Ende Gelände

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Beitragsfoto: Universum | © Gerd Altmann from Pixabay 

Ein in der Bundeswehr häufig gebrauchter Satz, der inzwischen in unserer Gesellschaft des öfteren Verwendung findet; vermutlich, weil er von Wehrpflichtigen auch nach deren Dienst für unser Land weiterverwendet wurde und nun als schick gilt, ganz besonders bei jenen, die sich ganz gekonnt um sämtliche Pflichten drücken.

Und wie ich es letztes Wochenende wieder einmal erfahren durfte, sind es gerade die Drückeberger, die sich besonders gerne mit militärischem Sprachgebrauch schmücken — sozusagen die Donald Trumps unserer Gesellschaft. Und so ist es wenig verwunderlich, dass sich nun gerade diese „Sozialstaatdeutschen“ (Deutsche mit allen Rechten und keinen Pflichten) mit einer deutschen Fremdenlegion dafür sorgen wollen, dass Ausländer ohne staatsbürgerliche Rechte unser Land schützen und für die Rechte und Freiheiten unserer „Herrenrasse“ kämpfen. Ok, die Wortwahl ist nicht mehr ganz passend, denn wir sind ganz offiziell seit 1945 keine Herrenrasse mehr, wir nennen uns nun lieber Weltmeister oder Papst.

Wie bereits geschrieben, ich durfte dieses Wochenende zahlreichen Vorträgen lauschen und mich auch an schwer verdaulichen Gesprächen beteiligen. Aus der aktuell so populären Remigration wurde ganz staatstragend, „am Ende gehören sie nicht hierher“. Leider aber konnte kein Redner sagen, wie er das vorhandene Problem lösen möchte — der Trumpismus ist auch in Deutschland angelangt. Bedauerlich, dass vielen Rednern die eigene Schizophrenie nicht mehr selbst bewusst wird, nicht einmal mehr zeitweise.

Schlimmer nur waren die vielfältigen Aussagen, dass unsere Demokratie eigentlich am Ende sei und man ihr selbst keine Chance mehr gäbe. Das wiederum wurde durch eine gute Million deutscher Mitbürger gekontert, die gegen die Nationalsozialisten namens AfD und für unsere Demokratie auf die Straße gingen. Leider aber blieben weit über 80 Millionen Deutsche einfach zu Hause sitzen und in Erlenbach entschloss man sich derweil sogar eine Nazi-Party zu schmeißen, wohl behütet von unserer Polizei und mit ca. 350 Teilnehmern. Nun bin ich einmal gespannt darauf, ob wir Heilbronner am Dienstag die 350 Teilnehmer vom Freitag übertreffen werden können — ich selbst habe mit entsprechenden E-Mail und einem Rundschreiben dafür geworben. Leider aber werden sämtliche entsprechenden Bemühungen bereits wieder aus „gutbürgerlichen“ Kreisen heraus torpediert, die von staatstragenden Quellen (u. a. Verfassungsschutz) erfahren haben wollen, dass die für die Kundgebungen ursächlichen Ereignisse in Potsdam so nie stattgefunden hätten und nur „Fake-News der Lügenpresse“ seien.

Was mich am Wochenende mit der bedeutenden Frage zurückließ, ob tatsächlich nach 75 Jahren für unsere Demokratie Ende Gelände ist?

Meine bisher funktionierende Argumentation, dass nur Demokratien erfolgreich und dies vor allem wirtschaftlich sein können, wird inzwischen heftig bestritten und mit China und der Russischen Föderation (!) als Gegenbeispiele gekontert. Manch ein „Gutbürgerlicher“ lässt sich inzwischen wieder sogar dazu hinreißen, dass die Nationalsozialisten die kaputte und wenig erfolgreiche Weimarer Republik ablösten und nur durch „unglückliche Umstände“ Deutschland nicht zum Erfolg führen konnten — für mich der letzte Beweis, dass unser Bildungssystem völlig versagt hat und wir mindestens intellektuell am Ende sind. Eigentlich bin ich reif für die Insel und sollte doch einmal versuchen, wenigstens den Rest meines Lebens nur für meine bessere Hälfte und mich zu leben.

