Weihnachtsbrief 2001

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Schon wieder Weihnachten! Das für uns so turbulente Jahr 2001 neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr in Chemnitz ist vorüber, inzwischen haben wir uns an die rauen Winde hier gewöhnt und nutzen nun die Zeit, auf die vergangenen Monate zurückzublicken.

Alles hat mit dem Umzug in der Vorweihnachtszeit letzten Jahres von Müllheim nach Chemnitz begonnen. In Rekordzeit von nur vier Tagen hatten wir uns im September eine schöne Wohnung im Jugendstilviertel auf dem „Kaßberg“ ergattern können. Der Umzug war von Tina allein zu organisieren, weil Heinrich sich einmal mehr auf einem Lehrgang entspannte. Trotz einiger Vorbehalte klappte dann doch alles.

Den Weihnachtsbaum hatten wir auch noch auf die Schnelle organisieren können; war wieder Männersache. Das neue Jahr begann für Max in einer sächsischen Grundschule. Schnell erkannten wir, dass Sachsen im Vergleich zu Baden-Württemberg an schulischen Anstrengungen einen Quantensprung nach vorn erforderte. Unser armer Max, der bisher nur mit dem Griffel gekritzelt, von Kopfrechnen keine Ahnung hatte und Lesen noch als anstrengende, lästige und überflüssige Nebenbeschäftigung ansah, musste erkennen, dass zum veränderten Umfeld auch schulisch in Sachsen einiges anders ist.

Wir brauchten bestimmt drei Monate, um ihn einigermaßen ins schulische Mittelfeld zu treiben. Es war eine schreckliche Zeit, und wir sind alle froh, dass Max es geschafft hat. Aber der Preis war hoch. Daraus haben wir gelernt, niemals inmitten eines Schuljahres umzuziehen.

Konstantin verschmähte seinen uns zugewiesenen Kindergartenplatz. Er war durch nichts dazu zu bewegen, diesen Platz zu nutzen. Muttertier Tina konnte ihm auch eigentlich keinen Vorwurf machen, der Kindergarten war einfach zu furchtbar anders. Nach drei Monaten auf vier Wartelisten stehend, verbunden mit der Hoffnung, vielleicht im September einen Platz zu bekommen, erschloss sich uns schließlich im Waldorfkindergarten eine Möglichkeit. Nachdem Heinrich seinen Widerstand aufgegeben hatte, konnte Konstantin dort sein Glück finden und wir mit ihm. Musikalisch bildet sich Max zurzeit mehr oder weniger freiwillig mit dem „Keyboard“ weiter, während Konstantin dazu singt.

Nach all den Monaten haben wir immer noch Schwierigkeiten, uns mit dem hier traditionellen Hortsystem abzufinden. Fast alle Kinder aus Maxens Klasse sind nachmittags im Hort; das bedeutet, sie essen dort zu Mittag, halten Mittagsruhe, machen die Hausaufgaben und werden dann bis spät nachmittags, bis ihre Eltern sie dann nach getaner Arbeit abholen kommen, betreut. Freunde nachmittags regelmäßig zum Spielen einzuladen oder zu besuchen gibt es nur in Ausnahmefällen.

Man merkt überall, dass nur ein „Ostlohn“ kaum eine Familie ernähren kann. Viele „Ostfrauen“ sind es aber auch nicht anders gewohnt als ihre Frau im Beruf sowie abends und am Wochenende in der Familie zu stehen. Es ist ein hartes Leben. Aber es ist heilsam zu sehen, wie gut es uns eigentlich doch geht. Um unsere am Anfang etwas langweiligen Nachmittage besser auszufüllen, spielen unsere Kinder nun Basketball, wobei sie damit das Handballspiel aufgeben mussten.

Zweimal die Woche sind sie jetzt im Training. Die Körbe hängen zwar hoch, aber die Begeisterung hält an. Mal sehen, wie lange noch. Unseren traditionell vierwöchigen Sommerurlaub haben wir dieses Jahr zur Hälfte zu Hause im „Ländle“ verbracht und die letzten zwei Wochen genutzt, um Sachsen zu entdecken. Ein schönes Land mit vielen Burgen, ein Paradies für unsere Kinder.

Im Spätsommer hat sich Tina nach leichtem Tritt vom Göttergatten entschlossen, sich vorsichtig nach ihrem beruflichen Marktwert zu erkundigen. Das Arbeitsamt hatte erst zwei herbe Schläge in die Magengegend für Sie bereit, die eine vorzeitige „Midlife-Crisis“ zur Folge hatten. Dann aber – oh Wunder – Herrn Beyer, ihrem Arbeitsberater sei Dank, ging doch noch die Türe zum ersehnten Lehrgangshimmel auf.

Tina hat sich nun einen einjährigen Lehrgang an Land gezogen, der sie eines Tages, genauer gesagt am 30.10.2002 und welch Zufall an Göttergattens Geburtstag in die Niederungen einer neuen beruflichen Selbstständigkeit entlassen wird.

Da Tina nun morgens außer Haus ist, wird die Wohnung jetzt nur noch einmal die Woche im Team geputzt. Wenn man dann ein Auge zudrückt und die Wohnung einfach Wohnung sein lässt, ist auch alles bestens. Die Männer der Familie absolvieren zurzeit einen Haushaltscrashkurs mit anschließendem Dauerpraktikum.

Für Heinrich brachte der berufliche Alltag nicht viel Neues; allerdings musste die schöne Wohnung mit je einer gut halbstündigen Autofahrt erkauft werden.

Erholung von den langen Arbeitszeiten fand er Anfang August, als er wieder zu einem dreimonatigen Lehrgang, diesmal nach Hamburg durfte. Da er dorthin mit dem Zug unterwegs war, konnte er zweimal die Woche von einer Berliner Stadtrundfahrt schwärmen, die sonntags bei Nacht und freitags bei Tag erfolgte. Berlin, eine Stadt, welche nun in unserer „Sightseeing-Reichweite“ liegt und neben dem Elbsandsteingebirge die Attraktion für uns darstellt.

Zum Jahresende konnte der Beruf mit zwei Überraschungen aufwarten. Zum einen verzichtete sein Arbeitgeber darauf, ihn erneut in den Einsatz zu schicken und zum anderen für alle noch überraschender, mit der schon lange ersehnten Beförderung zum Major.

Rückblickend auf das Jahr 2001 können wir viele neue Erfahrungen und neue Freunde auf unserem Lebenskonto verbuchen.

Mit diesem für uns unerwartet positiven Jahresausklang hoffen wir nun auf ein ruhigeres 2002.

Auf den Weltfrieden, Frohe Weihnachten und alles Gute im Neuen Jahr!

„Das Dumme am Tod ist nicht, daß er die Zukunft verändert, sondern daß er uns mit unseren Erinnerungen allein zurückläßt.“ 

Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee (2004 [1992]: 344)

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