10.11.02022

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Beitragsfoto: Stoppuhren | © Pixabay

Hertensteiner Gespräche

Seit 2017 veranstaltet die EUROPA-UNION Heilbronn die Hertensteiner Gespräche in Heilbronn; diese Gespräche sind eine logische Fortsetzung der Gespräche aus dem Jahr 1946 in der Schweiz, welche zum Hertensteiner Programm und letztendlich auch zur Europäischen Union führten.

Die Bedeutung dieser Gespräche wurde sehr schnell europaweit erkannt und dabei auch von manchen bedauert, dass diese nun in Heilbronn und immer noch in deutscher Sprache stattfinden. Inzwischen kommen die Teilnehmer aus allen Teilen Europas und Deutschlands zu den Gesprächen wobei sich die deutsche Sprache etabliert hat, auch wenn bereits englisch- und französischsprachige Unterhaltungen mit zu den Gesprächen gehören.

Da Heilbronn leider aber nicht das europabegeisterte Umfeld bietet, das viele von uns so erhofften, trage ich mich nun mit dem Gedanken, dass wir die Hertensteiner Gespräche ab 2024 in ein europaaffines Umfeld umziehen. Mein Ziel ist es dabei, möglichst noch die kommenden Jahre im näheren Umfeld von Heilbronn zu bleiben, bevor wir die Hertensteiner Gespräche wieder an ihren eigentlichen Ursprungsort zurückbringen werden.

Ach, wie hatte ich es mir doch gewünscht, dass meine Heimatstadt — zumindest deren Bürger — sich mit der Europäischen Idee so anfreunden kann, dass Heilbronn zum idealen und dem europäischen Gedanken auch würdigen Gesprächsort wird. Leider aber, so muss ich es mir selber eingestehen, liegen die Schwerpunkte von uns Heilbronnern ganz woanders. Und so muss es mich auch nicht weiter erstaunen, dass selbst die Experimenta — mit all ihren finanziellen Ressourcen — langsam aber sicher zu einem Ringelpiez mit Anfassen umgebaut wird.

Sonnet 19

Mit meinem „Zeitdiebe-Beitrag“ habe ich gestern Emotionen geweckt, zumindest lassen dies die vielen Reaktionen vermuten. Deshalb lege ich gleich mit einem Gedicht von William Shakespeare nach.

Sonnet 19

Devouring Time, blunt thou the lion’s paws,
And make the earth devour her own sweet brood;
Pluck the keen teeth from the fierce tiger’s jaws,
And burn the long-liv’d phœnix in her blood;
Make glad and sorry seasons as thou fleets,
And do whate’er thou wilt, swift-footed Time,
To the wide world and all her fading sweets;
But I forbid thee one most heinous crime:
O, carve not with thy hours my love’s fair brow,
Nor draw no lines there with thine antique pen;
Him in thy course untainted do allow
For beauty’s pattern to succeeding men.
Yet do thy worst, old Time: despite thy wrong,
My love shall in my verse ever live young.

William Shakespeare, 1609

Und damit es auch ja kein Missverständnis mehr gibt, füge ich noch ein sogenanntes „Carpe-Diem“-Gedicht hinzu. Dieses stammt von Robert Herrick.

To the Virgins, to Make Much of Time

Gather ye rose-buds while ye may, 
Old Time is still a-flying; 
And this same flower that smiles today 
Tomorrow will be dying. 

The glorious lamp of heaven, the sun, 
The higher he’s a-getting, 
The sooner will his race be run, 
And nearer he’s to setting. 

That age is best which is the first, 
When youth and blood are warmer; 
But being spent, the worse, and worst 
Times still succeed the former. 

Then be not coy, but use your time, 
And while ye may, go marry; 
For having lost but once your prime, 
You may forever tarry.

Robert Herrick, The complete poetry of Robert Herrick

Erfreuliches

Am 9. November 2007 beschloss der Deutsche Bundestag endlich auch in Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu erstellen. Die Initiative dazu ging bereits 1998 von einer kleinen Gruppe aus Politikern, Stadtplanern und Journalisten aus und stand im direkten Zusammenhang mit der Schaffung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, welches schlussendlich am 10. Mai 2005 feierlich eingeweiht wurde.

Dieses Denkmal aus 2 711 quaderförmigen Beton-Stelen begeisterte nicht nur mich und so war ich hocherfreut als der Bundestag in Berlin auch ein Freiheits- und Einheitsdenkmal aufstellen lassen wollte. Richtig begeistert war ich dann als 2011 eine Stuttgarter Firma mit ihrem Entwurf für eine sogenannte „Einheitswippe“ erfolgreich war.

Aber dann wurde es erst so richtig tragisch, dann nur noch komisch und so hatte ich in den letzten zehn Jahren diesbezüglich noch wundersamere Gespräche mit den verschiedensten Bundestagsabgeordneten. In dieser Zeit wurden in Berlin unzählige Preußen-Denkmäler und weitere Wahrzeichen einer überkommenen Monarchie saniert, aber ganz offensichtlich kein einziges Denkmal für unsere Demokratie errichtet.

Und so hatte ich mich schon damit abgefunden, dass es mit dem Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin wohl nichts mehr werden wird, als am 19. Mai 2020 tatsächlich der Baubeginn erfolgte.

Und gemäß eines Zeitungsberichts der Heilbronner Stimme (10.11.2022: 11) soll das nun als „Bürger in Bewegung“ bezeichnete Denkmal im kommenden Jahr tatsächlich fertiggestellt werden. Berlin plant schon einmal dessen Einweihung für den Herbst 2023 ein — es würde mich nicht wundern, wenn auch dies flughafenmäßig ablaufen wird.

Die Zeit
Es gibt ein sehr probates Mittel,
die Zeit zu halten am Schlawittel:
Man nimmt die Taschenuhr zur Hand
und folgt dem Zeiger unverwandt, 
Sie geht so langsam dann, so brav
als wie ein wohlgezogen Schaf,
setzt Fuß vor Fuß so voll Manier
als wie ein Fräulein von Saint-Cyr. 
Jedoch verträumst du dich ein Weilchen,
so rückt das züchtigliche Veilchen
mit Beinen wie der Vogel Strauß
und heimlich wie ein Puma aus. 
Und wieder siehst du auf sie nieder;
ha, Elende! – Doch was ist das?
Unschuldig lächelnd macht sie
wieder die zierlichsten Sekunden-Pas. 

Christian Morgenstern

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