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7. Hertensteiner Gespräche

Derzeit finden die Präliminarien zu den diesjährigen Gesprächen statt. Und bereits jetzt haben Jean Marsia und Walther Heipertz ihren Hut in den Ring geworfen. Jean möchte zum Thema „Die Europawahlen 2024. Auf dem Weg zur Konstituante?“ referieren und Walther hat ebenfalls sehr gute Ideen für einen Gesprächskreis.

Dieses Jahr wird sich zudem der Bundesverband stärker einbringen und seine diesjährige Debatte um ein föderalistisches Manifest und  zur europapolitischen Lage mit einer abschließenden Präsenzveranstaltung bei den Hertensteiner Gesprächen krönen.

Wir beschließen die Hertensteiner Gespräche dieses Jahr mit dem Europa-Ball, der in der Harmonie stattfinden wird.

Noch ist Zeit und Gelegenheit weitere und andere Ideen mit einzubringen. Auch können wir noch weitere Referenten und Moderatoren mit einbinden.

Hier finden Sie meinen Ankündigungstext für den Gesprächskreis: „Europa Jetzt - Encounter“

Die Bevölkerung muss den Politiker in den Ländern … und wir der Bevölkerung eben damit Sie das kann Dampf machen mit Europa als Überlebensthema, wie es etwa die Anti-AKW-Bewegung und die jetzigen Klimaleute geschafft haben und schaffen halt mit was anderem, aber auch nicht nur nonthrilling.

Verfassungsrechtliche Seminare helfen da nicht, Wunschkonzerte in der föderalistischen Demokratiesandburg auch nicht, eher schon die Survival-Thematik, wie besonders jetzt auch beim Klima als Grundmelodie. Europa muss weiter werden, wie und was es wird, es muss nur schneller werden, mehr dynamischer und konturierter, als es jetzt schon ist. Wie können wir uns „umpolen“, damit wir das nicht nur verfahrensmäßig voranwürgen. Was etwa war gut an „Pulse of Europe“ und wie kann man das verstetigen? 

Leider ist aus dem oben noch angekündigten Europa-Ball -- eine Herzensangelegenheit meiner besseren Hälfte und mir -- dieses Mal nichts geworden. Es fehlten doch so einige tanzwillige Paare, um die Harmonie halbwegs auslasten zu können.

Dafür aber hat sich unser EUROPA-UNION Mitglied und Tanzlehrer Klaus Brenner bereiterklärt eine Europa-Party in der Tanzschule Brenner zu veranstalten. Der große Vorteil dabei: auch bekennende Tanzmuffel werden ihren Spaß haben!

Und hier gibt es den Link zu den 7. Hertensteiner Gesprächen.

Hier finden Sie vorab meinen Impulsvortrag. Ich freue mich schon jetzt auf die Diskussion!

Die Wahlen um Europäischen Parlament 2024. Auf dem Weg zur Konstituierenden Versammlung?

Am 9. Mai habe ich mit anderen Föderalisten den Europatag gefeiert, der an all die positiven Dinge erinnert, die die Europäische Union (EU) für die Europäerinnen und Europäer erreicht hat, wie den Binnenmarkt und die Währung, offene Grenzen und den Erasmus-Austausch. Das heißt aber nicht, dass wir nicht klar bleiben sollten. Deshalb habe ich die Tatsache angeprangert, dass die EU auf der internationalen Bühne unbedeutend und machtlos bleibt. Es ist ihr nicht gelungen, die Spannungen abzubauen, weder zwischen Russland und Georgien, der Republik Moldau oder der Ukraine, Armenien und Aserbaidschan, Israel und Palästina, Algerien und Marokko, Libyen, Syrien, dem Horn von Afrika, der Sahelzone, Senegal, Zentralafrika, dem ehemaligen Belgisch-Kongo, Venezuela und Kolumbien, einschließlich China und einigen seiner Nachbarn, zum Beispiel. Ich habe die Staats- und Regierungschefs unserer Mitgliedstaaten und der europäischen Institutionen beschuldigt, seit 73 Jahren auf dem falschen Weg zu sein, weil die von Robert Schuman am 9. Mai 1950 verkündete europäische Föderation immer noch nicht existiert.

Ist die Europäische Politische Gemeinschaft, die 1954 tot geboren wurde, wiederauferstanden?

Präsident Macron hatte im Hinblick auf die Tagung des Europäischen Rates vom 23. und 24. Juni 2022 die Schaffung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) vorgeschlagen, um rasch, was die EU nicht tun kann, europäische Staaten zusammenzubringen, die unsere demokratischen Werte teilen und zur Sicherheit, Stabilität und zum Wohlstand unseres Kontinents beitragen wollen. Am 6. Oktober 2022 trafen sich etwa fünfzig Staats- und Regierungschefs in Prag, um diesen EPG zu gründen, ohne konkretes Ergebnis außer dem Versprechen, sich wieder zu treffen, und einem Erinnerungsfoto eines äußerst kostspieligen und umweltschädlichen Treffens angesichts der Masse der Treibhausgase, die für den Transport der Teilnehmer ausgestoßen werden.

Am 1. Juni 2023 traf sich der EPG in der Nähe von Chisinau, nur wenige Kilometer von den in Transnistrien stationierten russischen Soldaten und nur 20 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Die Moldawier begrüßten diese moralische Unterstützung und die Tatsache, dass der Europäische Rat am Vortag die finanzielle Unterstützung für ihr Land von 145 Mio. EUR auf 295 Mio. EUR erhöht hatte. Der EPG unterstützte die Forderungen der Republik Moldau und der Ukraine, nach Kriegsende der NATO mit Russland beizutreten und Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen. Die Kommission wird ihre Empfehlungen im Oktober abgeben, damit der Europäische Rat im Dezember einen Beschluss fassen kann.

Rechtfertigt dieser mittelmäßige Bericht EPG? Die Teilnehmer denken ja. Selenskyj konnte erneut seinen Plan zur Beendigung der russischen Aggression skizzieren. Die Niederlande, Dänemark, Belgien und das Vereinigte Königreich koordinierten ihren Beitrag zur Ausbildung ukrainischer Kampfpiloten und Mechaniker. Die Staats- und Regierungschefs Armeniens und Aserbaidschans waren in der Lage, einen Dialog aufzunehmen, ebenso wie die Staats- und Regierungschefs Serbiens und des Kosovo. Macron rief dazu auf, die EU-Unterstützung für andere EPC-Mitglieder in den Bereichen Cybersicherheit, Schutz kritischer Infrastrukturen und öffentliche Meinung vor Informationsmanipulation auszuweiten und die EU um Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Moldawien, Serbien und die Ukraine zu erweitern, um den Westbalkan und seine östlichen Nachbarn zu befrieden. Der EPG tagt am 5. Oktober in Granada, im Frühjahr 2024 in London und in der zweiten Jahreshälfte in Budapest. Belgrad hat sich als Gastgeber des nächsten Treffens angemeldet.[1]

Ein Vierteljahrhundert der Ohnmacht

Seit dem 24. Februar 2022 hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine die europäische Öffentlichkeit endlich auf die extreme Schwäche unserer Streitkräfte aufmerksam gemacht, auch in Frankreich und im Vereinigten Königreich. Wir wissen, dass unsere Staats- und Regierungschefs genauso in der Lage sind, mit den heutigen Bedrohungen umzugehen wie mit denen der 1910er, 1930er und 1990er-Jahre während des Balkan- und Weltkriegs, des Spanischen Bürgerkriegs oder des Zerfalls des ehemaligen Jugoslawiens. Die europäischen Institutionen werden zunehmend durch kleinliche Fragen des Vorrangs zwischen den Behörden, durch Korruptionsverdacht oder durch ihre Unfähigkeit, Krisen zu bewältigen, diskreditiert.

Sie waren in einem Vierteljahrhundert zahlreich: Finanzen im Jahr 2008, Geld im Jahr 2010, Migration im Jahr 2015, Gesundheit in den Jahren 2020 und 2021, Geopolitik im Jahr 2022 mit der Verschärfung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Unsere Versäumnisse zeigen deutlich, dass unsere Wirtschafts-, Haushalts-, Beschäftigungs-, Umwelt-, Migrations-, Gesundheits-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik nur dann wirksam sein wird, wenn sie europäisch wird, vorausgesetzt, dass Europa die einzige Regierungsform annimmt, die zu ihm passt: den Föderalismus. Nur so können die Europäer mit einer Stimme sprechen und ihr volles Gewicht auf der internationalen Bühne tragen, aber auch effektiv und effizient sein.

Wie können wir uns in Richtung Föderalismus, in Richtung Demokratie bewegen?

Das 1952 gegründete und seit 1979 letztlich direkt gewählte Europäische Parlament hat stets seine erste Aufgabe vernachlässigt: Europa mit einer Verfassung zu versehen. Er hätte die Grundrechte der Bürger festlegen, die Grundsätze festlegen müssen, auf denen die Legitimität der politischen Macht beruht, die allgemeine Architektur der föderalen Institutionen und die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Europa, seinen Staaten, ihren Regionen und lokalen Gebietskörperschaften umreißen und schließlich die Gleichheit der europäischen Bürger garantieren müssen.

In seinem Urteil vom 30. Juni 2009 hat das Bundesgericht Karlsruhe entschieden: "Die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger im Europäischen Parlament knüpft nicht an die Gleichheit der Unionsbürger (Artikel 9 EU-Vertrag), sondern an die Staatsangehörigkeit, ein Unterscheidungskriterium, das in der EU absolut verboten ist. Die Union widerspricht der Vorstellung, dass sie sich zu einer Union der Bürger macht, und dieser Widerspruch kann nur durch ihren Status als Zusammenschluss souveräner Staaten erklärt werden" und dass: "Wenn sie an den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit gemessen wird, fehlt der EU ein politisches Entscheidungsorgan, er setzt sich auf der Grundlage allgemeiner Wahlen zusammen und ist mit der Fähigkeit ausgestattet, den Willen des Volkes einheitlich zu vertreten."

Zwei Wege könnten zu einer föderalen Verfassung führen: entweder eine Initiative von EU-Abgeordneten oder ein Beschluss einiger Regierungen.

Wie können wir das Europäische Parlament zu einer legitimen Versammlung machen?

Nach der Europawahl 2024 muss das Europäische Parlament endlich seine natürliche Rolle wahrnehmen und sich zur Verfassunggebenden Versammlung erklären und dann eine europäische Bundesverfassung ausarbeiten und darüber abstimmen.

Vor den Europawahlen 2024 sollte das Europäische Parlament der vom Bundesgerichtshof Karlsruhe angeprangerten Situation ein Ende setzen, indem es das in Artikel 21 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl von 1950 und Artikel 138 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft von 1957 angekündigte Wahlgesetz verabschiedet. Diese Artikel sahen vor, dass ihre Parlamentarische Versammlung "Vorschläge ausarbeitet, um die allgemeine unmittelbare Wahl nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen".

Dies ist nicht geschehen. Im Jahr 1976 verabschiedeten die Regierungen das Gesetz, das 1979 das erste allgemeine Wahlrecht des Europäischen Parlaments ermöglichte, wodurch die Vertretung der Bürger degressiv proportional geregelt wurde, mit einer Mindestschwelle von sechs Mitgliedern pro Mitgliedstaat und einer Höchstzahl von 96 Sitzen. Diese Bestimmung, die zu Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union[2] geworden ist, erfüllt nicht die Anforderungen des Artikels 9 EG-Vertrag: "Die Union achtet bei all ihrem Handeln den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürger, die von ihren Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen gleichermaßen beachtet werden. Unionsbürger ist jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft und ersetzt sie nicht. ».

Dieser Artikel 14 Absatz 2 verewigt die Tatsache, dass das Wählergewicht eines Maltesers oder eines Luxemburgers zwölfmal größer ist als das eines Deutschen, wenn er das Wahlalter erreicht hat, weil das Wahlrecht überall mit 18 Jahren erworben wird, außer in Österreich, und bald in Belgien, wie es scheint, wo es mit 16 Jahren liegt.

In 14 Mitgliedstaaten sind Personen ab 18 Jahren anspruchsberechtigt. an 21 von 10 anderen; bis zu 23 in Rumänien und 25 in Italien und Griechenland.

Gemäß Artikel 20 Absatz 2b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Richtlinie 93/109/EG des Rates erlaubt die Unionsbürgerschaft das Wahlrecht im Wohnsitzland, wenn es Teil der Union ist, nach Maßgabe der dort geltenden Vorschriften. Staatsangehörige, die im Ausland leben, können in ihrem eigenen Land, per Post und/oder bei der Botschaft oder sogar elektronisch wählen, aber Bulgaren, Griechen und Italiener können dies nur von einem EU-Mitgliedstaat aus tun, was für Tschechen, Slowaken, Iren und Malteser verboten ist.

In Belgien, Bulgarien, Luxemburg, Griechenland und Zypern besteht Wahlpflicht, anderswo jedoch nicht.

Artikel 14 Absatz 2 sieht keine Sperrklausel vor, aber Zypern hat eine Sperrklausel von 1,8 %, Griechenland 3 %, Italien, Österreich und Schweden 4 % eingeführt. 10 Länder wenden einen Schwellenwert von 5 % an.

In den meisten Mitgliedstaaten, nicht aber in Frankreich, Deutschland, Spanien, Ungarn, Rumänien und Portugal, konkurrieren die Listen der verschiedenen Parteien, und die Wähler müssen nur für einen Kandidaten stimmen. In Luxemburg können mehrere Kandidaten aus konkurrierenden Listen gewählt werden. In Belgien, Irland, Italien und Polen ist das Wahlmännerkollegium in Wahlkreise unterteilt. Irland, Nordirland, Schottland und Malta verwenden bei Wahlen für Wahlkreise mit mehreren Mitgliedern Wahlen mit übertragbarer Stimme.[3]

Diese ungleiche Situation ist in einer Demokratie inakzeptabel. Es dauerte mindestens 45 Jahre.

Um dem ein Ende zu setzen, sollte das 2019 gewählte Europäische Parlament mit Blick auf die Wahlen 2024 ein europäisches Gesetz verabschieden, das mindestens das Alter für den Erwerb des Wahlrechts, die Sperrklausel, das Wahlsystem und ein Kriterium der paritätischen Vertretung der Bürger festlegt, um die Legitimität seines Nachfolgers zu verbessern. Dieses Gesetz könnte beispielsweise vorsehen, dass jede Region, jedes Bundesland oder jeder Kanton einen Abgeordneten in das Europäische Parlament entsendet, wenn sie 1 bis 1 000 000 Bürger oder Einwohner hat, zwei, wenn sie 1 000 001 bis 2 000 000 Einwohner usw. hat.

Bisher wird der Termin für die Wahlen zum Europäischen Parlament vom Europäischen Rat auf der Grundlage eines Vorschlags des Europäischen Parlaments im Mai oder Anfang Juni festgelegt. Für 2024 wird dies vom 6. bis 9. Juni sein.

Es bleibt also noch Zeit, Einfluss zu nehmen.

Ein neuer Kern europäischer Staaten braucht es

Seit den 1950er-Jahren ist es unwahrscheinlich, dass sich alle europäischen Staaten sofort auf ein Szenario oder Projekt einigen werden. An Beispielen mangelte es nicht, denn die Sowjets waren dagegen, dass die von ihnen besetzten Länder in Mittel- und Osteuropa vom Marshallplan profitierten und Mitglieder des Atlantischen Bündnisses oder der Europäischen Gemeinschaften wurden.

Mit Geduld gelingt es jedoch, dass beispielsweise 28 Staaten trotz ihrer sprachlichen, religiösen und sonstigen Unterschiede an einer gemeinsamen Definition europäischer Werte festhalten. Dies wurde durch den Vertrag von Nizza im Jahr 2000 dank der Unterstützung von Jacques Chirac, einem Befürworter des Säkularismus, erreicht. Diese Werte lassen sich in drei Worten zusammenfassen: Humanismus, Universalismus, Progressivismus.

Um allmählich zu einem Konsens zu gelangen, ist es notwendig, einen Kern von Staaten aufzubauen, der motivierter, realistischer oder freier ist als andere. Die BENELUX-Länder haben den Weg für die Sechs geebnet, die seit dem Brexit 27 Jahre alt waren und sind. Die BENELUX-Länder schafften 1975 ihre Binnengrenzen ab. Zehn Jahre später schufen Frankreich und Deutschland gemeinsam den Schengen-Raum, dem heute 23 EU-Mitgliedstaaten, 4 assoziierte Staaten und Gibraltar angehören. Die Eurozone wurde 1999 von 9 Staaten ins Leben gerufen, seit dem 1. Januar 2023 sind es 20.

Ein erweiterbarer Kern könnte die Souveränität Europas stärken, indem er eine europäische Säule der NATO entwickelt und unsere militärischen Fähigkeiten durch effizientere Verteidigungsausgaben erhöht. Sie könnte unseren Teil der Last unserer Verteidigung besser tragen und die Risiken besser mindern, die größer sind, wenn wir nur unseren US-Verbündeten folgen. Ein europäischer Pfeiler der NATO könnte das Bündnis geopolitisch besser ausbalancieren und damit unsere Souveränität stärken. Es würde die EU-Institutionen ergänzen, denn die EU wird immer nicht in der Lage sein, eine europäische Verteidigung aufzubauen: Sie ist kein Staat, sondern ein Staatenverbund. Staaten haben seit 1648 ein Gewaltmonopol.

Warum und wie können wir unsere Führungskräfte beeinflussen?

Leider wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs keine ihrer Befugnisse verlieren, auch wenn sie Schwierigkeiten haben, sie auszuüben, während die Präsidenten der USA[4] und Russlands[5] am 11. September 2018 erklärten, dass sie der Schaffung einer europäischen Armee zugestimmt haben.

Wir müssen daher den Druck auf unsere Staats- und Regierungschefs erhöhen, damit sie unserem Wunsch nach guter Regierungsführung, größerer Sicherheit und effizienter Verteidigung besser Rechnung tragen. Wenn sie ihren Kurs nicht ändern, sollten sie bereits 2024 sanktioniert werden.

Die 2015 gegründete Europäische Gesellschaft für Verteidigung INPV (S€D)[6] wird seit dem 7. März 2023 von der European Defence Society in Central and Eastern Europe (S€DCEE) mit Sitz in Warschau unterstützt. Seit dem 21. März schließen sich ihnen an der Avenir de l’Europe (Zukunft Europas), Associazione Mazziniana Italiana, Citoyen d’Europe M3E (Europa, Ethik, Gleichheit), Europe Unie dans sa Diversité (Europa vereint in seiner Vielfalt), EUROPA-UNION Heilbronn, Union Europäischer Föderalisten (UEF) Europa-Gruppe, UEF-Belgien, UEF in der Tschechischen Republik, UEF-Luxemburg und Movimento Federalista Europeo (MFE) Sezione Ezio Vedovelli Valtellina Valchiavenna. Gemeinsam haben sie ein Manifest ausgearbeitet und verbreiten es für eine demokratischere Europawahl im Jahr 2024.[7] Dieser Text reagiert auf die Feststellung, dass auf der Konferenz zur Zukunft Europas, die am 9. Mai 2021 begann und ein Jahr später endete, eine Liste von 49 Änderungen erstellt wurde, die so bald wie möglich in der Governance und damit in den europäischen Institutionen umgesetzt werden sollen. Obwohl das Europäische Parlament diese Forderungen nach Änderungen unterstützt hat, haben weder der Rat der Europäischen Union noch der Europäische Rat darauf reagiert.

