24. April 2022

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Beitragsfoto: Frau mit Flagge | © Pixabay

Schon einmal haben unsere französischen Nachbarn unserem Europa einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Manche von uns erinnern sich noch gut daran, wie am 29. Mai 2005 eine Mehrheit von 55,7 % der Franzosen gegen die Annahme des Vertrages zu einer europäischen Verfassung stimmten und unser Europa um Jahre zurückwarfen.

Die Realisten unter uns erkannten schon damals, dass die Mitgliedsstaaten der EU nicht aufgrund der Europäischen Idee in der EU waren, ganz besonders nicht jene, die erst 2004 beigetreten sind.

Die Hauptgründe für eine Mitgliedschaft dürften bis heute bei den meisten Mitgliedern in den finanziellen Vorteilen einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit und eines sozialen Europas (Transferzahlungen) liegen.

Als nächster Grund die ganz banale Sache, dass sie durch ihre Mitgliedschaft in der EU überhaupt noch ihre eigene nationale Souveränität aufrechterhalten können (eigentlich ein Widerspruch in sich). Für manche aber ist es auch die Rettung vor einem wiedererstarkenden Russland; wobei ironischerweise Russland dabei inzwischen Deutschland als Schreckgespenst abgelöst hat — zumindest vorerst.

Und selbst die lautstarken Europäer denken bei Europa eher an einen Superstaat Europa, je nach Nationalität dabei an eine europäische Grande Nation oder an ein europäisches Groß-Berlin — was sehr viele deshalb an einen deutsch-französischen Burgfrieden glauben ließ. Und einige dieser Europäer glauben bis heute sogar noch daran, den Superstaat Europa unter Moskauer Führung realisieren zu können.

Sehr wenige Unionsbürger glauben bis heute noch an einen Bundesstaat Europa — an die Vereinigten Staaten von Europa. Und noch weniger davon an einen Zusammenschluss der Freien Welt bis hin zu einer inzwischen in weiter Ferne liegenden Weltunion.

Gerade befindet sich Europa wieder einmal im Krieg, auch die Europäische Union. Unser wichtigster und verlässlichster Partner, die Vereinigten Staaten von Amerika, versuchen dabei noch eine Ausweitung zu einem Weltkrieg zu verhindern. Wir Europäer sind übrigens einem Weltkrieg weniger abgeneigt — wieder einmal (was man als Anzeichen von Hybris werten kann).

Was diesen Krieg aber ganz besonders macht, ist, dass die Fronten bei fast allen Kriegsbeteiligten noch nicht geklärt sind.

Ungarn, Österreich und Deutschland scheinen immer noch eher für Russland zu tendieren und werden nur durch die Standhaftigkeit der Ukrainer zu einer Umkehr ihrer Politik gezwungen. Wobei wir erkennen müssen, dass dies dann nur eine (knappe) Mehrheitsentscheidung sein wird.

Leider glauben sehr viele Deutsche immer noch daran, dass die USA dem deutschen Großmachtstreben entgegensteht — und sie haben völlig recht damit, denn die USA bauen auf ein demokratisches und europäisches Deutschland.

Bei den baltischen Staaten, Polen und dem Rest Osteuropas liegt die Angst vor Russland noch zu tief, um sich von unserem Europa abzuwenden, was sich aber sehr schnell ändern wird, wenn diese Angst entfällt — die antidemokratischen Polen können als gutes Beispiel dienen.

Das Vereinigte Königreich und die Skandinavier sind sich einig, sie stehen an der Seite der USA, um das Freie Europa zu verteidigen. Südeuropa und die iberische Halbinsel halten sich hingegen noch etwas bedeckt, weil sie nicht genau wissen, wie sich Deutschland und vielleicht demnächst auch Frankreich entscheiden werden.

Und während wir Deutschen weiterhin herumlavieren und immer noch versuchen, Profit aus dem Krieg zu ziehen, wird es für unser Europa bereits am 10. April 2022 sehr spannend werden, und spätestens am 24. April 2022 haben wir dann Gewissheit.

Denn Frankreich wählt einen neuen Präsidenten:

  • Emmanuel Macron, ein Superstaat-Europäer, baut weiterhin auf Europa, aber ohne Russland und möglichst auch ohne die USA.
  • Marine Le Pen, eine Faschistin, vielleicht auch ein Nazi, baut auf die Grande Nation und dies gerne mit russischer Unterstützung, auf jeden Fall aber ohne die USA.

So werden wir Deutschen am 24. April 2022 endlich wissen, wie es in diesem Krieg weitergeht. Unsere französischen Freunde werden dies für uns entscheiden.

Wie es mit unserem Europa weitergeht, werden wir aber auch dann nicht wissen. Denn im besten Fall wird die Ukraine überleben und die Russische Föderation für ein paar Jahre stiller werden. Die USA können einen Weltkrieg verhindern, und die Chinesen warten nochmals ein wenig, bis sie selber den Konflikt wagen.

Auf jeden Fall aber werden auf das gesamte Europa Kosten in bisher nicht vorstellbarer Höhe zukommen, und wir Normalbürger werden allesamt unser bisheriges Luxusleben aufgeben müssen.

Dann wird es richtig spannend, nämlich wenn wir uns entscheiden müssen, wie wir diese Krise bewältigen wollen.

„What one needs to do at every moment of one’s life is to put an end to the old world and to begin a new world.“

Nikolai Berdyaev, The Beginning and the End (1947)

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