Millennium-Bug

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Vor Kurzem schrieb man noch das Jahr 1999, und viele von uns beschäftigten sich mit dem Jahr-2000-Problem, oder wie es die damaligen Nerds so schön nannten, mit dem Y2K-Bug.

Für die etwas später Geborenen nur ganz kurz zum Verständnis: bis zu diesem Jahr war es allgemein üblich, die Jahreszahlen nur zweistellig zu schreiben. Und da Speicherplatz schon damals nicht nur teuer, sondern auch selten war, nutzten die Programmentwickler der 1970 bis 1990er-Jahre die Gelegenheit und programmierten ihre Jahresdaten ebenfalls nur zweistellig. Hinzu kam wohl noch, dass man bis Ende 1999 das allseits bekannte „00“ als Begrifflichkeit für ungültige Dateninhalte benutzte.

Und so wurden alle, die damals schon mit Computern und Software zutun hatten, spätestens zum Jahresende 1999 — was übrigens zeitgleich auch ein neues Jahrtausend einläutete — etwas aktiver als sonst üblich. Und diese ungewöhnliche „Hyperaktivität“ von Computer-Fachleuten wirkte sich so langsam aber sicher auch auf die gesamte Gesellschaft aus. So war es nicht ganz verwunderlich, dass damals Horror-Szenarien in allen Medien zu lesen und zu hören waren und auch der allseits so beliebte Nostradamus wieder einmal ausgegraben wurde.

Auch ich blieb von dieser Thematik nicht ganz verschont, weil wir unsere damaligen NATO-Einsätze ohne Computer gar nicht mehr denken konnten und so langsam aber sicher selbst die Karten durch GPS ersetzten. Und so kam es, dass mich die damaligen Einsätze und der Millennium-Bug bei einem Heimatbesuch zur Überraschung meiner besseren Hälfte zu einem wahren Prepper werden ließen — sie benötigte wohl die gesamten Nullerjahre, um mich wieder zu resozialisieren.

Und dieser Prepper wusste seine kostbare Familienzeit zwischen zwei Einsätzen nicht besser zu nutzen, als der Familie eine analoge Uhr zu schenken, die ihr den Wechsel ins kommende Jahrtausend vereinfachen sollte. Und da die Familie jüngst auch erst in den Schwarzwald gezogen war, bot es sich an, dass die Uhr auch eine Kuckucksuhr ist.

Das ist jetzt gut 22 Jahre her, und die besagte Kuckucksuhr lief bis gestern gänzlich ohne Probleme, überlebte das Heranwachsen zweier Jungen und einen Hund sowie gleich mehrere Umzüge mit zum Teil sehr robusten Umzugshelfern. Auch machten ihr der ein oder andere Klimawechsel nichts aus.

Und jetzt ist sie futsch — sie möchte einfach nicht mehr. Vielleicht ist ihr das ruhigere Leben einfach nur zu langweilig geworden. So habe ich sie nun wohl das erste Mal geöffnet und auf das Uhrwerk geschaut. Dann habe ich mich aber dagegen entschieden, selbst das Basteln anzufangen. Die Herstellerfirma konnte ich schnell ermitteln und freute mich, dass es diese sogar noch gibt.

Die Rückfrage bei einem lokalen Uhrmacher ergab, dass wir wohl zwei bis drei Jahre warten müssen, um die Uhr repariert zu bekommen — das nur mal so zum Thema Fachkräftemangel.

Deshalb baue ich jetzt voll und ganz auf den Service eines renommierten Uhrenherstellers aus dem Schwarzwald. Heute habe ich ihn angeschrieben und ihm mein Problem geschildert.

Jetzt bin ich selber einmal gespannt, wie sich diese Angelegenheit weiterentwickelt. Übrigens, der Millennium-Bug war dann doch keiner und hat nur dazu geführt, dass wir uns alle auch ganz neue Computer kauften.

Ich hatte diesen Beitrag noch nicht fertiggestellt, da bekam ich bereits diese E-Mail:

„Sehr geehrter Herr Kümmerle, gerne können Sie die Uhr bei uns vorbeibringen. Einen Kostenvoranschlag können wir aber erst machen, wenn wir die Uhr genau geprüft haben. Bitte rufen Sie vorher an, bevor Sie kommen, da wir noch wegen der aktuellen Situation in Kurzarbeit sind.“

So, jetzt muss ich meine bessere Hälfte nur noch für eine Fahrt nach Titisee-Neustadt gewinnen können. Und ich bin bereits gespannt darauf, wie schnell die Kuckucksuhrenfirma Hönes meine Kuckucksuhr wieder hinbekommt.

„You know what the fellow said – in Italy, for thirty years under the Borgias, they had warfare, terror, murder and bloodshed, but they produced Michelangelo, Leonardo da Vinci and the Renaissance. In Switzerland, they had brotherly love, they had five hundred years of democracy and peace – and what did that produce? The cuckoo clock.“

Orson Welles als Harry Lime in „The Third Man“ (1949)

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