Zeit für ein Gedicht

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Beitragsfoto: Kaffeegenuss|© Pixabay

Bevor ich nun selber in ein Sommerloch falle und zudem damit beginne, die Folien für das kommenden Seminar vorzubereiten, blättere ich lieber ein wenig bei Reader’s Digest, das es inzwischen auch als eigene Website gibt. Noch in meiner Kindheit waren dessen Hefte und Bücher ein guter Zeitvertreib und eine Quelle für Entdeckungen.

Nach gut 50 Jahren dürfte sich das Konzept aber doch etwas überholt haben und wurde insgesamt durch das WWW bzw. das Internet obsolet. Und so war mein heutiger Besuch alleine der Nostalgie geschuldet. Ich fand zudem, dass es heute eine gute Zeit für ein Gedicht wäre, was bestimmt auch wieder den einen oder anderen Leser zu einer Reaktion veranlasst — aus irgendeinem mir noch nicht bekannten Grund erhalten die Gedichte hier im Blog meist die schlechtesten Bewertungen. Ok, ein Leser mag Gedichte grundsätzlich nicht und hat dies bereits auch so kommentiert. Was mich aber nicht davon abhält, weiterhin Gedichte zu posten. Und vielleicht ist auch einmal eines dabei, welches den „Gedichtekritikern“ gefällt.

Und so habe ich einmal geguckt, welche Gedichte eigentlich von Reader’s Digest empfohlen werden. Hierbei fand ich sofort die unterschiedlichsten Aufstellungen, die wohl die verschiedensten Geschmäcker abzudecken versuchen. Ich habe mir dabei die Aufzählung „20 berühmte Gedichte, die jeder mindestens einmal gelesen haben sollte“ etwas näher angeschaut. Akram Herrak hat diese Aufstellung erst am 9. Juni 2024 überarbeitet.

Ich kann mit diesen dort aufgeführten Gedichten ganz gut leben, manche davon finden sich auch auf diesem Blog hier. Und so habe ich mich entschieden, das erste Gedicht dieser Aufstellung hier im Blog mit aufzunehmen, welches von mir selbst nicht mit in die engere Wahl gekommen wäre — bereits beim zweiten Gedicht war es dann soweit.

Emily Dickinson war schon öfters Thema im Blog und auch das eine oder andere Gedicht von Ihr findet man hier. Das nun aufgeführte Gedicht „Because I Could Not Stop for Death“ wurde 1890 nach ihrem Tod veröffentlicht und passt ganz gut in wirklich jedes Sommerloch.

Because I Could Not Stop for Death

Because I could not stop for Death —
He kindly stopped for me —
The Carriage held but just Ourselves —
And Immortality.

We slowly drove — He knew no haste
And I had put away
My labor and my leisure too,
For His Civility —

We passed the School, where Children strove
At Recess — in the Ring —
We passed the Fields of Gazing Grain —
We passed the Setting Sun —

Or rather — He passed Us —
The Dews drew quivering and Chill —
For only Gossamer, my Gown —
My Tippet — only Tulle —

We paused before a House that seemed
A Swelling of the Ground —
The Roof was scarcely visible —
The Cornice — in the Ground —

Since then — ’tis Centuries — and yet
Feels shorter than the Day
I first surmised the Horses’ Heads
Were toward Eternity —

Ich finde, jedes Gedicht hat es verdient, um mindestens einmal gelesen zu werden. Wenn es einem auf Anhieb gefällt, dann wird man es immer wieder zu Rate ziehen. Sehr viele Gedichte erschließen sich dem Leser aber erst nach längerer Lektüre, manche gar erst, wenn man die entsprechende Begleitliteratur zu Rate gezogen hat.

Wieder andere Gedichte sind aber doch so lang, dass man Wochen bis Monate daran herumkaut; diese Gedichte dürften inzwischen für die allermeisten Leser wirklich aus der Zeit gefallen sein.

Nun bin ich einmal gespannt darauf, welche Reaktionen dieses Gedicht bei meinen Lesern hervorruft.

Nachtrag

Angeregt von einem ersten positiven Kommentar lege ich mit dem Platz 10 der oben genannten Liste nach. Auch dieses Gedicht stammt von Emily Dickinson. Etwas neugieriger geworden, habe ich mir mal den Autoren dieser Aufstellung etwas genauer angeschaut: ein junger Mann aus Casablanca mit einem Abschluss in englischer Literatur (deshalb wohl auch die Gedichtauswahl), Musiker, Blogger, Kritiker und last but not least Schachmeister; man könnte fast neidisch werden.

Nun aber zum Gedicht von Emily Dickinson, welches ebenfalls und zwar 1891 posthum veröffentlicht wurde.

I’m Nobody! Who Are You?

I’m nobody! Who are you?
Are you nobody, too?
Then there’s a pair of us — don’t tell!
They’d banish us, you know.

How dreary to be somebody!
How public, like a frog
To tell your name the livelong day
To an admiring bog!

My end goal is to live long enough to have loved everything, and I’m not going to get there, but I’m getting there as fast as I can.“

Doug Schulkind, in an Interview with Rob Walker (13.8.2024)

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Weitersagen:

  • Keine schlechte Auswahl. Vielleicht sollten wir wieder lernen, präsidiale Abgänge und Neuanfänge poetisch zu begleiten.