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die erwarteten Veränderungen nach der Wahl des neuen Europäischen Parlaments Ende Frühjahr 2024 stattfinden. Sie werden sich nicht aus einer Reform der derzeitigen Verträge über die Europäische Union (EUV) und ihrer Funktionsweise (AEUV) ergeben. Artikel 48 EUV bedarf der einstimmigen Zustimmung der Mitgliedstaaten, was unmöglich ist.

Es wird kein starkes und souveränes Europa geben, wenn es nicht demokratisch ist, was eine Verfassung erfordert, die von unserem "souveränen Volk", den europäischen Bürgern, gebilligt wird. Wie die französischen Abgeordneten von 1789 sollten sich die neu gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments verpflichten, ihre Rolle in den Augen der Geschichte durch eine Art europäischen "Eid des Jeu de Paume" wahrzunehmen: "Wir schwören, uns niemals zu trennen und zu versammeln, wo die Umstände es erfordern, bis zu dem Tag, an dem die Versammlung [Europas] auf einem soliden Fundament aufgebaut und gefestigt."

Damit ein föderales, souveränes, starkes, aber friedliches und demokratisches Europa entstehen kann, das unsere natürliche Umwelt respektiert, müssen wir uns den Erstunterzeichnern dieses Manifests anschließen. Lasst uns ein Jahr lang dafür werben, dass sich in Europa echte Demokratie durchsetzt. Die Demokratie ist der erste unserer gemeinsamen Grundwerte.

Heute scheint es, dass die Länder, die wissen, dass sie am wenigsten souverän sind, nachdem sie der Europäischen Union, dem Atlantischen Bündnis, dem Schengen-Raum, dem Euro-Währungsgebiet und seiner Vertiefung beigetreten sind und über bescheidene Ressourcen in Bezug auf den Verteidigungshaushalt und die industrielle und technologische Basis der Verteidigung verfügen, wahrscheinlich die ersten Mitglieder der Vereinigten Staaten von Europa sein werden. Der Prozess, den sie befolgen müssen, um föderiert zu werden, ist sehr einfach. Eine 3-minütige Videoanimation zeigt es, es ist online auf der Website des Europäische Gesellschaft für Verteidigung INPV, auf Seite https://www.seurod.eu/videos_audios.html.

Die Vereinigten Staaten von Europa würden den Teil der internationalen Beziehungen, der Sicherheit und der Verteidigung Europas übernehmen, der von den Mitgliedstaaten abgetreten würde. Die Zuständigkeiten würden nach dem Subsidiaritätsprinzip auf die Regierungsebenen verteilt. Die internationalen Beziehungen würden wie in Kanada oder Deutschland gehandhabt. Die Bundestruppen würden weiterhin neben den Armeen der Länder bestehen. Auf den jetzigen Europäischen Rat würde ein Senat folgen, der die Mitgliedstaaten und der Europäische Senat und das Europäische Parlament hätten die Befugnis, über den Haushalt abzustimmen, Steuern zu erheben, die entsprechenden Rechnungsabschlüsse zu verabschieden und Gesetzesinitiativen zu ergreifen, auch wenn die meisten neuen Texte heute aufgrund des technischen Charakters der Themen von den Exekutiven und Verwaltungen stammen.

Nach und nach könnten die Vereinigten Staaten von Europa, die von einem kleinen Kern kleiner Staaten gegründet wurden, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten, immer größere Staaten wie Spanien und Italien oder sogar Deutschland aufnehmen, wenn der erweiterte Kern so schwer wiegt wie jeder dieser Staaten. Die Vereinigten Staaten von Europa könnten dann Frankreich, ihre nukleare Abschreckungsmacht und ihren ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, integrieren.

73 Jahre ist es her, dass Robert Schuman seine Gründungsrede hielt. Die dramatischen Ereignisse in der Ukraine, Georgien, Asien und Afrika sowie die Ereignisse, die wir am Horizont sehen, insbesondere im indopazifischen Raum, erfordern eine klare Formulierung. Die europäischen Verträge können uns und künftigen Generationen keine gute Zukunft garantieren. Es kann keinen Grund geben, noch länger zu warten.

Ohne eine Regierung, die in der Lage ist, ein föderales, starkes, souveränes und demokratisches Europa zu schaffen, wird es morgen zu spät sein, um Europa wieder seinen rechtmäßigen Platz auf der internationalen Bühne einzunehmen.

Deshalb war die zweite Phase unserer Aktion am 9. Mai die Proklamation eines Appells an die demokratischen politischen Parteien. Er trägt den Titel "EIN PROJEKT, EINE METHODE UND EINE AGENDA ZUM AUFBAU DER EUROPÄISCHEN FÖDERATION".

Es wird unterstützt von der italienischen Sektion der Europäischen Bewegung, Avenir de l'Europe, der Associazione Mazziniana Italiana, Citoyen d'Europe M3E (Europa, Ethik, Gleichheit), Europe Unie dans sa Diversité, EUROPA-UNION Heilbronn, der Union Europäischer Föderalisten (UEF) - Europa-Gruppe, UEF-Belgien, UEF in der Tschechischen Republik, UEF-Luxemburg, Europäische Gesellschaft für Verteidigung INPV (S€D), die Europäische Verteidigungsgesellschaft in Mittel- und Osteuropa (S€DCEE) und das Movimento Federalista Europeo (MFE) Sezione Ezio Vedovelli Valtellina Valchiavenna.

Seit der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon im Jahr 2007, also vor fünfzehneinhalb Jahren, stand die Europäische Union vor einer Reihe von Herausforderungen, die ihre schwache Fähigkeit offenbart haben, zu reagieren und die Erwartungen ihrer Bürger zu erfüllen. Die Aggressivität, die Putin 2007 in München behauptete und 2008 gegen Georgien, dann 2014 auf der Krim und im Donbass ausübte, blieb unbeantwortet, was dazu führte, dass er sich ab dem 24. Februar 2022 in der Ukraine noch schrecklicher verhielt. Angesichts  der Finanzkrisen von 2008, der Währungskrise von 2010, der Migrationskrise von 2015, der Gesundheitskrise von 2019 bis 2022 und derSicherheitskrisen, ob in Afghanistan, der Sahelzone oder der Ukraine, haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen ergriffen, aber nicht in der Weise, wie  eine europäische Föderation mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik , eine gemeinsame Verteidigungs- und Haushalts-, Währungs-, Migrations-, Gesundheits-, Sozial- und Umweltpolitik, die Europa in die Lage versetzt, wirksam im Interesse seiner Bürger zu handeln, hätte sinnvoll sein können. Aber es reicht nicht mehr aus, eine europäische Föderation vorzuschlagen, sie muss geschaffen werden.

Zu diesem Zweck ist es notwendig und dringend, die grundlegenden Elemente eines PROJEKTS, einer METHODE und einer AGENDA festzulegen, die sich an den Dutzenden von föderalen Leitlinien orientieren, die es auf der ganzen Welt gibt, aber die Kulturen, Werte und die Geschichte der Europäer berücksichtigen. Wie der Schengen-Raum oder das Euro-Währungsgebiet würde diese Föderation von den Regierungen, die sie wollten, zusammen  mit der Europäischen Union, der sie angehören würde, gegründet, diesmal jedoch durch eine institutionelleVersammlung, mit dem Auftrag, eine echte Initiative zu entwerfen und zu verabschieden.  kein neuer internationaler Vertrag. Das ist das PROJEKT.

Die wesentlichen Elemente dieses Verfassungstextes müssen in erster Linie eine einheitliche Staatsbürgerschaft sein, die allen in der Europäischen Föderation lebenden Personen gewährt wird und durch die Charta der Grundrechte garantiert wird. Es ist dann Aufgabe des föderalen Gesetzgebers, der mit zwei Kammern besetzt sein wird, den Haushalt des Bundes festzulegen und aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Die gesamte Europäische Föderation wird die einheitliche europäische Währung verwenden. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik muss eine gemeinsame Verteidigung einschließen. Den Mitgliedstaaten wird kein Vetorecht eingeräumt. Die Bundesregierung wird dem Bundesgesetzgeber gegenüber rechenschaftspflichtig sein.

Die Methode der Verfassunggebenden Versammlung bei der Ausarbeitung und Verabschiedung einer föderalen Koalition wird einen ständigen und intensiven Dialog mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft umfassen. Es wird den Bürgern in einem gesamteuropäischen Referendum zur Ratifizierung vorgelegt, denn die Souveränität gehört dem Volk. Auf diese Weise werden die Prinzipien sowohl der repräsentativen Demokratie als auch der partizipativen Demokratie respektiert. In diesem Sinne wäre es sinnvoll, interparlamentarische Versammlungen einzuberufen, wie sie im November 1990 in Rom stattfanden.

Die AGENDA ist mit der zehnten Legislaturperiode des Europäischen Parlaments (2024-2029) verbunden, um eine Europäische Föderation für eine mögliche weitere Erweiterung zu gründen.

Es ist an der Zeit, zu zwei kurzen abschließenden Überlegungen zu kommen.

Unsere Führer wollen souveräner sein, aber sie unterwerfen sich zunehmend den Vereinigten Staaten von Amerika, während sich die Interessen der letzteren von unseren unterscheiden und der Westen seinen Einfluss gegenüber Russland, China usw. verliert, vor allem, weil diese Autokratien nur ihre Interessen und das Kräfteverhältnis berücksichtigen. Wenn Europa unsere Werte und Menschenrechte fördern will, muss es stärker sein als die EU. Seine Soft Power, die sonst in den Beziehungen zu friedlichen Ländern so nützlich ist, ist für Menschen, die Hard Power anwenden, nutzlos.

Deshalb rufen wir die europäischen politischen Parteien auf, denn es gibt keine wirklich europäischen, d.h. transnationalen politischen Parteien, diese Ideen in ihre Wahlprogramme aufzunehmen, und wir werden dazu aufrufen, nur diejenigen zu wählen, die dies getan haben.

Es lohnt sich, die Wähler daran zu erinnern, dass politische Parteien nur auf nationaler Ebene existieren. Das Europäische Parlament besteht aus sieben Fraktionen, die aus mindestens 23 Mitgliedern bestehen und mindestens ein Viertel der Mitgliedstaaten repräsentieren. Die Bezeichnungen Europäische Volkspartei und Sozialdemokratische Partei Europas sind irreführend. Die politischen Positionen einer Fraktion sind das Ergebnis interner Konsultationen; kein Mitglied kann zur Stimmabgabe verpflichtet werden.

Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und europäischer Demokraten besteht aus 14 Parteien, von denen sich 6 als Christdemokraten bezeichnen. Er sagte, er setze sich dafür ein, ein stärkeres und selbstbewussteres Europa zu schaffen, das seinen Bürgern dient, wettbewerbsfähiger und demokratischer ist und in dem die Bürger das Leben aufbauen können, das sie wollen.

Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten im Europäischen Parlament hat als Partner die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), die 34 sozialistische, sozialdemokratische, Arbeitnehmer- und demokratische Parteien aus der Europäischen Union und Norwegen vereint. Darüber hinaus sind 12 Parteien assoziiert und 12 Parteien sind Beobachter.

Die Renew Europe Group ist ein Zusammenschluss von 37 vage zentristischen Parteien.

Die Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz besteht aus 20 Parteien, darunter Volt Deutschland.

Die Gruppe "Identität und Demokratie" umfasst insbesondere 3 große rechtsextreme Parteien.

Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer vereint fünfzehn Parteien, von denen einige an der Macht sind, in Polen, Italien und Flandern (N-VA).

Die Linksfraktion im Europäischen Parlament besteht aus 20 linksextremen Parteien.

Schließlich ist daran zu erinnern, dass die Ernennung von Spitzenkandidaten vermieden werden sollte: Sie sind außerhalb des Wahlkreises, in dem sie gewählt wurden, nicht legitim.

Die wenigen Reflexionselemente, die ich soeben skizziert habe, sollten nach den Europawahlen 2024 zur Schaffung einer Versammlung führen, die für die schrittweise Etablierung einer föderalen Governance auf europäischer Ebene unerlässlich ist.

 

[1] Siehe Zarina Zabrisky, Russo-Ukrainian War. Day 465: A ceasefire unacceptable – US Blinken" (Russisch-Ukrainischer Krieg. Tag 465: Ein Waffenstillstand inakzeptabel – USA Blinken) in Euromaidan Press, https://euromaidanpress.com/2023/06/03/russo-ukrainian-war-day-465-a-ceasefire-unacceptable-us-blinken/, 3/6/2023.

[2] Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union bestimmt:

(1) Das Europäische Parlament übt gemeinsam mit dem Rat Gesetzgebungs- und Haushaltsaufgaben aus. Er übt politische und beratende Kontrollfunktionen gemäß den in den Verträgen festgelegten Bedingungen aus. Er wählt den Präsidenten der Kommission.

(2) Das Europäische Parlament setzt sich aus Vertretern der Unionsbürger zusammen. Ihre Zahl übersteigt nicht siebenhundertfünfzig, zuzüglich des Präsidenten. Die Vertretung der Bürger ist so zu gewährleisten, dass: es Degressiv proportionalmit einer Mindestschwelle von sechs Mitgliedern pro Lid-STAAT ist. Zu keinem: Lid-SEs können mehr als sechsundneunzig Sitze vergeben werden.

Der Europäische Rat erlässt einstimmig auf Initiative des Europäischen Parlaments und mit dessen Zustimmung einen Beschluss über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments nach den in Unterabsatz 1 genannten Grundsätzen.

(3) Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen Wahlen für die Dauer von fünf Jahren gewählt.

(4) Das Europäische Parlament wählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten und seine Amtsträger.

 

Die durchgestrichene Passage in Absatz 2 ist diejenige, die vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe beanstandet wird.

[3] Wahlen für Wahlkreise mit mehreren Mitgliedern gewährleisten eine proportionale und unabhängige Vertretung. Dieses Wahlsystem gibt den Wählern die Gewissheit, dass ihre Stimme nicht an einen Kandidaten geht, den sie ablehnen. Es ermöglicht ihm, seine sekundäre Präferenz zugunsten eines Kandidaten einer anderen Partei als der ersten Wahl zum Ausdruck zu bringen und so die Koalitionsbildung zu beeinflussen. Dieses Abstimmungssystem wurde in der XIX.e Jahrhundert für Thomas Hare (1808-1891) in Großbritannien sowie von Carl Andrae (1812-1893) in Dänemark. Es ist praktizierte in Irland, Nordirland, Schottland und Malta. Außerhalb Europas wird es in Australien, Neuseeland und Tasmanien verwendet.

Der Wähler muss auf seinem Stimmzettel eine Reihenfolge der Präferenz zwischen den Kandidaten angeben. Nach Auszählung aller Stimmzettel wird der für die Wahl eines Kandidaten erforderliche Quotient, der sogenannte Droop-Quotient, ermittelt, indem die Anzahl der gültigen Stimmen durch die Anzahl der zu besetzenden Sitze plus eins geteilt wird. Gewählt werden Kandidaten mit Erststimmen, die größer oder gleich dem Droop-Quotienten sind. Die Stimmen, die diese Kandidaten oberhalb des Quotienten erhalten, werden auf die nicht gewählten Kandidaten verteilt, die als zweite Wahl platziert wurden. Die Verteilung erfolgt nach einem Mechanismus, der von Land zu Land unterschiedlich sein kann. Hat kein Kandidat den Quotienten erreicht, scheidet der Kandidat mit den wenigsten Erstpräferenzstimmen aus. Die Stimmen werden dann auf die Kandidaten verteilt, die von den Wählerinnen und Wählern als zweite Wahl positioniert wurden. Der Prozess wird fortgesetzt, bis alle [???] gefüllt sind.

[4] Fareed Zakaria für CNN am 11.11.2018, Interview mit Präsident Emmanuel Macron,

https://edition.cnn.com/videos/world/2018/11/10/emmanuel-macron-fareed-zakaria-trump-tweet-sot-gps-vpx.cnn

Fareed Zakaria für CNN am 11.11.2018 Interview mit Präsident Donald Trump, https://edition.cnn.com/videos/world/2018/11/10/trump-macron-bilateral-meeting-bts-vpx.cnn/video/playlists/intl-latest-world-videos/

[5] Sn « Wladimir Putin beantwortet nur die Fragen Frankreichs », 11/11/2018, https://francais.rt.com/international/55305-vladimir-poutine-repond-exclusivite-questions-rt-france-video.

[6] Das Europäische Gesellschaft für Verteidigung INPV (S€D) arbeitet seit 2015 unermüdlich: Drei Bücher sind auf Französisch erschienen, das dritte wurde ins Niederländische und Englische übersetzt, die zweite Auflage ist in Vorbereitung. Er wird dank der Unterstützung des Ministerpräsidenten der Deutschprachigen Geimeinschaft - - Ostbelgien auf Englisch, Französisch, Niederländisch und Deutsch verfügbar sein.

[7] Das Manifest für demokratischere Europawahlen 2024 ist in 23 Sprachen auf den Websites von Europe Unie dans sa Diversité und das Europäische Gesellschaft für Verteidigung INPV.

Wie bereits von Heinrich Kümmerle angekündigt, nun hier mein Aufschlag für den Gesprächskreis „Encounter“.

„Europa jetzt!“ – Encounter

Präambel:  Die heutige Veranstaltung soll eine Art „Kurz-Open-Encounter“ sein, in Anlehnung an fachpsychologische Definitionen dem persönlichen Austausch in bestmöglicher Offenheit, Ehrlichkeit und Direktheit entsprechend, mit ‚Zentrierung‘ jedes Einzelnen und jeder Einzelnen primär auf sich selbst, also nur mittelbar auf den sachlichen Gegenstand  bzw. „Europa“, sondern auf das, was „Europa“ und die gängige europäische Diskussion oder Politik in uns bedeutet, wie das alles uns bewegt und wie uns im gegebenen Moment bewegt, was andere dazu sagen und zeigen, vor allem auch in Reaktion auf uns.

Viele Menschen sind diesen Fokus nicht gewohnt und das auch zurecht. Es wäre ja gar nicht alltags- und lebensverträglich, würde man immer sofort und primär den subjektiven Faktor mitzuerfassen und zu kommunizieren versuchen. Das Leben ‚lebt‘ überwiegend gerade von der Entkleidung unserer objektivierten Botschaften von unserer Subjektivität. Gleichwohl haben alle Botschaften dennoch voll und ganz auch diese subjektive Seite, wobei gelegentlich dann aber gerade dieser ‚automatische‘ Kontakt zum Gegenstand gestört sein kann, was wir nicht unbedingt merken müssen und beispielsweise mit unbewussten inneren Ablehnungen, Aggressionen, Enttäuschungen oder Ängsten zu tun haben kann. Es ist sogar die Regel, dass die konstitutiv behauptete ‚Deckungsgleichheit von Subjekt und Objekt‘ immer nur unvollständig und fragil ist. Das zeigt schon die Lebenserfahrung.