Dann aber taucht wieder die bohrende Frage auf, ob unsere Demokratie tatsächlich am Ende ist und — ebenfalls ein Diskussionspunkt am Wochenende — ob und wie man eine Demokratie etwas besser machen könne? Dass jede Demokratie nicht perfekt ist, dürfte jedem klar sein; strittig ist nur, ob es tatsächlich bessere Regierungsformen gibt. Meine Erfahrung aus inzwischen über 60 Jahren sagt mir, dass nein, aber jeder Mensch muss wohl seine eigenen Erfahrungen machen und sehr wenige lernen aus den Erfahrungen anderer.

Und so versuche ich erst einmal ein plakatives Modell unserer Demokratie zu entwickeln, bevor ich mich an einer Lösung versuche, wie man Demokratie etwas besser machen könnte.

Mein Modell entspricht einem Fünfeck, wobei sich die Längen jeder Seite beständig und weitgehend unabhängig voneinander ändern — sozusagen ein pulsierendes Fünfeck.

In der ersten Ecke sammeln sich die völlig Unbeteiligten, die jeder für sich ihr eigenes Ding machen und denen es egal ist, welche Herrschaftsform vorherrscht. Manchmal finden sie sich in Familienverbänden zusammen oder werden gar Mitglied eines Vereins. Für sie ist der Individualismus Credo, und in einer Entartung (im Sinne von Aristoteles) werden sie zu bloßen Neidern und Missgünstigen.

In der zweiten Ecke sammeln sich die Wotan-Jünger, Gottesstaatsanhänger, Monarchisten, Anarchisten, Nihilisten und Soziopathen. Manche von ihnen sind zu gesellschaftlichen Zugeständnissen bereit, was man bei konstitutionellen Monarchisten gut beobachten kann, andere wiederum sehen ihre eigene Zukunft eher auf einem Scheiterhaufen.

In der dritten Ecke versammeln sich die Kommunisten, Sozialisten, Maoisten und Stalinisten sämtlicher Ausprägungen, die sich beständig miteinander im Streit befinden und zwar darüber, ob sie Teil einer notwendigen Revolution sind oder, ob ganz dem Kommunismus verschworen, sie darauf warten können, dass sich die Menschheit von alleine und ganz folgerichtig hin zum Sozialismus entwickelt, der dann einen neuen Menschen gebiert, welcher sich zum Kommunismus aufschwingen kann.

In der vierten Ecke sammeln sich sämtliche Faschisten, Rassisten, Nationalsozialisten und Ultranationale. Diese sind so lange relativ harmlos, wie sie auf den Kyffhäuser starren und weiter auf den Führer warten, werden aber sehr schnell zu einer existenziellen Bedrohung, wenn sie beginnen, sich auf einen Führer zu einigen.

In der fünften Ecke sammeln sich die falschen Fünfziger, die aus jeder Herrschaftsform für sich das meiste herausholen wollen und sich demzufolge aktuell gerne als Väter oder Mütter der Demokratie feiern lassen.

Und wo befinden sich nun die Demokraten? Wir müssen zuerst davon ausgehen, dass alle, die sich im Fünfeck befinden, offiziell als Demokraten angesehen werden müssen — keiner kann ihnen in die Köpfe schauen. Jene, die beständig an den jeweiligen Ecken stoßen, könnten dabei aber durchaus als Anti-Demokraten angesehen werden.

Und so lässt es sich vermuten, dass sich die tatsächlichen Demokraten in der Mitte sammeln, aber dabei auch langsam und sicher von den pulsierenden Rändern zerrieben werden. Damit könnte man nun sicherlich eine Halbwertszeit für jede Demokratie bestimmen.

