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Eine amerikanische Tragödie -- Wie geht es weiter? (Teil 2)

Inhaltsübersicht

  • Phase II der US-Wahlen hat begonnen – Die Caucuses in Iowa fanden am 15.1.2024 statt
  • Eine Besonderheit in Iowa: Die Caucus-Veranstaltungen
  • Die Iowa Caucus Ergebnisse
  • Iowa bestätigt nicht alle Vorhersagen
  • Zur Bedeutung von New Hampshire – Ein Blick zurück
  • Breaking News: DeSantis wirft hin
  • Das New Hampshire Primary Ergebnis der Republikaner
  • Biden gewinnt NH-Primary der Demokraten
  • Das New Hampshire Primary Ergebnis der Demokraten
  • Ein paar Erkenntnisse aus der New Hampshire Vorwahl
  • Hat Nikki Haley noch eine Chance?
  • South Carolina Primary der Republikaner am 24.2.2024
  • Wie Donald Trump South Carolina umgedreht hat
  • Michigan Primaries am 27.2.2024 – Verschiedene offene Fragen
  • Super Tuesday – 5.3.2024 – Ohne Überraschungen
  • Die Endrunde hat begonnen – aus Reden von Donald Trump
  • Joe Bidens „State of the Union Address“
  • Wirtschaftspolitik und andere grundverschiedene Ansätze
  • Warum genießt Donald Trump so hohes Ansehen bei weißen evangelikalen Christen? – Von der „Vergöttlichung eines Sünders“
  • Wahlvolkschelte?
  • Amerika erlebt einen schmutzigen Wahlkampf
  • Trump schwafelt
  • Auch Biden kann austeilen
  • Das politische Klima in den USA ist schlechter geworden
  • Was wäre wenn …? – Die Sorgen der Amerikaner
  • Das große Ziel der Heritage Foundation: Die Verankerung des Trumpismus
  • Who cares …?
  • Was wäre wenn … Trump nicht gewählt wird?
  • Der Plan B von Senator Chuck Schumer
  • Was wäre wenn …. Die Sorgen der Europäer
  • Pragmatische Ansätze des Bundeskanzlers
  • Und was noch?
  • Europa – Was tun?
  • Wer entwickelt eine Zukunftsstrategie?
  • Das Letzte

 

Phase II der US-Wahlen hat begonnen – Die Caucuses in Iowa fanden am 15.1.2024 statt

Mitten in der Ausarbeitung dieses Papiers gab es am 21.1.2024 die Eilmeldung: Ron DeSantis wirft hin! Dies war zwar zu erwarten gewesen, aber schon so früh?  Über die Entwicklungen bis zur Aufgabe berichte ich später.

In Teil 1 meines Forumsbeitrag – er trägt das Datum 1.1.2024 – habe ich mich mit einer Reihe von Entwicklungen in den Vereinigten Staaten und mit verschiedenen Aspekten im Vorfeld des eigentlichen Wahlkampfes beschäftigt, Die US-Präsidentschaftswahl findet am 5.11.2024 statt. Am Ende von Teil 1 gab ich einen Ausblick auf verschiedene, im 2. Teil zu behandelnde Themen, zum Beispiel auf „Die Faschismus-Diskussion in den Vereinigten Staaten“ und auf eine Betrachtung der beiden amerikanischen Parteien. Angesichts der Entwicklungen bei den Vorwahlen in Iowa möchte ich diese Themen auf einen späteren Beitrag verschieben. Dafür bitte ich um Nachsicht.

Im hier vorgelegten Teil 2 soll eine ganze Reihe von Entwicklungen bei den Republikanern im Vordergrund stehen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Demokraten ihre Vorwahlen erst am 3.2.2024 in South Carolina begannen – dieses hat Joe Biden klar gewonnen. In New Hampshire stand Biden am 23.1.2024 nicht auf dem amtlichen Wahlzettel des Bundesstaates. Er ging als so genannter „Write-in-Candidate“ ins Rennen. Sein Name musste von den Abstimmenden handschriftlich nachgetragen werden. Bidens Opponenten waren der Kongressabgeordnete Dean Phillips aus Minnesota und die Autorin Marianne Williamson aus Texas – beide haben ihre Kampagne zwischenzeitlich aufgegeben. Auch in New Hampshire hat der Präsident die Vorwahlen seiner Partei gewonnen. Seine Kandidatur wird in den Medien intensiv diskutiert und ist auch in Teilen der Demokratischen Partei nicht unumstritten.

Im Schlusskapitel von Teil 1 habe ich die politischen Schwerpunkte und auch die  Schwierigkeiten der Bewerbungskampagne von Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida, dargestellt. Die Süddeutsche Zeitung hatte dazu geschrieben: „Zum Start seiner Kampagne galt DeSantis als der einzige republikanische Politiker, der dem hohen Favoriten Trump gefährlich werden könnte, gut zwei Monate später gilt er in weiten Teilen Washingtons als der überschätzte Kandidat im Feld“ (sueddeutsche.de, 1.8.2023: „Falsche Zielgruppe, falsche Strategie“).

Daran – und dies erscheint mir als eine der wesentlichen Erkenntnisse der Caucus-Versammlungen (Vorwahlen) der Republikaner in Iowa am 15.1.2024 – hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Entgegen vorheriger Prognosen, die DeSantis in Iowa sogar hinter Nikki Haley nur auf Platz 3 sahen, hat er zwar – mit großem Abstand hinter Trump – den zweiten Platz verteidigt, doch Haley blieb ihm eng auf den Fersen und ging optimistisch in die nächste Runde der Republikaner am 23.1.2024 in New Hampshire. 

Der USA-Korrespondent der Heilbronner Stimme, Thomas Spang, schrieb zu Situation der Kampagne des Gouverneurs von Florida:  „DeSantis hat das Ende der Fahnenstange erreicht. Selbst wenn er am Ende knapp vor Haley liegt, gibt es für ihn keinen realistischen Weg zur Nominierung. Er sollte aus dem Rennen ausscheiden“ (Heilbronner Stimme,  17.1.2024: „Erschütternde Realität“; Kommentar von Thomas Spang).

Eine letzte Verbindungslinie will ich zu Teil 1 ziehen. Es geht um die Kampagne von Chris Christie, dem früheren Gouverneur von New Jersey, der im Gegensatz zu Nikki Haley und allen anderen republikanischen Bewerbern mit eindeutig kritischen Aussagen gegen Donald Trump in die Schlacht gezogen war. Chancen, der Präsidentschaftskandidat der Republikaner zu werden, hatte er nicht. Parteifreunde hatten ihm geraten, zu Gunsten von Ron Desantis und Nikki Haley auszusteigen. Ich hatte vermutet, dass er am 23.1.2024 in New Hampshire noch antreten wird, da die republikanische Wählerbasis dort für ihn vorteilhafter zusammengesetzt ist als in Iowa. Doch meine Vermutung war falsch: Am 10.1.2024 hat Christie das Rennen aufgegeben. Eine Wahlempfehlung (Endorsement) hat er nicht abgegeben, im Gegenteil: Er prangerte seine Opponenten dafür an, dass sie dem früheren Präsidenten in der Öffentlichkeit sehr lange Hochachtung gezollt hätten. „Ich würde lieber verlieren weil ich die Wahrheit sage als zu lügen um zu gewinnen.“ Einige seiner Unterstützer waren nach Christies Rückzug enttäuscht und ratlos. Die New York Times zitiert dazu Tom Barton aus Washington, NH, der beabsichtigt hatte, Christie zu wählen und sagte, er könne keinen anderen Republikaner unterstützen: „Sie haben nicht den Mut, die Wahrheit über Trump zu sagen.“  Vermutet wurde jedoch vor den Caucus-Versammlungen in Iowa, dass sein Rückzug insbesondere Nikki Haley nützen werde, da ihre politischen Vorstellungen in der Außenpolitik, der nationalen Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit sich weitgehend mit denen von Chris Christie decken. Christie hat jedoch seine Partei beim Abgang nochmals eindringlich vor den Gefahren einer nochmaligen Präsidentschaft von Donald Trump gewarnt (nytimes.com, 10.1.2024: „Christie’s Exit Is Jolted as Hot Mic Picks Up His Unvarnished View of Rivals“).

Nicht ohne einen ironischen und auch verbitterten Unterton sagte Christie: „Stellen sie sich einen Augenblick vor was geschehen wäre, wenn Donald Trump hinter dem Schreibtisch gesessen hätte, als 9/11 ( der Anschlag auf das World Trade Center am 11.9.2001) geschah. Als erstes wäre er in den Bunker gerannt um sich selbst zu schützen. Er hätte sich selbst und nicht das Land an die erste Stelle gesetzt und jeder, der sich weigert festzustellen, dass er (Trump) nicht geeignet ist, der Präsident der Vereinigten Staaten zu sein, ist selbst ungeeignet, Präsident der Vereinigten Staaten zu sein.“ In dieser Aussage steckt letztlich auch so etwas wie ein Stück Selbstrechtfertigung. Dass er 2016 Trump unterstützt hat, mag er später bereut haben. Deshalb bezeichnete er seine jetzige Kampagne wohl auch als so etwas wie eine Wiedergutmachungs-Tour. Im Bericht der New York Times wird Chris Christie als ein Mitglied der alten Garde der Republikaner beschrieben und weiter vermerkt: „Es ist nicht zu erwarten, dass die Ansprache von Mr. Christie auch nur eine Nadel innerhalb der Republikanischen Partei bewegen wird. Viele der herausragenden Leute haben dies in den letzten Jahren ohne Erfolg versucht.“ Die NYT nennt dazu unter anderem Mitt Romney, der Trump als „Betrüger“ bezeichnet hat, sowie Liz Cheney, die Trump vorwarf, „dem Rechtsstaat den Krieg erklärt zu haben.“  Ihre Aussagen haben in der GOP so gut wie nichts bewirkt (nytimes.com, 10.1.2024: „Chris Christie Goes Down Swinging at Trump and Pleading With His Party“).

 

Eine Besonderheit in Iowa:  Die Caucus-Veranstaltungen

Anders als in den meisten US-Bundesstaaten laufen die Vorwahlen (Primaries)  in Iowa nicht so wie normale Wahlen, bei denen die Abstimmungsberechtigten in ein Wahllokal kommen, dort den Stimmzettel ausfüllen, diesen in eine Urne werfen und dann wieder nach Hause gehen. In Iowa finden so genannte Caucuses statt, Versammlungen der Parteien, die dazu dienen, zusammenzukommen, zu diskutieren und am Ende einen Zettel mit einem Namen in eine Urne zu werfen. Dabei kann es durchaus geschehen, dass Abstimmungsberechtigte mit einer Vorstellung darüber, für wen sie stimmen wollen, zum Caucus kamen, jedoch im Laufe der Veranstaltung ihre Meinung ändern.  

Thomas Spang, der USA-Korrespondent der Heilbronner Stimme überschrieb seinen Vorbericht über Iowa mit „Wie stark ist Donald Tramp wirklich?“  Trump lag in den Umfragen  mit 48 Prozent weit vorn. „Für DeSantis geht es am Montag  Abend um alles. Er hat 99 Wahlkreise besucht und versucht, sich als Trump ohne Drama zu verkaufen.“ In den Umfragen lag jedoch Haley mit 20 Prozent vor DeSantis mit nur 16 Prozent. Haley kämpfte in Iowa somit um Platz 2: „Wenn Haley an DeSantis vorbeizieht, hätte sie in New Hampshire die Chance, sich als klare Alternative zu Donald Trump anzubieten.“

Der Bundesstaat Iowa hat 99 Counties. Am 15.1.2024 fanden dort 1 657 Caucus-Versammlungen statt. Die Vorwahl-Phase des amerikanischen Wahlkampfs endet mit den Parteitagen der beiden Parteien. Die Republikaner tagen vom 15. - 18.7.2024 in Milwaukee, Wisconsin; die Demokraten vom 19. - 22.8.2024 in Chicago, Illinois. (Quellen: Heilbronner Stimme, 15.1.2024:  Wie stark ist Donald Trump wirklich?“ und „Der lange Weg ins Weiße Haus“; zwei Berichte von Thomas Spang).