In der Regel ist die Bewusstwerdung -- ansatzweise oder komplett, speziell bei schwierigen Themen -- hilfreich, nur insoweit natürlich als eine gefährliche Aktivierung starker, zuvor verdeckter Emotionen vermieden wird, was aber gut durch Intervention gelingt, zumal so etwas bei einem allgemeinpolitischen Thema nur im Ausnahmefall zu erwarten wäre (… jede und jeder das aber auch vorher durchaus einmal für sich selbst ‚anzuspielen‘ versuchen sollte, also ob sie oder ihn so etwas oft zu schnell zu stark aufregt!).

Die Aktivierung relevanter persönliche Aspekte ist aber auch nicht umstandslos durch die bloße Konzentration darauf oder den entsprechenden Vorsatz zu evozieren. Hilfreich kann deshalb ein – zuvor zur Kenntnis genommener, so den Leser selbst vielleicht ‚einschwingender‘ -- gegenstandsbezogener, fremder Text sein, in dem allerdings die persönlichen Aspekte des Verfassers auch nicht ‚frontal‘ adressiert werden, sondern durch die freiere, breitere, Widersprüche zulassende, diese gleichsam ‚durchschreitende‘ und auch stark zum Ausdruck bringende Diktion die -- gleichsam da anhängende -- Subjektivität erkennbar wird und gegebenenfalls vertieft werden kann, vielleicht eben auch die des Lesers!

Der vorliegende Text soll dem dienen und enthält insbesondere für den Verfasser selbst überraschende Wenden und Kapriolen, ‚Hin und Hers‘, übrigens auch vereinzelt, insbesondere zu Anfang Kraftausdrücke, die nicht mutwillig verwendet, aber dann – wegen des prozessualen Charakters des Textes – bewusst auch nicht ‚bereinigt‘ wurde. Das Schreiben selbst war bereits eine ‚nicht mühelose Selbsterfahrung‘, „mal wieder“ zwar nur, aber viel deutlicher spürbar als sonst.

Einzelne Positionen, vor allem auch die pointierteren, werden sicherlich auch in der Sache angesprochen werden, dies sollte aber mal – gleichsam künstlich sogar – nicht im Vordergrund stehen, denn jede Sachposition ist – wie schon gesagt -- immer eine Synthese aus mehr oder weniger gesicherten Fakten und persönlicher Wahrnehmung und Bewertung dazu, wie dies gerade auch beim letzten entsprechenden Gesprächskreis bei den 6. Hertensteiner Gesprächen anhand von gegenläufigen Veröffentlichungen von Edzard Reuter und Klaus von Dohnanyi aus dem Jahr 2022 gezeigt werden konnte, obwohl diese auf ganz vergleichbaren Grundtatbeständen fußten.

Das macht es ja gerade interessant und potentiell wertvoll, verdeckte Subjektivismen zu ventilieren, die vielleicht sogar für Blockaden und Gegensätze entscheidend sind. Sie können so manchmal zumindest teilweise überwunden werden, was Menschen ja ‚an sich‘ wollen, zumindest wenn sie miteinander reden, um sich zu verständigen.

Für heute wäre es nun ein Erfolg, wenn wir am Ende feststellen, dass wir uns im Großen und Ganzen in geeigneter, vor allem natürlich auch ‚verletzungsfreier‘ Weise zu dem sehr breiten, unsere Subjektivität betreffenden Positionentableau zu Europa, auch zu den mehr oder weniger europaverbundenen, zusätzlichen Themen, gewinnbringend austauschen konnten.

Hetzjagd durch die Dauerschleife europäischer Enttäuschungen … „Europa kannst Du getrost vergessen“ ... Krieg und Frieden, Wut und Sinn

Schreibprozess von Anfang Juli bis Mitte September 2023

Václav Havel, ein über jeden Zweifel erhabener Anhänger des europäischen Projekts schon während der Jahrzehnte von Sprechverbot und Inhaftierung, sagte 1999, also zehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, was in seinem Sinne schon das epochale Wahrwerden des „europäischen Gedankens“ war, vor dem französischen Senat:

 „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als sei das Ganze eine Zugfahrt, die früher, zu einer anderen Zeit und unter anderen Bedingungen begonnen hat und die einfach weitergeht, ohne neue Energien, neue geistige Impulse, einen erneuerten Sinn für die Richtung und das Ziel der Reise zu benennen!“
(Zit. n. Timothy Garton Ash, 2023)

Europa als traurige Angelegenheit

Hielten sich damals aber noch – so können wir heute weiterfahren in diesem dollen „Zug“ -- Hoffnung und Enttäuschung, auch über die Kollateralschäden der Transition, etwa der foudroyanten Bestechungsbereicherung der früheren Kader und der korrespondierenden Auslieferung der Massen, die gesehnt und gekämpft haben, in die neue Welt  – die Waage, so ist das für viele auch seit der Jahrtausendwende so weitergegangen, weltweit aber noch viel Zusätzliches passiert:

Der sogenannte „Krieg gegen den Terror“ ab Nine-Eleven, die Fehlgriffe da, der Islamismus, die Zunahme der Migration, die Klimakrise, das – über zwei Dekaden im Schatten all dessen ausgeblendete -- Erstarken neuer, hocheffizient erscheinender, unfreier, aber für die Herrschaftseliten aller prekären Länder dieser Welt umso attraktiverer Zentren. Attraktiv dann irgendwann auch für die abgehängten, sich schließlich an einfachen Feindbildern berauschenden Massen. Das Tollste ist aber, dass wir diese Mächte ja selbst gefüttert haben und deren, von uns bestellter und dann auch massenhaft gelieferter, Schrott uns jetzt Maul und Hirn verstopfen.

Dies alles bei einer zunehmenden inneren und äußeren Überdehnung der Vereinigten Staaten von Amerika, noch lange gehypt als „einzig verbliebene“ Weltmacht, an deren Zitzen wir Europäer bis heute weiter nuckeln und dann und wann auch noch glauben, draufrumbeißen zu dürfen. So zahlen diese Amerikaner bis dato auch weiter weit mehr als das Doppelte als die Europäer für den europäischen Ukrainekrieg, für die Verteidigung des Westens im Allgemeinen sowieso, bezogen auf die Bevölkerung sogar das Drei- bis Vierfache. Wir im Westen Europas aber machen uns das dann noch bigott mit der gedanklichen Perverse schmackhaft und schmerzlos, dass es irgendwie ja doch alles Folge des amerikanischen Imperialismus sei. Ganz egal ob sich einige tatsächlich auch vernehmlich bis dahin entblöden oder viel viel mehr von uns sich das einfach nur anhören, es dennoch selbst dann aber ungeprüft im verlotterten historischen Gedächtnis bunkern, etwa so: „Wir haben doch niemanden mit Waffen provoziert, also wir waren das nicht“. Ein Selbstbetrug, an den sie selbst glaubten und glauben, den uns allerdings der inzwischen erstarkende Süden nie abnahm, denn er erkennt schon immer die genetische Verbundenheit von Europa und Amerika, auch bei wechselnden Rollen zwischen dem Bösen und dem Guten.

Auch das neue Jahrtausend hat nichts nach innen und außen konturierter werden lassen, hat uns vielmehr sogar europaintern – negativ reziprok zum anwachsenden Problemdruck -- noch weltvergessener ‚verhakt‘. Wie schrecklich das auch ist, sind wir somit nicht viel weiter als bereits vor 60 Jahren, als nämlich Konrad Adenauer vor seinem Tode das große Versäumnis hinsichtlich einer besseren europäischen Integration, dabei auch großzügig sein partiell eigenes Versagen, beklagte. Das ganze Ding scheint eben -- trotz jahrzehntelang verordneter Euphorie und repetitiver Erfolgsmeldungen -- nicht voranzukommen, wie ein genetisch Kleinwüchsiger eben, der halt nicht wachsen kann.

Die gerade heute -- im Ersatz zum damals noch auskömmlichen „Nie-wieder-Krieg“ – kompensatorisch überblähten Werteattrappen, von denen sich die einen angewidert abwenden, die andern umso mehr draufrumkauen, haben Europa jedenfalls zu einer Krudität werden lassen: wer darauf setzte oder setzt, ist frustriert, fühlt sich alleine, findet innerhalb Europas nur noch Verräter und igelt sich ein oder setzt sich in den Sandkasten und baut sich im Kopf -- wie gleichsam gleich um die Ecke hoppelnd – ein ‚geileres Europa‘. Der Blick aus dieser Sandburg aber schockiert noch härter und lässt uns mit unseren Phantasmen vor aller Welt wie begossen dastehen (ob das alles material stimmt, auch so ganz und gar, ist dabei sowas von weltgeschichtlich wurscht, denn was hier zählt ist das Sentiment, nicht der Taschenrechner oder irgendwelche Klugscheißer!).

Kurzum: die Staaten ‚nebenan‘, die noch nicht drin sind, wollen rein, weil sie sehen, dass es denen drinnen immer noch besser geht, denn die haben ja auch keine richtigen Überlebensängste, oder sind einfach zu blöd dazu, haben allenfalls kuscheligen Wohlstands- und Friedensdividendenstreit. Die, die schon drinnen sind, wollen ihr jeweils ganz eigenes Europa, nicht mehr das gemeinsame, oder eben ihr eigenes als das gemeinsame. All das aber schreckt „Les miserables“ noch nicht ab. Andererseits gab es jetzt doch schon einen ganz properen Staat, der sogar rausging.

Die Europäische Idee als zu ideale Idee.

Was ist falsch an dem ganzen Ding, wenn’s doch immer mehr innere Integrationskraft verliert? Da möchte man eigentlich diesen Wonneproppen bei Nacht im See ersaufen. Aber dieses Ende mit Schrecken, anstelle eines Schreckens ohne Ende, klappt auch nicht, denn er kommt immer wieder hoch, man kann ihn nicht entsorgen, es bleibt auch im Kopf, ist unkaputtbar, nicht weil er nicht kaputt wäre, sondern weil es auch kaputt da bleibt, da sein muss also, nicht aus Selbstinteresse, nicht um seiner selbst willen, nicht als ideale Idee, aber als reale Hässlichkeit.

Es gibt kein ‚Europa-Schneewittchen‘ im gläsernen Sarg, jenseits alles Bösen. Alle inneren und äußeren Feinde -- also alle außer man selbst – sind von der Oberfläche, wo es wieder auftaucht oder gar nicht erst untergeht, auch nicht wegzuwischen. Wer Europa ‚liebt‘, muss es wohl nehmen wie es ist, vielleicht ist es ja auch nur das Konvolut unserer Überlebensgrundlage, so wie Wasser, Luft und Sonne, nicht aber eine romantische Urlaubslandschaft. Da man es also lieben muss, kann man das ja auch gleich sein lassen, muss sich trotzdem dafür einsetzen, egal was man denkt und fühlt. Europa ist also eher hässlich, nicht schön und hehr, man selbst offen gestanden natürlich auch nicht. Gott, Kaiser und Vaterland waren es ja auch nie.

Das Kaiserreich ist aber doch ganz unvergleichbar -- möchte man meinen -- ist es aber gar nicht. Damals wie jetzt ging es ‚nur‘ um die jetzige Phase des homo sapiens, der auf der sich weiterentwickelnden Welt lebt: einer Welt, die schon immer den natürlichen, rasch dann auch den menschengemacht naturvermittelten, schließlich aber auch den rein menschlichen bzw. technischen Stressoren ausgesetzt ist, wobei auch die Menschen selbst diesen Stress zunehmend spüren. Für die europäischen Menschen nun -- die auf einem nicht ganz so großen, aber auch nicht ganz kleinen Teil dieser Welt leben, der für das menschliche Leben an sich, inzwischen zumindest und im Vergleich zu anderen auch noch weiter, gar nicht so ungemütlich ist -- weitet sich nun in dieser Phase der Menschheitsgeschichte, also erst seit Kurzem und nach den vielen ‚Fremd- und Selbstvernichtungsepisödelchen‘, der Blick für wuchtigere Gefährdungen, so richtig aber erst seit ca. 80 Jahren. Die Europäer entwickelten deshalb die Idee eines ausreichend durchsetzungsstarken Gebildes aller darin vereinigten ‚Brüder und Schwestern‘, um eben in einem voraussichtlich sehr harten Überlebenskampf um Ressourcen und Selbstbestimmung auf diesem Planeten nicht unterzugehen. Dies so ‚bewehrt‘ perspektivisch halt zumindest so lange, bis es vielleicht gelingt -- eventuell sogar, so bildet man sich schon wieder ein, dank ‚segensreicher‘ und beispielhafter europäischer Kooperativität -- , diesen Ressourcenzugriff kampffreier zu gestalten (wenn das überhaupt irgendwann klappt).

So betrachtet ist nun aber die „Europäische Idee“ nur das Kalkül sehr realer Kräfte in Europa und steht in keiner einzigen Facette als Idee über dieser Realität, die ihr sogar erst als Treibsatz ihr Leben einhauchte, so hässlich es dabei dann eben abgeht. Ein Ideal kann Köpfe und Herzen bewegen, wie auch umgekehrt, und Köpfe und Herzen wiederum dann auch das reale Europa, letzteres aber niemals ohne oder gar gegen das, was da zu bewegen wäre, aber bereits mit Impuls und Trägheit ausgestattet ist!

Wir alle in Europa beziehungsweise in jedem europäischen Land -- nicht nur in Deutschland, da aber ganz besonders, also auch auf spezielle Weise -- erleben persönlich häufig, dass die europäischen Diskussionen „nur noch“ ein disparaterer, ständig scheiternder und nur noch fragwürdig die Interessen der Kleinen und Großen ausgleichender, den einen schadender und den anderen nützender ‚Eiertanz‘ ist. Das alles wird dann jeweils in den Kommuniqués – nachdem sich der eine Staatschef salbadernd, die andere aber hemmungslos geifernd eingelassen haben -- urbi et orbi von irgendeinem, ans Mikrophon geschobenen Oberstgefreiten salomonisch europabeschworen.

Das ist traurig, aber – viel wichtiger – es ist die Wahrheit! Und damit steht es auch jenseits der Emotionen von Traurigkeit oder Begeisterung, möchte davon sogar gar nichts mehr wissen, weil die immer idealere Idee sonst den Rest der realen auch noch ‚ausspuckt‘. Könnte es sein, dass wir das nicht verstehen? Muss man konstatieren, dass Europa nur noch Selbstbefindlichkeit ist, mal traurig halt, mal hoffnungsvoll, also nur noch Gefühl, nicht mehr Verstand? Das wäre allerdings eine Geisteskrankheit, die Europa – etwa beim konkreten Erfordernis engerer Zusammenarbeit aus Sicht einer amerikanischen Administration oder von Geheimdiensten usw. -- zum Totalausfall macht. Merke aber: Beides bräuchten wir!

Völlig absurd ist ja auch der offene oder insgeheim, sich selbst das gar nicht offen vor Augen führende Ansatz, sich Europa einfach mal – vermeintlich gründlich nochmal ‚von vorne‘ beginnend --  wie einen halb behauenen, großen Steinquader vorzustellen, an dem wir jetzt weitere heftig rumklopfen wollen, um es anders zu machen, als könnten wir an dieser steingewordenen Wirklichkeit etwas ändern (so wie vielleicht hier auch wieder auf irgendeinem Heilbronner ‚Verfassungskonventchen‘). Europa ist nichts als historische, aktuelle Wirklichkeit in genau der vertrackten und partiell hoffnungslos erscheinenden Situation, in der es jetzt ist! Es ist deshalb auch infantil und großspurig zugleich, die Akteure, Gangster, Politiker und Lichtgestalten, die sich in diesem Schlamassel um Kompromisse und das Abstecken von Claims ‚bemühen‘ als „uneuropäisch“ zu beschimpfen. Genau das ist Europa und ein ‚Europäisches‘, das was anderes wäre, gibt es nicht, außer genau diese dämliche Hybris in Bezug auf sich selbst eben, die ihrerseits wieder antieuropäisch ist, bzw. schlicht zersetzend!  

Die europäische Wirklichkeit als Basar

Natürlich ist es bitter, zu sehen, dass diese ‚Eiertänze‘ -- zunehmend merkelakrobatisch hinhaltend -- nur immer weiter auseinanderdriftende Interessen überbrücken müssen. Eine Konvergenz der Interessen hat es offensichtlich über die ganze Jahrzehnte nicht gegeben, und zwar nicht nur nicht zwischen den noch jüngeren, östlichen Mitgliedsstaaten und dem Westen, sondern -- etwa in Bezug auf die Energiepolitik -- auch im ‚Urgesteinseuropa‘, im „deutsch-französischen Motor“ gar, wo es nur ein weiterer Mal, wie immer, zur ‚Konsensnarkose‘ kam, als sich die Franzosen kürzlich maßgeblich von Deutschland – das die anderen mit anderen Goodies zur schweigenden Duldung zwingt -- den Atomstrom als mittelfristig zukunftsfähig zertifizieren lässt, während er bei uns Teufelszeug wurde, dafür die Franzosen unser jahrzehntelanges, russisches ‚Bestechungsgas‘ auch toll fanden.

Da wundert man sich dann, dass in den Ländern, die verlieren oder zu selten siegen (wer immer das dann noch feststellt) vorher und nachher eine zunehmend schrille, nationale und antieuropäische Begleitmusik aufspielt, vor allem aber auch die Gesellschaften dafür anfällig werden und dann auch danach verlangen.

Die ideelen Kosten von „Große Schnauze, nichts dahinter!“

Wo dieser ‚unkorrekte‘ Antieuropäismus noch nicht so breit auftritt, wie eben – im Vergleich zu anderen Ländern – speziell noch in Deutschland, ist das aber auch nur noch eine Frage der Zeit. Immer noch figurieren wir aber – nach außen, aber auch im ‚korrekten‘ Selbstbewusstsein -- als Stützen eines zum Teil sogar verhassten Europas. Wenn aber die maßgeblichen politischen Agenten weiter nur Harmoniefolien vorhalten oder nur „gewisse Probleme“ konzedieren, aber regurgitieren, dass Europa sich ja, Originalton Andrea Merkel, immer wieder „zusammenrauft“ -- und man kann problemlos weiterspinnen, dass das eben nur ohne wirkliche Lösungen möglich ist -- , dann glauben die Menschen ihnen auch in Deutschland nicht mehr, mit allen zunächst leisen Konsequenzen. Aus Frust und Abkehr wird Biedermeier und dann Radikalität bzw. Erlösungssuche, außerhalb des ‚Spielfelds‘, weil das ‚hauseigene Angebot‘ nicht mehr überzeugt. Diese nur ‚schleichende Desillusionierung‘ aber kennzeichnet unsere Mentalität sehr, weil hier das Vertrauen in die Fürsorge des Staates eben viel konstitutiver ist als etwa in Frankreich. Auch wenn sie dort faktisch noch stärker verlangt wird, glaubt man aber nicht daran, fühlt sich quasi immer betrogen, was hier erstmal gar nicht passiert, jedenfalls nicht laut, trotz gegensätzlicher Evidenz! Wir haben quasi nicht nur den ertragenen Stillstand bei der Bahn und den Stau auf den Straßen, sondern den auch im Gemüt: man tut alles, um das gar nicht so wirklich zu merken …  weil es ja auch „schon so“ schlimm genug ist!

