Beitragsfoto: Bundestag | © clareich auf Pixabay
Seit meinem eigenen Parteiaustritt in den späten 1980er-Jahren gehöre auch ich zu den Wechselwählern. Bloß nicht zu wählen kommt für einen Demokraten einfach nicht infrage! Folglich müssen es sich alle Nichtwähler gefallen lassen, wenn sie nicht mit einer Debilität oder anderen Behinderung aufwarten können, dass zumindest ich sie als waschechte Antidemokraten einstufe.
Auf gut Deutsch, Nichtwählen ist keine gangbare Alternative! Und so muss sich ein Wechselwähler jedes Mal Gedanken darüber machen, wo er dieses Mal und dies möglichst sinnvoll sein Kreuzchen macht. Auf alle Fälle aber ist dies weit besser als völlig stumpf jedes Mal das Angebot der „eigenen“ Partei zu nehmen und auch dem letzten Volldeppen seine Stimme zu geben. Und sich dann auch noch von der eigenen Klientel als „Parteisoldat“ feiern zu lassen ist nicht nur eine Beleidigung für alle echten Soldaten, sondern einfach nur blöd.
Der „Nachteil“ dabei, man muss sich ein wenig Mühe machen, wenn man nicht nur seine Stimme als ungültig abgeben möchte — übrigens auch dies ist eine durchaus gangbare Alternative. Und noch heute gilt in allen Demokratien, dass der, der nicht wählt, auch nicht zählt; denn warum sollte sich ein Berufspolitiker überhaupt um einen Menschen kümmern wollen, der als Wähler überhaupt nicht infrage kommt? Aus Menschlichkeit, aus Fürsorge, aus demokratischer Überzeugung heraus? — selten so gelacht!
Eine andere Möglichkeit ist, wenn man sich nicht beständig selbst politisch auf dem Laufenden hält, sich vor der Wahl mit den einzelnen Wahlprogrammen zumindest grob vertraut zu machen. Hilfreich sind dabei die vielen und durchaus guten Angebote der jeweiligen Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung. Ganz praktisch auch der immer wieder angebotene Wahl-O-Mat, mit dem man seine aktuelle Meinung mit den bekundeten Meinungen der Parteien abgleichen kann. Spannend auch der von FragDenStaat angebotene Real-O-Mat, welcher „nicht auf die Wahlversprechen [der im Bundestag vertretenen Parteien] schaut, sondern das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Fraktionen und Gruppen zu aktuellen politischen Themen mit Ihrer persönlichen Position abgleicht“. Grundlage sind dabei die Anträge und Gesetzentwürfe im Bundestag.
Eine weitere Möglichkeit ist es, „strategisch“ zu wählen und dabei zu gucken, wie man mit seiner eigenen Stimme am besten Einfluss auf die Wahl nehmen kann. Zum Beispiel wäre es zwar gut und auch besonders ehrenwert, wenn man aus voller Überzeugung heraus einer Kleinpartei seine Stimme gibt, dabei aber — wir sind alle keine Robinson Crusoes! — ganz genau absehen kann, dass der besagten Partei der Einzug in den Bundestag verwehrt bleibt, strategisch betrachtet, wenig sinnvoll.
Und so muss ich z. B. dieses Mal über meinen eigenen Schatten springen und wohl einer Partei meine Stimme geben, nur um vielleicht verhindern zu können, dass wir Deutschen uns noch weiter von unserer eigentlich sehr guten und an sich auch gut funktionierenden Demokratie entfernen.
Und so muss man als Demokrat dieses Mal ganz genau hinschauen, wie sich mögliche Koalitionen zusammenfinden könnten oder gar eine Partei mit Duldung von Demokratiefeinden als Minderheitsregierung weiter in den Untergang marschieren könnte. Wohl gemerkt, ich habe überhaupt nichts gegen Minderheitsregierungen, habe hier im Blog sogar für eine solche geworben, aber man muss dabei zudem gucken, wie so eine Regierung wohl an Mehrheiten kommen wird — ein Lehrbeispiel hat uns der aktuelle Bundestag jüngst präsentiert.
Wie gesagt wählen ist nicht einfach, zumindest wenn man Demokrat und nicht nur „Fußvolk“ einer Partei sein möchte!
Und so wird es bis über die Wahl hinaus noch sehr spannend werden. Die USA und Österreich, zwei Länder, die ich sehr schätze, zeigen ganz aktuell, wie wir Wähler es so richtig verbocken können.
Überhaupt nicht zu wählen (ergo, nichts zu tun) und sich danach heftig zu beschweren und zu beklagen ist zwar ziemlich deutsch — dieses Mal aber völlig suboptimal!
3 thoughts on “Wechselwähler”
Zum Thema „wir haben die Wahl“ muss ich immer an den zahlenkundigen Kabarettisten Volker Pispers denken, der die Wahl in Deutschland als „Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen“ bezeichnet hat.
Nichtsdestotrotz war ich heute Morgen im Rathaus auf Zimmer 480 gewesen …
Volker Pispers hat leider viel zu früh aufgegeben.
Oh ja, seine letzten CDs sind jetzt 9 Jahre her. Aber auch die älteren Aufnahmen laufen immer wieder bei mir und sind von erschreckender Aktualität …