10.12.02025

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Beitragsfoto: S-Bahn vor Hauptbahnhof | © Bettina Kümmerle

Realitätsverweigerung

Spätestens seit Platons Höhlengleichnis müssten wir wissen, dass es ziemlich schwierig bis unmöglich ist, um zu erfahren, was um uns herum eigentlich so alles geschieht. Unsere Wahrheiten und Realitäten sind bestenfalls gut getroffene Annahmen.

Umso erstaunlicher ist es, dass wir Menschen uns von Anfang an den gegebenen Realitäten zu entziehen versuchen. Noch als kleine Kinder versuchen wir allesamt, die Welt um uns herum zu ergründen, aber bereits im Laufe unserer schulischen Erziehung verlieren die allermeisten von uns den Drang zu ergründen, warum es uns alle gibt und wie das Ganze eigentlich so funktioniert.

Aus frisch geborenen Homo sapiens werden sehr schnell bloße Primärprozessler, die etwas später bereits alles Erdenkliche unternehmen werden, nur um ihrer vermeintlichen eigenen Realität zu entfliehen.

Seneca begrüßte es, dass man dann den Freitod wählt, wenn die eigene zu erleidende Realität zu grausam ist. Dies wäre tatsächlich konsequent. Weniger, wenn man seiner als viel zu grausam wahrgenommenen Realität einfach nur durch Drogen entflieht.

Spannender Weise scheint diese Inkonsequenz gang und gäbe zu sein, oder aber die eigene Realität ist nie grausam genug, um echte Fakten zu schaffen.

Was allerdings nicht die Frage klärt, warum wir Menschen meist nicht einmal mehr zu ergründen versuchen, ob die Welt um uns herum nun gut oder schlecht für uns ist.

Meine Erklärung ist, dass man, wenn man es erkennen würde, ggf. dazu gezwungen wäre, wenigstens zu versuchen, etwas an dieser Situation selbst zu ändern.

Wahrscheinlich sind wir längst keine denkenden und handelnden Menschen mehr, sondern nur noch konsumierende und genießende Menschen.

Vermischtes

Schon wieder befinden wir uns mitten in der Adventszeit und es ist Zeit, dass ich etwas zurückschalte. Zumindest konnte ich den Weihnachtsbaum aus dem Keller holen. Vor Jahren hatte ich der Familie einen aus Metall aufgezwungen und war mir dabei sicher, dass er noch die eigenen Kinder überleben können wird — deutsche Markenqualität. Seit ein paar Tagen weiß ich nun, dass dieser über Sollbruchstellen verfügt und diese nun eine nach der anderen ihren Zweck erfüllen. Eigentlich hatte ich darauf spekuliert, dass ich die dort verbaute Beleuchtung einmal austauschen muss.

Ein möglichst nachhaltiges Leben zu führen ist schwer, vor allem dann, wenn die gesamte Gesellschaft um einen herum auf sinnlosen Verbrauch und Zerstörung aufgebaut ist. Einzig dabei ist zu bewundern, dass die Verantwortlichen es geschafft haben, uns das Abwracken der gesamten Welt als Wachstum zu verkaufen.

Jüngst schaffe ich es wieder etwas öfters das Tanzbein zu schwingen, wobei ich nun feststellen muss, dass es ziemlich schwer ist, den Takt zu halten, wenn man die Musik nicht mehr so richtig hört. Und da ich weiterhin darauf bestehe, die Führungsschritte zu tanzen, helfen dabei auch nicht die sicherlich gut gemeinten Korrekturen meiner besseren Hälfte.

Jetzt hoffe ich einmal nicht, dass ein Leser daraus wieder eine vermeintliche Misogynie herauslesen wird. Dabei war ich schon eine Emanze, als die meisten der damit heute so offensiv auftretenden Personen noch gar nicht geboren waren. Ich glaube heute noch an Gleichberechtigung, lehne es aber weiterhin ab, wenn man diese einzig und alleine nur ins Feld führt, um sich eigene Vorteile zu verschaffen.

Echte Emanzen habe heute tatsächlich Seltenheitswert! Deren teilweise sehr populäre Abziehbilder, die außer ihrem vermeintlichen Emanzentum und erschwindelten Karrieren nichts präsentieren können, prägen aktuell die öffentliche Diskussion — was aber ganz gut in unsere heutige Welt passt.

Vor kurzem habe ich wieder einmal unzählige Bücher entsorgt. Dabei viel mir das Buch „Alt – Manifest gegen die Herrschaft der Jungen“ von Esther Vilar in die Hände und ich stellte es wieder zurück; bei Gelegenheit möchte ich doch nochmals darin schmökern.

Übrigens, nach einem Fernsehstreitgespräch am 6. Februar 1975 mit Alice Schwarzer wurde Esther Vilar zu einem regelrechten Hassobjekt für Feministinnen und tätlich angegriffen. Ich fand ihr dem Gespräch zugrunde liegendes Buch „Der dressierte Mann“ (1971) damals hingegen als eine Art Gegenthese sehr brauchbar und sah ihre Argumentation in den folgenden Jahrzehnten auch teilweise bestätigt.

