Beitragsfoto: Zukunft | © mykedaigadget from Pixabay
Neben der Schrift und ihrem ganzen Drumherum ist es wohl die Fähigkeit in der Westlichen Welt gewesen, in der Kommunikation zwischen der Sach- und der Beziehungsebene zu unterscheiden.
Manche Älteren von uns erinnern sich noch an die demokratischen Titanen zu Anfang unserer Bundesrepublik, die sich in Bonn die größten und wildesten Wortgefechte lieferten, nur um sich im Anschluss wieder zum Kartenspiel und ein paar Alkoholika zu versammeln. Unbedarftere Zeitgenossen sahen dies als ein falsches Spiel an — weit gefehlt!
Selbst beim Militär wurde großer Wert darauf gelegt, geflissentlich die Unterschiede bei den Ebenen und Rollen zu bewahren — ganz besonders in der Kommunikation. Man schuf sogar eigene Zonen, um dort nach gewaltigen inhaltlichen Auseinandersetzungen die Beziehungsebene zu stärken; dort war es verboten, „den Dienst“ mit hineinzubringen. Allerdings konnte ich gerade dort über die Jahrzehnte hinweg den Zerfall unserer eigenen Kultur ganz gut miterleben.
Und so zerfällt so langsam aber sicher nicht nur das Schriftliche in unserer Gesellschaft, damit einhergehend zerfällt auch unsere Sprache immer weiter und ganz folgerichtig auch das Gehirn und Gedächtnis unserer Gesellschaft.
Sondern es ist es auch nicht mehr weiter verwunderlich, dass immer weniger Mitbürger zwischen einer inhaltlichen und einer Beziehungsebene unterscheiden oder gar die unterschiedlichen Rollen, die ein Mensch einnehmen kann, erkennen können oder noch erkennen wollen.
Allerorten werden notwendige Unterschiede nivelliert und auf dem Altar einer Gleichmacherei geopfert. Und so fällt es schon gar nicht mehr auf, dass man inzwischen Globuli und Hokuspokus neben immer wortgewaltigeren, aber nichtssagenden Anglizismen zur Wissenschaft verklärt und dafür ganze (Bildungs)Parks einrichtet.
Kommunikation findet fast nur noch auf der Beziehungsebene statt, die Rollen wurden bereits auf zwei reduziert: Verbraucher und Macher — was man auch immer darunter verstehen möchte — und wir müssen uns alle lieb haben, am besten in einer Unisex-Form. Am allerbesten aber unseren Großen Bruder, der bekanntlich dann auch schnell wechseln kann — was uns allen inzwischen aber völlig egal sein dürfte.
Denn wir schwimmen nun alle in derselben Suppe, einer Suppe, die bereits vorab ganze Gesellschaften in Afrika, der arabischen Welt und Asien ruinierte, und greifen sogleich verstärkt zum Messer, wenn einer einen nicht lieb hat: Wir sind alle gleich! Und wer nicht, der wird weggemetzelt.
Dabei waren es doch die kleinen, aber feinen Unterschiede, die unsere westlichen Gesellschaften erst zum Erfolg führten — und auch die Möglichkeit, aus seinem eigenen Leben das machen zu dürfen, was man selber wollte.
„Je nach der Lage des Staates und den Fügungen des Schicksals werden wir vorankommen oder auf der Strecke bleiben, jedenfalls werden wir tätig sein und nicht der Furcht unterliegen und dadurch in Reglosigkeit verfallen. […] Wenn du aber in eine weniger günstige Lage des Staates gerätst, musst du dich mehr ins Privatleben zurückziehen und dich mit der Wissenschaft beschäftigen, wie auf gefahrvoller Seefahrt sofort einen Hafen anlaufen, nicht auf deine Entlassung warten, sondern von selbst zurücktreten.“
Seneca, De tranquillitate animi V 4–5