22.2.02023

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Beitragsfoto: zerstörte Gebäude | © Angelo Giordano auf Pixabay 

Vom Glück des Gebens

Ein Gedicht von Bertolt Brecht

Höchstes Glück ist doch, zu spenden
Denen, die es schwerer haben
Und beschwingt, mit frohen Händen
Auszustreun die schönen Gaben.

Schöner ist doch keine Rose
Als das Antlitz des Beschenkten
Wenn gefüllet sich, o große
Freude, seine Hände senkten.

Nichts macht doch so gänzlich heiter
Als zu helfen allen, allen!
Geb ich, was ich hab, nicht weiter
Kann es mir doch nicht gefallen.

Ernüchterung

Die letzten Tage hatte ich zahlreiche Gespräche, einige davon zusammen mit Herbert Burkhardt, die meine jüngsten Bemühungen etwas mehr Schwung in die Stadt zu bekommen, sehr schnell wieder relativierten. Ich muss nunmehr zugeben, dass ein großer Wurf doch nicht so einfach umzusetzen ist, wie ich es bisher eigentlich gewohnt war — andere Städte, andere Sitten.

Auf jeden Fall aber bin ich sämtlichen Gesprächspartnern sehr dankbar, dass sie mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Jetzt werde ich versuchen, einfach mit kleineren Brötchen zu backen, was durchaus nicht schlecht sein muss. Beruhigend dabei ist für mich, dass es nicht nur alleine mir so geht, sondern, dass selbst ausgewiesene Profis an den städtischen Strukturen scheitern und dies obwohl diese sogar über die besten Beziehungen in die erlauchtesten Kreise verfügen.

Und so kann ich wieder einmal feststellen, dass Strukturprobleme letztendlich ausnahmslos alle Bürger treffen — bis auf jene, die sich routinemäßig in der dritten Dimension fortbewegen. Und da dies inzwischen auch viele andere erkennen, wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn man einmal darüber nachdenkt, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen und frischen Wind in die Stadt hineinzulassen.

Es sei denn, man macht es sich in der beschaulichen Gemütlichkeit so richtig kuschelig. Und so habe ich einfach zu Tagesbeginn über die Niveacreme, Schweiß und mit Haarspray geschwängerten Hindernisse im Schwimmbecken hinweggesehen und mir zum Abschluss der heutigen Präsenzveranstaltungen meinen ersten Affogato al caffè des Jahres in der Sülmerstraße gegönnt.

Spenden

Ohne Frage, das Spenden ist aus unserer Welt nicht mehr wegzudenken und die Summen, die dabei weltweit gespendet werden, sind astronomisch hoch. Interessant dabei ist, dass Menschen in demokratischen Ländern mehr spenden als in Diktaturen, und wohl bereits seit Jahrzehnten die US-Amerikaner in der Summe weltweit die spendabelsten Menschen sind.

Ebenfalls ohne Frage, diese Spendenbereitschaft hat einen ganz eigenen Markt geschaffen, der ausschließlich von der Spendenbereitschaft anderer Menschen lebt. Und auch die Organisierte Kriminalität hat sich in diesem Geldkreislauf ganz gut etabliert und es würde mich nicht sehr wundern, wenn dort inzwischen mehr verdient wird als im Drogen-, Menschen- oder Waffenhandel.

Wenn man spendet, was ich jedem Bürger nur ans Herz legen kann, dabei bitte aber nicht als neue Form des Ablasshandels, sondern aus der Überzeugung heraus, dass der etwas hat, immer auch etwas davon abgeben kann — außer natürlich in dem Fall, wo der Staat bereits alles vorab abkassiert.

Was wiederum dafür spricht, dass in funktionierenden Demokratien nicht grundsätzlich spendablere Menschen leben als in den anderen Ländern, sondern diese Menschen am Ende des Monats einfach selber mehr Geld übrig haben.

Und so könnte man meines Erachtens von der Spendenbereitschaft der Bürger auf die Demokratiefähigkeit ihrer jeweiligen Länder schließen — was selbstverständlich noch zu beweisen wäre.

Auf jeden Fall aber macht es keinen Sinn, als Bürger einfach nur so zu spenden, denn damit läuft man Gefahr, dass man nur „Profibettlerorganisationen“ und die Organisierte Kriminalität nährt und damit durch die eigenen Spenden die Welt nicht besser, sondern tatsächlich noch viel schlimmer macht.

Und gerade jene Bürger, die das Spenden als modernen Ablasshandel sehen, seien davor gewarnt, einfach nur so an jeden x-beliebigen zu spenden, denn damit sichern sie sich geradezu ihren ganz eigenen Sonnenplatz in der Hölle und nicht wie gewollt im Himmel!

Deshalb muss man als Spender immer genau darauf schauen, an wen man spendet und vor allem auch über wen man heute spendet. Meiner Erfahrung nach ist es immer am besten, direkt an die Betroffenen zu spenden und wer das nicht kann, der hat die Schwierigkeit, eine vertrauenswürdige Organisation zu finden. Und so ist es auch leichter, im eigenen Umfeld zu spenden, denn da kann man selber nachschauen, wer sich um die Spenden kümmert und was diese Organisation daraus macht.

Beruflich bedingt hatte ich in den letzten Jahrzehnten sehr, sehr schlechte Erfahrungen — auch gerade mit sehr prominenten Hilfsorganisationen — gemacht und meine Spendenbereitschaft an solche Organisationen eher gegen null gefahren, dafür aber immer wieder direkt vor Ort gespendet. Und selbst dann noch, wenn ich mit ansehen musste, wie schlecht die Spendenempfänger damit umgingen; auf alle Fälle war so aber sichergestellt, dass der Spendenempfänger zumindest eine Chance hatte, um aus meinen Spenden etwas zu machen.

Heute bin ich sehr froh darüber, dass ich Organisationen wie meseno kennenlernen durfte, wo ich selbst sehen kann, wie jede Spende an den Empfänger kommt und diesen sogar noch geholfen wird, das beste daraus zu machen — zugegebener Maßen hilft das auch nicht immer, aber wesentlich besser als an anderen Stellen.

Was aber überhaupt nicht geht, ist, dass man Unsummen an Spendengeldern in ausgewiesene Diktaturen schickt, gerade ganz aktuell in jene Länder, wo sich die Potentaten sehr gerne Paläste der tausend Zimmer in Naturschutzgebieten erstellen lassen. Da wäre es tatsächlich viel besser, wenn man gemeinschaftlich Luxussportwagen aller Art kauft und diese direkt an die unehelichen Söhne und Vettern dieser Potentaten übergibt. Denn das erspart den armen Menschen vor Ort zumindest, dass sie später von neuen, wieder von Kriminellen erstellten, Gebäuden erschlagen werden.


„Aber Nietzsche selber hat den amor fati gelehrt, ‚du sollst dein Schicksal lieben.‘ Das, heißt es im Epilog der Götzendämmerung, sei seine innerste Natur. Und es wäre wohl die Frage zu stellen, ob irgend mehr Grund ist, das zu lieben, was einem widerfährt, das Daseiende zu bejahen, weil es ist, als für wahr zu halten, was man sich erhofft.“

THEODOR W. ADORNO, MINIMA MORALIA (14. AUFLAGE 2022 [1951]: 110)
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