Voraussetzung dafür ist aber, dass immer noch ein -- allerdings schrumpfendes, noch aber gehaltenes auch noch hohes -- Mindestmaß der Bürger sich noch nicht durch zu viel prekäres Selbsterleben und materielle Bedrohung, im Binnenvergleich, dann auch im Vergleich mit den anderen im Land, Flüchtlingen usw., „abgehängt“ fühlt. Man hört sich noch vieles an, auch das „Europagerede“, auch wenn es einen gar nicht mehr berührt, geschweige denn interessiert. Noch hält also eine Mehrheit fest am Glauben und Anspruch, dass die deutschen Regierungen es in Europa immer – durchaus auch gegen alle anderen da draußen, die eigentlich aber auch nicht anders ticken als wir selbst -- Zufriedenheit und Ruhigstellung garantieren können.

Das hat ja etwas durchaus Starkes, sogar sehr starkes, und Deutschland ist ja auch noch stark. Es hat aber auch etwas eigentümlich Camoufliertes, Nonaggressives bzw. Defensives, zeigt ein ambivalent liebenswürdiges und zu fürchtendes, letztlich aber doch ‚irgendwie schlagend friedliches‘ Deutschland („Wir tun doch nun wirklich niemandem weh“ … vielleicht auch noch: „Das haben wir hinter uns und dafür haben ja auch gebüßt“ … bis hin zu: „Sollen sich andere doch mal ein Beispiel daran nehmen!“ … und: „Wir helfen doch, wo wir können!“).

Je nach innerem Druck kommt es dann schließlich über die Stationen eines „Nun-reicht’s-aber-mal!“ und „Jetzt ist Schluss!“, und gegen alle Offiziellen schließlich, die das ‚nicht genügend‘ nach außen kommunizieren, zum neuerlich sachdienlichen Hinweis: „Wir sind das Volk!“ Das ist dann die Endstation der abrutschenden Talfahrt von der Kante eines -- dennoch unverdrossen weiterdümpelnden -- deutschen Kahns, neudeutsch also das „Nicht-mitgenommen-worden-Sein“.

Noch haben die „Loser“ aber nicht ganz die kritische Masse, dass man irgendwie wirklich ‚umdenkt‘, zumal es für ihr Benehmen ja auch noch gar keine richtige Sprache gibt. Immer noch sind sie ‚irgendwie‘ selbst schuld, Ihr Verhalten und auch ihr Schicksal irgendwie ‚unerhört‘, bestenfalls ein Betriebsunfall, vor allem wenn sie Rabatz machen. Wenn Klimaaktivisten Rabatz machen, so doch aus besonderem Engagement heraus, wenn auch vielleicht ‚übertrieben‘. Das gehört noch zur Community, einer durchaus ja „bunten“, gehört insofern schon noch „zu uns“, gerade wenn man kein rückständiger Blödi sein will. Machen sich aber die Verlierer bemerkbar, dann ja nur als amorphes Grollen aus dem gedachten Abklingbecken, in dem alle landen, die weder ‚mainstream‘ noch Paradiesvögel sind.

Wer rausfällt und primär gar nicht im Rampenlicht steht – gerade da ja auch eigentlich nie hinwollte, anders als die Paradiesvögel -- , der kann erstmal nur noch, sprachlos wie sonst auch, zurückblicken auf die verlorene Zukunft, ist allerdings ‚leider‘ nicht ewig stumm und ratlos, krallt sich vielmehr irgendwann, mit dem kläglichen Rest an Ermächtigungskraft, eine neue Sprache und Denke, laut und kämpferisch plötzlich. Je weniger und je länger zuvor übersehen und unverstanden, desto unverständlicher und bedrohlicher jetzt. Oder je wuchtiger ausgegrenzt, desto wuchtiger der Stolz im neuen Club der Outcasts. In diesem rauschhaften ‚Entdifferenzierungsprozess‘ ist dann natürlich jede ‚Zukunfsprojektion‘, speziell so ein Knaller wie Europa, das „uns“ alles wegnimmt, ein gefundenes Fressen. Europa solle man ganz abschaffen, siehe die AfD als Sprachrohr dieses Abgrunds. 

Prekäres Projekt - in jedem Land aber anders:

Dieser deutsche, medial allenfalls mal bei seinen ‚Untaten‘ abfotografierte, ansonsten ignorierte und schleichend ‚herangezüchtete‘ Neonazi, Sympathisant oder auch nur Wähler -- mit seiner hysterische Ablehnung alles Nichtnationalen -- ist aber was ganz anderes, als etwa der primär nordafrikanische Bannlieubewohner in den französischen Großstädten, der über viele Generationen und Jahrzehnte unveränderter Politik, schon immer wusste, gezeigt, gesagt oder prügelnd vermittelt bekam, wer er ist, wobei ihm dies quasi von Anfang an auch ‚einleuchtete‘ und die Essenz seiner Identität in Frankreich war. Die ersten Generationen lebten sogar gerne in diesen Ghettos, nicht mehr zuhause zwar, aber doch zusammen, weil es ja auch den einzigen und passgenauen sozioökonomischen Kontext für die fortgesetzte innere Feindschaft gegenüber Frankreich und den Franzosen bot. Erst mit der Zeit lernte man natürlich auch deren Welt und Möglichkeiten kennen und wollte und will zunehmend mehr. Da gibt es aber seit langem ‚bewährte‘ Rituale im politischen Umgang und da gibt es auch ein seit Jahrzehnten eingeübtes Vokabular. So steht dann bei jeder Präsidentschaftswahl, ohne dass dies noch irgendeinen Franzosen aufregt oder zumindest überraschen würde, ein sehr wortgewaltiger Law-and-Order-Block einem etwas ‚verständigeren‘, ansonsten diesbezüglich nicht komplett anders denkenden, bürgerlichen Block gegenüber.

Nicht nur in Frankreich, sondern eher überall -- außer vielleicht in Österreich -- ist der Nährboden oder die Giftbrühe, auf der Europa wächst oder eingeht, anders als in Deutschland. Dies gilt auch für die osteuropäischen Mitgliedsländer, obwohl das alles zusammen ein Europa sein soll (man möchte -- naiv natürlich -- fragen, wer sich das eigentlich ausgedacht hat, oder ist das alles eben nur passiert, weil es passieren musste, geopolitisch und so …).

In diesen neuen Mitgliedsstaaten gab es ja gleich nach dem Beitritt auch antieuropäische Strömungen, die halt fortbestehende Polarisierung nach dem Fall des eisernen Vorhangs. Unterschiedlich ausgeprägt herrschte und herrscht ein toxisches Gemisch aus unvermeidlicher ideeller Hegemonie des seinerseits siegreichen Westens und dem Leiden am hochgradig selbst gemachten Versagen, dem Trauma eben einer -- die Massen schnell wieder redeprivilegierenden, turbokapitalistischen -- Folgerevolution der ersten Stunden nach dem politischen Urknall. Da gab es dann eben keinen -- unter den Trümmern nur schlummernden und altbewährten -- rheinischen Korporatismus, den Deutschland gegen viel Widerstand auch nach diesem totalen Zusammenbruch reaktivierte, natürlich unter alles entscheidender ‚Beteiligung‘ der arbeitenden Bevölkerung, die so kaum abdriftete.

Weder aber in Frankreich, noch sonst wo, wo es eben diese Perfidie wiederbelebter und einschläfernder Strukturen nicht gibt und gab, ist es -- wegen der ‚klaren Fronten‘ etwa -- ‚besser‘. Allerdings auch nicht umgekehrt, selbst wenn diese innere ‚Leisetreterei‘ bislang tatsächlich bei uns dafür sorgte, dass die extremen Rechten ein properes „NoGo“ blieben. Die umstandslose Fortschreibung dessen als Erwartung für die Zukunft wäre aber nicht mehr nur nostalgisch, sondern lebensmüde, weil das alles ja gerade zu bröckeln beginnt. Man weiß nur nicht wie schnell. Selbst wenn die aber, inklusive ihrem braunen Sumpf, bis auf Weiteres nicht richtig hochkommen, wäre ein unverdrossen weiteres, ‚deutschmichliges‘ Totschweigen oder Verteufeln -- wie wir auch aus der Geschichte wissen -- keine so viel bessere Lebensversicherung als die ‚Integration‘ dieser Extreme, in Frankreich und Italien eben früher die Kommunisten, heute die extreme Rechte oder die Postfaschisten. Trotz heftigster Konflikte seit Jahrzehnten, die dort wechselnd stark zur politischen Kultur gehören, waren die demokratischen Grundfesten jedenfalls auch nie in größerer Gefahr, als dies jetzt bei, uns zumindest ‚gefühlt‘, der Fall scheint.

Das alles ist aber ohnehin – genau wie beim unsäglichen ‚Wünsch-dir-was-Europa‘ -- keine Modenschau, wo man eine Kollektion bestellt, eine andere aber verwirft. Wir sind nämlich schon auf der Straße und die Kollektionen werden alle getragen. Welche Stilnote wir da geben, ist noch unwichtiger als die Farbe des Blazers von Angela Merkel es je war. Wenn wir nicht aufpassen, brauchen wir nämlich über Europa bald gar nicht mehr reden oder dürfen dann mal wieder -- wenn auch das überhaupt noch geht – für Jahrzehnte träumen, wie schön es gewesen wäre oder wie nützlich auch für die Bewältigung von Diesem und Jenem, …, wenn doch nur, ja wenn doch nur, alle Europäer in ihren Ländern auf die je nationale Weise nicht genau die Europäer gewesen wären, wie sie es im so eben gerade konditionierten Europa waren und sind.

Mittlerweile ist es ja so, dass die Gefahr für Europa nur noch ein nachgeordneter bzw. ‚versteckter‘ Bestandteil der Gefahr für die westlichen Demokratien selbst ist. Diese Gefahr kommt aber noch ‚nur‘ – was allerdings beileibe kein Trost ist -- von innen, also von den Staatsbürgern selbst (frei nach Polt: „Der Feind sitzt drinnen“. Die denken und fühlen als solche eben primär im nationalen Stil, weil sie -- quasi einzig und allein -- von nationenbezogener Politik betroffen sind. Von allem anderen – selbst wenn es eigentlich maßgebend ist -- ‚spüren‘ die Bürger eines Staates nur die nationalen Konsequenzen und Übersetzungen, und sei es auch nur die, in denen ihnen nationale Zumutungen vermittelt werden als ‚Brüssler Spitzen“‘.

Das spezifisch Nationale steht gerade in Europa, wo es ja auch ‚erfunden‘ wurde, wieder mal sehr im Vordergrund, bei uns also die deutsche Befindlichkeit!

Egal wie viel mehr als woanders -- wobei vieles für viel mehr spricht -- gibt es in Deutschland einen eigentümlich starken Exzellenzanspruch im Hinblick auf das deutsche Denken, seine Nähe zur Wahrheit und dem Schönen, der keineswegs nur deshalb schon widerlegt ist, weil es so gigantische Heimsuchungen unsererseits gab. Beides hängt sogar zusammen! Aktuell nimmt nun diese deutsche Musterknabenschaft -- in Europa, wie auch in der ganzen Welt, so sie das kennt und versteht – die,  von der Dimension des impliziten Anspruchs her den gerade genannten Katastrophen gar nicht unähnliche, Gestalt eines penetranten Mainstreams des öffentlichen, korrekten Denkens an (eine neue deutsche Wunderwaffe … aber nach hinten!).

So etwas gibt es beispielsweise ganz und gar nicht in den USA, bei aller Hysterie und Brutalität der Diskussion. Dort fände eine „schleichende Gehirnwäsche“ im Sinne eines allseits ‚irgendwie unwidersprochenen‘, halt so ‚daherkommenden‘, gesamtgesellschaftlichen Gültigkeitsanspruch keinen Nährboden. Es triumphieren dagegen ungebremste Feindbilder mit bizarr kommuniziertem ‚Zermalmungspotenzial‘, was sich mit dem heutigen deutschen Kohäsionsdenken kaum vergleichen lässt. Bei aller Liebe zum Unverstellten kann man dies kaum vorziehen.

Der stolze Rückgriff aber auf unsere „Zivilisiertheit", die uns auf diese ‚Riesenbabies‘ herabblicken ließ, schmilzt angesichts ihrer drastisch abnehmenden Bindekraft: wir lösen damit nichts mehr, versuchen aber die Widersprüche durch Korrektheit ‚wenigstens‘ im Denken zu annullieren. Das jahrzehntelang schon brav gepäppelte, erst aber nach ‚Überwindung’ der Machtmenschen Kohl und Schröder entfesselte, medialen Mainstreaming setzt Maßstäbe, denen man nicht mehr ohne die Gefahr nachhaltiger Verunglimpfung widersprechen kann.

Im deutschen Politsprech -- mit besonderem Wirkungsgrad im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, der damit eben auch verbundenen Gesamtkörperchoreographie des Überzeugens aus der ‚Kammer des zutiefst Wahren‘ -- wird still und leise, vereinzelt auch hysterisch maßregelnd, vorrangig aber nicht vorsätzlich, sondern eigentümlich ‚selbstverständlich‘ -- die vielschichtige, oft aufgeregte Diskussion existenzieller und symbolische Themen zu kanalisieren versucht, auch im Berichtsformat einer Nachrichtensendung, nicht nur etwa in „Brennpunkten“ o. ä., wo ebenfalls oft nur noch skandalisiert wird, selbst wenn vieles gut recherchiert ist.

Wenn aber zunehmend die Reaktion hierauf die Abwehr genau durch die Menschen ist, die man erreichen wollte -- denn die ohnehin schon Wissenden brauchen ja nicht nochmal ‚erleuchtet‘ werden -- , stellt sich, mit aller daraus resultierender Ratlosigkeit, die Frage, ob dieser so unabhängig und frei recherchierende, öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich – was man sicher auch aufwändig messen könnte -- mehr Angemessenheit und Vernünftigkeit in einem ganzen Land erzeugt, als etwa frank und frei sich bekennende Tendenz- und Propagandasender, wie in den USA, wo die Menschen auch wissen, dass sie nur einschalten, was sie hören und sehen wollen, es aber auch anderes gibt, was sie sich dann und wann mal – und sei‘s nur zur eigenen Abschreckung -- reinziehen.

Selbst wenn aber diese Studien vorlägen, könnte hierzulande schon verfassungsgemäß – letztlich wohl doch zum Glück, aber auch das vielleicht nur bis auf Weiteres -- , die unabhängige „dritte Kraft“ nicht zur Disposition gestellt werden. Umso mehr muss sie dann aber radikal diesem Auftrag für alle (!) nachkommen, also mit höchst kompetenten, klugen und wachsamen Gesamtredaktionen jedweden Missionierungs-Drive, der vielleicht jeden leicht erfasst, der länger engagiert in diesem Sujet arbeitet, im Keim ersticken, egal wie drastisch das klingt.

Was eben nicht nur Deutschland, sondern alle Länder bewegt und unweigerlich -- weil es immer subjektive und objektive Gewinner und Verlierer gibt -- zu heftigen Auseinandersetzungen führt (es sei denn die Länder sind diktatorisch), sind eben die epochalen, tektonischen Verschiebungen und Beben infolge des Zusammenstoßens einer immer unsicheren Wohlstandsbasis mit der globalen, immer konkreter werdenden Unsicherheit. Das materialisiert sich aktuell vor allem als ‚überschießende‘ Ermächtigung von Milliarden früherer Zaungäste, die dank kommunikationstechnischer Weltteilhabe und Orientierung sowie gesteigerter Mobilität einfach als Flüchtlinge hineinkommen, hinein in unsere unmittelbaren Lebenswirklichkeit, manche sagen auch „hineindrücken“ („böse-böse“ zwar, aber auch nicht falsch!). Sie konkurrieren -- nicht mal nur ‚nur gefühlt‘ -- mit faktisch begrenzten Ressourcen, etwa Raum, Infrastruktur, Institutionen, Zuwendung, aber auch -- gedanklich fortgeschrieben -- Wasser und Luft, was früher alles nur „unser“ war. Ihre kulturelle Penetranz und Performanz, wo wir primär mal zumindest Anpassung erwartet hätten, wird zur -- in Person und Sache zusätzlichen -- Provokation, wobei schon die menschliche Natur aber ein ständiges ‚Dankbar-Sein‘ und die Unmerklichmachung von Identität und physischem Da-Sein, selbst in nicht angestammtem Umfeld, ausschließt, außer ich bin da eben nur mal zu Besuch, in der Regel dann auch gebildeter, oder ein entrechteter Gefangener!

Geradezu plötzlich, wie ohne Ansage, weltgeschichtlich auch erstmalig nach der nahezu weltweiten Konstituierung generationenüberdauernder Sesshaftigkeit, wird nun, in einem neuen Zeitalter und parallel zur dieser neuartigen, grundstürzenden, psychomentalen Instabilität großer ‚angestammter‘ Bevölkerungen oder breitester Schichten -- denn es geht ja um nichts weniger als die Infragestellung von Staaten als konstitutive, abgegrenzte, überschaubare Lebensräume – zu allem Überfluss auch noch, quasi ‚im Gegenzug‘ so etwas Grundlegendes, immer aber eher abstrakt Gebliebenes, wie die zehn Gebote, im ‚Großversuch‘ auf die Probe gestellt. Da passen dann natürlich – vielleicht auch erst beim zweiten Hinsehen, wenn der erst Blick eben unter schlechtesten ‚Lichtverhältnissen‘ erfolgte -- ein bloßes „Wir schaffen das!“ und eine kurzlebige „Willkommenskultur“ sicher nicht.

Worin diesbezüglich uns aber keines der hiervon ebenfalls betroffenen Länder -- wenn auch quantitativ maßgeblich weniger als Deutschland --  übertrifft, ist die romantisch ‚durchgehärtete‘ Perfektion, mit der uns unverdrossen und flächendeckend von den Eliten -- die meist natürlich vom verbindlichen, also nicht nur beobachtenden Geschehen meilenweit weg sind, somit dafür dann auch ‚den Kopf frei haben' -- die umstandslos weitere, ganz konkrete Selbstverständlichkeit eben dieses Gebotekanons, überhaupt gleich auch allen weiteren humanen Fortschritts, eingebläut werden soll. Allein die gedankliche Befassung mit Alternativen, allzumal das „Eindämmen“ etwa, scheint tabu.

Damit wird aber die dringende – zugegebenermaßen alle, die mit dem exquisiten öffentlichen Auftrag der dritten Gewalt zur Diskussion alles Wichtigen beauftragt sind, sehr herausfordernde -- Aufgabe auftragswidrig mit Verdrängung und elitärer Hybris verfehlt. Es wird eine vermeintliche Sicherheit durch das Fortbestehen von Gewissheiten inszeniert, so als wäre diese Gesellschaft auch im Angesicht all dieser Herausforderungen sich ihrer selbst noch weiter genauso gewiss -- oder müsste es sein, weil das ja nun der ‚Bewährungsfall‘ sei -- , wie sie das lange träumerisch und dank ‚moralischer Gratisglückskekse‘ in der Friedensdividende vielleicht wirklich schien.

