Beitragsfoto: Eisenbahntrasse
Wenn man an einem Blog schreibt, vor allem dann, wenn es sich eher um ein Tagebuch-Blog handelt, dürfte sich ein Jahresrückblick eigentlich erledigt haben. Und im Falle, dass man dann doch noch solch einen Beitrag schreibt, wohl nur, weil auch andere Blogger dies tun.
Zwei weitere Gründe könnten dabei eine weitere Rolle spielen, erstens, man blickt selber nochmals in Gänze zurück und zweitens, man schreibt diesen Beitrag ganz speziell für jene, die nur einen einzigen Beitrag im Jahr von einem lesen möchten. Ob diese Leser dann aber die richtigen Adressaten sind, darf man durchaus anzweifeln.
Von Anfang an war mir bewusst, dass dieses Jahr für meine bessere Hälfte und mich nicht vergnügungsteuerpflichtig werden wird. Dass man aber auch diese Erwartung noch steigern kann, liegt in der Natur der Dinge — und so kam es auch.
Aber egal was auch geschieht, man kann immer noch daraus etwas lernen. Ich wusste dabei von Anfang an, dass ich mit keiner Hilfe rechnen werden kann. Und so war es spannend mitzuerleben, von wo und wem alles Empathie signalisiert wurde. Noch spannender, wer die Gelegenheit nutzte, um nun noch selber mit draufzuhauen.
Auch wenn ich es mir bei manchen Mitmenschen nach all den Jahrzehnten erhofft hatte, dass sie moralischen Beistand leisten, kam es so, wie ich es von Anfang an wusste. Aus Gründen auch immer war meine Menschenkenntnis schon immer sehr gut ausgeprägt — der Ersteindruck wenigstens zu 80 % stimmig.
Auch wenn meine eigene Sozialisation dafür sorgte, meinen Mitmenschen eine Zweit- oder gar Drittchance zu geben, weiß ich heute, dass dies alleine der Tatsache geschuldet ist, dass wir in einer weiterhin zu wenig mobilen Gesellschaft leben und diese dafür sorgt, dass damit Ausbeuter aller Art überhaupt eine eigene Existenzchance haben.
Bei heutzutage gut acht Milliarden Mitmenschen und einer näher betrachtet völlig ausreichenden Mobilität wäre es für die Menschheit insgesamt besser, wenn man bereits auf eine Zweitchance verzichtet — und dies in sämtlichen Lebenslagen. Was zudem sehr stimmig ist, weil wir nur einen Planeten und jeder von uns auch nur ein Leben hat.
Mein Vater und ich waren uns in einem einig, nämlich, dass er mich überleben wird. Gleich zu Beginn des Jahres kam es anders. Die Nachwehen werden auch noch in das kommende Jahr reichen.
Spannend, wer zu seiner Beerdigung erschien, noch spannender, wer dieser fern blieb. Unser Beerdigungskult schon etwas länger reformbedürftig. Wir Christen müssen dabei davon ausgehen, dass wir auch hierbei nur noch ausgeplündert werden — von wegen Ruhe auf einem Gottesacker bis zum Jüngsten Tag!
Wenn schon die eigenen Eltern für keine erfreulichen Nachrichten mehr sorgen, so war es umso schöner, dass die eigene Jugend dieses Jahr mit positiven Überraschungen um die Ecke kam. Beides eine gute Erinnerung daran, dass mündige Menschen von ganz alleine dafür sorgen, dass sie selber keinem anderen Mitmenschen zur Last fallen. Aber auch hierbei gibt es eine Ausnahme: die Lebenspartnerschaft, wenn aus zwei Menschen ein Paar wird; das Schwächeln des einen wirkt sich dann auch auf den anderen aus — ein legaler Freitod würde in unserer Gesellschaft sehr viel vereinfachen.