Die ganze Berechnung wird allerdings durch zwei weitere Herausforderungen erschwert, nämlich erstens, dass sich Menschen beständig ändern können und damit nicht nur aus einer Ecke in Richtung Zentrum und zurückwandern, sondern auch noch von einer Ecke in die andere, was den Puls des Fünfecks sicherlich noch weiter erhöht. Verkompliziert wird das Ganze zudem, indem mancher Mensch zeitgleich z. B. Nationalsozialist und SPD-OB sein kann oder Faschist und Stalinist in ein und derselben Person.

Die zweite Herausforderung besteht darin, dass das Fünfeck kein geschlossenes Modell ist. Und so kommen beständig Neuzugänge mit hinzu, während andere das Modell wieder verlassen.

Und so pulsiert jede Demokratie vor sich hin, zumindest so lange, bis das System in sich zusammenfällt, spätestens dann, wenn es in der Mitte des Fünfecks nicht mehr ausreichend Demokraten gibt.

Und wie kann ein solches Modell dann überhaupt funktionieren? Ganz einfach, indem es erstens Regeln gibt, an die sich alle im System befindlichen zu halten haben und zweitens Regelverstöße sehr schnell und nachhaltig sanktioniert werden. Ohne Regeln und Sanktionen gibt es keine Demokratie!

Was mich nun zu der Frage führt, wie könnte man eine bzw. jede Demokratie verbessern?

Die ganze Krux bei der Sache ist dabei, dass man dazu immer und systembedingt tragfähige Mehrheiten benötigt, die wohl keiner je zusammenbringen wird. Und so werden alle Demokratien weiterhin pulsieren und dies so lang, bis sie eine nach der anderen wie die Sterne im Universum implodieren. Ein Trost könnte sein, dass es wie im Universum insgesamt immer wieder neue Sterne und damit auch immer wieder neue Demokratien geben wird. Ein weiterer Trost könnte sein, dass wir Menschen selbst jeweils nicht lange genug leben, um, wenn überhaupt solch eine Implosion gleich mehrfach selbst erleben zu müssen!

Aber wie könnte man nun eine Demokratie tatsächlich verbessern, wenn man dies nur wollte? Ich hätte hier ein paar Anregungen, die wohl bereits seit Anbeginn der ersten Demokratie immer wieder diskutiert werden und damit sicherlich nichts Neues sind.

Änderung des passiven Wahlrechts

  • Wer gegen die Demokratie ist oder agiert, verliert sein passives Wahlrecht;
  • Wer eine Straftat begeht, verliert sein passives Wahlrecht;
  • Wer seine Pflichten (z. B. Wehrpflicht oder abgeschlossene Berufsausbildung) nicht erfüllt, erhält kein passives Wahlrecht;
  • Jeder Volksvertreter kann nur zweimal gewählt werden.

Änderung der Sozialleistungen

  • Pflichten und Rechte müssen wieder verstärkt gekoppelt werden;
  • Wer seine Pflichten nicht erfüllt, erhält reduzierte Sozialleistungen;
  • Wer gegen die Demokratie ist oder agiert, erhält reduzierte Sozialleistungen;
  • Wer mehrere Staatsbürgerschaften besitzt, erhält reduzierte Sozialleistungen;
  • Wer eine Straftat begeht, erhält reduzierte Sozialleistungen.
  • Eintritt ins Rentenalter erst nach dem Nachweis von mindestens einem Jahr Wehr-, Sozial- oder Ersatzdienst.

Ausschluss aus der Gemeinschaft

  • Wer gegen die Demokratie ist oder agiert und keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, muss das Land verlassen;
  • Wer eine Straftat begeht und keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, muss das Land verlassen.

Das sind so ganz auf die Schnelle, meine Vorschläge. Ich bin mir dessen bewusst, dass keiner dieser Vorschläge jemals nur angedacht bzw. dann auch umgesetzt wird. Beruhigend dabei ist, dass auch weit bessere Vorschläge als die von mir hier getätigten kaum bis gar nicht in Erwägung gezogen werden.

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