Diese Ignoranz ist aber nur deshalb -- vielleicht ja auch nur ‚gerade noch‘ – komplett exekutierbar, weil eben immer noch kritisch viele von uns noch nicht abgerutscht sind. Die meisten sitzen noch – viele zwar subjektiv oder bereits objektiv gefährdet, also umso mehr bangend -- im Boot und regen sich – auch im Zuge der ohnehin eingetretenen Erwartungsbereinigung gegenüber den etablierten politischen Führungskadern, damit auch der Zerrüttung eines gemeinwohlorientierten Commitments -- über diesen Korrektsprech, als einer lediglich wohl unvermeintlichen, halt modernen ‚Errungenschaft‘, besser Plage, nicht mal mehr auf. Man schüttelt nur gelegentlich noch den Kopf, auch etwa über abgründige Appelle eines unverdrossen trotz allem fortpräsidierenden Bundespräsidenten, ehe man sowieso auf die Sportschau umschaltet.

Viele sind es satt, wie es so schön heißt, sagen aber nichts (frei nach Richard Nixon: „the silent majority“). Da muss man schon Umfragen machen und die sind dann ja auch entsprechend desaströs, führen regelmäßig aber lediglich zu noch mehr Ermahnungen und ‚faeserschen‘ Ankündigungen unserer Oberhirten. Dennoch – und das ist ja auch die Voraussetzung dafür -- gilt für Deutschland bis auf weiteres immer noch das geradezu ‚chinesische Versprechen‘ eines -- doch irgendwie trotz allem immer weiter wachsenden, mit Stabilität, also Angstfreiheit und eigentlich auch Aufregungslosigkeit einhergehenden – ‚Mittelstandsbauchs‘, so dass sich in Deutschland, solange man noch weggucken kann, auch weiter ohne lauten Hallelujanationalismus bzw. wie von selbst das Paradies doch noch einstellt (… cave: muss es auch, denn wir wollen zwar nicht wieder die historisch bösen Buben sein, aber ausreichend gut und besser als anderen soll es uns dennoch gehen!).

Dass diese Prosperität etwa beim hehren Anspruch der Überwindung von Kinderarmut nur durch fragwürdige Haushaltsentscheidungen Wirklichkeit wird oder es vorgibt, wird halt unter Verzicht auf Zukunftschancen ignoriert, ersatzweise stattdessen über eine neue „Deutschlandgeschwindigkeit“ gefaselt, mit der alles im Setzkasten des „Wünsch-dir-was“ dennoch gehe (… kann ja sein, dass man sich sogar mit Erfolg bemüht, kleine Schritte in Richtung Beschleunigung von Abläufen zu gehen, aber das euphemistische Hochjazzen des Ganzen, als wäre es bereits maßgebliche Wirklichkeit, ist dummes und vorsätzlich falsches, also eigentlich verantwortungsloses Geschwätz, das erschreckend darauf verweist, für wie dumm manche Führenden oder ihre Berater die Regierten halten!).

Auch das durchschauen ja alle inzwischen, hoffen aber zuhauf dennoch – also im dunklen Walde pfeifend -- , dass es immer wieder ‚nochmal‘ gutgeht (frei nach Conny: „Is ja immer jut jejange“). Schon lange haben die Menschen die Berieselung mit Versprechungen und Ankündigungen, die man besser nicht näher anschaut, weil sie schon bei banalen Grundkenntnissen nicht mehr einleuchten, als gängigen, möglicherweise konstitutiven, also verrotteten, vielleicht nur den Seminaren zu „good political practise“ entsprungenen Stil inhaliert.

Dahinter steht in Wirklichkeit aber ein sehr deutsches Komplott aus Öffentlichkeit, Politik und Presse, das unter der Hand auch allen Beteiligten -- eigentümlich ‚zugeschäumt‘ -- bekannt ist und jeden auch anwidert. Wir wissen insgeheim auch, hoffen zumindest und haben es doch auch oft bestätigt bekommen, dass Deutschland gerade innerhalb Europas eben -- im Gegensatz zu aller Harmonie und außengerichteter Friedlichkeitssoße -- schon durch die Softpower unserer ökonomisch noch beträchtlichen Hardware das empfindliche deutsche Wahlvolk massiv schützt („Deutschland first“ … aber keiner soll’s merken). Der Euro-Raum hat das in der Finanzkrise aber zu spüren bekommen, man denke an Griechenland!

Wird dies nun aber – schön moralisch und wild entschlossen -- als miese, klammheimliche Erpressung des Stärkeren, auf den man halt nicht verzichten kann, kritisiert, hängt man gerne den salomonisch-erzieherischen Allgemeinplatz an, man solle doch „mit offenem Visier“ kämpfen, also auch die deutschen Interessen ehrlich benennen. Interessen seien in Wirklichkeit ja auch gar nichts schlechtes. Das ist aber auch nur ranzig-ideologische Heilsalbe, denn das Beharren auf Interessen, insbesondere auf starken, verlangt die Kleinhaltung der gegenläufigen, verbittert darüber hinaus dann auch noch die wechselseitigen Sichtweisen aufeinander, auch in den Völkern. Natürlich ist – sagen wir diese letztlich nichtssagenden ‚Leerformel‘ halt doch nochmal -- das Ringen um Kompromisse unausweichlich, verlogen ist aber, wenn man dies massiv der Diskussion entzieht und sich selbst als eigentlich neutralen Vermittler geriert, etwa wie Schäuble damals in der Finanz- und Griechenlandkrise: quasi als Wahrer einer ganz übergeordneten Idee, wo man immer sagen und denken kann, dass das Interesse der Deutschen, nicht ‚immer für andere‘ zahlen zu müssen, eigentlich gar nicht so egoistisch zu verstehen sei (etwa als herzloses „Europa für uns, nicht wir für Europa“), sondern nur die bittere Medizin darstellt, die allen guttut.

Mitnichten ist nun aber dieses Heileheilegänschen nur Taktik -- also das Vorgeben von etwas, was gewusstermaßen gar nicht stimmt -- , sondern in den Köpfen der Menschen verankert, auch sogar bei den politisch Handelnden, wenn man nicht an Verschwörungstheorien glaubt. Dies alles abstrahiert ja auch nur ‚heilsam‘ von den hässlichen Seiten des Kampfes um Wohlstand, der sich hierzulande eben -- nach lauter richtigem Tun und Reden – immer noch ‚wie von selbst‘ einstellt … oder einzustellen hat („Sollen sich die Südis oder Ossis mal ein Beispiel dran nehmen“, wobei dieser Stolz allmählich auch bröckelt – gut so!) 

Die allgewaltige deutsche Selbstvergessenheit, die uns für Europa disqualifiziert!

Diese brutale deutsche Selbstvergessenheit passt dann auch zu vielen ‚einsamen‘ -- gedachterweise natürlich am Ende doch sicher auch für alle sonst beglückenden und beispielgebenden -- Entscheidungen in den letzten Jahrzehnten, wo jenseits eines ganz gegenläufigen, faktischen Konvergenzdrucks in Europa und unter schamloser Inanspruchnahme einer viele hunderte Milliarden schweren Deutschland-Friedensdividende (… sollen andere uns verteidigen, wir sind ohnehin to big to fail …) gerade nicht ein ‚Lastenausgleich‘ gesucht, sondern der eigene, profitable, antieuropäische Stremel ungerührt durchgezogen wurde.

Wer diesen Weg so aber nicht nachvollziehen, etwa trotz aller Moral nicht so schnell auf den Atomstrom verzichten, oder wer mehr für die eigene Sicherheit ausgeben wollte, fand niemanden mehr, der ihm zuhörte, war Hinterwäldler oder gleich „Militarist“. Wer als nicht so begeisterter Bildungsbürger etwa den Kurs einer Gesellschaft, die mit diesen vielen unfähigen Abiturienten eigentlich gar nichts mehr anfangen kann, infrage stellte, galt als reaktionär, elitär und bösartig, weil er anderen Menschen ihre Entwicklung, ja ihr Menschenrecht, streitig mache. Wo sich schließlich der „dumme Bürger“ selbst dann -- neben den hehren anderen Zielen -- nicht mal mehr im Mindestfokus politischer Fürsorge wiederfand, sucht mancher sich dann eben -- unter der gestohlenen Überschrift „Wir sind das Volk“ -- eine neue, zwar umnachtete, aber doch wärmende, politische Heimat, die für ihn oder sie neuen Sinn ins Dunkel bringt.

Im Unterschied zu anderen Ländern -- außer eben Österreich vielleicht, aber da auch nicht so ganz, weil da auch schon ‚virtuoser‘ -- war und ist diese ‚fatale Selbsthilfe' aber eine Geisteshaltung, deren Träger man bis in die jüngste Vergangenheit hinein eigentümlich hochmütig, wenn auch immer noch ‚großherzig‘, ob ihrer intellektuellen Armut bemitleidete, also nicht in ihrer -- eventuell auch erst herauszuschälenden -- Substanz ernst nahm bzw. ernst nehmen zu können, geschweige denn zu müssen glaubte.

Diese Stigmatisierung geht im Großen und Ganzen in den Medien auch heute noch weiter, ohne nennenswert neue Ideen, was natürlich zunehmend artifiziell, nicht mehr so locker daherkommt. Sie sind auch in Interviews mit AfDlern etwa überraschend oft die Gelackmeierten, weil sie diese ‚Garnichtganzsodummis‘ immer wieder -- verständlich genug, aber nicht hilfreich -- ihres Grundübels überführen wollen. Die planlose Marginalisierung der -- größenmäßig und auch parlamentarisch einfach nicht mehr umstandslos zu ignorierenden – AfD durch unsere affirmativen, einfallslosen und mediengedengelten Politprofis macht nur noch Angst. Das zunehmende ‚Versagen am offenen Herzen‘ durchdringt tendenziell das Inneren eines jeden Deutschen, was man in anderen Ländern deshalb nicht antrifft, weil dort mehr Erfahrung mit potenziell katastrophalen Konflikten vorherrscht, die dennoch nicht zur Katastrophe führten. Man ist geübter und auch als Bürger gelassener, nicht aber gleichgültig, meist sogar beteiligter, wohl weil man nicht so verdrängen muss, um nicht vor Angst umzukommen.

„German Angst“ and „German Defätismus“

Es gibt lange schon nicht mehr nur Zweifel an den jeweils aktuellen Regierungen (die irgendwie ‚gerade deshalb‘ aber trotzdem immer wieder bestätigt werden), sondern am Setting des gesamten Systems. Die demokratische Opposition profitiert nicht mehr vom vermeintlichen Versagen der Regierung, sie wird vielmehr durchwinkend in Mithaft genommen, nicht zu Unrecht. Das wird in Deutschland eben sehr kategorial erlebt, mangels Gewöhnung bzw. südlichem Laissez-faire (?) oder nördlicher Bodenhaftung, however … Man feiert ja auch alle Schaltjahre bierernst das Grundgesetz, als wüsste man im Inneren sehr wohl, dass es die höchst komplexe und gründliche Absicherung der ganzen Chose gegen das oft schlafende, dann aber explodierende deutsche Gemüt sein soll, also ein ‚Endsieg‘ im Guten. Dann müssen die Dämme natürlich ständig gegen den Zahn der Zeit neu ertüchtigt werden, während man in den USA etwa beim „Constitution Day“ ein zünftiges Barbecue macht, in Frankreich „les republics“ von eins bis fünf durchzählen kann und in Großbritannien oder auch Israel sogar ganz ohne auskommt.

Diese Narkose im Gemüt, auch dass unser Gemüt inzwischen an dieser Nadel hängt, arrodiert natürlich im wortwörtlichen Sinne nicht nur die nationale Sicherheit, deren Erhalt ja gerade die wache Flexibilität voraussetzt, sondern auch die Europas, und zwar nicht nur des ‚lediglich deutschen‘ Europas, sondern des ganzen! Deutlich steht nämlich – in einer Dramatik, die nicht neu ist, aber zunimmt und inzwischen auch wahrgenommen wird -- die Resilienz des großen Konstrukts als einem wichtigen Faktor in der aufkommenden neuen Weltordnung auf dem Spiel. Die globalen Prozesse ängstigen nur noch, wir sind ihnen nicht mehr gewachsen, was natürlich unerträglich aversiv, also unausweichlich nostalgogen wirkt. Dann werden -- eben aufgrund exakt gleicher Sorgen und unter Rekurs auf bereits jahrhundertelang bewältigte Aufgaben und seinerzeit erzielte, nur ‚ungerechterweise‘ oder ‚aus eigener Schuld‘ wieder verlustig gegangener Errungenschaften -- uralte Erfolgsrezepte in so oder so adaptierter Form unwiderstehlich!

Europäische Überlebensfähigkeit: perdue for ever ?

Für eine Ertüchtigung Europas bedürfte es (das darf man vielleicht aus lauter Hoffnung doch auch noch im Indikativ sagen, also: bedarf es …) eines -- aktuell halt verschollenen oder nur zugeschütteten (oder vor lauter Wut, auch des Verfassers, entschlossen unter Wasser gedrückten) – materialen, greifbaren und sichtbaren Prozessierens Europas: in Form eines funktionsfähigen, voranschreitenden, nicht nur jeweilige Aufputschungen bedienenden, also routinierten, gekonnten und für sich einnehmenden Wechselspiels der nationalen Regierungen untereinander und -- genauso sichtbar und lebendig -- zwischen den Regierungen und ihren Bevölkerungen, via Wahlen, Veranstaltungen und Medien. Doch bitte wenigstes schon mal bei uns! Stattdessen findet sich aber diese Wechselwirkung aktuell als der Verstärkungsmechanismus für Zukunftsängste und Ratlosigkeit, unterbrochen von Schönfärberei, wieder, mit zunehmender Verunsicherung der Bürger einerseits und der nachvollziehbaren Sorge um die Wiederwahl beim gestaltungsimpotenten politischen Personal andererseits.

Kluge politische Köpfe -- die es gibt, wir sie uns aber auch nicht backen können -- müssen gerade auch von uns in der Europa-Union hervorgehoben und – auch mal vorbehaltlos -- gefördert und beklatscht werden, in ihren vernünftigen, begründet zuversichtlichen Positionen, auch wenn sie erhebliche Mängel aufweisen. Sie müssten gratifiziert werden durch passende, dann aber auch vernehmlich artikulierte Bedürfnisse und eine neue Gratifizierungsfähigkeit und -willigkeit einer Bevölkerung, die eben doch wach ist, auf die wir also als Europa-Union Einfluss zu nehmen versuchen müssen.

Damit das wahr wird, was bräuchte es dafür? Sinnfälligerweise zunächst mal von uns selbst, dass etwa die Europa-Union -- wenn diese wirklich faktisch oder potentiell wichtig ist und das auch wahrmachen will -- , im oben angesprochenen Sinne noch  „gratifikationsfähiger“ und „gratifikationswilliger“ wird, also der Realität, wie sie ist, strategisch entschlossen zugewandter („Seit an Seit…“). Wir dürfen nicht nur vorrangig verzweifelt, verärgert oder ‚hart‘ das meiste, was da draußen passiert, abqualifizieren, oder – was auch passiert -- realitätsabgewandt vor uns hin konzipieren und fabulieren.

Gerade Ersteres macht die Europa-Union in Berlin aber – und da braucht man ja auch die hauptamtliche Führung – schon lange, es fehlt nur – ist ja auch eine Ressourcenfrage -- die umfänglichere, auch schon kontinuierliche, nicht nur einzelaktionsbasierte Transmission dessen dann von der Basis in Richtung Bürger. Zu sehr werden die zentralen Verlautbarungen, als wäre sie nur Futter für uns, die wir aber doch schon ‚drin‘ sind, nicht ‚weitergereicht‘, was natürlich auch von einer grundsätzlich eher positiven Stimmung und Hoffnung abhängt. All das passiert aber beispielsweise hier in Heilbronn bereits deutlich, wobei der Verfasser natürlich vieles sonst gar nicht kennt, allerdings insofern dann vielleicht ironischerweise die Erlebniswelt des Bürgers besonders valide repräsentiert. Vielleicht sind wir aber auch nur – sowieso und unverschuldet -- ‚unsexy‘, wie gewinnend wir uns auch aufstellen. Gerade so wie die richtigen Parteien, die auch noch nicht den Dreh gefunden haben, den die AfD halt hat, auch aber weil sie so viel neue Knallbonbons verteilt. Dann kann man natürlich nur noch sagen: weitermachen, flexibel bleiben, sich was einfallen und sich nicht  entmutigen lassen!

Für eine -- immer ja wünschenswerte -- Belebung dieser Transmission braucht es vor allem aber auch „mehr Durchblick“, nicht zu verwechseln bitte mit lediglich „mehr Information“! Es geht vielmehr um eine gehörige ‚Sprach- und Denkpolizei‘, im besten, emanzipatorischen Sinne der „guten Policey“ des Mittelalters. Die ist nicht verwandt oder verschwägert mit der Inquisition oder auch den aktuelleren, im entscheidenden Unterschied dazu allerdings noch gewaltfreien Formen der vielbeschworenen und vielgescholtenen, in ihren Verwirklichungsformen aber auch ‚ganz grausigen‘ „Wokeness“. 

Diese ständige Remadur – als neue, ergänzende Grundhaltung, Grundwachsamkeit und Grundaktivität -- kann zunächst ausschließlich aus der, uns ja zueigenen, deutschen Perspektive passieren, erstens weil wir eben – wie schon gesagt, auch wenn wir ganz dolle Europäer oder Weltbürger sein wollen -- das gesamte Welttheater als Deutsche eben auf deutsch erleben. Zweitens aber auch, weil diese Sprach- und Zukunftskompetenz -- vielleicht ja gerade wegen unserer weltweit so ‚bewunderten‘, viel zulassenden, dann aber auch sehr verbindlichen, nicht pragmatisch schnell ‚präformierenden‘ deutschen Sprache, somit auch wegen unseres ‚Denkens‘ vielleicht -- sowieso nirgends so sehr gebraucht wird wie in unserem Land, mit seinem allgegenwärtigen, toxischen Mainstreaming.

Man muss deshalb ausdrücklich, also artifiziell, das gemeinhin Geschriebene und Gesagte genau beäugen und bewerten, um immer wieder die in Worthülsen versteckten Vorentscheidungen, Verteufelungen und Disziplinierungsversuchen zu entzaubern bzw. der Diskussion zuzuführen. Gelänge dies, würden sich auch Zugänge zur abgekoppelten, also nur noch in sich selbst kreisenden Empörung vieler AfD-Wähler finden und tendenziell der Abbruch der Verbindung rückgängig machen lassen.

Kostproben der sehr deutschen Kunst sprachlich virtuoser Verdrehung und Verkürzung aus bestem Wissen, Gewissen, Unwissen und Moral – ein Thermomix für Desinteresse oder destruktives Misstrauen bis hin zu Verschwörungstheorien.