 

Die Iowa-Caucus-Ergebnisse

(Hochrechnung nach Auszählung von 95 % der abgegebenen Stimmen)                                                          

                                                     Prognosen  Januar 2024        Ergebnis 15.1.2024

 

Donald J. Trump                                    48 %                                    51,0 %

Ron DeSantis                                           16 %                                     21,2 %

Nikki Haley                                               20 %                                     19,1 %

Vivek Ramaswamy                                   8 %                                      7,7 %

(Prognosezahlen CNN)

(Verschiedene weitere Bewerber werden hier nicht genannt)

 

Iowa bestätigte nicht alle Vorhersagen

Es ist offensichtlich und war bereits in den Prognosen vorhersehbar: Iowa ist Trump-Land. Er hat 98 der 99 Counties gewonnen; ein County ging an Nikki Haley. Die New York Times schrieb von einer „Runaway Victory“; er ist allen anderen einfach davon galoppiert.  In der Tat hat Trump – anders als seine Kontrahenten DeSantis und Haley – alle Prognosen und Erwartungen noch übertroffen und ist über die 50-Prozent-Marke geklettert. 

Ron DeSantis hat zwar den zweiten Platz verteidigt, doch der Abstand zu Nikki Haley ist nicht sehr deutlich. Einige Tage zuvor hatte es für ihn noch schlechter ausgesehen als er in einer Umfrage sogar auf den dritten Platz zurückgefallen war. Die evangelikalen Wählergruppen haben ihm den zweiten Platz „gerettet“, denn sie haben in den Caucus-Versammlungen in Iowa ein besonderes Gewicht. Nach Umfragen vor den Abstimmungen waren aus diesen Gruppen 51 Prozent für Trump, 22 Prozent für DeSantis und nur 12 Prozent für Haley. Wesentlichen Einfluss auf die Besucherfrequenz und damit auch auf das Ergebnis hatte das Wetter. Bittere Kälte und Schneestürme führten dazu, dass 2024 die niedrigste Beteiligung seit dem Jahr 2000 verzeichnet wurde. 

(Quellen: nytimes.com, 13.1.2024: „Trump Far Ahead, With Haley Edging DeSantis for Second, Key Iowa Poll Finds“; nytimes.com, 15./16.1.2024: “This Year’s Iowa Caucus Is On Track For Lowest Turnout Since 2000”).

Nach diesen Prognosezahlen war nicht verwunderlich, dass Nikki Haleys Wahlkampf von den demokratischen und unabhängigen Wählerinnen und Wählern besonders aufmerksam verfolgt wurde. Die New York Times berichtete ausführlich darüber, wie sich bisher „demokratisch“ oder „unabhängig“ registrierte Wählerinnen und Wähler umbuchen ließen, um beim republikanischen Caucus teilnehmen und für Nikki Haley abstimmen zu können. Hier zeigte sich eine der Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems und der Vorwahlen. Dieses „Umbuchen“ geschieht zwar nicht in überwältigendem Umfang, bot sich aber 2024 in Iowa an, nachdem die Demokraten dort am 15.1.2024 keine Caucus-Versammlungen durchführten. Manche sahen in Nikki Haley eine „vernünftige Republikanerin“, die das Land von der bitteren Parteilichkeit wegbewegen und den nationalen Diskurs wieder in zivilisierte Bahnen lenken kann. Manche wurden angezogen durch ihren Aufruf, das Land zu einen und über Parteigrenzen hinweg die schwierigen Probleme, wie etwa die Abtreibungsfrage zu klären. Andere trieb einfach die Befürchtung, Trump könnte Biden besiegen und wieder ins Weiße Haus einziehen. 

Beispielhaft zitierte die New York Times einen Mr. Brown aus Clinton, Iowa: „Ich habe meine republikanische Caucus-Karte erhalten und muss jetzt zum Grab meines Vaters gehen um mich zu entschuldigen.“ Der Vater von Mr. Brown sei ein treuer Demokrat und Kriegsveteran gewesen, der stets strikt nach Parteizugehörigkeit gewählt habe. Im NYT-Bericht wird allerdings vermerkt, dass die republikanischen Caucus-Versammlungen am 15.1.2024 letztlich nur von wenigen Nicht-Republikanern besucht wurden. Interessant ist, wie Nikki Haley von den Opponenten aus den eigenen Reihen beurteilt wird. DeSantis hat sie als „Liberale“ bezeichnet – für Republikaner in Amerika ein gehöriges Schimpfwort. Andere werfen ihr vor, die konservative Agenda zu wenig zu verkünden (nytimes.com, 13.1.2024: „In Iowa, Nikki Haley Has the Attention of Democrats and Independents“).

 

Iowa lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Trump hat haushoch gewonnen; ein Zeichen, wie fest er die republikanische Wählerschaft im Griff hat.
  • Die beiden Kontrahenten, Nikki Haley und Ron DeSantis haben sich wochenlang beharkt, doch sie liegen nach den Caucuses in Iowa kaum auseinander.
  • Die Aussichten für DeSantis sind allerdings düster. In keiner der nächsten Vorwahlenvhat er eine Chance, sich von Haley abzusetzen. Seine Prognosezahlen sind in den anstehenden Bundesstaaten noch schwächer.
  • Schon die Vorwahlen verschlingen hohe Summen. In Iowa gaben die republikanischen Bewerber mehr als 123 Mio. Dollar für Wahlwerbung aus.
  • Trotz des klaren Siegs von Trump lässt das Ergebnis von Iowa keine eindeutigen Schlüsse, weder auf die republikanische Kandidatur, noch auf das Wahlergebnis vom 5.11.2024 zu. Die Iowa-Caucuses spiegeln das Geschehen im gesamten Land nicht wider.  Zudem haben am 15.1.2024 dort nur etwa 15 Prozent der knapp 720 000 republikanisch registrierten Wählerinnen und Wähler abgestimmt. Selbst in normalen Jahren wurden die Gewinner von Iowa nur selten auch die republikanischen Kandidaten. Seit 1980 sind bei umstrittenen Rennen die Iowa-Gewinner am Ende auch die republikanischen Kandidaten geworden. Nur einer von ihnen – George W. Bushwurde 2000 amerikanischer Präsident.

(Quellen:  nytimes.com, 16.1.2024: „Trump’s Big Win in Iowa“; nytimes.com, 16.1.2024:  „5 Takeaways From Trump’s Runaway Victory in the Iowa Caucuses“).

In New Hampshire werden die Karten zwischen den Beiden am 23.1.2024 neu gemischt. Nikki Haley liegt in Schlagweite von Donald Trump, nicht zuletzt weil viele Christie-Unterstützer zu ihr überlaufen werden. Hier wird Haley zur echten Gefahr für Trump (nytimes.com, 11.1.2024: „With Chris Christie Out, Nikki Haley Is Poised to Benefit in New Hampshire“).

Über all dem wurde kaum registriert, dass Vivek Ramswamy das Rennen aufgegeben hat, nachdem er in Iowa nur auf Platz 4 eingelaufen war. Obwohl ihn Trump noch zwei Tage vor den Caucus-Versammlungen als Betrüger bezeichnet hatte, gab Ramaswamy am 15.1.2024 eine Wahlempfehlung für Trump ab  (nytimes.com, 15./16.1.2024: „Vivek Ramaswamy, Wealthy Political Novice Who Aligned With Trump, Quits Campaign“).

Und noch eine Kleinigkeit am Rande von Iowa sei erwähnt, die später rückblickend womöglich zu einer frühen Ankündigung von Unheil werden könnte. Wie schon bei früheren Wahlen hat Trump auch vor den Iowa Caucuses angedeutet, falls seine Erwartungen nicht erfüllt würden, werde er das Ergebnis nicht akzeptieren. Er beschuldigte Ron DeSantis, der wolle die Wahl manipulieren, und tatsächlich hatte es in der DeSantis-Kampagne einen Vorfall gegeben, der jedoch keine weiteren Auswirkungen hatte: Casey DeSantis, die Ehefrau des Gouverneurs, hatte im Dezember 2023 die Unterstützer von Ron DeSantis aufgefordert, von außerhalb nach Iowa zu kommen und an den Caucus-Versammlungen teilzunehmen. Der Aufforderung widersprachen die Republikaner von Iowa umgehend, da an den Versammlungen nur Einwohner von Iowa teilnehmen dürfen. Doch Donald Trump hatte – wie bereits 2020 – einen Strohhalm gefunden, an dem er eventuell vermeintliche Wahlfälschungen festmachen könnte. 

Die New York Times verwies in ihrem Bericht darüber auf hohe Erwartungen in Iowa und auch auf seine früheren Praktiken, Wahlergebnisse zu akzeptieren oder auch nicht: „Was würde er tun, falls ihm die Ergebnisse (in Iowa) nicht gefallen?“ (nytimes.com, 14.1.2024: „Trump Has Made Claims About Caucus Fraud. What if He Underperforms?”). Kündigte sich hier eine neue Election-Denial-Affaire an? Die letzte hatte am 6.1.2021 zum Sturm auf das Kapitol in Washington geführt und ihm inzwischen eine Reihe von Strafverfahren eingebracht.

 

Zur Bedeutung von New Hampshire – Ein Blick zurück

In Iowa lag Ron DeSantis als zweiter weit hinter Trump und nur knapp vor Nikki Haley. In New Hampshire wird sich das Rennen der beiden entscheiden.  Dass DeSantis in Iowa nur knapp vor Haley lag, zeigt: Seine Kampagne schwächelt noch immer. „Sollte sie New Hampshire gewinnen oder nur ganz knapp zweite werden, würde dies einen seismischen Schock in der Republikanischen Partei auslösen,“ sagte Matthew Bartlett, ein republikanischer Strategie-Experte. Allerdings wurde über ein noch nicht abgeschaltetes Mikrofon eine Bemerkung von Chris Christie eingefangen: „Sie ist noch nicht soweit für das“.  Christie hatte nach seinem Rückzug weder für Haley noch für DeSantis eine Wahlempfehlung abgegeben. Er kreidet der früheren UN-Botschafterin vor allem zwei Schwachpunkte an: Dass sie auf eine entsprechende Frage die Sklaverei nicht als den Grund für den amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) genannt hat und dass sie – wie alle anderen republikanischen Bewerber – erklärt hat, Trump zu wählen, sollte er der Kandidat werden, selbst wenn er in den laufenden Strafverfahren verurteilt wird. Kritisiert wird Haley auch dafür, dass sie nicht ausgeschlossen hat, Trumps „Running Mate“ für den Posten der Vizepräsidentschaft zu werden. 

Doch was wird aus Ron DeSantis, sollte ihn Nikki Haley in New Hampshire schlagen? Matt Moore, ein früherer Vorsitzender der Republikanischen Partei in South Carolina, wo Haley früher Gouverneurin war und wo am 24.2.2024 die Vorwahlen stattfinden prognostizierte, dass DeSantis dann nicht mehr dabei sein wird. In South Caroline liegt bis jetzt in den Umfragen Trump vorne (nytimes.com, 11.1.2024: „With Chris Christie Out, Nikki Haley Is Poised to Benefit in New Hampshire“).

 

Breaking News:  DeSantis wirft hin!

Als ich beim Entwurf des Papiers an dieser Stelle angelangt war, meldeten die Tagesthemen am Samstag, 21.1.2024: Ron DeSantis gibt das Rennen auf und empfiehlt seinen Unterstützern, Donald Trump zu wählen. 

Das Rennen der Republikaner am 23.1.2024 in New Hampshire lautete nun tatsächlich Nikki Haley ./. Donald Trump.

Ursprünglich hatte ich beabsichtigt, hier noch einmal auf die 5. Debatte der Republikaner vom 10.1.2024 zwischen Nikki Haley und Ron DeSantis einzugehen. Dies hat sich nun erledigt. Vom Ende der DeSantis-Kampagne berichtete die New York Times, wie der nun zum „Ex“ gewordene Bewerber auch dabei unpräzise agierte. DeSantis zitierte dazu auf „X“ einen Satz, der angeblich von Winston Churchill stammen soll: „Der Erfolg ist nicht das Ende, eine Niederlage ist kein Verhängnis: Entscheidend ist der Mut, da weiterzumachen, wo es zählt.“

Die New York Times hat zu diesem Zitat bei der International Churchill Society nachgefragt und die Auskunft erhalten, der Satz werde fälschlicherweise Churchill zugeschrieben. Der Satz sei in der Sammlung seiner Grundprinzipien nicht zu finden (nytimes.com, 21.1.2024: „Ron DeSantis appears to misattribute a quote to Winston Churchill as he drops out of the primary“). 

