Archive

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Beitragsfoto: Archiv | © Pexels auf Pixabay 

Für meinen Beruf ganz untypisch, wurde ich erst sehr spät mit Stabsarbeit betraut. Zum einen kam das meinem Naturell eigentlich ganz gut entgegen, zum anderen aber war es eher kontraproduktiv. Gerade jemand in Führungsfunktionen sollte vorab zumindest ein wenig von Stabsarbeit wissen. In der Nachbetrachtung weiß ich, dass man auch ohne eine solche führen kann, dies aber für sämtliche Beteiligten nicht unbedingt von Vorteil ist.

Und kaum hatte ich später meine ersten Erfahrungen mit Stabsarbeit gemacht, wurde ich auch auf das Vorhandensein von Archiven aufmerksam. Gute Stabsarbeit, Verwaltung und auch Projektmanagement ohne Archivierung gibt es nicht. Und gleich vorweg, ein Back-up oder ein extragroßes E-Mail-Konto sind kein Archiv!

Und kaum wurde ich auf die Notwendigkeit von Archiven und deren Vorteil aufmerksam, musste ich mir sogleich die Frage stellen, wie man Verschlusssachen archiviert, deren Urheber kein Mensch mehr kennt?

Inzwischen weiß ich auch, dass es für wirklich alles — zumindest bei uns in Deutschland und vermutlich im gesamten westlichen Kulturkreis — Archive gibt. Und ich sollte sogleich einmal nachschauen, denn Joseph Henrich müsste ganz folgerichtig in seinem Buch „The WEIRDest People in the World: How the West Became Psychologically Peculiar and Particularly Prosperous“ Archive ebenfalls erwähnt haben. Auf jeden Fall aber kann man behaupten, dass alles, was man nicht archivieren kann oder besser noch, für das es keine Archive bei uns gibt, nicht lohnt, überhaupt zu Papier gebracht zu werden.

Manchmal muss man die Archive auch erst darüber informieren, dass die eigenen Unterlagen archivierungsbedürftig sind; hilfreich dabei, wenn man auf die entsprechenden Gesetze, Erlasse oder Vorschriften verweisen kann. Und danach wird es erst richtig spannend, denn Archivarbeit ist eine Wissenschaft für sich und wird idealer Weise von Menschen getätigt, die dafür auch ausgebildet wurden.

Immer wieder spannend mitzuerleben, was man selbst für archivierungsbedürftig ansieht und was dann davon tatsächlich archiviert wird. Noch spannender, was man selbst überhaupt nicht als archivierungswürdig befindet, jedem Archivar aber buchstäblich das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Deshalb kam ich zu der Überzeugung, dass man sich bereits im Vorfeld darauf einigt, sämtliche Unterlagen ans Archiv abzugeben und die Archivare vor Ort entscheiden, was letztendlich davon ins Archiv wandert.

Aktuell habe ich als Vereinsvorsitzender mit zwei ganz unterschiedlichen Archiven zu tun, zum einem dem Stadtarchiv Heilbronn, welches das Archiv der Freien Wähler – Freie Wählervereinigung Heilbronn e. V. als Bestand D 158 verwaltet, und zum anderen mit den Historischen Archiven der Europäischen Union in Florenz, die das Archiv der EUROPA-UNION Heilbronn unter dem Reference Code EUHN verwalten.

Damit ist sichergestellt, dass sich auch zukünftige Generationen ein eigenes Bild über die ehrenamtliche Arbeit beider Vereine machen können.

„Der Satz, von Jean Paul wohl, die Erinnerungen seien der einzige Besitz, den niemand uns wegnehmen könne, gehört in den Vorrat des ohnmächtig sentimentalen Trostes, der die entsagende Zurücknahme des Subjekts in die Innerlichkeit jenem als eben die Erfüllung einreden möchte, von der es abläßt. Mit der Einrichtung des Archivs seiner selbst beschlagnahmt das Subjekt den eigenen Erfahrungsbestand als Eigentum und macht ihn damit wieder zu einem dem Subjekt ganz Äußerlichen. Das vergangene Innenleben wird zum Mobiliar, wie umgekehrt jedes Biedermeierstück geschaffen ward als holzgewordene Erinnerung.“

THEODOR W. ADORNO, MINIMA MORALIA (14. AUFLAGE 2022 [1951]: 189)

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Seitenaufrufe: 8 | Heute: 1 | Zählung seit 22.10.2023

Weitersagen:

  • Ein gut geführtes Archiv ist viel wert, kann man doch – wie schon geschehen sein soll – unangenehme Inhalte auch jahresgenau verschwinden lassen. Nachfolgende Generationen mögen daraus lernen und vielleicht wird Jahre später wieder darüber berichtet.

    • Wo es Menschen gibt, da menschelt es auch und es geschehen zudem Fehler. Deswegen sind professionell geführte Archive doch so wichtig. Allerdings habe ich bei Partei-Archiven, die zumindest teilweise von den parteinahen Stiftungen verwaltet werden, selbst so meine Bedenken.