  • Schlagzeile und Unterüberschrift in der Rhein-Neckar-Zeitung: „Freude an Bildung -- Kinder bekommen häufig zu hören, mit dem Schulstart beginne der Ernst des Lebens, doch Lernen kann Spaß machen“. Hier wird – mit der Besingung einer überfälligen Versöhnung – ein im Althergebrachten immer unversöhnlicher Gegensatz insinuiert, auch als einer, der eigentlich nie hätte sein müssen. Das bedeutet, dass man gleichsam unterstellt, dass sich das nie widersprechen muss oder auch überhaupt gar kein Spannungsverhältnis hat. Selbstverständlich war früher die Schule zum Teil grausam, die klassische Formel aber, dass jetzt der Ernst des Lebens beginne, war nie als harter Wurf ins kalte Wasser gedacht. Was soll die Selbstvergewisserung eigener Modernität durch das hirnlose Abgrenzen zu einer angeblich früheren Rückständigkeit!
  • Meldung Deutschlandfunk: Nancy Faeser habe angesichts der neuen Überlastung von Lampedusa mit Flüchtlingen eine Videokonferenz mit den Innenministern von Frankreich, Spanien und Italien gehabt. Es sei nichts beschlossen worden, sie habe aber betont, dass Deutschland immer solidarisch geholfen hat und das auch weiter tun werde. Diese Meldung ist in dieser Form angesichts dringender Probleme die öffentliche Verlautbarung fortbestehender Hilflosigkeit in Europa, aber mit bemerkenswerter Nonchalance, die eine gefährlichen Stil etabliert. Das mit der „Hilfe“ mag ja mehr oder weniger immer so gewesen sein, solange aber noch nicht -- aus irgendwelchen endgültigen, uns bislang nicht bekannten Gründen -- hingenommen wird, dass diese Katastrophe ihren Spontanverlauf nimmt, sicherlich also weiterhin kein abschließender Konsens zum Dissens steht, müsste man eben weiterhin jedes Mal zusätzlich erklären, dass (blabla …) Elemente der europäischen Lösung nicht nur ein weiteres Mal erfolglos hin und her geschoben, sondern mit guten Aussichten auf den gelegentlichen Durchbruch besprochen wurden. Dies ist zwar genau das, was wir eigentlich nicht hören wollen, weil es den Verdacht erzeugt, nur schönzureden, was komplett danieder liegt, andererseits darf man aber ganz und gar nicht -- bloß um ‚endlich mal ein bisschen ehrlicher‘ zu sein – verklausuliert zur Kenntnis geben, dass man das zwar weiterhin nicht sagen will, tatsächlich aber zwischen Aufgeben und Rummimen irgendwie weiter vor sich hinmacht. Auch dies ist zwar mit allergrößter Wahrscheinlichkeit -- trotz aller Schwierigkeiten und Stagnation -- gar nicht der Fall, genau das wird aber ‚einfach mal‘ so kommuniziert, sodass der Bürger daraus zumindest ableiten muss -- ausdrücklich oder im unbewussten Konzept, was genau unendliche viele tun -- , dass es der Politik fast schon egal ist, was man sich dabei denkt. Das zerstört Vertrauen! Dabei spielt es im Übrigen gar keine Rolle, ob das nun tatsächlich direkt aus der Pressemitteilung des BMI entsprang, oder die Verarbeitung dieser Mitteilung durch Pressedienste darstellt, da die dann eben auch nur dieses fatale Verständnis einer hybriden Information nebst Nichtinformation weitergeben, also nicht etwa im Dienste ihres Publikums hinterfragen.
  • Neue Züricher Zeitung: „Frauen schützen sich mit weiter Kleidung vor Männerblicken -- Ist das nun die westliche Form der Verschleierung?“ Zunächst wird berichtet über diese zunehmende Gepflogenheit bei manchen Frauen, etwa in der New Yorker Metro oder in Singapur. Dann wird dargelegt, dass eine muslimische Intellektuelle erklärt habe, dass dies zeige, dass der Westen „Nachholbedarf“ habe, denn die muslimische Welt mache das ja schon. Bezugnehmend darauf ruft nun die Autorin des Artikels auf, einen solchen Rückschritt keinesfalls mitzumachen, denn die Frauen hätten sich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte mühselig ihre Freiheit erkämpft. Mit keinem Wort wird erstens aber klargemacht, dass es sich ja ohnehin nicht um einen weiteren, vielleicht auch falschen Schritt ‚nach vorne‘ handelt, sondern diese angebliche Fortschrittlichkeit ja nur den -- in der islamischen Welt mehr oder weniger aufrechterhaltenen -- jahrhundertelangen Bekleidungsregeln entspricht, wie es ja auch früher in christlichen Ländern der Fall war. Des Weiteren wird dann aber überhaupt nicht diskutiert, inwiefern es Gründe für Frauen gibt, die durchaus auch fortschrittlich sein wollen und sind, dies so zu praktizieren. Diese Gründe muss man selbstverständlich nicht teilen bzw. kann man gerne auch heftig kritisieren. Ein Artikel aber, der sich mit diesem Phänomen befasst, einiges darüber ausführt, die beschriebene Praxis selbst aber durch die komplett ausgeblendete Diskussion der vermeintlichen Gründe als ‚per se‘ rückschrittliche Bestätigung der verdrehten Sichtweise dieser islamischen Intellektuellen positioniert, okkupiert Fortschritt einengend und stigmatisiert, beziehungsweise grenzt andere aus, obwohl er gerade selbst ‚fortschrittlich‘ und so schön ‚inklusiv‘ sein will .
  • Deutsches Ärzteblatt: „Prähabilitation ist so bedeutsam wie Rehabilitation“. Es soll die Wichtigkeit der richtigen Vorbereitung einer Rehabilitationsmaßnahme betont werden. Auch wenn das einleuchtet und wenig problematisch erscheint, ist doch nicht zu übersehen, dass mit dieser sprachlichen Parallelisierung der eindeutige Charakter einer Vorbereitung als Vorbereitung zu einem Vorgang, der dann die Durchführung ist, vernebelt wird. Beides sei gleichermaßen bedeutsam, dabei ist beides überhaupt nicht derartig nebeneinander zu halten, wie Äpfel und Birnen etwa. Letzteres profitiert natürlich von Ersterem, Ersteres gibt es aber gar nicht ohne Letzteres, beziehungsweise nur in Orientierung auf Letzteres. Dementsprechend wird auch mit den Suffixen „Prä“ und „Re“ falsch jongliert, denn diese „Prähabilitaton“ findet nicht vor einem Prozess oder Zustand statt, dem dann die Rehabilitation nachfolgt, sondern Letztere ist ja genau dieser Prozess, denn die anlassgebende gesundheitliche Störung und ihre eventuelle Krankenhausbehandlung, wenn es eine gab, war zeitlich ja sowieso immer mehr oder weniger weit vorher und hat damit nichts zu tun. Verwirrung wird gleichsam spielerisch produziert, auch wenn daraus sicher keine tatsächlichen Missverständnisse erfolgen. Andererseits wird durchaus in ernstem wissenschaftlichem Duktus und nachdrücklich – sicher mit ‚augenzwinkernder‘ Inkaufnahme einer gewissen Unschärfe … Humor und Wortspiel gehören ja auch dazu (!?) -- ein Hoffähigmachen dieses Begriffs verfolgt, ohne dass es also um etwas tatsächlich Neues geht. Dies wird aber so aufgezogen, dass der Leser, den man dafür gewinnen will, es eher ‚überliest‘ – quasi den Gag verpasst -- , es also so in ihn ‚hineintröpfelt‘. Es wird ja ganz ‚sachlich‘ nur formuliert, als wäre dies auch ein etablierter Terminus technicus, den vielleicht der -- nicht so ganz tagesaktuelle Leser -- noch gar nicht kennt.
  • Deutsches Ärzteblatt: „Versorgung von Menschen mit Behinderungen - Besondere Bedürfnisse beachten“. Hier wird so getan, als gäbe es eine ganz spezifische, damit auch die bestimmte, umfängliche und gewichtige Expertise erfordernde, quasi erst gerade entdeckte Problematik, wo dann auch das alltagssprachlich ja selbstverständliche Verständnis für das, was Behinderungen im allgemeinen Sinne sind und wie man da – hier jetzt im professionell Bereich, also im umfänglicheren Sinne -- Rücksicht nimmt, künstlich zur Disposition gestellt wird. Selbstverständlich sind in der umfänglichen Sozialgesetzgebung viele Begriffe juristisch und auch oft unvermeidlich ‚spitzfindig‘ definiert, auch der von „Menschen mit Behinderungen“, weil anders das Verwaltungshandeln und die Zuweisung von Ressourcen nicht gerecht und tendenziell trennscharf möglich ist. Es ist aber völliger Irrsinn, wenn nun im Umkehrschluss die Normalität des Lebens durchzogen wird mit einerseits rätselhaften, andererseits doch so wirklichkeitsnahen, diese Normalität aber bewusst sehr verkomplizierenden Begrifflichkeiten, auf dass eben klar werde, dass man irgendwie nur mit ganz besonderen Techniken und Fertigkeiten dem vormals Evidentem noch Rechnung tragen kann. Tatsächlich gilt so ein Expertisebedarf ja nur für ganz bestimmte Formen, die man als umsichtiger Arzt aber auch ohne Zusatzkurse erkennt und weiterleitet.
  • Rhein Neckar-Zeitung: „Ärmere leiden öfter an Krebs“. Der Artikel ist sicher nicht schon deshalb überflüssig oder problematisch, weil das ja naheliegt. Es werden dann ja auch erwartungsgemäß interessante, teils auch durch Studien quantifizierte Faktoren im Zusammenhang mit materiellen und immateriellen Ressourcen, auch deren wechselseitiger Verursachung und Verstärkung erwähnt. Das – angesichts der Flut vergleichbarer Banalitäten aber gar nicht mehr auffällige, kaum mehr decouvrierbare – Verdummungsspiel im Titel ist allerdings gefährlich und besteht darin, dass in einer Welt ausdrücklicher und selbstverständlicher Gleichheit bzw. Gleichbehandlung der Menschen, beim Zugang auch zu allen vitalen natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen, der vermehrte Krebs armer Menschen skandalisiert. Damit wird moralisch – wie so oft -- eine gleichsam abwegige, unserer ‚eigentlichen‘ Gewissheit von bereits erreichter Menschenwürde schon hier und jetzt zuwiderlaufende, gleichsam gar nicht notwendige und auch nicht zulässige Benachteiligung, quasi ein ‚böser Betriebsunfall‘, in Szene gesetzt. Das lässt einerseits die affirmative Empörung über die anderen Menschen, oder das ‚irgendwie schieflaufende‘ und seinen eigenen Ansprüche nicht gerecht werdende „System“ zu. Zum Anderen führt es aber genau zur Vernebelung der Tatsache, dass es das Ungetüm einer „Gleichstellung oder Nichtbenachteiligung von Armen“ in Wirklichkeit nicht geben kann. Es gibt ja auch kein weißes Schwarz! Die Benachteiligung ist schon da! Nur in Bezug auf das je individuelle Mehr-oder-Weniger-Armwerden, -sein oder -bleiben ist das Zugangsthema, etwa zu Bildung, dann aber auch mit den sehr schwierigen motivationalen Aspekten, von Bedeutung. Entscheidend für den gedanklichen Umgang eines Lesers mit dem Thema ist aber, dass nicht vernebelt wird, dass jede – auch moderne -- heutige Gesellschaft konstitutiv das ewigen Auseinanderfallen von Arm und Reich beinhaltet, was nach Meinung vieler ungerecht ist, nach Meinung vieler dieser vielen aber wohl auch gar nicht anders gehen kann. Klar ist ja, dass in unseren – weitgehend nicht mehr sozialistisch oder kommunistisch, sondern quasi menschlich kapitalistisch sich versuchenden – Gesellschaften den Menschen viel oder ‚alle‘ Chancen gegeben werden sollen. Klar ist auch, dass das gar nicht komplett gelingen kann, viele schon die Chancen gar nicht nutzen werden oder können, wie immer man das sieht. Das ist tatsächlich eine für uns Menschen konstitutive Tragödie, konkret jeweils mehr oder weniger ausgeprägt. Für das menschliche Handeln, auch seine Klarheit in schwierigen Situationen, ist aber entscheidend, dass einerseits alles getan wird, ‚Missstände‘ so klein wie möglich zu halten, auch aber, dass man sich nicht über deren Unausweichlichkeit hinwegtäuscht. Das ist nicht nur akademisch, sondern höchstpraktisch, denn es beugt beispielsweise dem vor, vorrangig moralisch getrieben anhaltend nur unmittelbar am Symptom, wo‘s halt brennt, anzusetzen. Letztlich wird mit einer solchen Schlagzeile ein -- eigentlich auf Erden schon existierendes, bei gutem Willen jedenfalls umstandslos sich ergebendes -- Paradies postuliert. Diese ‚anmaßende‘, natürlich immer nur das Gute wollende ‚Mentalität‘, die mit ‚bestem Willen‘ allseits verbreitet und affirmiert wird, ist aber die Grundlage für viele folgenschweren Fehleinschätzungen, auch in der internationalen Politik!
  • Eine Bundespressekonferenz im September: Von den ca. 35 Beauftragten der Bundesregierung, haben wohl 5 -10 mit Sondergruppen der Gesellschaft zu tun. Unter Federführung der „Beauftragten für Migration und Flüchtlinge etc.“-- haben diese nun einen turnusmäßigen Jahresbericht zur Lage dieser Gruppen vorgestellt, aus dem hervorgeht, dass Angriffe und Diskriminierungen von vielen Sondergruppen -- wobei die Aufzählung allerdings tendenziell nur noch weiße Männer im gemeinhin aktiven mittleren Alter ausläßt -- auch im letzten Jahr erneut, wieder auch besorgniserregend stark, zugenommen haben. Irritierend und auch gefährlich ist dabei, dass sich alle Ausführungen dazu auf die – selbstverständlich zwingend ganz im Zentrum stehenden, zurecht sehr ausführlichen Beschreibungen dieser Fehlentwicklungen in Bezug auf die betroffenen Gruppen und ihre Art und Weise -- beschränken. Dadurch wird zwar die Abscheulichkeit noch eindrücklicher, allerdings auch – entgegen den erwartungsgemäß ja auch erfolgten Hinweisen, was zu tun und wo auch gegen hartnäckige Strukturen und Entwicklungen vorzugehen sei – insinuiert, es seien dies eigentlich ‚nur‘ Ausnahmen, Ausnahmen von einer nicht nur wünschenswerten, sondern ‚an sich‘ gegebenen, unverändert fortbestehende Normalität (im statistischen, nicht normativen Sinne). Dies entpolitisiert aber massiv durch eine – vorsätzlich wirklichkeitswidrige – ‚Fürwahrnehmung‘, speziell auch mit der Unterstellung einer (gefälligst) einhelligen Öffentlichkeit, in der solches dann selbstredend nirgendwo Platz hat. Genau das Gegenteil ist aber der Fall: hier sind nämlich nicht nur die Grenzen und damit auch die persönliche Übergänge fließend, sondern die ganze Gesellschaft ist -- immer schon allerdings, neu ist allenfalls das Ausmaß -- unter Stress, der sich auch bei immer mehr Menschen, wenn man so will ebenfalls „Betroffenengruppen“, in entsprechenden Überschreitungen manifestiert, was selbstverständlich nicht zu entschuldigen ist. Eine solches Reporting aber, als die gesellschaftliche ‚Verständigung‘ zum Thema, ist sogar mitverantwortlich für diese Entwicklungen -- natürlich nicht maßgeblich, als Teil eines Ganzen aber auch nicht unerheblich --, denn es bestärkt die ja zutreffende Wahrnehmung der ‚Täter‘ (oder bald schon ‚Täter‘), dass Befindlichkeiten wie die ihre, trotz des ja untrennbaren Zusammenhangs zum Thema, nicht interessieren. Die werden somit erst wieder ‚reportabel‘, bzw. politisch handlungsrelevant – so gleichsam auf der anderen Seite der Medaille erneut aus dem gesellschaftspolitischen Reflexionsrahmen fallend -- in der ebenso turnusmäßigen Kriminalstatistik, wenn die Menschen also straffällig wurden. Erst dann werden auch wieder ‚liebevoll‘ gruppenspezifisch Individualverlaufe untersucht und schließlich entsprechende Handlungsanweisungen Empfehlungen und Vorhaben, etwa zu Prävention, Resozialisation bzw. Sanktion diskutiert. Der Zwischenbereich aber, wo die ‚gesellschaftliche Musik‘ spielt, wird ausgeblendet. Es gibt ein Tabu, dem sich -- ganz unerkannt für sie selbst -- Politik und Medien, weniger die Wissenschaft, unzulässig, aber wohlmeinend (was zumindest die Medien überhaupt nicht dürften) unterworfen haben, weil man eben eine archaische -- in nichts aber wirklich begründete -- Angst hat, mit der verbundenen Diskussion und dem Versuch, das Unzulässige zu verstehen, den eventuellen Opfern zu schaden bzw. die normative Kraft der Norm zu lockern. Dies tabuisiert alles, verhindert Denken bzw. gute Orientierung bzw. fördert im Einzelfall schlechte Emotionen, gegebenenfalls mit der Folge weitere reaktiver Desorientierung, also dem Abrutschen aus der Norm.

Von der Wut in Richtung Sinn?

Kann nun also die bloße Softpower „Sprachwachsamkeit“ im weiteren Sinne dieser Welt des Etikettierens und der Selbstaffirmation, wie sie sich in Verschmelzung der elektronisch-medialen und der moralisch-medialen Blase immer weiter potenziert, freieren Denkraum wieder ‚entreißen‘, gerade auch für so ein epochales, staatenübergreifendes Projekt wie Europa? Schaffen wir das, oder entstand diese Idee, der schon Generationen auf die Füße helfen wollten, vielleicht überhaupt nur als sehnsüchtiges Positiv bereits ausgemachter Aussichtslosigkeit?

Selbst ein Traum ist immerhin ja bereits Realität und -- wenn es kein Alptraum ist – gegebenenfalls auch die Realität eines starken, vielleicht auch klugen Willens. Und da sind ja nun fraglos ganz große Träume in der Menschheitsgeschichte tatsächlich in Erfüllung gegangen, man denke etwa an die Entwicklung Nordamerikas bis hin zur schlussendlichen Unabhängigkeit. Also muss man sich wohl auch im Minenfeld einer überladenen Wertelandschaft durch sprachliche Wachsamkeit ‚immer‘ wieder wehrhaft und interventionsfähig halten, auch gegen eigene reaktive Impulse und Enttäuschungen. Deshalb müssen sich auch vergleichbar Gesinnte -- wie wir das heute ja auch machen -- gegenseitig coachen, sich also im Rahmen der Europa-Union nicht vorrangig etwa wechselseitig agitieren und echauffieren.