Christian Zaschke kommentiert den Ausstieg von DeSantis in der Süddeutschen Zeitung wie folgt: „Einen Superlativ kann Ron DeSantis für sich verbuchen: Er stand an der Spitze der schlechtesten republikanischen Präsidentschaftskampagne in der Geschichte der USA. Anfang 2023 hatte es dabei so ausgesehen, als würde den Gouverneur von Florida nichts aufhalten können. Die republikanischen Geldgeber fluteten seine Bewerbung mit Dollars. Die Umfragen besagten, er allein könne Donald Trump als Kandidat der Republikaner in die Schranken weisen. Ein Jahr später hat  DeSantis rund 130 Millionen Dollar verbrannt und ist aus dem Rennen um die republikanische Kandidatur ausgestiegen. Als beinahe lächerliche Figur.“…

„Der Gouverneur wusste um seine Defizite, und er hat versucht, sie durch Aggressivität auszugleichen. Er griff den Großkonzern Disney an, weil der angeblich zu woke geworden sei. Er griff die Bibliotheken in Florida an, aus dem gleichen Grund. Eine Kampagne, deren Hauptfeinde, verknappt gesagt, Micky Maus und Bücher sind – wer in aller Welt in seinem Team hat sich das bloß ausgedacht“ (sueddeutsche.de, 22.1.2024: „Eine Kampagne gegen Bücher und Micky Maus“).

Der Bericht der Süddeutschen über den Rückzug trägt die Überschrift „Er ist wieder auf Linie“. Er (DeSantis) sei zwar mit Donald Trump nicht in allem einverstanden, aber Trump sei Joe Biden überlegen, das sei klar. Er unterstütze Trump, „weil wir nicht zur alten republikanischen Garde von gestern zurückkehren können, oder zu einer neu verpackten Form des aufgewärmten Korporatismus, den Nikki Haley repräsentiert.“ Deshalb will DeSantis nun Trump unterstützen. Im Bericht der SZ ist von einer Rolle rückwärts die Rede. Bei seinem Abgang sprach DeSantis weder von Trumps Versuch, sich 2020 in Georgia Stimmen „besorgen“ zu lassen noch von der Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021. Stattdessen sagt DeSantis: „Um den Niedergang dieser Nation umzukehren, bedarf es einer Führung, die den Menschen, für die wir gewählt werden, große Ergebnisse liefert.“ DeSantis sei das Gegenteil des geübten Entertainers Trump gewesen, stellt die Süddeutsche Zeitung fest (sueddeutsche.de, 22.1.2024:  „Er ist wieder auf Linie“). 

Für Donald Trump war der Ausstieg von DeSantis eine gute Nachricht. In seinem Ausstiegs-Video sagte dieser: „Trump ist dem jetzigen Amtsinhaber Joe Biden überlegen. Das ist klar. Ich habe schriftlich versprochen, den Kandidaten der Republikaner zu unterstützen und dieses Versprechen werde ich halten.  Ihn empfehle ich zu wählen, denn wir können nicht zur alten Garde der Republikaner früherer Jahre zurückkehren“ nytimes.com, 21.1.2024: „DeSantis endorsed Trump as he dropped out: „We can’t go back to the old Republican guard of yesteryear“).

Trump hat sich bei DeSantis für die Wahlempfehlung freundlich bedankt. Seine Kampagne erklärte: „Wir fühlen uns geehrt über das Endorsement.“ Doch Trump wäre nicht Trump, hätte er dem abgetretenen Opponenten nicht noch einen Rempler nachgeschickt. Trump hat in der Vergangenheit DeSantis immer wieder mit dem Spottnamen Ron DeSanctimonious belegt, so, wie er vielen anderen Opponenten gegenüber seinen Disrespekt zum Ausdruck brachte. Auf die Frage, was nun mit dem Spottnamen für DeSantis sei, erklärte Trump: „Jener Name ging offiziell in den Ruhestand“ (nytimes.com, 21.1.2024:  „’DeSanctimonious’ No More: Trump says He’ll Drop Ex-Rival’s Nickname.“).

Dafür bekam Nikki Haley in letzter Zeit ganze Breitseiten ab. Sie hatte ihre Kampagne langfristig auf einen Zweikampf mit Donald Trump ausgerichtet.  Aber wie wird sich der Rückzug von DeSantis – nur zwei Tage vor der Abstimmung in New Hampshire auswirken, wo sie in den Prognosen auf Schlagweite zu Trump gekommen war? Eine frühere Trump-Wählerin, die nun Haley unterstützt, formulierte es so: „Ich wünschte er (DeSantis) hätte gewartet … Ich bin nervös aber wirklich hoffnungsvoll“ (nytimes.com, 22.1.2024: „Haley Gets a Trump Matchup, but Now Faces the Trump Machine“).

Nach den Iowa-Caucuses wurde das Klima zwischen Trump und Haley rauer. Trump hatte bei einem Wahlkampfauftritt die Namen von Nikki Haley und Nancy Pelosi, der früheren Fraktionsvorsitzenden der Demokraten im Repräsentantenhaus durcheinander gebracht. Haley stellte darauf öffentlich die Frage, ob Trump fit genug sei, das Land zu regieren. Sie erzählte von ihren alt gewordenen Eltern: „… wenn du sie siehst, ist da – nachdem sie ein gewisses Alter erreicht haben – ein Abbau. Das ist eine Tatsache, frage jeden Doktor, da ist ein Abbau.“ Der Begriff „geistig nicht fit“ stand im Raum. Haley-Anhänger befürchten jedoch, ihre Angriffe auf Trump kämen zeitlich zu spät. (nytimes.com, 20.1.2024: „Haley Hits Trump on Age, Suggesting He Is ‚in Decline’“). 

Doch vielleicht ist etwas dran an Haleys Vermutungen. Am 30.1.2024 berichtete die Berliner Morgenpost, der republikanische Ex-Präsident falle in letzter Zeit bei seinen Reden durch Aussetzer auf. „Nun wachsen Zweifel an seiner geistigen Fitness.“ Dazu zitiert die Zeitung die ehemaligen Sprecherinnen Trumps, Stephanie Grisham und Alyssa Farah Griffin mit dem Hinweis, Trump sei nach Ende seiner Präsidentschaft im Jahr 2021 erkennbar gealtert.  Grisham sagte am Wochenende (27./28.1.2024) in einer Fernsehsendung, „ohne Zweifel hat er abgebaut … Etwas stimmt mit ihm nicht. Er wirkt wie ein Mann, der mental verfällt.“ Dies sind schwerwiegende Aussagen, doch belastbares Material dazu gibt es offenbar nicht. Im Bericht der Berliner Morgenpost heißt es: „Objektive Daten über Trump liegen öffentlich nicht vor.“  Vermutungen also, auf die keine Zukunftsprognosen aufgebaut werden können. Allerdings hat Joe Biden bereits früher einmal angedeutet, falls Trump nicht der republikanische Kandidat sei, werde er sich überlegen, ob er weitermache. Über einen tatsächliche Plan B Bidens und der Demokraten ist mir nichts bekannt.     

Nach den Vermutungen Haleys schoss Trump in bekannter Manier zurück: Rassistisch und unterhalb der Gürtellinie. Er postete in Sozialen Medien, Haley – die Tochter indischer Einwanderer – sei keine echte Amerikanerin und erfülle nicht die Voraussetzungen für die Präsidentschaft, nämlich in den Vereinigten Staaten geboren zu sein. Die gleichen Andeutungen hatte er bereits bei Barack Obama gemacht und, ebenfalls wie bei Obama, verschandelte er ihren Geburtsnamen – Nimarata Nikki Randhawa – und nannte sie Nimbra und Nimrada. Diese Art von Rassismus schlägt bei Trump immer wieder durch. So „operierte“ er nicht nur bei Obama sondern auch bei der Vizepräsidentin Kamala Harris und sogar bei dem aus der eigenen Partei stammenden Senator Ted Cruz aus Texas, dem ersten Senator, der aus einer Latino-Familie kam. (nytimes.com, 20.1.2024: „Mocking Haley, Trump Adds to His Long History of Racist Attacks“).

Nun also, am 23.1.2024: Die Vorwahlen in New Hampshire. Haley müsse gewinnen oder dürfe nur knapp verlieren, sonst wäre das Rennen um die republikanische Kandidatur für sie so gut wie gelaufen – so die Vorhersagen.

Am 21./22.1.24 veröffentlichte CNN folgende Prognosezahlen für die New Hampshire-Vorwahlen beider Parteien:  

 

                Die Primary der Republikaner

 

                          Trump      54 %

                          Haley        41 %

                          Andere        3 %

 

                Die Primary der Demokraten

 

                       Biden            63 %

                       Phillips          10 %

                       Williamson     9 %

 

Biden steht nicht auf dem amtlichen Stimmzettel. Sein Name muss daher von den Wählerinnen und Wählern handschriftlich eintragen werden. Nach dem Ausstieg von Ron DeSantis stiegen die Chancen Donald Trumps, am 23.1.2024 in New Hampshire zu gewinnen. Nikki Haley hoffte dagegen auf Unterstützung aus der Gruppe der Independents (der Unabhängigen), die im Gegensatz zu Iowa in New Hampshire mit abstimmen dürfen. Die Spannung war mit Händen zu greifen: „Nikki Haley hofft auf ein Wunder in New Hampshire“, schrieb Thomas Spang in der Heilbronner Stimme (Heilbronner Stimme, 23.1.2024: „DeSantis steigt aus und unterwirft sich Trump“).

„Letzte Chance New Hampshire“ überschrieb die Süddeutsche Zeitung ihren Vorbericht (sueddeutsche.de, 23.1.2024: „Letzte Chance New Hampshire“).

Das New Hampshire-Primary-Ergebnis der Republikaner

(95 % der Stimmen ausgezählt)

 

                                          CNN-Prognose 21./22.1.2024                   Ergebnis 23.1.2024

 

            Donald J. Trump               54 %                                                  54,4 %

            Nikki Haley                          41 %                                                   43,3 %

            andere                                        3 %                                                     ---

 

Das Ergebnis dürfte Haleys Erwartungen nicht voll erfüllt haben. Bei ihrem strahlenden Auftritt vor den Kameras ließ sie sich dies nicht anmerken. Sie erklärte, das Rennen gegen Trump nicht aufzugeben: „New Hampshire war die erste Runde, es ist nicht letzte im Land,“ erklärte sie: „Dieses Rennen ist noch lange nicht vorbei“ und merkte an, dass eine Trump-Kandidatur am Ende die Präsidentschaft von Biden/Harris bedeuten würde. Sie bezog sich dabei auf die stille Erwartung der Demokraten, dass Trump der Kandidat der Republikaner sein werde, den Biden schon einmal geschlagen hat und nun vor allem leichter schlagen könnte als eine Kandidatin Niki Haley. In einer Konstellation Biden (81) ./. Haley (52) würde die Altersproblematik – zum Nachteil von Biden – voll zum tragen kommen. Womöglich wäre dies für Biden der Casus Belli für den angedeuteten Ausstieg – und die USA hätten dann womöglich das erste Mal in ihrer Geschichte das Rennen zweier Frauen um die Präsidentschaft.