Leider aber hat sich unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten zu einer reinen Ausbeuter- und Entmündigungsgesellschaft weiterentwickelt, die mündige Bürger und freie Entscheidungen bekämpft, wo es nur geht. Wir werden nun von klein auf in ein System gedrängt, das uns Menschen alleine zu Verbrauchern macht und uns dabei selber verbraucht. Ob wir hierbei von systemrelevanten Personen, von Maschinen oder gar von einer künstlichen Intelligenz verbraucht werden reine Nebensache!
Und so konnte ich es dieses Jahr sehr schön miterleben, wie ich selber keine Chance hatte, um etwas zum Positiven zu verändern, sondern mich alleine von Zwängen, Regelungen, Abhängigkeiten und fremdem Entscheidungen getrieben in sehr engen Bahnen entlang hangeln musste.
Manchen Menschen mag dies alles Halt und Richtung geben, für mich ist solch eine Bevormundung die Hölle auf Erden.
Da man als Mensch aber immer in soziale Systeme eingebunden ist, bringt ein vermeintliches Aussteigen wenig, wahrscheinlich rein gar nichts. Jene, die es immer wieder versuchen, fallen letztendlich nur dem Rest zur Last. Der einzige echte Ausstieg wäre der Freitod, der dann aber meist genau jene Mitmenschen belastet, denen man es nicht zumuten möchte.
Und so behält weiterhin der uralte Ratschlag seine Bedeutung: „Augen zu und durch!“ Das Gute daran, es geht dann immer und für uns alle auch schneller, als es sich die meisten von uns letztendlich erhoffen.
Bis es dann so weit ist, hat man die Chance, auf diesem Lebensweg doch den einen oder anderen Mitstreiter kennen und schätzen zu lernen. Manche von uns, wie glücklicher Weise auch ich, finden dabei ihr Alter Ego.
Spannend auch, wer von uns versucht, möglichst viele seiner weiteren derzeit gut acht Milliarden Mitmenschen kennenzulernen und wer sich ganz bewusst auf eine Handvoll Menschen begrenzt. Wobei wir Menschen nur in der Lage sind, um mit bis zu ca. 120 Menschen überhaupt eine soziale Bindung eingehen zu können. Da das Leben aber immer ein Kommen und Gehen ist, kann sich in den eigenen Jahrzehnten durchaus eine größere Anzahl an Menschen ergeben, an die man sich später noch gerne erinnert.
Ob ich selber an die 120 Mitmenschen herankomme, wage ich zu bezweifeln. Ich ringe eher mit der Tatsache, dass ich von all jenen noch existierenden Mitmenschen, an welche ich mich gerne erinnere, dieses Jahr viel zu wenige persönlich zu Gesicht bekommen habe. Und leider darunter viele meiner Lieblingsmenschen. Noch unerfreulicher, dass selbst mein engerer Menschenkreis dieses Jahr bei meinen Begegnungen viel zu kurz kam — in der heutigen Zeit helfen dabei Weihnachts- oder Endjahresfeiern auch nicht mehr! Nur eine weitere gesellschaftliche Illusion, die davon ablenken soll, dass man keine Gelegenheit hatte, um seine Lieblingsmenschen das ganze Jahr über zu treffen.
Umso lieber blicke ich auf jene Begegnungen in diesem Jahr zurück, die ich zusammen mit Menschen verbringen durfte, die ich gerne um mich herum habe und mit denen ich meine eigene Zeit am liebsten verbrauche.
Auch wenn dieses Jahr absolut nicht vergnügungssteuerpflichtig war, wird mich das Finanzamt dennoch mehr ausnehmen, als es mir selbst guttut. Bleibt die Hoffnung, dass wenigsten ein paar Cent davon dazu beitragen, dass es anderen Menschen, die noch weniger Glück hatten als ich, ein klein wenig hilft und auch unsere gemeinsame Infrastruktur ein wenig davon profitieren kann.
Übrigens, mein Lieblingswort des Jahres ist „Entropie“.






