Beitragsfoto: Morgenstund
Als ob ich noch jung wäre, verließen meine bessere Hälfte und ich gestern um 4.30 Uhr das Haus und kamen kurz vor Mitternacht wieder zurück. In der Zwischenzeit waren wir u. a. in Stuttgart, Berlin und Amsterdam. Und da wir diese Tour in ähnlicher Form inzwischen seit 2004 machen, reisen dabei sehr viele Erinnerungen mit. Wohl unsere erste Fahrt zum Bundesausschuss erfolgte noch mit dem Auto und führte uns von Stettin nach Hannover und wieder zurück.
Interessant dabei, dass ich dort zum ersten Mal auf Elmar Brok traf und mich sofort mit ihm stritt. Gestern traf ich mich nach vielen Jahren wieder mit ihm und erneut auf einem Bundesausschuss. Dieser Bundesausschuss war für mich etwas Besonderes, da es dort wieder einmal zu einem Schaulaufen von Dinosauriern unseres Verbandes kam, die nun wohl zum aller letzten Mal leere Phrasen dreschen wollten — manche Mitmenschen ändern sich auch nach Jahrzehnten nicht. Was mich etwas sentimental stimmte, war die Tatsache, dass sobald auch diese drei, vier Herren und eine Dame nicht mehr sind, meine Wenigkeit selber zu diesen Dinosauriern gehören wird. Nun stellt sich die Frage, ob wenigstens mir noch rechtzeitig der Absprung gelingt? Dagegen könnte sprechen, dass ich von Anfang an immer in Begleitung einer jüngeren Dame unterwegs war und diese — was uns netter Weise gestern auch bestätigt wurde — noch lange nicht zu den Dinosauriern unseres Verbandes zu zählen ist.
Auch komme ich nicht wie viel zu viele Berufspolitiker und Möchtegerne zum Bundesausschuss, um mich dort im Schaulaufen zu üben, hohle Phrasen zu dreschen und den Aktivisten des Verbandes die Stimmung zu vermiesen. Ein Bundesausschuss hat andere Aufgaben und die Delegierten finden immer wieder Möglichkeiten, um aus diesen Treffen einen Gewinn zu ziehen. Seit Jahren sind es für mich deshalb die Side Talks, die ich dort führen darf und verstärkt das inoffizielle Begleitprogramm zum Bundesausschuss, welches für viele Aktivisten immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Und so trafen wir bereits am Stuttgarter Flughafen Daniel Frey und Jan-Philipp Scheu zu einem kleinen Frühstück. Leider waren weitere militante Föderalisten [Fachbegriff] dieses Mal verhindert. In Berlin trafen wir auf unsere Mitstreiter, die vorab mit der Bahn gefahren waren, und nutzten die Gelegenheit, ein neues Restaurant kennenzulernen. Schon alleine der Name Hüftgold war vielversprechend und seit meiner Zeit in Frankreich weiß ich um die Bedeutung von gutem Essen beim Besprechen.
Den Rückweg verbanden wir dann mit einem kleinen Kneipen-Hopping, angefangen im BER und fortgeführt in Schiphol. Erfreulich auch, dass französische Maschinen weiterhin Essen und Trinken anbieten — wohl weiterhin nur, um von kleineren Unzulänglichkeiten abzulenken. Erwähnenswert das Engagement eines japanischen Stewart — hat man nicht sehr oft auf europäischen Strecken.
Der Bundesausschuss selbst erwartungsgemäß inhaltlich sehr dünn, wobei es mich sehr erfreute, dass sich jüngere Aktivisten von alleine fragten, ob es den erbrachten eigenen Aufwand tatsächlich noch lohnt. Ich bin mir sicher, dass sie den eigentlichen Wert der Bundesausschüsse noch erkennen werden.
Lobenswert das Engagement der Bundesgeschäftsstelle um Christian Moos und seine Damen. Die Wahl des Tagungsortes gelungen und, wenn ich mich richtig erinnere, auch eine Wiederholung; dieses Mal, aber ohne Übernachtung und ausreichend Verpflegung — was uns Militante weniger stört.
Erschreckend, was die Berufspolitik inzwischen aus unserem Verband gemacht hat, noch erschreckender, wie Berufspolitik-Aspiranten diese Bühne für ihre eigene Zwecke nutzen möchten. Dabei setzten wir in unsere Mitglieder aus der Berufspolitik einst durchaus große Hoffnungen und wollten ihre Fachexpertise wie auch deren Verbindungen für uns nutzen. Schade nun, dass diese Damen aber meist nur Herren, nun nach Jahrzehnten Berufspolitik nur verlautbaren können, was sie alles nicht erreicht haben, aber „man“ doch so dringend machen müsse.
Was mich dabei so richtig verärgert, ist die Tatsache, dass sie es selber waren, die jahrzehntelang ihre jetzigen und auch damaligen Forderungen verhindert und torpediert haben! Und die Jugend klatscht dazu Beifall, ohne auch nur einmal zu googeln, wer die eigentlichen Killer der Europäischen Idee sind? Nämlich genau jene Berufspolitiker, die diese in den Sonntagsreden sowie auf Kongressen und in Ausschüssen so gerne und wortgewandt fordern!
Traurig war dieser Bundesausschuss zum Schluss dann doch, denn wir haben still und leise mit dem gestrigen Beschluss den Montanunionsgedanken zu Grabe getragen! Die meisten der anwesenden Berufspolitiker wie von mir schon lange behauptet nur „Superstaateuropäer“ (aka, waschechte Nationalisten!) und die mir bekannten anwesenden Grünen wilde „Kriegstreiber“ ohne Herz und Verstand.
Das tatsächliche Highlight unserer Fahrt könnte man unter dem Stichwort „vier Schwaben in Berlin“ zusammenfassen. Als wir morgens den Bahnhof in Berlin verließen, begann es zu regnen und einer von uns schlug vor, ein Taxi zu nehmen. Dank einer App kam dann ein echtes Taxi, welches aktuell als Uber unterwegs war, drehte ganz elegant vor dem Bahnhof ein, zwei Kurven, nahm uns auf und drehte noch eleganter eine etwas größere Kurve, bevor es uns wieder absetzte. Denn der Tagungsort war gleich gegenüber des Bahnhofes — die Berliner werden bestimmt mit uns Württembergern, Franken oder Badenern schon ihre ganz eigenen Erfahrungen haben.
Abschließend hoffe ich, dass wir wenigstens bei den kommenden 9. Hertensteiner Gesprächen wieder auf die Grundlagen unserer Europäischen Idee zurückkommen können und uns dabei gemeinsam überlegen, wie wir diese vielleicht doch noch umgesetzt bekommen könnten.
Und da es bei den Hertensteiner Gesprächen ganz bewusst kein Schaulaufen und demzufolge auch keine Groupies gibt, sind dort die Chancen für eine vielversprechende inhaltliche Arbeit durchaus gegeben.
Impressionen
Nachtrag
Und vielleicht bekommen unsere jüngeren Aktivisten demnächst ein ähnliches Video zustande, denn auch unsere antieuropäischen Politiker in der Kommission, den Regierungen wie auch Parlamenten verdienen eine ehrlichere Wahrnehmung — aber so lange diese mit Billionen Euro um sich schmeißen dürfen, sind wir alle weiterhin deren Groupies.