Bei der Primary in Nevada am 8.2.2024 will Haley nicht antreten, hat jedoch für ihren Heimatstaat South Carolina am 24.2.2024 eine Anzeigenkampagne mit 4 Millionen Dollar angekündigt. Donald Trump antwortete in seiner Siegesveranstaltung mit den gewohnt giftigen Aussagen. Er hatte gehofft, die republikanischen Vorwahlen mit dem Sieg in New Hampshire abzuschließen und Nikki Haley zur Aufgabe zu bringen. Doch dies war nicht geschehen.  Deshalb griff er Haley an, weil sie seiner Meinung nach ein zu selbstsicheres Eingeständnis ihrer Niederlage abgegeben habe: „Sie hat nicht gewonnen. Sie hat verloren,“ sagte er und nannte die frühere UN-Botschafterin eine Hochstaplerin (nytimes.com, 23.1.2024: „Trump’s Win Adds to Air of Inevitability as Haley Sharpens Edge“).

 

Biden gewinnt die NH-Primary der Demokraten

Einen Wahlkampf im eigentlichen Sinn des Wortes hat der Präsident vor der Primary in New Hampshire nicht geführt; sein Name stand nicht einmal auf dem offiziellen Stimmzettel. Bereits vor Monaten gab es Zwistigkeiten zwischen dem Democratic National Committee und dem für die Vorwahlen zuständigen Bundesstaat New Hampshire. Die Demokraten wollten erst am 24.2.2024 in South Carolina einsteigen, doch New Hampshire beharrte darauf, dass – wie eh und je – New Hampshire der erste Bundesstaat mit „echten“ Vorwahlen und nicht nur, wie Iowa, mit Caucus-Versammlungen sei. Auf dem Stimmzettel für die Demokraten standen daher nur die beiden bekannteren Biden-Kontrahenten, der Kongressabgeordnete Dean Phillips aus Minnesota und die frühere Pastorin und inzwischen erfolgreiche Buchautorin Marianne Williamson aus California sowie 20 weitere Namen aller möglicher Zählkandidatinnen und Kandidaten. Letztere erreichten teilweise nur Ergebnisse im einstelligen Bereich. Voll Stolz wird manche und mancher von ihnen den Stimmzettel aufbewahren um ich eines Tages den Enkeln zeigen zu können. 

Die Biden-Anhänger in New Hampshire riefen dazu auf, den Namen des Präsidenten als sog. Write-in-Candidate auf dem Stimmzettel handschriftlich nachzutragen und dies ist am Wahltag in New Hampshire tausendfach geschehen (sueddeutsche.de, 24.1.2024: „Biden gewinnt symbolisch aus der Distanz“).

 

Das New Hampshire-Primary-Ergebnis der Demokraten

 

                                                CNN-Prognose 21./22.1.2024     Ergebnis 23.1.2024      

 

                    Biden                                63 %                                        64,0 %

                    Phillips                             10 %                                         19,6 %

                    Williamson                         9 %                                           4,0 %

 

(Quelle: upr.org, 23.1.2024:  „Biden wins the New Hampshire primary after Demokcrats write him on the ballot”).

 

Ein paar Erkenntnisse aus der New Hampshire Vorwahl

Das blaue Kleid von Nikki Haley

Nachdem das Ergebnis bekannt geworden war – Nikki Haley hatte sich zwar gut geschlagen, doch Trump war der Sieger – trat Haley in einem blau geblümten Jacquard Kleid vor die Kameras und Trump ließ sich zu einer abfälligen Bemerkung darüber hinreißen. Er sprach von dem „phantastischen Kleid, das doch nicht so phantastisch war.“ Die New York Times merkte dazu an, dass diese Reaktion von Haley wohl genau so geplant war und identifizierte das Kleid als eines der Marke Teri Jon, das in Kaufhäusern wie Saks für 580 Dollar zu haben ist – also „teuer aber nicht zu teuer.“ Bei selbstbewussten Amerikanerinnen macht Trump mit seiner Bemerkung sicher keine Punkte. Haley ließ mit ihrem Kleid Trump nicht zuletzt wissen: Sie macht selbstbewusst weiter (nytimes.com, 24.1.2024: „Haley’s Fancy-but-Not-So-Fancy Dress May Have Been Just What She Intended“)

 

Trumps Schwäche bei kritischen unabhängigen Wählern und:  Es geht ums Geld

„Trotz aller Euphorie in der Blase der republikanischen Vorwahlen“, so schreibt die New York Times, ist Trumps Kampagne konfrontiert mit einer andauernden Schwäche, die seine Nominierung zu einem beachtlichen Risiko für seine Partei macht.“ Die Rede ist hier von der Gruppe der Wählerinnen und Wähler – Unabhängige, College-Absolventen und Republikaner, die am 23.1.2024 in New Hampshire in großem Umfang für Nikki Haley stimmten. Es waren jedoch nicht genug, um jene zu überflügeln, die Trump wieder an die Macht zurückbringen wollen. Allerdings zeigt dies die Schwierigkeiten Trumps auf, wenn er die MAGA-Welt verlassen und sich der breiten Wählerschaft stellen muss.

Im NYT-Bericht werden bemerkenswerte Ergebnisse aus der Wähler-Nachbefragung genannt: 4 von 10 Haley-Wähler sagten, dass nicht Haleys politische Agenda sondern die Abneigung gegen Trump für  ihrer Entscheidung ausschlaggebend war. Mehr als 90 Prozent dieser Gruppe sagten, sie wären unzufrieden, sollte Trump erneut nominiert werden. 

In der aktuellen Diskussion zeigt auch Joe Biden Schwachpunkte. Gegenwärtig geht es in den USA insbesondere um das Alter Bidens – 81 Jahre – allerdings ist Trump mit 77 nur 4 Jahre jünger. Biden und Harris sind jedoch mit einem völlig anderen Schwerpunktthema – dem Thema Abtreibung und dem Selbstentscheidungsrecht der Frau – in den Wahlkampf eingestiegen. Die Biden-Kampagne will laut NYT im 1. Quartal 2024 300 Millionen Dollar für Werbung ausgeben. Trumps Super-PAC MAGA Inc. wird diesen Betrag erst im Juli 2024 erreichen und hat deshalb einen dringenden Spendenaufruf an die Unterstützer gerichtet.

Im Anzeigenwettbewerb geht es nicht zuletzt darum, auf die eigenen Themen fixiert zu bleiben. Bei Biden/Harris ist einer der Schwerpunkte das Selbstbestimmungsrecht der Frauen aber auch die Sicherung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Das Trump-Team will die Wähler vor allem auf die Themen Wirtschaft, Nationale Sicherheit, Migration und auf Kriminalität fokussieren. „Die Fokussierung auf bestimmte Themen ist jedoch nicht die Stärke Trumps. Bei seiner Siegesansprache am Dienstag (23.120.24) wiederholte er die Lügen über die verlorene Wahl von 2020 und fügte eine neue hinzu, er habe New Hampshire damals gewonnen (Mr. Biden gewann).“ Diese Abschweifungen zeigen: „Trump ist noch immer mit den vergangenen Wahlen beschäftigt.  Auf seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021 und auf die 91 Anklagepunkte; die meisten betreffen seinen Versuch, an der Macht zu bleiben. All dies schwächt seine Aussichten nicht nur bei den bereits zweifelnden Unabhängigen und Wechsel-Wählern“ (nytimes.com, 24.1.2024: „New Hampshire and Iowa Reveal Broader Weaknesses for Trump“).

Nicht zuletzt wegen dieser Schwäche von Trump hat Nikki Haley die Frage der Wählbarkeit (Electability) gestellt. In einem Werbevideo stellte sie die Frage: „Wollt ihr nicht eine, die gewinnen kann? Haley gewinnt, Trump verliert“ (nytimes.com, 19.1.2024: „Can ‚Electability’ Save Nikki Haley?”).

 

Ein wenig am demokratischen Prozess schnippeln

Nachdem Trump am 23.1.2024 in New Hampshire gewonnen hatte, teilte David Bossie, ein enger Vertrauter des früheren Präsidenten und Mitglied des Republican National Committee (RNC) in einem Fernseh-Interview mit, er wolle in der nächsten Sitzung des RNC einen Resolutionsentwurf einbringen mit dem Ziel, Donald Trump zum „Mutmaßlichen Kandidaten“ („presumptive nominee“) der Republikner zu erklären. Die Annahme dieser Resolution hätte zwar keine Auswirkungen auf die weiteren Primaries gehabt, denn diese werden von den einzelnen Bundesstaaten ausgerichtet. Im Endeffekt hätten diese weiteren Primaries für die GOP-Kandidaten aber keine Bedeutung mehr. In der Folge gab es darüber eine Partei interne Diskussion und insbesondere Nikki Haley und ihre Unterstützer kritisierten diese Absicht. Parallel zu dieser Diskussion wuchs der Druck auf Haley, ihre Kampagne zu beenden, was zum gleichen Ergebnis wie die angekündigte Resolution führen würde: Trump wäre der einzige verbliebene Bewerber um die Kandidatur der Republikaner. Die New York Times berichtete zu all dem, dass die Trump-Kampagne alles daransetze, die Phase der Primaries so bald als möglich zu beenden um Geld für den kommenden Hauptwahlkampf zu sparen. Erwähnt wurden in der NYT in diesem Zusammenhang auch Trumps rapide wachsende Anwaltskosten. Doch schließlich meldete sich Trump auf seiner Plattform Truth Social zu Wort und sprach sich im Interesse der Einheit der Partei dafür aus, die geplante Resolution nicht weiter zu verfolgen und in „alter Art“ weiterzumachen. David Bossie zog darauf den Resolutionsentwurf zurück. (nytimes.com, 25.1.2024:  „Trump Ally Withdraws Plan for a G.O.P. Resolution to Move Past Haley“).

 

Die Republikaner im Kongress schließen die Reihen hinter Trump

Wie sollte oder muss sich ein republikanischer Senator oder ein republikanisches Mitglied des Repräsentantenhauses nach Trumps Siegen in Iowa und New Hampshire verhalten, vor allem diejenigen, die bisher zu Trump auf Distanz gegangen waren? Als haushoher Favorit der republikanischen Basis, mit der Chance, wieder Präsident zu werden, hat er auch die Macht über die politische Zukunft von Senatoren oder Kongressabgeordneten zu entscheiden. Ein hoch interessanter Bericht der New York Times gibt Aufschluss darüber, wie rasch sich auch die letzten Trump-Kritiker im Senat und Repräsentantenhaus hinter Trump versammelten oder sich ohne Wenn und Aber einordnen mussten.

Die NYT nennt dazu Beispiele:

Senator John Thune aus South Dakota, der bisher ein ausgesprochener Kritiker Trumps war, gab den Widerstand auf mit wohlgesetzten Worten: „Trump ist in einer entscheidenden Position und ich habe immer gesagt, „dass ich den Kandidaten unterstützen werde. Sollte er der Kandidat sein, werde ich tun was ich kann um dem Team zu helfen die Präsidentschaft zu gewinnen.“

Unverschnörkelt sagte Senator John Barrasso aus Wyoming, der sich im Stillen darum bemüht, die Führungsposition der Republikaner im Senat zu gewinnen: „Wir brauchen Donald Trump zurück im Weißen Haus.“

Einen schwierigen Eiertanz musste die Kongressabgeordnete Nancy Mace aus South Carolina aufführen. Sie hatte 2022 einen von Trump unterstützte Kandidaten – nicht zuletzt auch mit Nikki Haleys Hilfe aus dem Rennen geworfen. Nach dem 6.1.2021 hatte sie erklärt, damit seien alle Leistungen Trumps „ausgelöscht“ worden und war dafür von Trump als „großspurige Verliererin“ („a grandstanding loser“) bezeichnet worden. Um ihre politische Zukunft zu retten hatte Mace bereits im April 2023 auf eine entsprechende Frage erklärt: „Ich werde den Kandidaten unterstützen – das ist meine Antwort.“ Am Tag vor New Hampshire erklärte Nancy Mace, sie unterstütze „Trump for President“ und am 23.1.2024 erschien sie im Trump-Headquarters in Charleston, South Carolina zur Feier des „historischen Sieges von New Hampshire.“

Die Senatorin Susan Collins aus Maine gehört zu den wenigen, die standhaft blieben. Sie erklärte, sie werde Trump nie unterstützen und forderte Nikki Haley auf, im Rennen zu bleiben. 

