, all diese Fragen schlüssig zu beantworten, wissen wir nicht. Am Ende bleibt wohl die Feststellung von C. G. Jung: „Nicht wir haben Geheimnisse, die wirklichen Geheimnisse haben uns.“ 


„Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen, eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen, eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen, eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten/ und eine Zeit zum Wegwerfen, eine Zeit zum Zerreißen/ und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden, eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden.“

Bibel, Einheitsübersetzung (2016, Prediger 3,1-8)

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