Ärgerlichkeiten im innereuropäischen Miteinander und Gegeneinander der Nationen gibt es zuhauf, immer aber auch eine Erklärung oder zumindest die Bemühung darum, denn es muss primär mal auch ‚Unerklärliches‘ erklärlich sein. Empörung ist nur kurz gut, für einen selbst meist nur, sicher aber nicht in der Dauerschleife, vor allem nicht in der Politik. Bleibende Enttäuschung produziert unweigerlich Scheitern. Zumindest darin nun, eben immer doch noch ‚was Gutes‘ finden zu wollen, hat wohl Scholz und hatte wohl auch Merkel recht, wenn auch vergleichsweise Leblosigkeit dabei den Verdacht erzeugt, dass ein vorliegendes Problem vielleicht auch gar nicht wahr- oder ernstgenommen wird. Die Mischung macht’s halt!

Der Politiker Robert Schuman etwa, Nachkriegsaußenminister Frankreichs, hatte sogar -- mitten im Zweiten Weltkrieg und auf der Flucht vor den Nazis -- immer wieder vom „Deutsch-französischen Kern“ der europäischen Einigung gesprochen. Das hatte Substanz, so sehr wohl, dass ihn die Nazis, die an ihm dran waren, nicht gleich vernichteten, sondern aus dem KZ entließen und umwarben, nicht natürlich aus ideologischer Übereinstimmung heraus, sondern aus prekärem ‚Respekt‘. Dieser Realkraft des Träumens, nicht des Spintisierens, eher nur zufällig hier sogar lebensrettend,  auch sonst aber eines Movens eigenen Handelns, der Kraft solcher Prospektionen also, die eben nicht die Schwäche des bloß Illusionären haben, kann und will man sich nicht entziehen, im Gegenteil. Man kann sie besonders gut spüren, wenn man solche ‚Träumer‘ in ihrem wirklichen Leben, wie sie sind oder waren, nicht nur als Märtyrer hoffentlich, sondern als tätige, engagierte, oft aber überraschend nüchterne Menschen sieht.

Differenzieren eben statt etikettieren, die Entfesselung einer „fröhlichen Wissenschaft“, das Konzipieren in der Sache, mit Mut vielleicht auch zum Risiko, wenn man das schafft, statt das Konstatieren in Wut, wie man ersteres durchaus auch bei manchen Meinungsführern, die bereits Gewicht haben, oder auch bei Organisationen mit ähnlichem Anspruch sehen kann, sollte wieder zunehmen. Abnehmen sollte dagegen die skandalisierende Fokussierung auf das Individuum, oder auch ganze ausgrenzbare Staaten, das „Blaming“.

Das ist gegebenenfalls noch weit weg vom potentiellen Erfolg, aber mehr geht sowieso nicht und weniger will man ja vor sich selbst auch nicht verantworten. Außerdem ist es faktisch doch schon viel, denn es macht selbstsicher, weniger nur fordernd, mehr ‚mitdenkend‘, gelassen und dennoch engagiert, weniger menetekelhaft, auch mehr ermutigend. Beim wichtigen, aber noch fernen Ziel eines überzeugenden Europas kann und muss man letztlich ja auch -- in aller Ruhe zwar, beziehungsweise ohne ständige Hektik – am Ball bleiben, kann und muss dann natürlich auch mit angemessenen, begründeten, aber nicht hysterisierenden Mahnungen und Drohungen vor den Konsequenzen weiterer Stagnation warnen.

Zur Glaubwürdigkeit gegenüber anderen und sich selbst gehört es dann auch, in konkreten, europapolitischen Entscheidungssituationen – unter Berücksichtigung der europäischen und der nationalen Dimension -- Stellung zu beziehen, auch wenn man dies nicht auf komplett abgesicherter Basis kann, zum Beispiel für oder gegen einen national subventionierten „Brücken-Strompreis“ für die energieintensive Industrie zu werben, vielleicht auch für mehr oder weniger Toleranz gegen notorische Verletzung der Spielregeln durch europäische Partner, je nach Schwere und Konsequenz. Die Unterstützung bestimmter Entscheidungen ist immer ein Wagnis, auch weil damit die -- immerhin doch noch bis zum jeweiligen Zeitpunkt gegebene -- Stabilität selbst im Stagnieren ins Wanken gerät. Wer aber zur Verantwortung aufruft, muss dem auch selbst entsprechen, weil man Ziele nicht im Stillstand erreichen kann.

Das kann gerade in einer parteienübergreifenden Organisation -- wenn sie sich nicht gerade deshalb dann doch plötzlich, obwohl es ‚jetzt mal‘ drauf ankäme, in die Abgehobenheit verabschiedet -- auch dazu führen, dass es gegensätzliche Voten gibt. Soweit diese aber nicht den Grundkonsens gefährden und auch nicht -- mangels Übung aller Beteiligten -- zu einer solchen Frage hochgejazzt werden, kann auch dies zurecht sogar positiv für den Organisationszweck kommuniziert werden. Erweisen sich Fragen dann aber doch (nicht nur in der Sache, sondern auch für die Organisation selbst) als dichotom – zum Beispiel infolge der Dynamik, die sie im zwischennationalen, europäischen Rahmen entfalten – muss vor einer vollkommenen Blockade eine Seite dann nachgeben, wenn sie es ‚noch gerade‘ vertreten kann und auch danach noch ein substantiell gemeinsames Verständnis fortbesteht (… das alles gegebenenfalls auch mal ‚rein taktisch‘, was bei verantwortlicher innerer Transparenz genauso ehrenwert und unvermeidlich ist wie eben der ebenfalls ‚hochehrwürdige‘ Basar, wenn es nicht die Regel wird). Andernfalls müsste man sich trennen.

So eine Situation hätte zum Beispiel (oder war ja vielleicht auch?) eine differenzierte Stellungnahme zu den Alternativen und einer dann in der Organisation doch konsentierten Entscheidung beim – seinerzeit virulenten -- Thema „Eurobonds“ sein können, die möglicherweise die einen ‚eigentlich‘ ablehnen, dennoch aber sich -- aufgrund etwa einer auch von ihnen registrierten und im Grundsatz nachvollziehbaren Dynamik, mit der diese immer stärker eingefordert werden – anschließen, auch wenn es langfristig zwar weiter kritisch erscheint, insgesamt aber vielleicht doch noch vertretbar, eventuell ja auch mit der Aussicht nachgehender Korrekturen, z. B. im Sinne eines methodisch irgendwann verbesserten EU-Finanzausgleichs oder ähnlichem. So ein -- grundsätzlich konzessionsbereites, damit auch in einem vernünftigen Zeitraum noch ein Statement ermöglichendes -- Vorgehen ist dem Zweck der Organisation gegenüber verantwortungsbewusster, als wenn man leidenschaftlich – dabei Maß und Ziel verlierend -- immer kleinteiliger und polarisierter diskutiert, was man ja machen kann und vielleicht auch muss, kompatibel aber mit dem Organisationszweck, also nach einer ersten Entscheidung nach innen und außen.

Interessant ist ja auch, dass einer so erarbeiteten Entscheidung, sei es auf der Ebene kleinerer Organisation oder gleich in der großen Weltpolitik, -- mit ihren vielen kleinen oder auch grenzwertige Defiziten aus Sicht des einen oder anderen Beteiligten, in der also viel Entscheidungswille, Entscheidungspflicht und Entscheidungsfindungskunst steckt – in eigentümlicher Wechselwirkung mit der Sache selbst, zu der da entschieden wurde und die sich in der Zeit weiterbewegt, oft eine frappierende Evidenz, die nachträgliche Passgenauigkeit bzw. Richtigkeit ‚zuwächst‘, regelmäßig erst nach längerer Zeit und natürlich auch nur im Verständnis der Zeitgenossen, weil es da ja keinen objektiven Maßstab gibt. Beispiele hierfür sind etwa die von Adenauer durchgesetzte Westbindung der früheren Bundesrepublik und die Ostpolitik von Willy Brandt. Auch heute noch können aber aussagekräftige, tunlichst auch elegante, also eingängige, vorzugsweise nach außen auch kurze, gut fassbare, nicht vernebelnde und nur eben im Alleressentiellen ‚kompromisslose‘ Orientierungsmarken gelingen, auch für den europäische Einigungsprozess!

Dem entsprach kürzlich paradigmatisch ein kurzes ZDF-Interview von Manfred Weber, wo er als nicht unterschreitbaren Standard europäischer Mitwirkung in seiner Parteienfamilie – erstens -- die Verurteilung bzw. Nichtrechtfertigung oder Verharmlosung des Angriffskriegs gegen die Ukraine, -- zweitens -- das Einfordern des Festhaltens eines Staates und einer Mitgliedspartei an der Rechtsstaatlichkeit und – drittens -- den Willen zum Mitgestalten und Weiterentwickeln dieses Europas festhielt, dabei letzteres im substantiellen Sinne des Wortes, nicht etwa nur in einem rein verbalen, taktischen Bekenntnis, wie es zuletzt die AfD mit Ihrem Vorschlag für ein „Europa der Vaterländer“ in ihrem Sinne beschrieben hat. Das, so Manfred Weber, sei die Grundlage für den Weiterbau genau des Europas, wie wir es haben und das schlicht auch das beste sei, was wir diesbezüglich eben gerade haben, weil es eben sonst keins gibt.

Solche Essentials zeigen, dass und wie man Europa trotz allen Schlamassels positiv definieren und formulieren kann. Europa wird so eingängig, auch ‚erhaben‘ beziehungsweise abgelöst von den brüsselophobischen Tiraden, eine eigentlich ‚ganz normale‘, wirkliche Wirklichkeit, stellt also bereits ‚was dar‘, ist ein Player, nicht nur ein Spiel, hat klare Bedingungen, ist nicht nur bittstellerisch oder nichtswürdig etwa. So bedarf es auch gar keines ‚übermenschlichen‘ Engagements oder irgendeiner idealistischen und besonders hartnäckigen Sympathie mit seiner schönen Idee. Die Europäische Union und das europäische Projekt -- und das wissen wir ja eigentlich auch, es reicht uns nur zurecht nicht und deshalb wollen wir es auch oft mit dem Bade ausschütten -- existieren und müssen ‚nur‘ -- gar nicht unähnlich den Nationalstaaten selbst oder irgendwelchen Bündnissen -- weitergebaut werden.

Das alles ist also selbstverständlich auch mit Europa möglich, oder eben auch nicht, oder erstmal nicht, oder auch noch lange nicht, oder nicht genug, oder whatever. Es wird aber nicht mehr verschwinden, es sei denn, es passiert eben doch eine politische Katastrophe. Die aber ist so nicht abzusehen, denn die bloßen internen Zerschlagungsattacken blasen sich genau in dem Maße auf, wie sie gar keinen Impuls aus der Sache mehr finden. Eine militärische Katastrophe im Weltmaßstab aber, die auch keiner voraussehen kann, wird -- soweit wir sie uns heute mit Sorge auch schon mal vorstellen -- dann ja sozusagen alles treffen, also nicht nur ‚ausgestanzt‘ Europa. Auf jeden Fall annulliert Weber hier ‚furztrocken‘ und unaufgeregt die wohlfeil negative Konotierung des europäischen Prozesses, stellt damit alles -- ganz einfach aber und mit einem Schlag – gleichsam richtig, ignoriert außerdem zurecht ganz umstandslos die pervertiert genüssliche, selbstentlarvende Kakophonie, die sich allerorten ‚bei Präsentationsbedarf‘ zu Gehör bringt. 

Solche Äußerungen sollten wir entschieden aufgreifen, loben und herausstellen. Wir sollten sie in einen Kanon ‚griffiger‘ und dennoch valider Selbstverständlichkeiten, die für sich selbst sprechen, aufnehmen, der von uns zwar propagiert wird und werden muss, es aber ‚eigentlich‘ auch gar nicht nötig hat. Europa wird so zur Zukunft on Progress, zum Selbstläufer, für den die Uhr läuft, genauso mal strahlend, mal gebeutelt, wie die Nationalstaaten, die ohnehin davon nur noch künstlich zu unterscheiden sind. 

Fazit und Sinn.

Trotz der vielen Unterschiede und Zersplitterung zwischen und in den Ländern Europas, die dafür aber jeweils Gründe haben -- irgendwie ja immer ‚zwingende‘, infolge auch der Gesamtsummen aller Handlungen anderer Länder -- kommt also doch ein substantielles, auch robustes Europa zustande, siehe auch die gemeinsame militärische Ukraineunterstützung, die seit kurzem nun doch wohl, angemessen und zwingend genug, das Volumen der Hilfe durch die USA übersteigt.

Solche -- natürlich nicht nur die kriegerischen -- Botschaften des gelingenden Handels müssen verbreitet, also ein funktionierendes Europa gewürdigt werden, darf zwar nicht – aus gutem Willen -- unrealistisch schöngeredet werden, keinesfalls aber schlecht. Die optimistische, teilnehmende, mehr fördernde, nicht nur fordernde Kritik ist unsere Aufgabe, nicht das Beschimpfen und Verdammen. Es geht auch nichts kaputt , wenn wir es dann und wann vor uns selbst und den anderen etwa zu gut wegkommen lassen. 

In jedem europäischen Land brauchen wir für diesen Zweck -- neben oder gar anstelle einer ‚direkteuropäischen‘ Stoßrichtung -- vor allem eine nationale, die konzentriert die politischen Ereignisse im eigenen Land in den europäischen Kontext stellt und umgekehrt. Das Nationale darf man also nicht abwerten, auch nicht nur ‚leider nicht‘, denn jeder Europäer ist zunächst mal nichts anderes als der Bürger seines Landes und viel weniger mit originär Europäischem befasst oder medial konfrontiert, als mit den täglichen, nationalen Realitäten, die für die Lebensbedingungen entscheidend sind, wenn auch aktuell bereits nur noch nachgeordnet für die ganz großen, vitalen Bedrohungen.

Die nationalen Interessen selbst müssen aber mehr als bisher als die -- nicht etwa erst herbeizudenkenden, sondern dazu ‚geborenen‘ –- ‚Hebel‘ für das immer auch europäische Interesse gesehen bzw. beständig darauf zurückgeführt werden. Deshalb muss man sich gegebenenfalls auch um die Korrektur verkürzter Sicht- und Ausdrucksweisen der nationalen Interessenlage bemühen, aber nicht im Sinne der negativen Herausdestillierung eines vermeintlich „antieuropäischen“ Charakters, sondern der Umformulierung der zugrundeliegenden, vielleicht dann auch erkennbar weniger kurzlebigen Interessenlage.

Auf unabsehbare Zeit ist deshalb das -- bereits fantastische wie realistische -- Ziel ein Europa der europäischen Nationen, von mir aus auch -- im selbstverständlich erweiternden, nicht zurücknehmenden Sinne -- ein „Europa der Vaterländer“. Ersteres ist einerseits weniger missverständlich, weniger pathetisch und ‚de-Gaulle-oform‘, muss sich andererseits aber auch nicht streng vom anderen abschotten. Nicht verheimlichen kann man ja auch, wenn auch tunlichst nicht dauernd als ‚Reinheitsmonstranz‘ vor sich her tragen, dass sich auf lange Sicht, beziehungsweise über die Jahrzehnte, die Schicksale der europäischen Staaten in der globalen Weiterentwicklung, gerade auch in den zu erwartenden Konflikten, sowieso immer mehr ‚zusammentun‘ werden, die Geschichte also schon jetzt absehbar für eine neue übernationale, europäische Identität ‚arbeitet‘, die dann natürlich auch das gesamte ‚Identitätsbedürfnis‘ ausfüllen wird.

Noch ist Europa aber notwendigerweise eine – gleichsam vom Herzen selbst normaler Proeuropäern unweigerlich entferntere – ‚Nebenidentität‘, auch wenn auf ihr viel Hoffnungen ruhen, auch vorwegnehmender Stolz natürlich über die Chance, irgendwann uneingeschränkt ein selbstbehauptungsfähiger, nicht aggressiver, aber nennenswerter Player auf Augenhöhe mit anderen ‚Weltschicksalsentscheidern‘ zu sein. Diese Parallelität zweier Identitäten -- von rückwärtsgewandten Eindeutigkeitsfanatikern als Konkurrenz empfunden -- befeuert natürlich umso mehr deren Spott und Häme, wenn Europa gerade auch auf die Herzen der Menschen ‚abzielt‘, auch wenn dieser Spott in Wirklichkeit auf den Spötter, der ja dazugehört, zurückfällt, er das allerdings natürlich nicht merkt. Die gelegentlich prekäre „Doppelidendität“ darf man dennoch nicht – das wäre auch fanatisch, nämlich fanatisch Differenzierung verweigernd‘ -- durch glühende und einpeitschende „Europamanie“ zu annullieren suchen, da man damit dieses -- bis auf Weiteres konstitutive – potentielle Manko nur noch zusätzlich ans Licht zerrt und verfestigt.

Bei einem kooperativen -- gegebenenfalls ruhig auch gegen einzelne europäische Entscheidungen sich wendenden – Stil, eintretend für das eigene Land, als einem europäischen aber, das den europäischen Prozess günstigenfalls befördert, sich also nicht nur auf Kosten anderer bevorteilen will, dürfen dann allerdings auch andere Länder nicht zu schnell pauschal als Hemmschuh für den ersehnten Einigungsprozess abqualifiziert werden, selbst wenn sie gerade reine Rosinenpickerei praktizieren oder zu praktizieren scheinen (siehe jetzt etwa die Auseinandersetzungen um die Weizenimporte aus der Ukraine).

Soweit man nicht hauptamtlich beteiligt und informiert ist, in unserer freien Welt also tendenziell ungeordnet einen Haufen auch aufpeitschender Informationen bekommt und sie umso weniger selbst einordnen kann -- was jedoch kein Grund ist, sich diese Freiheiten wegzuwünschen, denn es ist zwar lästig, doch aber um Quantensprünge besser, man ist es selbst, der aussortiert – muss man sich als normaler Proeuropäer immer wieder vor Zuspitzungen hüten, gerade dann, wenn sie einem aus dem Herzen quillen. Dies lässt nämlich rasend schnell – wegen des immer starken Drangs, kognitive Dissonanzen zu glätten, und zur Regulierung des emotionalen Haushalts -- aus Kritik ein ‚kennzeichnendes‘ und hartnäckiges Feindbild werden, statt dass es -- etwa bei tatsächlich nachhaltigen Nationalegoismen -- einen weiter emotionsfreieren, damit auch kompromissfähigeren, die Sache nicht erstarren lassenden Umgang gibt.

Wir Bürger können also einerseits nicht alles gleich einordnen, sollten andererseits aber selbst da, wo es dann erdrückend klar wird, nicht ‚nur weiter einheizen‘, gerade wenn wir außerdem doch einen, über einzelne Dialoge hinausgehenden Wirkungskreis haben oder suchen. Verdikte sind zu guter Letzt überhaupt nicht werbewirksam, entfachen höchsten -- jeweils wieder mal -- eine kurze, kopfschüttelnde Aufmerksamkeit, da man eben tatsächlich im Agitationsstil der 1968er-Jahre eigentlich nichts positiv voranbringen kann, außer der höchstprivaten Ergötzung an der eigenen Kompromisslosigkeit.