Mitch McConnell, der Minderheitenführer der Republikaner im Senat – Trump belegt ihn regelmäßig mit dem Spottnamen „Alte Krähe“ („Old Crow“) – sagte Reportern vor der New Hampshire Primary lediglich, man beobachte New Hampshire mit großem Interesse. McConnell war Teil der kleine Gruppe führender Republikaner und Demokraten im Senat, die über Wochen hinweg den Kompromiss über die so unglücklich verschlungenen Fragen der weiteren Unterstützung der Ukraine (die Forderung der Demokraten) und einer schärferen Einwanderungspolitik (der Forderung der Republikaner) ausgehandelt hatte. Am 25.1.2024 beklagte McConnell in privatem Kreis den wachsenden Einfluss Trumps, der die Bemühungen um den Kompromiss schwieriger gemacht habe. Die Republikaner seien in einer Zwickmühle. McConnell selbst betrachtete den Einwanderungs-Deal für weniger wichtig als die militärische Hilfe für die Ukraine. Er erklärte am 25.1.2024, er bemühe sich zwar weiter um das Paket „Grenzsicherung/Ukraine“ aber ein Ergebnis sei weniger wahrscheinlich als noch im letzten Jahr, vor dem Sieg Trumps in den Vorwahlen. (In Wirklichkeit befinden sich nicht nur die Republikaner in einer Zwickmühle; die weltweite Glaubwürdigkeit der USA steht auf dem Spiel).

Die im Kongress zu entscheidenden Fragen – Migration und Grenzsicherung im Süden einerseits und die weitere Unterstützung der Ukraine andererseits – sind inzwischen von den Republikanern zu einem so festen Paket verschnürt worden, dass sie nur noch gemeinsam gelöst werden können. Der wieder erstarkte Donald Trump hat obendrein noch Öl ins Feuer gegossen: Hey, spart euch das Problem auf. Löst es nicht. Lasst mich die Lorbeeren für die Lösung des Problems später ernten“ wird er in der Süddeutschen Zeitung zitiert. Für Trump geht es dabei nicht um außenpolitische oder geo-strategische Fragen, für ihn geht es um den Wiedereinzug ins Weiße Haus und er setzt dafür alles auf eine Karte. Lasst meinen wahrscheinlichen Gegner Joe Biden und die Demokraten keinen Stich machen – egal was es für Folgen haben mag. Kompromisse waren zwar oft ein fester Bestandteil amerikanischer Politik wer jedoch gegenwärtig einen Kompromiss mit den Demokraten anstrebt, ist bei den Republikanern verdächtig geworden. Dass in der Ukraine zwischenzeitlich die Munition knapp wird, nimmt Trump offenbar in Kauf. Ein Höhepunkt in dieser Auseinandersetzung – nicht nur zwischen den beiden Parteien sondern nun auch zwischen Teilen der Republikaner im Senat und den „Freunden“ im Repräsentantenhaus wurde erreicht, als am 27.1.2024 Mike Johnson, der Speaker of the House erklärte, falls die Gerüchte über einen Kompromissentwurf im Senat zuträfen, dieser bei der Ankunft im Repräsentantenhaus „tot“ sei. Als Speaker of the House entscheidet Johnson, was ins Plenum des Repräsentantenhauses kommt. Ende Januar 2024 kannte er die Details des Senatskompromisses noch nicht, er sprach von „Rumors“ (Gerüchten).  Johnson ist kein Außenpolitiker, aber ein absoluter Trump-Unterstützer.

Was all dies bedeutet, beschreibt Viet Shelton, die Sprecherin des Democratic Congressional Campaigne Committee so: „Donald Trump hat es angekündigt als er sagte, dass die Republikaner überall im Land alle „auf die Knie“ fallen und ihm die Treue schwören – ganz gleich wie toxisch er ist. Nun sehen wir in Echtzeit, wie die Parteiführung überall im Land die Kandidaten zwingt, ins Glied zu fallen.“

Am Freitag, 26.1.2024, griff Präsident Biden in die Auseinandersetzung ein um die überparteiliche Kompromisslösung aus dem Senat zu retten, die als Folge des Trump’schen Vetos im Repräsentantenhaus für „tot“ erklärt wurde. Biden schrieb an die Verhandler im Senat und sicherte zu, die Einwanderung über die Grenze zu Mexiko sofort zu stoppen, falls ihm der Kongress die Grundlage dafür liefert. „Was ausgehandelt wurde – sollte es zum Gesetz werden – führte zu den strengsten und fairsten Reformschritten (in der Migrationspolitik), die wir je in unserem Land hatten. Damit erhalte ich als Präsident die Möglichkeit, die Grenze zu schließen, wenn sie überrannt wird. Und wenn ich diese Rechtsgrundlage erhalte, werde ich sie noch an dem Tag nutzen, an dem ich das Gesetz unterschrieben habe.“

Nach dem ausgehandelten Kompromiss hätte Biden in der Tat keine andere Wahl. Der Kompromiss verpflichtet die Bundesverwaltung unter anderem dazu, die Grenze für nicht berechtigte Einwanderer zu schließen, wenn am Tag mehr als 5 000 Personen versuchen, die Grenze ohne Erlaubnis zu überschreiten.  Diese Schwelle wurde in den letzten Monaten permanent überschritten. (Quellen: nytimes.com, 24.1.2024: „After Early Primary Victories, Republicans in Congress Fall in Line Behind Trump“; nytimes.com, 25.1.2024: “Trump Strengthens Grip on Capitol Hill as He Presses Toward Nomination”; nytimes.com, 26.1.2024: “Biden Vows Border Shutdown, Pressing Congress to Pass Immigration Deal”; sueddeutsche.de, 26.1.2024: “Der Grenzfall der Republikaner”).

Trumps Blockade-Haltung, die er den Republikanern im Repräsentantenhaus als Marschrichtung aufgetragen hat, deutet darauf hin, dass er die Lang an der Grenze zu Mexiko chaotisch halten will, um davon im Wahlkampf zu profitieren. Damit kümmert ihn und seine Unterstützer im Kongress offenbar wenig, dass die Ukraine in Gefahr steht, wegen der nicht mehr fließenden Hilfe der USA von den Russen überrannt zu werden. 

Dieser Verpflichtung des Präsidenten zuzustimmen, unter bestimmten Umständen die Grenze zu Mexiko zu schließen, dürfte manchem Demokraten im Repräsentantenhaus nicht leicht fallen. Auf der anderen Seite wird manchem Republikaner – aus welchen Gründen auch immer – die Zustimmung zu weiterer Unterstützung der Ukraine schwer fallen. Die nun über Parteigrenzen hinweg im Senat gefundene Lösung ist – bzw. wäre – der klassische Weg, mit einem Kompromiss die Kuh vom Eis zu bringen. Doch Donald Trump und seine Leute wollen dies nicht. Mike Johnson, der Speaker of the House, der die Macht hat, über den Kompromiss im Repräsentantenhaus nicht abstimmen zu lassen, lädt mit Blick auf das mögliche Schicksal der Ukraine große Verantwortung auf seine Schultern.  Bereits jetzt – noch lange vor einer evtl. Wahl Trumps am 5.11.2024 – wird deutlich, was es bedeuten könnte, sollten er und seine MAGA-Leute wieder ins Weiße Haus einziehen. Ihr erstes Opfer könnte die Ukraine sein, denn die Ansage Trumps, den Ukraine-Krieg innerhalb eines Tages zu beenden, lässt nur zwei mögliche schlimme Deutungen zu: Sie ist entweder naiv oder für alle Beteiligten, insbesondere für die Ukraine brandgefährlich. 

Das weitere Schicksal der Vorlage aus dem Senat ist ungewiss: Vom 17.2. - 28.2.2024 befand sich das Repräsentantenhaus in den Winterferien. Die Demokraten wollten anschließend eine Abstimmung über die Ukrainehilfe mit einem selten genutzten Verfahren erzwingen. Dazu sind 218 Unterschriften unter eine entsprechende Petition erforderlich, die Demokraten im Repräsentantenhaus erreichen dieses Quorum nicht, brauchen dazu also Unterstützer aus der republikanischen Fraktion. Ein Vabanque-Spiel, mit dem Sammeln der Unterschriften kann erst nach den Ferien, ab dem 1.3.2024 begonnen werden  (sueddeutsche.de, 24.2.2024: „US-Demokraten wollen Abstimmung über Ukraine-Hilfe erzwingen“). Bisher ohne Ergebnis.

 

Der Wahlkampf wird hässlicher

Inzwischen nimmt nicht nur Donald Trump seine Kontrahentin Nikki Haley aufs Korn, auch seine Unterstützer überschwemmen das Internet mit Material aus den unteren Schubladen. Die New York Times berichtet über Posts, in denen Haley als Shiva, die indische Göttin der Zerstörung dargestellt wird. In hässlicher Art und Weise wird dabei auf ihre Abstammung aus einer indischen Einwandererfamilie angespielt. Andere Internet-Trolle benutzen Fälschungsprogramme in denen gezeigt wird, wie sie angeblich mit Wählern streitet, und noch andere giften gegen ihren Sohn, einen jungen College-Studenten. 

Ursprünglich waren Trumps Trolle auf Ron DeSantis angesetzt und nahmen kaum Notiz von Haley: „Nachdem jedoch Ms. Haley die letzte Kontrahentin ist, hat sich die Maschine in ihre Richtung gedreht.“ Die Posts werden mit rassistischen und sexistischen Inhalten aufgeladen. Haley wird verleumdet, weil sie einmal gesagt hat, sie werde verspottet weil sie „braun“ sei. Und es gibt immer wieder die falsche Behauptung, sie könne nicht Präsidentin werden, weil ihre Eltern Einwanderer sind. Am meisten beunruhigend – so die New York Times sei obszönes Material, das mittels künstlicher Intelligenz hergestellt wurde und ihre Stimme und ihr Auftreten manipuliert. Hierbei gehe es nicht mehr um politische Kritik sondern darum, die Opponentin als jemand mit loser Moral darzustellen. „Einige Posts wurden von einem Team hergestellt, das sich „Trump’s Online War Machine“ nennt“ (nytimes.com, 22.2.2024: Pro-Trump Internet Trolls Escalate Ugly Attacks on Nikki Haley“).

(Ich frage mich, wer solche Online-Trolle fördert oder gar finanzielle unterstützt. Und was ist, wenn – entsprechend der Erfahrung, dass wenn in den USA „etwas Neues“ erfunden wird, dies nach kurzer Zeit auch nach Europa kommt – diese Art von Wahlkampf auch bei uns geführt wird?).

 

Hat Nikki Haley noch eine Chance?

Nach den Niederlagen in Iowa und New Hampshire hat Nikki Haley mitgeteilt, ihre Kampagne sei noch lange nicht zu Ende. Ihr nächstes Ziel sei ihr Heimatstaat South Carolina, wo sie 2011 - 2017 Gouverneurin war. Doch welchen Sinn macht dies? Hat Haley noch eine Chance, gegen Donald Trump das Rennen um die republikanische Kandidatur zu gewinnen? Zum Aufstieg und Niedergang von Haley in diesem Rennen gibt es zwei Erzählungen: Eine völlig pessimistische und eine nicht ganz so pessimistische. Doch am Ende beider Erzählungen steht das gleiche Ergebnis. Verschiedene Kommentatoren der New York Times untersuchten Haleys Lage in den kommenden Wochen und das ist ihr Schluss: Sie ist früher oder später „draußen.“ 

Frank Bruni schreibt: „Nikki Haley war eine Illusion. Sie wurde soeben zertrümmert.“ Charles M. Blow formulierte etwas weicher: „Haley kann Trump nicht schlagen aber sie kann ihn stechen.“  Ähnlich sieht es inzwischen wohl auch Trump.  Frank Bruni schließt aus verschiedenen Aussagen Trumps, die er vor der Entscheidung in New Hampshire machte, dass er zunächst nervös geworden war: „Seine weitschweifigen Aussagen wurden noch exzentrischer.“  Nachdem er Haley mit Nancy Pelosi verwechselt hatte, giftete Haley zurück, sie habe längst Kompetenztests für Politiker über 75 gefordert. Doch in der Siegesansprache am 23.1.2024 war Trump wieder der Alte und übergoss Haley und ihr blaues Kleid mit Hohn und Spott.

