Arbeitsplatz

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Beitragsfoto: Stadtbibliothek Heilbronn

Das Schöne an meiner heutigen Lebenssituation ist, dass ich völlig selbstbestimmt entscheiden kann, ob, wann und wie ich arbeiten möchte. Und das Beste daran ist, sobald ich feststelle, dass diese Arbeit weder zielführend noch mit dem geringsten Spaßfaktor versehen ist, ich auch der Einzige bin, den ich dafür verantwortlich machen kann. Dann reißt mir sofort der Geduldsfaden und ich entlasse mich selbst und dies fristlos! — das hätte ich mir bereits vor Jahrzehnten gönnen können müssen.

Dies hat aber eine sehr schöne Nebenwirkung, denn diejenigen, die um diese Tatsache wissen, sind darum bemüht, nicht nur ständig den „Spaßfaktor“ mit im Auge zu behalten, sondern unternehmen wirklich alles, um die vorher gemeinsam gesteckten Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren.

Das einzige Problem dabei ist, dass man hinterher den Lohn für die geleistete Arbeit vielleicht sogar mit einem etwas schlechten Gewissen einsteckt, wurde uns doch jahrzehntelang eingehämmert, dass Arbeit keinen Spaß machen darf — zumindest keine richtige. Deshalb bin ich auch froh darüber, dass ich beruflich meist gedient und nicht gearbeitet habe — so konnte ich es mir immer erlauben, auch in den unwirklichsten Situationen den Spaßfaktor nicht aus den Augen zu verlieren. Und wenn dann so etwas einmal überhaupt nicht möglich war, dann beruhigte es ungemein zu wissen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihr gesamtes Leben lang Arbeit als Zwang und als etwas Unangenehmes ansehen.

Als sehr angenehm kann ich zudem verbuchen, dass ich mein gesamtes Berufsleben über an Arbeitsplätzen verbringen konnte, die jeder für sich zumindest etwas Abenteuerliches hatten. Und als ich dann altersbedingt auch die Büroetagen kennenlernen durfte, waren diese bereits mit der Virtualität und einer sehr flexiblen Mobilität verbunden und damit ebenfalls wieder ein Abenteuer für sich. So konnte ich mich nie beklagen und bereits in den 1990er-Jahren sämtliche Arbeitsplatzerfahrungen machen, die die Menschen heute vor solch nett mit anzuschauenden Herausforderungen stellen. Und für viele von uns waren dabei Powerpoint-Präsentationen und Videochats schon in den Nullerjahren eine völlig veraltete Angelegenheit, was mir bei den heutigen Darbietungen die Tränen vor Rührung in die Augen treibt. Einzig wenn mir ein frischer Universitätsabsolvent rät, meine eigenen Präsentationen doch noch mit Powerpoint aufzubessern, bleibt mir die Spuke weg. Aber von einem befreundeten Professor weiß ich, dass so etwas tatsächlich noch zumindest an Hochschulen gelehrt wird — sicherlich von jenen, die erst vor Kurzem noch ihre Overheadprojektor-Folien abfotografiert haben und jetzt mit einer Dia-Show den staunenden Studenten präsentieren.

Aber inzwischen werden auch bei uns doch so langsam Arbeitsumfelder wie Coworking Spaces und Home Office Mainstream, was in den Nullerjahren einfach zu einem angenehmen Arbeitsumfeld mit dazu gehörte, leider aber noch nicht mit solch tollen Bezeichnungen aufwarten konnte. Vielleicht setzen sich zeitgemäße Dinge erst dann bei uns durch, wenn diese auch über einen sexy Namen verfügen.

Gerne denke ich dabei an die 1990er-Jahre zurück, als ich meine Arbeitsergebnisse während der Fahrt auf einem Nokia Communicator zusammenfasste, je nach Ausstattung meiner Gegenstelle per E-Mail oder Fax an meinen mein Chef verschickte. Und wenn dieser es hübsch haben wollte, er damit eine Sekretärin beauftragte, wobei ich nach Rückkehr ins Büro noch meine Unterschrift daruntersetzen musste. Und schon damals zeigten Powerpoint-Präsentationen das Nötigste und wenn Bildchen, dann ein paar nackte Menschen, die für ein, zwei Sekunden zu sehen waren, nur um die Aufmerksamkeit der Zuhörerschaft zu erhalten.

Aber genug von der guten alten Zeit. Inzwischen habe auch ich ein eigenes Homeoffice — ganz für mich alleine — und weil ich während COVID-19 doch so einige Arbeitsplätze per Videokonferenz bestaunen durfte und ganz besonders beeindruckt von der Ausstattung von Detlefs Sterns Arbeitsplatz bin, mir selbst auch etwas Luxus gönnen wollte, mit einer für mich passenden Ausstattung versah.

Neben einem richtigen und bequemen Bürostuhl habe ich ein noch viel bequemeres Bett stehen, gleich neben einem Schreibtisch mit viel Platz. Der Schreibtisch hat einen großen Computerbildschirm, der gut zur Recherche wie auch zum Fernsehen geeignet ist. Für die Arbeit wie auch für die obligatorischen Videokonferenzen habe ich noch je einen eigenen Rechner stehen und falls das mit den virtuellen Betriebssystemen nicht klappt, noch einen weiteren Rechner mit einem Windows-Betriebssystem. Und das wirklich einzig Neue — was übrigens sehr gut funktioniert — sind die virtuellen Büros im Metaversum, welche auch immer attraktiver werden.

Das Einzige, was meinem Homeoffice jetzt nur noch fehlt, sind eine ganz bestimmte Espresso-Maschine und ein Mini-Kühlschrank, wobei ich mich hier nicht festgelegt habe.

Dafür kann ich weiterhin auf die altbewährten Konzepte der mobilen Arbeit zurückgreifen, welche interessanterweise noch heute auf überteuerte und wenig effiziente Co-Working Spaces sehr gut verzichten können. Für das erste Get-together bieten sich Flughäfen immer noch bestens an, um dann später in öffentlichen Bibliotheken sehr gut ausgestattete Arbeitsplätze zu nutzen. Und für die weiteren Gespräche sind immer noch nette Hotellobbys die beste Wahl.

Und das Einzige, was sich wirklich über all die Jahrzehnte geändert hat, ist, dass man anstatt der üblichen Coins heute Bibliotheksausweise vorzeigen kann.

Letztendlich werden sich aber weiterhin die Statussymbole weit überdimensionierter Konzernzentralen durchsetzen, da es immer noch und ausschließlich darauf ankommt, wie viel Geld man in den Sand setzt. Und an der Höhe dieser Beträge wird man gerne gemessen. Das kann man ganz gut am Googleplex, dem Apple-Park, den Amazon-Zentralen oder den vielen anderen neuen Firmenzentralen beobachten, die möglichst viele Angestellte an einem Ort zusammenführen — auch bei uns in Heilbronn und Umgebung.


„Work that is pure toil, done solely for the sake of the money it earns, is also sheer drudgery because it is stultifying rather than self improving.“

Mortimer Adler, A Vision of the Future : Twelve Ideas for a Better Life and a Better Society (1984)

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