So sollten wir auch beispielsweise bei den -- vermeintlich überraschenden, späten und beträchtlichen -- polnischen Forderung nach deutschen Reparationen wegen der Kriegsschäden im Zweiten Weltkrieg, die zunächst ja für einen Kreis offiziell seit Jahrzehnten im ‚gemeinsamen europäischen Haus‘ kooperierender, bis dato diesbezüglich auch gar nicht im Konflikt gestandener Staaten befremden, dennoch von einer eindeutigen Disqualifizierung so lang wie möglich absehen. Das heißt ja mitnichten schon zustimmen und das kann man auch sagen, auch nicht schon ‚nur ein bisschen‘. Das muss vielmehr – natürlich auch gegen eine leider sehr menschliche Konvention, Ruhe mit Schwäche zu verwechseln -- als Stärke verkauft werden, weil man sich in der Sache weiter konturiert, also nichts verliert, auf einen nur einseitigen und nur kurz anhaltenden, lauten Spannungsabbau aber verzichtet (… auf ein Rumgehampel also, von dem man allenfalls als ‚ganz starkes‘, kleines Männlein für die Wiederwahl profitiert).

Wenn man dies alles stattdessen aus dem Blickwinkel der inneren polnischen Verhältnisse diskutiert oder diese Diskussion -- mangels ausreichender Kenntnis -- zusammen mit vertiefter Information für noch anstehend erklärt, kann man es am Ende gegebenenfalls tatsächlich, aber begründeter, damit sogar vorbehaltloser und rigoroser, dennoch in sich selbst sicher ablehnen, oder eben nicht. Immerhin ist dieses Thema in Polen ja nicht nur die agitatorische Erfindung eines Problems, das sich gar nicht stellte oder stellt, sondern allenfalls nur das ungute und überziehende Aufpeitschen noch vorhandener, egal wie immer noch verständlicher, vielleicht aber auch gar nicht mehr so verständlicher Ressentiments und Forderungen. Nur bei Gelassenheit -- die allerdings auch nicht den Eindruck befördern sollte, dass einen das gar nicht tangiere -- wird man argumentationsfähig und kann Substanz und Kampagne trennen, dann vielleicht auch weitere Wege der Verständigung öffnen. Dies vielleicht sogar trotz der Zurückweisung eines Ansinnens, denn es fällt zumindest seriösen Kontrahenten durchaus schwer, eine Antwort überhaupt nicht zu wägen, wenn diese offenkundig nicht nur aus der hohlen Hand erfolgte.

Das Vermeiden jedweder Irritation ist natürlich kein Wert an sich und wir sind ja auch – sei es in einer politische Vereinigung, sei es als eine ganze Nation -- nichts als lebende Wesen, also nicht bloß nüchterne Entscheidungs- oder Erlebensmaschinen, und da ist manches eben wirklich nur schwer erträglich. Andererseits muss und sollte sich eine primäre Irritation insbesondere da nicht perpetuieren und folgerichtig steigern, zu kopfloser Selbstvergewisserung, wo noch sehr viel Orientierung nötig und möglich ist.

Vergleichsweises gilt – zumal das Gesagte ja ohnehin Allgemeingültigkeit hat -- auch für die, mit gutem Grund noch schärfere Kritik an Ungarn und Polen bezüglich der Rechtsstaatlichkeitsverstöße. Da ist es natürlich ein Segen und schon eine schöne Errungenschaft, wenn das institutionelle Europa -- so wie es eben bereits Verfasstheit und Stärke angenommen hat -- reagieren und handeln kann. Wir sollten ein solchermaßen funktionierendes -- beziehungsweise im Mindestmaß funktionierendes oder zu funktionieren beginnendes -- Europa im Interesse unseres Anliegens primär ‚uneingeschränkt‘ loben und feiern. Erst dann können und müssen wir eventuell auch geeignete, weitere Maßnahmen vorschlagen und einfordern, und können gegebenenfalls auch hörbar bedauern, dass Europa dies selbst noch nicht kann, also sich die einzelnen Staaten dessen annehmen müssen, was immerhin ja immer auch noch geht. Das ist der angemessene Umgang mit den Möglichkeiten und Grenzen und das sollte so auch von allen nüchtern propagiert und bekannt gemacht werden, die sich überparteilich und in den Parteien für Europa einsetzen.

Dazu gehört dann auch, dass man das Aufkommen schädlicher Spontaneismen frühzeitig erkennt, benennt und argumentativ zu verhindern sucht, mit denen viele gern das ‚Feilschen‘ hinter verschlossenen Türen nicht nur kritisieren, sondern moralisch verdammen. Dieses „Feilschen“ ist aber – wie schon gesagt -- unausweichlich, denn allein schon die Vermeidung von Gesichtsverlust durch zu viel öffentliche Attacke ist nicht nur nette Geste, nice -to-have, sondern angesichts einer nicht aufgekündigten Absicht zu weiterer Kooperation in beiderseitigem Vorteil ein unumstößliches Gebot, so unumstößlich wie in praxi das physikalische Gesetz der Schwerkraft.

Hysterie hier würde ja auch ein -- gar nicht zutreffendes -- Übermaß an Hilflosigkeit Europas insinuieren. Außerdem ist -- gerade wenn sogar wieder von einer tunlichst wachsenden Union die Rede ist, weltpolitisch nicht grundlos, sicher aber nicht eindeutig -- die Souveränität, das Begreifen und das Verstehen auch einer ‚unverständlichen‘ nationalstaatlichen Politik, nicht natürlich schon ihre Rechtfertigung, wie bereits gesagt, der einzig souveräne Umgang in dieser Situation. Es kann solange gar nicht als Zeichen von Schwäche gewertet werden – außer wir promovieren das auch noch selbst -- , solange gegebenenfalls auch harte Reaktionen bei sich zuspitzenden Provokationen der Gemeinschaft nicht kategorisch ausgeschlossen sind: Sanktionen etwa oder eben -- anstelle eines vertragsgemäß nicht möglichen Ausschlusses – ein Europa differenzierter Geschwindigkeiten. Das ist weit mehr als Ohnmacht, auch wenn wir manchmal verzweifeln, weil uns alles zu zäh erscheint, was es ja auch ist (auch das aber nur wie im ‚richtigen Leben‘, so dass sinnfälligerweise auch nie ausgeschlossen werden kann, dass ein Erfolg zu spät kommt, also gar nicht mehr eintritt, weshalb man dennoch aber auch das Leben in der Regel nicht schon vorher wegwirft).  

Nötig, aber auch machbar, ist es eben, dass nationale Konflikte -- wie seit ein paar Jahren auch der bereits erwähnte zwischen Deutschland und Polen, nicht als einziger leider -- kompatibel bleiben mit einer gesamteuropäischen, zwischenstaatlichen Kultur, die somit stilbildend ist und bleibt, nicht aber durch übergestülpte Zuckerwatte (das auch!), sondern aufgrund bereits faktischer Kohäsionskräfte. Dies beinhaltet auch die verbale Abrüstung im Dialog, sodass dann eben auch hinter verschlossenen Türen Lösungen gesucht und gefunden werden können, auch wenn der aufgeplusterte Ton nach innen oft noch gesteigert wird (damit man später auch damit prahlen kann, was man Brüssel abgetrotzt habe). Das bleibt aber in der Regel im Land selbst auch nicht dauerhaft verborgen, denn gerade das propagandistische Nachtreten wird oft von der Opposition als unwürdig und schwach decouvriert (siehe den aktuellen Wahlkampf in Polen).

Auch wenn das nie reicht, also auch hier alles viel zu zäh ist, besteht selbst bei lautem Geschrei kein wirklicher Grund zu europäischer Verzweiflung ... oder eben eine ‚nicht verzweifelnde Verzweiflung‘ gehört dazu. Man mag zwar insgeheim eine ganze Weile denken, dass nur ein ‚Machtwort‘ von außen helfen könnte (… vom endlich machtvollen Europa eben). Ein solches Machtwort wäre aber nicht nur fragwürdig (auch wenn einem das vielleicht gar nicht viel Bauchschmerzen machen muss), sondern auch faktisch unmöglich oder wirkungslos, auch wenn Europa viel stärker wäre, somit schon der Versuch also, wenn überhaupt was, dann schädlich.

Das ginge formal ja nur in einer europäischen Unionsstaatlichkeit und da müsste man dann -- in ein paar Jahrzehnten vielleicht – verteufelt gut aufpassen, dass irgendwelche größeren oder kleineren Regionen nicht durch zu viel Zentralismus wieder nachhaltig die Lust an Europa wieder verlieren, sich vielleicht wieder abspalten wollen. Wegen der zunehmenden, ernsten Probleme für die Länder aber, die sich innerhalb der Union anhaltend isolieren, kommt es aber ohnehin – mit allen Friktionen bis dahin, von denen sich dann der Rest auch irgendwann abkoppeln muss – zu immer mehr innerem Widerstand, der das dann auch beendet.

Auch das kann natürlich in der neuen geopolitischen Konfrontation noch länger dauern und sehr kritisch ablaufen, wenn sich diese ‚abtrünnigen‘ Ländern nämlich – mit allen Folgen für ihre innere Verfassung, die die Machthaber dort aber auch schon selbst ruinieren -- von den Konsequenzen innereuropäischer Isolation durch Annäherung an konkurrierende Kraftzentren schadlos halten wollen, wie es ja auch schon ventiliert wurde und immer wieder wird. Diese globalen Kraftzentren, vor allem Russland (auch China, zusammen mit Russland, oder getrennt, aber auch woanders) konzentrieren sich ja gerade – in einem für sie selbst maßgeblich sinnstiftenden und ihre Bevölkerung disziplinierenden Feldzug gegen den anno-tobac-imperialistischen Westen, speziell Europa – im näheren westlichen ‚Einzugsbereich‘ schon kriegerisch, methodisch und geopolitisch aber darüber hinaus, wobei sich Europa scheinbar, fatalerweise auch in verbreiteter Eigenwahrnehmung, noch sehr zum Zerbröseln anbietet. Hier versuchen sie -- mit genüsslicher Häme über die vermeintlichen demokratischen und innereuropäischen Dysfunktionen, für die ja die Abgehängten und Destruktiven unter uns empfänglich und im Kontext einer freien Gesellschaft auch medial leicht erreichbar sind – die Resilienz unserer Gesellschaften zu brechen.

Auch hier kann man nun -- oder muss man gar - -viel Bekanntes und noch Unbekanntes befürchten und kann sich leider nicht durch irgendeine -- ganz schnell ganz beruhigende -- Überlegung oder beglückende ‚Tatbestandsentdeckung‘ die Sorge wegreden. Dennoch scheinen sich aber -- bei letztlich natürlich ‚unheilbarer‘ Ausgeliefertheit gegenüber dem Schicksal -- diese mächtigen antieuropäischen Tendenzen von außen nicht mit nachhaltigem ‚Geländegewinn‘ (im übertragenen Sinne) zu konsolidieren (siehe auch -- angesichts des sich grausig prolongierenden Überfalls der Russen auf die Ukraine -- eine längerfristig wohl doch immer hartnäckiger ‚nur‘ propagandistisch behauptete, also abnehmende innere Kohärenz und Ressourcenverfügbarkeit).

Wir müssen also Europa als gelingend hochhalten, können das aber auch, weil es sich schon seit Jahrzehnten immer weiter vom Charakter eines „potemkinischen Dorfes“ entfernt hat, wenn es diesen tatsächlich je hatte, denn es wurde ja nie mit etwas geprotzt, was man gar nicht konnte. Es ist inzwischen eine, wenn auch noch -- wie weiland Konstantinopel mit damals tatsächlich fataler Konsequenz – „löchrige“, also immer auch gefährdete Bastion, meilenweit überlegen aber einem evtl. wiedererstarkten (oder ‚erschwächten‘), global gar nicht mehr auch nur einigermaßen selbstbestimmt überlebensfähigen Nationalstaat, etwa im -- fadenscheinig und auch falsch zitierten -- „Europa der Vaterländer“ von AfD und anderen Reaktionären.

Angesichts bislang schon erreichter europäischer Substanz können und sollten wir uns deshalb mit einer – paradox stabilen und zugleich fragilen -- Zuversicht um die schrittweise Deckung der vielen verbliebenen Achillesfersen kümmern.

Abspann:

Zuversicht hat man nur in ‚Sternstunden der Menschheit‘ in aller Breite und Tiefe, vor allem natürlich gerade dann nicht, wenn man sich im politischen Bereich gelegentlich angewidert vom Tagesgeschäft abwendet, auch immer wieder mal nicht anders kann.

Dies ist andererseits wohl sogar die paradoxe Voraussetzung für dann wieder gesündere Bezüge zum Leben: mit Abstand, neuer Kraft und neuem Zugriff. Politik ist -- wie die Menschen selbst, man selbst eingeschlossen -- oft genug ja tatsächlich widerlich. Die ‚atmende‘ Motivation aber – oder das Wechselspiel von Motiviertheit und Demotiviertheit -- ist menschengerecht und damit effizienter als das unerbittliche Dranbleiben. Glücklicherweise können wir uns das in einer Zeit (noch) ohne Krieg und Not vor Ort persönlich auch leisten, je nach Maßgabe tatsächlicher persönlicher Verhältnisse natürlich.

Dass manche von uns in dieser privilegierten Situation zurzeit nur noch individualistisch leben, verdankt sich eben der Möglichkeit dazu und natürlich dem entsprechenden Wunsch. Wir hier Versammelten haben im Rahmen unseres sozialen und politischen Interesses und Engagements diesen Wunsch zumindest nicht so ausgeprägt, wobei wir selbst andererseits mit unseren, über ganz persönliche Belange hinausgehenden Aktivitäten, das gleiche Privileg ‚nur‘ in anderer Richtung ausnutzen, nicht eben zum ‚Individualismus‘ durch Redeverbot gezwungen zu werden.

Diese ‚günstigen Rahmenbedingungen‘ unserer freiheitlichen Grundordnung sind aber -- wie wir heute wieder erleben beziehungsweise zu fürchten beginnen, auch wenn das eigentlich ohnehin eine Binsenwahrheit ist -- nicht in Stein gehauen, sodass man diese Freiheit, auch die zum eventuellen Nichtstun, eben zumindest teilweise auch für ihren Erhalt einsetzen sollte. Das sollte sinnfälligerweise aber, da es ja auch noch geht, mit der oben genannten Zuversicht geschehen, denn man kann logischerweise kein komplett verbissenes Leben führen, wenn dies gleichzeitig gerade das sein soll, für dessen Erhalt in Freiheit und Lebenswertigkeit man sich einsetzt.

Der Verfasser dieses Textes stand aber erkennbar selbst zu Beginn seiner Arbeit und den Vorbereitungen zu dieser Veranstaltung im Lichtkegel überbordender Abscheu, die er auch aggressiv ausdeklinierte. Erst als es ‚genug' war, erlebte er selbst den wachsenden Abstand zur --  zuvor so stark besetzten -- Sache in ihm selbst und begann wieder, anders darauf zu blicken bzw. blicken zu wollen, durchaus auch aus einem immer drängenderen Bedürfnis heraus, dass alles nicht so schlecht sein möge, wie er es sieht.

Vielleicht ist ja genau das, auch dieses ‚bloße Wünschen nur‘ -- was ja nicht automatisch nur Illusion ist, vielmehr vielleicht schon ‚besseres Wissen‘ -- eine ganz natürliche und notwendige, deshalb auch positive Erneuerungsprozedur, die auch Reorientierung und neuen Antrieb bringt. Ist das aber tatsächlich erfolgskritisch, dann könnte Europa verrückterweise sogar durch zu viel ‚unbedingte‘ Liebe und zu wenig gelegentliche Gleichgültigkeit gefährdet sein. Also passen wir auf, bleiben wir ‚cool‘, überfordern wir es nicht, dann brauchen wir es auch nicht verdammen, gucken wir eher mal wie die Indianer dran vorbei, helfen wir ihm einfach konsequent weiter, voll erfolgsüberzeugt, was denn sonst. 

Notabene: das Pferd steht jetzt auf der Weide. Auch der Reiter ist erschöpft und lehnt am Gatter. Er schaut hinein, aber auch schon wieder ein bisschen vorbei und nach vorn, viel weniger enthusiastisch allerdings, als er vorher empört war. Er ist gar nicht mehr getrieben, spürt in sich nur – schon wieder etwas bange zugegebenermaßen -- den Wunsch nach einer Entschlossenheit, die etwa standhält, auch wenn's drum rum bald wieder lärmt ...

Heinrich Kümmerle hat auf diesen Beitrag reagiert.
Heinrich Kümmerle

Beide Beiträge, sowohl von Jean als auch von Walther, sind ein mehr als gelungener Einstieg in die diesjährigen Hertensteiner Gespräche!

Und erwartungsgemäß sind beide auch keine leichte Lektüre.

Damit Jean, der dankenswerter Weise seinen Beitrag ins Deutsche übersetzt hat, im Zweifel, dann auch richtig verstanden werden kann, hänge ich seinen französischen Originaltext hier mit als Anlage anbei. Systemgeschuldet, stehen diese Anhänge leider nur angemeldeten Lesern zum Lesen und Herunterladen zur Verfügung.

Ich kann jedem an den Hertensteiner Gesprächen Interessierten nur ans Herz legen, sich hier im Forum registrieren zu lassen. Dazu benötigt man nur eine kurze E-Mail an mich und ich schalte den Absender frei. Ein weiterer Vorteil: man kann dann im Forum auch selbst schreiben und antworten.

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  • Ergänzung: Die Inflation ist stärker als vor dem Euro?

    Nein. Seit 25 Jahren gibt es den Euro. Das Eurosystem (EZB + Nationale Zentralbanken) haben das Inflationsziel zwischen 1999 und 2020 im Durschnitt deutlich besser erreicht als es davor der Fall war. Die Phase der jetzigen Inflation in Folge der Corona-Krise und der Lieferengpässe und der Energiekrise hat die Preise weltweit 2021, 2022 getrieben. Die Inflation sinkt seit Ende 2022 kontinuierlich und nähert sich wieder den 2 % an.
    Darüber hinaus hat die gemeinsame Währung Europa Stabilität in diversen Krisen gegeben.
    Die gemeinsame Währung stützt den Binnenmarkt und hat Deutschland geholfen, starke Exportleistungen zu erzielen.

  • Zum Protokoll des Gesprächskreises „Europa jetzt!“ würde ich gerne hinzufügen, dass wir Teilnehmer auch darüber debattiert haben, wie „selbstverständlich“ Europa gerade für uns jüngeren geworden ist. Viele von uns kennen es gar nicht anders. Reisen ohne Grenzen, zahlen in Euro, keine Zollgebühren beim Onlineshopping, anders kennen wir es fast nicht. Es gilt, diese Freiheiten aufzuzeigen um das Interesse an Europa zu wecken.
    Ebenso war sich der Großteil der Gruppe einig, dass wir keine Angst haben, sondern Bedenken und Unsicherheit empfinden, wenn wir die aktuellen Entwicklungen beobachten.

    • Wie wir feststellen durften ist die Halbwertszeit solcher Runden nicht ausreichend, um ein Forum nur annähernd zu füllen. Wo die Unverbindlichkeit zum Prinzip erhoben wurde, muss man tatsächlich über ganz neue Kommunikationskanäle nachdenken.