Wie die inzwischen ausgeschiedenen Trump-Kontrahenten hat auch Nikki Haley (bis jetzt) kein wirksames Rezept gefunden, wie sie mit Donald Trump umgehen sollte. „Trump wird nicht einfach verschwinden, er muss besiegt werden“, schreibt Charles M Blow. „Doch Haley kann ihn nicht besiegen, weil sie zu einem zentralen Problem keine Antwort fand: Sie braucht die Unterstützung einer Wählergruppe, die ihm religiös zugetan ist.“ Seine Gerichtsprobleme hat sie bisher in ihrem Wahlkampf kaum angesprochen. Noch immer bewegt sie sich auf einem schmalen und tückischen Grat: Sie muss einen Ansatz finden mit dem es gelingt, Trumps Vereinnahmung des nahezu gesamten republikanischen Wählerpools aufzubrechen ohne diese Wählerinnen und Wähler am Ende total gegen sich zu haben. Sie hat ihre Jabs auf Trump verstärkt und ihre Spender sind offenbar zufrieden und unterstützen sie weiterhin. Vielleicht um sich auch selbst wieder Mut zu machen, beschrieb sie am 27.1.2024 ihren Fans bei einer Wahlveranstaltung in Mauldin, South Carolina, Trumps Nervosität angesichts ihrer steigenden Prognosezahlen in New Hampshire mit dramatischen Worten: „Er war total aus dem Gleichgewicht – ja, aus dem Gleichgewicht.  Er hat ein wenig empfindlich reagiert und ich denke, er fühlt sich sogar verletzt, und dann inszenierte er einen Wutanfall auf offener Bühne.“

Doch die weiteren Nadelstiche Haleys dürften Trump nicht sonderlich schaden. Sie sprach wiederholt das höhere Alter der voraussichtlichen Gegner an --  Biden (81) und Trump (77) – und dies führe bei beiden zu kognitiven Defiziten. Und sie greift auch Trumps Tiraden gegen sie auf und merkt an, ein zerstreuter Präsident sei genau das, auf was die Gegner im Ausland warten.

Gute Angriffsmöglichkeiten für Niki Haley hätten die beiden Verurteilungen Trumps in Sachen Jean Caroll bieten können, doch Haley hat sie kaum genutzt. Trump war bereits im Frühjahr 2023 von einer Jury in New York wegen sexueller Belästigung der Autorin Jean Caroll zu einer Entschädigungszahlung von 5 Millionen Dollar verpflichtet worden. Nach diesem Urteil war Trump mit Social-Media-Posts gegen Caroll übel zu Feld gezogen und diese war mit einer Verleumdungsklage erfolgreich und Trump wurde am 26.1.2024 zu einer Schadenersatzzahlung von 83,3 Millionen Dollar verurteilt.  Gegen beide Urteile haben Trumps Anwälte Berufung eingelegt. Doch, wie erwähnt: Nikki Haley machte aus diesen beiden Vorlagen für einen Angriff auf die moralischen Schwächen des Kontrahenten nicht viel. Nicht etwa aus nobler Zurückhaltung, sondern weil es das bestehende Trump-Dilemma einfach nicht zuließ. „Ich vertraue der Jury und denke, dass sie ihre Entscheidung auf der Grundlage der Beweise getroffen hat“ sagte Haley. (Quellen: nytimes.com, 24.1.2024: „Nikki Haley Was an Illusion. It Just Shattered.”; Gastbeitrag von Frank Bruni; nytimes.com, 24.1.2024: Charles M. Blow: “Haley Can’t Beat Trump, but She Can Sting Him”; nytimes.com, 28.1.2024: “Haley’s Dilemma: How to Diminish Trump Without Alienating Republican Voters”; sueddeutsche.de, 27.1.2024: “Trump muss 83 Millionen Dollar wegen Verleumdung zahlen”).

Am 16.2.2024 griff Haley die rechtlichen Probleme Trumps bei einer Veranstaltung in San Antonio, TX noch einmal auf – aber wiederum recht „zahm“.  Trump hatte sich zuvor darüber beklagt, dass er mehr Zeit im Gerichtssaal verbringe als im Wahlkampf. Dazu Haleys Anmerkung: „Aber lasst mich dazu sagen, was wir tun. Wir sind auf Wahlkampf-Tour“ (nytimes.com, 18.2.2024: „Haley Says She Is Going to Distance Against Trump. Here’s Her Plan”).

Jedoch erst wenige Tage vor den South Carolins Vorwahlen wurden sie richtig deutlich. Am 20.2.2024 gab sie in Greenville, S. C. bekannt, egal was in South Carolina herauskomme, sie werde weitermachen und um die republikanische Kandidatur kämpfen. „Ich habe keine Angst vor Trumps Rache. Ich erwarte nichts von ihm. Meine eigene politische Zukunft spielt keine Rolle … Es gibt keinen Grund für mich, den Ring zu küssen.“ Die New York Times vermerkte dazu in ihrem Bericht, dies sei wohl die kraftvollste Ansprache seit Beginn ihrer Kampagne vor einem Jahr gewesen. Sie beschrieb sich als David im Kampf gegen Goliath, aber sie kämpfe nicht nur gegen einen „Größeren“ sondern auch für eine größere Sache. Ihren republikanischen Parteifreunden warf sie vor, sich nun öffentlich um Trump zu scharen und ihn im privaten Kreis zu fürchten. Sie hätten Angst darüber zu sprechen, obwohl sie wüssten, dass er „eine Katastrophe“ für die Partei war. Amerika verdiene eine Alternative und „keine Wahl im Sowjet-Stil, bei der es nur einen Kandidaten gibt und der dann 99 Prozent der Stimmen erhält.“ Und schließlich der direkte angriff auf Trump: „Wir krönen in diesem Land keine Könige. Wir haben Wahlen. Und vor allem Donald Trump sollte wissen, dass wir die Wahlen nicht manipulieren“ (nytimes.com, 20.2.2024: „Haley Says She Is Not Dropping Out:  ‚I Feel No Need to Kiss the Ring“).

Diese klaren Worte mögen wenige Tage vor der South Carolina Primary zu spät gekommen sein; Haley hat auch South Carolina verloren  -- Einzelheiten dazu später. Vor der Abstimmung hatte ich geschrieben: „Am 24.2.2024 steht in der Schlacht Haley ./. Trump in South Carolina der Show Down an, und die Aussichten für die frühere Gouverneurin dieses Bundesstaates sind nicht gut“. Sie brauche nun dringend die Unterstützung aus der oberen Parteiebene, doch davon gebe es wenig, schrieb die New York Times. Henry McMaster, ihr Stellvertreter, damals als sie Gouverneurin war, unterstützt seit langem Donald Trump. Und auch der Senator Tim Scotter war vorübergehend selbst ein Bewerber um die Kandidatur – und auch die Kongressabgeordnete Nancy Mace sind zu Trump übergelaufen. Nancy Mace sagte nach dem Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021, Trump müsse für den Aufruhr zur Rechenschaft gezogen werden. Sie ist nicht die Einzige, die sich daran nicht mehr erinnert. „The good ol’ boys have never liked her“ – „Die guten alten Jungs haben sie nie gemocht“, beschrieb Nathan Ballantine, ein Abgeordneter im Landesparlament und guter Freund Haleys das Verhältnis der GOP-Führung in South Carolina zur früheren Gouverneurin. 

Sie hat es nach ihrem Weggang wohl auch versäumt, Verbindungen zu halten. „Sie war gut für die Wirtschaft aber nicht besonders gut bei der Pflege von Verbindungen“, wird Chip Felkel, ein langjähriger politischer Berater der Republikaner und Kritiker Trumps in der NYT zitiert. „Sie hat vergessen, wer ihr dabei half.“ Als Tochter indischer Einwanderer widersetzte sich Haley den Erwartungen der im „Tiefen Süden“ verwurzelten alten Garde und hat bei der früheren Kandidatur für das Landesparlament und für den Gouverneursposten manche weit besser bekannten Republikaner ausgestochen. Allerdings hatte sie die Wiederwahl zur Gouverneurin haushoch gewonnen. „Ein Meteorgleicher Aufstieg“, steht dazu in der New York Times. Haleys Kampagne verkauft inzwischen T-Shirts mit dem Aufdruck: „Underestimate Me,  That’ll Be Fun“ – „Unterschätzt mich, das wird lustig“. 

„Nikki“ war stets die Outsider-Kandidatin, die gegen die politischen Insider antrat“, sagte der Sprecher ihrer Kampagne. Als sie zum ersten Mal für einen Sitz im Landesparlament antrat, warf sie in der Primary Larry Koon, das damals dienstälteste Parlamentsmitglied in Columbia, S. C. aus dem Rennen. Koon und seine Unterstützer haben sie damals Nimrata N. Randhawa“ genannt und Trump hat diese rassistische Verleumdung wieder aufgegriffen. Larry Koon hat damals gegen sie verloren. Ob es gegen Trump wieder klappen wird, ist alles andere als sicher.

In älteren Prognosen führte Trump mit mehr als 30 Punkten; in einer Umfrage aus der Zeit vor Iowa lag er mit 29 Punkten vor Haley, Bei den Wahlen 2016 und 2020 hatte Trump in South Carolina haushoch gewonnen. Inzwischen hat er eine ganze Liste mit den Namen republikanischer Abgeordneter des Landesparlaments und der Verwaltung, die ihn unterstützen. Dabei operierte die Trump-Kampagne mit einer zweifachen Botschaft: 

  • Der frühere Präsident könnte ihre politische Kariere unterstützen, falls sie ihn unterstützen;
  • falls sie sich verweigern, können sie keine Gunst erwarten.

Am 24.1.2024 veröffentlichte die Trump-Kampagne eine Liste mit 158 Namen von Unterstützern aus den verschiedensten Bereichen der Legislative und der Verwaltung. Für einigen auf der Liste sei es dabei wahrscheinlich um reine Politik und nicht um eine Abneigung gegen Ms. Haley gegangen, sagte Josh Whitley, ein County Commissioner in der Umgebung von Charleston und ein Verbündeter von Nancy Mace, die ebenfalls eine Wahlempfehlung für Trump abgegeben hat. Mace selbst kommentierte dies nicht, sagte jedoch: „South Carolina mag Nikki Haley, aber es liebt Donald Trump“ (nytimes.com, 26.1.2024: „Why Nikki Haley Has So Few Friends Left in South Carolina Politics“). 

Donald Trump hat im Verlauf der Vorwahlen gegen Nikki Haley noch ein schwerwiegendes Argument im Köcher: Solange Haley im Rennen bleibt, sind seine Kräfte, seine Zeit und seine Finanzmittel in diesem Vorwahlkampf gebunden und er kann nicht mit aller Kraft gegen den erwarteten Gegner Joe Biden ins Feld ziehen. Damit hilft Haley – so die mögliche Argumentation – indirekt dem politischen Gegner, Biden und den Demokraten. Ähnlich sieht es auch Charles M. Blow von der New York Times wenn er schreibt: „je länger sie im Rennen bleibt, desto mehr schadet sie Trump.“ Kein Wunder, dass Trump Haley angreift und aus allen Rohren schießt. Er mokiert sich über ihre Kleidung, nennt sie „Spatzenhirn“ und sagt, sie sei beinahe so etwas wie eine „radikale linke Demokratin“. 

Und über all diesem Hin und Her – so argumentiert Charles M. Blowleiste Haley dem Land am Ende womöglich einen Dienst: „Die Erinnerung der Wähler daran, dass Trump ein Chaos-Agent von höchsten Graden sei, der die Nation durch eine schwindlig machende Serie von Prüfungen führt, die Stärke unserer Institutionen testet und auch unsere Fähigkeit, seinen anti-demokratischen Angriffen zu widerstehen.“  

Bei der Primary in South Carlonia am 24.2.2024 steht bzw. stand für Haley Ende Januar alles auf dem Spiel. Falls nicht etwas Außergewöhnliches passiert, ist sie draußen, es sei denn, ihre Großspender wie etwa die Gebrüder Koch in New York bleiben an Bord. Sollten die Spender aussteigen, dürfte Haley über kurz oder lang aus dem Rennen sein. 