Als ich das Buch „Alt“ 1980 las, gab es als Zugabe noch einen eigenen Button, den ich leider nicht mehr finden konnte. An diesen kann ich mich noch erinnern, leider nicht mehr an den Inhalt des Buches. Da das Buch heute noch in einem Regal steht, lässt darauf schließen, dass ich es wieder einmal zur Hand nehmen wollte. Nach 45 Jahren werde ich es sicherlich aus einer ganz anderen Perspektive lesen.

Wahrscheinlich ist es das Schicksal aller Autoren, dass diese, wenn sie dem echten Leben halbwegs nahekommen, zumindest deren Bücher auf den Scheiterhaufen landen.

Straßenbahn

Eigentlich wollte ich nichts mehr über meine Heimatstadt schreiben, denn es ist schon alles geschrieben und positive Veränderungen sind in den kommenden Jahren nicht zu erwarten; der Fisch stinkt weiterhin am Kopf zuerst!

Mit Freude musste ich heute zur Kenntnis nehmen, dass mindestens ein Triebfahrzeugführer zu meinen Lesern gehört. Auf alle Fälle sprach er mich heute auf der Straße an und bat mich, doch wieder einmal meine Meinung zum öffentlichen Nah- und Straßenverkehr kundzutun.

Zu Fahrradfahren und sonstigen auf den Gehwegen Randalierenden habe ich bereits zu Genüge geschrieben. Leider wird es hier ebenfalls so schnell keine Besserung geben.

Auf alle Fälle nutzen sehr viele Verkehrsteilnehmer bei uns den zumindest in der Innenstadt bestehenden rechtsfreien Raum dazu, um auf der Straße zu machen, was sie gerade so wollen. Aus reinem Vergnügen heraus Menschen totzufahren hat in Heilbronn schon etwas länger Tradition.

Und selbst unsere Stadtbusse kennen schon länger keine roten Ampeln oder Zebrastreifen mehr, zumindest dann, wenn sich die jeweiligen Lenker gerade wieder einmal im Groove befinden. Jüngst durfte ich einen Omnibus bewundern, der ganz locker auf der Gegenspur Strecke machte und wohl darauf baute, dass er sich als Stärkerer schon wieder in die eigene Spur einreihen können wird. Zumindest dürfte damit die Verspätungsproblematik, die bei der Deutschen Bahn so gerne diskutiert wird, im Heilbronner Stadtbusverkehr vom Tisch sein.

Viele Autofahrer cruisen nicht nur die Allee hoch und runter, sondern nutzen, wenn sie in Eile sind, gerne Einbahnstraßen umgekehrt herum oder noch lieber die Fußgängerzone, um ungestört Strecke machen zu können. Von roten Ampeln einmal ganz zu schweigen. Der Tod anderer Verkehrsteilnehmer wird dabei billigend in Kauf genommen.

Nun ist dies nicht mehr nur eine Beobachtung von mir, sondern auch Triebfahrzeugführer, die durch das Stadtgebiet unterwegs sein müssen, stellen zunehmend fest, dass der Aufenthalt im Heilbronner Verkehrsraum nicht gerade der Gesundheit förderlich ist. Jene Verkehrsteilnehmer, die ihren Führerschein noch redlich erworben haben, wissen darum, dass Straßenbahnen nicht nur schienengebunden und ziemlich schwer sind, sondern auch über einen etwas größeren Bremsweg verfügen, vor allem dann, wenn sie die eigenen Fahrgäste nicht gefährden möchten.

In Heilbronn dürfte die Asozialendichte im Straßenverkehr besonders hoch sein, wobei die dementen oder debilen Führerscheininhaber noch mit dazu kommen. Wobei ich mich schon etwas länger frage, wie bei uns Menschen den Führerschein bekommen können, die nachweislich weder lesen und schreiben noch rechnen können.

Auf alle Fälle aber gibt es in der Heilbronner Innenstadt für die Straßenbahnen regelrechte Unfallschwerpunkte, die an Stellen liegen, wo Einbahnstraßen oder Ampelanlagen von Autofahrern besonders gerne ignoriert werden. Die Fahrt dorthin für die Triebfahrzeugführer jedes Mal eine regelrechte Belastung und die Notbremsungen bereits Gewohnheit.

Im Falle, dass es dann doch wieder einmal kracht oder gerade noch einmal verhindert werden konnte, müssen die Triebfahrzeugführer Beleidigungen aller Art erdulden und können wohl auch nicht mehr mit der Hilfe der Heilbronner Polizei rechnen. Inzwischen fährt wohl eine „Spezialeinheit“ aus dem Umland an.

Bevor nun aber ein Kraftfahrzeugführer, der eine rote Ampel überfahren hat, falsch aus einer Einbahnstraße herauskam oder doch nur zu blöd zum Autofahren ist, angezeigt wird, wird erst einmal ganz prophylaktisch der Triebfahrzeugführer vor den Kadi geschleppt und muss dann seine Unschuld durch mehrere Instanzen nachweisen — eine berufliche Attraktivität dürfte anders aussehen!


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