 

South Carolina Primary der Republikaner am 24.2.2024

 

       Das Ergebnis:   Donald J. Trump                   59,8 %

                                  Nikki Haley                               39,5 %

                                 Ron DeSantis                              0,4 %

                                                        (95 % der Stimmen ausgezählt)

 

Die New York Times meldete das Ergebnis unter der Überschrift: „Trump besiegt Haley in ihrem Heimatstaat mit vernichtendem Schlag.“ Das Ergebnis war zwar so oder ähnlich erwartet worden, doch über Haleys Auftritt danach lag eine gewisse Spannung: „Unser Land wird auseinander fallen falls wir die falschen Entscheidungen treffen. Es ging nie um meine politische Zukunft. Wir müssen Joe Biden im November schlagen.“ Und dann hielt das Publikum den Atem an, schreibt die NYT. Ihr trister Gesichtsausdruck ließ für einen Augenblick vermuten, sie werde sich vom Rennen zurückziehen. Doch dann erklärte sie, trotz der ernüchternden Aussichten weiterzumachen. Sie wolle die Stimme der Amerikaner sein, die nach einer Alternative zu Präsident Biden und dem früheren Präsident Trump suchen. Haley kündigte an, nach Michigan weiterzureisen, wo am 27.2.2024 die Vorwahlen stattfinden und anschließend bis zum Super Tuesday kreuz und quer im Land Wahlkampf machen. Am Dienstag, 5.3.2024 werden in 16 Bundesstaaten und in einem US-Territorium die Vorwahlen stattfinden. Dabei wird ein Drittel der Delegiertenstimmen des Nominierungsparteitags der Republikaner vergeben, Haleys Courage ist zu bewundern, denn sie muss nicht nur die bisherigen Niederlagen verarbeiten sondern auch den Druck der Trump-Kampagne und großer Teile der Republikanischen Partei, die sie drängen, ihre Kampagne einzustellen. Trump hatte in seiner Siegesrede erklärt, er habe die Republikanische Partei noch nie so geschlossen gesehen wie jetzt. In dieser Aussage mag viel Zweckoptimismus stecken, denn bis zum 5.11.2024 ist es noch weit und es ist schwer vorhersehbar, was in den gegen ihn laufenden Gerichtsverfahren geschieht. David Kochel, ein Trump-Gegner und seit langem ein Stratege in der GOP prophezeite vieldeutig: „Die Partei wird fertig sein mit Trump, wenn Trump mit der Partei fertig ist.“ (Quellen: nytimes.com, 24./25.2.2024: „South Carolina Primary: Trump Defeats Haley, Delivering a Crushing Blow in Her Home State“; nytimes.com, 24.2.2024: „Nikki Haley Forges Ahead Despite Another Loss: ‚I Am a Woman of My Word’“;nytimes.com, 25.2.2024: „After South Carolina, Trump’s March to the Nomination Quickens“).  

 

Wie Donald Trump South Carolina umgedreht hat

Im Kapitel „Hat Nikki Haley noch eine Chance?“ habe ich beschrieben, was seit ihrer Zeit als Gouverneurin in South Carolina geschah und was sie seither dort versäumt oder gar falsch gemacht hat. Aufschlussreich ist dazu ein umfangreicher Bericht der New York Times in dem beschrieben wird, wie Donald Trump den traditionell republikanischen Bundesstaat für sich erobert hat. Der NYT-Journalist Charles Homans berichtet beispielhaft aus Aiken, South Carolina, über den heute 85 Jahre alten Claude O’Donovan und seine Frau Sunny. O’Donovan hatte vor Jahren die örtliche Gruppe der Tea Party mitgegründet, jenen radikalen „Graswurzel-Flügel“ der Republikanischen Partei, der das Establishment in Washington verfluchte – auch das der eigenen Partei – und die Animositäten des rechten Flügels der GOP gegen den schwarzen Präsidenten Barack Obama anheizte.

Vier Jahre später flogen die ursprünglich skeptischen Tea Party Leute – und auch Nikki Haleyin die Arme des erstmals antretenden Donald Trump und seinem voll aufgeladenen Programm gegen Einwanderer, der Angst vor Veränderungen im Land und seinem inbrünstigen Hass gegen das Establishment.  Als Nikki Haley 2010 zum ersten Mal für das Amt der Gouverneurin kandidierte, hatte sie Claude O’Donovan zusammen mit weiteren Gästen nach Hause eingeladen, um sie den örtlichen konservativen Aktivisten von Aiken vorzustellen. „Wir verliebten uns in sie. Sie war ein Mädchen wie Dynamit“, sagt O’Donovan auch heute noch, doch im Bericht der New York Times wird dazu ergänzt, dass er und seine Frau bei der Primary am 24.2.2024 für Donald Trump stimmen werden: „Er verkörpert die Werte der Tea Party. Die stand für die Menschen und auch für meine, Trump steht für die Menschen“, sagt Sunny O’Donovan (84). Im NYT-Bericht zeigen die O’Donovans ein Foto Trumps mit seiner Unterschrift.

Die MAGA-Bewegung von 2024 hat die Tea Party von 2010 übernommen. Olivia Perez-Cubas, die heutige Sprecherin der Haley-Kampagne beschreibt die Entwicklung dieser Jahre so: „Nikki ist die Außenseiter-Kandidatin der Konservativen, genau wie damals, als sie für den Gouverneursposten kandidierte.“  Die Konservativen von South Carolina öffneten ihr Herz für die Tochter indischer Einwanderer und als Sarah Palin, damals Gouverneurin von Alaska, ein Endorsement für Haley aussprach, war das Rennen gelaufen. Im Laufe ihrer Amtszeit kühlte sich das Verhältnis zwischen der Tea Party und der Gouverneurin ab. Sie brach mit der Bewegung über eine umstrittene Steuervorschrift und blockierte darauf nicht die Inanspruchnahme von Bundesmittel im Zusammenhang mit dem Affordable Care Act (Obama Care).

Viele Anhänger der Tea Party vertraten die Vorstellungen der alten States Rights Bewegung (In der Zeit vor dem Bürgerkrieg bedeutete States Rights, dass die einzelnen Bundesstaaten gleichrangig neben der Bundesregierung stehen und berechtigt sind, deren Entscheidungen aufzuheben). Diese Vorstellungen wirken bis heute nach in der Auffassung, der Bürgerkrieg sei nicht in erster Linie um die Sklavenfrage ausgefochten worden. „Sie (die Tea Party Anhänger) scharten sich um die Flagge der Konföderierten, und als Haley diese Flagge nach der rassistischen „Massenschießerei“ in einer schwarzen Kirche in Charleston im Juni 2015 abnehmen ließ, war das Ende der Beziehung erreicht. Darüber hinaus gab es in South Carolina enttäuschte Mitglieder der Tea Party, die auf eine Anstellung in der Landesverwaltung gehofft hatten.

Trump sah in der früheren Tea Party natürliche Verbündete. Bei einer Konferenz der Tea Party im Januar 2015 in Myrtle Beach, S. C. sagte er: „Ich glaube, wir vertreten die gleichen Werte.“ Claude O’Donovan hatte 2016 nicht für Trump gestimmt. Als dieser jedoch sein Wahlkampfversprechen wahrmachte und konservative Richter für den Supreme Court ernannte, schwenkte er um: „Ich wurde ein ‚All-Trumper’ (ein 100-prozentiger Trump-Anhänger).

(Quelle: nytimes.com, 23.2.2024: „How Did Haley’s South Carolina Become Trump Country? Ask the Tea Party”; Bericht von Charles Homans).

  

Michigan Primaries am 27.2.2024 – Verschiedene offene Fragen

Die Ergebnisse (96 Prozent der Stimmen ausgezählt):

              Demokraten    Joe Biden                                81.1 %

                                         Uncommited                              13,2 %

                                         Marianne Williamson         2,9 %

                                         Dean Phillips                           2,7 %

 

              Republikaner   Donald Trump                       68,1 %

                                          Nikki Haley                            26.6 %

             (Quelle:  CNN)

 

Auf den ersten Blick scheint für die beiden Hauptkontrahenten alles wie erwartet gelaufen zu sein. Biden hat haushoch gewonnen und Trump hat Haley zum 6. Mal besiegt. Doch bei näherer Betrachtung gibt es offene Fragen: 

  • Was ist mit den 13.2 % der Stimmen bei den Demokraten, die ihr Kreuz bei „Uncommitted“ (nicht festgelegt, Enthaltung) gemacht haben?   
  • Warum erreichte Trump nur 68,1 % der Stimmen, hatte er doch einen Sieg mit 80 % Abstand erwartet?
  • Wann wird Nikki Haley aussteigen?

Michigan ist einer der sog. Swing States; Bundesstaaten, in denen beide Parteien gewinnen aber auch verlieren können. Im Jahr 2016 besiegte Donald Trump Hillary Clinton mit knapp 11 000 Stimmen Vorsprung.  2020 holte Joe Biden Michigan mit 154 000 Stimmen Vorsprung, die Demokratin Gretchen Whitmer wurde als Gouverneurin wiedergewählt und die Demokraten holten die Mehrheit in der Legislative. Bei den Republikanern gab es Ärger um den Parteivorsitz. Die bisherige Vorsitzende Kristina Karamo, eine stramme Trump-Unterstützerin, wurde in die Wüste geschickt und es brauchte am 27.2.2024 einer Gerichtsentscheidung, um ihre Absetzung zu bestätigen. Also Feuer unterm Dach der Republikaner.

Aber auch bei den Demokraten brennt es. Eine Initiative rief die Primary-Wählerinnen und Wähler auf, mit „uncommitted“ zu stimmen, aus Protest gegen die Gaza-Politik von Präsident Biden. Es waren vor allem arabischstämmige amerikanische Muslime, Studenten und progressiver Demokraten, die so ihre Unzufriedenheit kundtaten. Die Frage ist nun: Was wird in naher Zukunft im Gaza-Krieg geschehen? Und insbesondere auch: Werden die jetzigen „Uncommitted-Wähler“ beim Showdown zwischen Biden und Trump im November wieder zurückkommen? Eine ganz entscheidende Frage im Swing State Michigan, wo am 5.11.2024 jede Stimme wichtig sein wird. (Quellen: nytimes.com, 27.2.2024: „Trump Defeats Haley in Michigan, His Sixth Straight Victory”; nytimes.com, 28.2.2024: Michigan Primary Takeaways: ‚Uncommitted’ Makes Itself Heard“; Heilbronner Stimme, 29.2.2024: „Wähler verpassen Biden und Trump Denkzettel“).

Nikki Haley erklärte – wahrscheinlich zum großen Verdruss von Donald Trump – dass sie auch nach der Niederlage in Michigan weitermachen will, zumindest bis zum Super Tuesday – Dienstag, 5.3.2024, an dem in 16 Bundesstaaten etwa ein Drittel der Delegiertenstimmen für die Wahlparteitage der beiden Parteien vergeben werden. Was wird Nikki Haley nach dem Super Tuesday tun? Bret Stephens, ein Kolumnist der New York Times nennt zwei gegenläufige Punkte, die für ihre Entscheidung wichtig sein dürften:

  • Sie riskiert, in der GOP als Liz Cheney Typ abgestempelt und gar aus der Partei geworfen zu werden;
  • Sie wird von den Republikanern bewundert, die noch nicht bereit sind, die Partei zu einer Sekte werden zu lassen.

Ein weiterer Gesichtspunkt, den Stephens nicht genannt hat, dürfte hinzukommen: Wie lange wird ihr Geld reichen, um den Vorwahlkampf zu finanzieren?  Nach der Niederlage in ihrem Heimatstaat South Carolina teilt das Koch Network Americans „Americans for Prosperity Action“ mit, die Unterstützung für die Haley Kampagne  einzustellen; Angesichts der Herausforderungen in den kommenden Primary-Staaten glauben wir nicht, dass irgendeine Gruppierung von außerhalb noch materiell einen Weg zum Sieg eröffnen kann.“ (Quellen: nytimes.com, 27.2.2024; Bret Stephens: „Nikki Haley’s Last Ditch“; nytimes.com, 25.2.2024: “Months After Backing Haley, Koch Network Suspends Support for Her Campaign”).

 

Super Tuesday – 5.3.2024 – Ohne Überraschungen

„Etwa ein Drittel der Nation stimmte am Dienstag ab aber es gab wenig Dramatik”, schrieb die New York Time. „Der nicht zu bremsende Mr. Trump rollt weiter.“  Bei den Republikanern gab es in 15 der 16 Super Tuesday Bundesstaaten teilweise satte Mehrheiten für Trump. Nikki Haley, die letzte noch verbliebene Kontrahentin konnte nur das relativ kleine Vermont erbobern. Am 4.3.2024 hatte sie in Washington D. C. gewonnen doch bisher nur 94 Delegiertenstimmen (Stand 4.3.2024)  geholt. Trump lag nach dem Super Tuesday mit 1 066 Delegiertenstimmen so gut wie uneinholbar vorn. Zur Nominierung sind 1 215 Delegiertenstimmen erforderlich. Wie erwartet hat die Haley-Kampagne am 6.3.2024 aufgegeben.

Haleys Erfolge erscheinen auf den ersten Blick dürftig, doch bei näherem Hinsehen hat sie einige Schwächen Trumps aufgedeckt. Wichtig ist auch, sie hat beim Ausstieg ihren Wählerinnen und Wählern keine Empfehlung zu Gunsten Trumps abgegeben. „Es liegt jetzt an Donald Trump, die Stimmen der Wählerinnen und Wähler in unserer Partei zu gewinnen, die ihn nicht unterstützt haben und ich hoffe er wird dies tun.“ Dabei weiß sie, dass Trump damit vor einer schwierigen Aufgabe steht, sowohl was seine politische Agenda als auch was seinen persönlichen Stil betrifft. Die Haley-Unterstützer lassen sich durch unterhaltsame Fernsehauftritte nicht überzeugen, sie sind anspruchsvoller.

Bei den Vorwahlen in 16 Bundesstaaten am Super Tuesday erreichte Nikki Haley insgesamt 22 % der Stimmen. Auch dies klingt nach nicht sehr viel; außer in Vermont wurde sie von Trump teilweise haushoch geschlagen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild. Haley holte wesentlich höhere Stimmanteile in Counties mit relativ wohlhabender und moderater Bevölkerung mit höheren Bildungsabschlüssen. In 9 Counties mit Universitäten erreichte sie 56 %, in 5 Counties in Washington D. C. sogar 61 % der Stimmen. Schon bei der ersten New York Times / Siena-Umfrage im Juli 2023 erklärten 25 % der Republikaner, sie würden Trump nicht unterstützen. Ein kleiner Teil dieser Nicht-Trump-Wähler erklärte sogar, Trump in einer Wahl gegen Biden nicht zu unterstützen. Dies kann Trump in den Bundesstaaten verkraften, die er haushoch holen wird, etwa im tiefen Süden. Zum Problem für Trump können diese Never Trumper jedoch in den Swing States werden.

 

Bis zum 5.3.2024 gab es in zwei dieser Swing States folgende Ergebnisse:

 

                  Bundesstaat                                  Trump                        Haley

                  Michigan    (24.2.2024)                    68,1 %                       26,6 %

                  North Carolina  (5.3.2024)              73,9 %                       23,3 %

 

In weiteren Swing States – Wisconsin und Georgia – wurde am 12.3.2024 abgestimmt. Doch zu dem Zeitpunkt war Haley bereits ausgestiegen, sodass die Zahlen dort keine eindeutigen Schlüsse mehr zulassen.

Die entscheidende Frage wird sein, wie sich die Trump-kritischen Republikaner am 5.11.2024 verhalten werden. Wahrscheinlich wird der größere Teil für Trump stimmen und  manche werden nicht zur Wahl gehen. Aber wie viele kann Biden zu sich herüberziehen? 

Dazu vermerkt die New York Times: „Diejenigen, die dazu bewegt werden können, sich von ihm (Trump) abzuwenden, könnten die kritische Masse für Bidens Wiederwahl sein.“ Joe Biden hat bereits entsprechend reagiert: „Donald Trump hat klar gemacht, dass er mit Nikki Haleys Unterstützern nichts anfangen kann. Ich möchte es klar sagen: In meiner Kampagne ist Platz für sie“ (nytimes.com, 5./7.3.2024: „Haley Cedes Republican Race to Trump, but Does Not Endorse Him“;  nytimes.com, 7.3.2024: „Where Nikki Haley Won and What It Means“).

Wie die Trump- kritischen Haley-Unterstützer mit dieser Einladung umgehen werden, ist schwer vorhersehbar. Der NYT-Kolumnist David French hat Trumps Absage an die Haley-Unterstützer und Bidens Einladung aufgegriffen und weitere Hintergründe erläutert. Trump hatte auf seiner Social Media Seite Truth Social verkündet, dass jeder, der an Haley eine „Zuwendung“ gemacht hat, auf Dauer aus der MAGA-Bewegung ausgeschlossen wird. Biden agierte geschickter. Er räumte zwar Meinungsverschiedenheiten mit Haley ein, sprach sich aber dafür aus, dass die übereinstimmenden Auffassungen über Demokratie, Anstand, Rechtsstaatlichkeit und die Unterstützung der NATO die Haley-Wähler gegen Trump vereinen sollte. Würde tatsächlich eine größere Anzahl Haley-Konservativer für Biden stimmen? French schreibt dazu: „In normalen Zeiten wäre die Antwort ‚Nein’“. Jedoch – und damit geht French davon aus, dass die Zeiten nicht normal sind – in der Trump-GOP haben traditionelle Konservative in naher Zukunft nur die Wahl: „sich fügen oder austreten“.

David French nennt dazu die sicherheitspolitischen Vorstellungen Trumps: „Abgesehen von der offensichtlichen Missachtung der Demokratie dürfte sein Schwäche im Ukraine-Konflikt und seine Feindseligkeit gegenüber amerikanischen Verbündeten die größte Gefahr einer zweiten Amtszeit sein mit schwerwiegenden historischen Konsequenzen, vergleichbar mit jenen des amerikanischen Isolationalismus vor dem Zweiten Weltkrieg.“ Darüber hinaus nennt French jedoch eine Reihe von innenpolitischen Themen, die es Konservativen schwer machen, das Lager zu wechseln – dazu gehöre insbesondere das Thema Abtreibung. Zur Wahl steht aber auch ein Kandidat der GOP, gegen den zweimal ein Impeachmentverfahren eingeleitet wurde, der viermal strafrechtlich angeklagt ist, der der sexuellen Belästigung schuldig gesprochen wurde und anschließend sein Opfer noch diffamiert hat. Ein Mann auch, der zum Sturm auf das Kapitol aufgerufen und dazu zumindest taktische Unterstützung gegeben hat. Wie schwer werden die Haley-Republikaner diese Punkte Donald Trump anlasten?    

Abschließend nennt French noch einmal das außenpolitische Argument: Die Demokraten sind härter gegenüber Russland. Doch die die Frage wird sein, ob die Konservativen diese Gesichtspunkte in Erwägung ziehen? (nytimes.com, 10.3.2024; David French: „Why Haley Voters Should Support Biden“).

Einen Nachruf auf Niki Haley zu schreiben halte ich nicht für angebracht. Sie hat keinen Scherbenhaufen hinterlassen, wie etwa Ron DeSantis. Sie hat sich wacker gegen die Übermacht Trumps geschlagen und ist selbstbewusst und anständig aus dem Rennen ausgestiegen, „ohne Trump den Ring zu küssen.“  Sie ist jetzt 52 Jahre alt und hat 2028 eine neue Chance, wobei schwer vorhersehbar ist, was in und mit der Republikanischen Partei bis dahin geschieht. Im aktuellen Wahlkampf erlebte sie das Dilemma aller Trump-Opponenten: Wie kann man dem umstrittenen früheren Präsidenten entgegentreten ohne es von vornherein mit seinen Fans zu verderben? Vielleicht hätte sie früher auf Angriff schalten sollen. „Anti-Trumpers meinten, dass ich ihn nicht genug hasse – Pro-Trumpers meinten, dass ich ihn nicht genug mag“, beschrieb sie dieses Dilemma (nytimes.com, 27.12.2023: „Nikki Haley’s Bold Strategy to Beat Trump:  Play It Safe“).   

Thomas Spang beschreibt Nikki Haley in der Heilbronner Stimme als eine „erzkonservativen Republikanerin“. Was ist darunter zu verstehen?  Innenpolitisch konzentrierte sie sich im Wahlkampf auf traditionelle republikanische Schwerpunkte: Sparsamkeit und Schuldenabbau, nationale Sicherheit und Grenzsicherung. Den Unterschied zu Trump beschrieb sie so: „Er ging nach Washington mit dem Versprechen, weniger auszugeben aber er stimmte für die Aufhebung der Schuldenobergrenze“. In ihren Reden ließ sie immer wieder vorsichtig durchklingen, dass sie – eine Tochter indischer Einwanderer – die einzige Frau im Bewerberfeld der Republikaner sei. Doch darin steckte auch für sie das kaum lösbare Problem der amerikanischen Konservativen, wenn es um die Abtreibungsfrage ging. Sie plädierte immer wieder für einen breiten Konsens, was ihr den Vorwurf von der konservativen Seite einbrachte, sie unterstütze neue Verbotsvorschriften zu wenig, während ihr die Demokraten vorwarfen, extreme Abtreibungsverbote zu fördern. Die Republikaner stehen hier von zwei Seiten unter Druck und können diesem auf längere Sicht nicht entkommen, da die oft heiklen medizinischen Fragen nur von den betroffenen Frauen mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu lösen sind. 

Mit diesem für Republikaner komplexen Problem hat auch Trump zu kämpfen. Er versucht, bei der konservativen Pro Life Bewegung mit dem Hinweis zu punkten, dass die von ihm ernannten drei konservativen Mitglieder des Supreme Court die Aufhebung des Rechts auf Abtreibung ermöglicht haben.  Andererseits wirft er jedoch Ron DeSantis vor, das in Florida verabschiedete Gesetz, das eine Abtreibung ab der sechsten Schwangerschaftswoche verbietet, falsch sei.  Die Abtreibungsfrage wird bei der Wahl am 5.11.24 eine wichtige Rolle spielen. 

Außenpolitisch unterscheiden sich die Vorstellungen Haleys von denen der Trump-MAGA-Unterstützer gravierend. Sie hält die NATO und die weitere Unterstützung der Ukraine für einen wichtigen Teil der amerikanischen Sicherheitspolitik. Als die Republikaner im Dezember 2023 den Gesetzentwurf zur Unterstützung der Ukraine im Repräsentantenhaus blockierten und es auf einmal erschien als müsse zwischen der Ukraine oder der Grenzsicherung entschieden werden, taktierte sie vorsichtig und kritisierte sowohl Biden als auch die Republikaner: Es würden die falschen Alternativen gesetzt. Die Ukraine wurde plötzlich zum Projekt der Demokraten, die Grenzsicherung zur Priorität der Republikaner. Haley hätte für ein Sowohl-als-Auch plädieren können, wie es später im überparteilichen Kompromiss des Senats geschah, doch dies tat sie im Dezember 2023 (noch) nicht. (Quellen:  nytimes.com, 27.12.2023: „Nikki Haley’s Bold Strategy to Beat Trump: Play It Safe”;  Heilbronner Stimme, 5.3.2024: “Ist Trump schwer krank?”).   

Erst als sich dieses Sowohl-als-Auch abzeichnete, an dem eine kleine Gruppe im Senat in aller Stille seit Oktober 2023 arbeitete und Trump seine Getreuen im Repräsentantenhaus aufforderte, den Senatskompromiss zu blockieren, äußerte sich Haley am 28.1.2024 klar und deutlich: „Donald Trump, das Letzte was er tun sollte ist, ihnen zu empfehlen, mit dem Grenz-Deal bis zu der Wahl zu warten. Wir können keinen Tag mehr warten.“ Doch der im Senat auch mit Stimmen republikanischer Senatoren verabschiedete Kompromiss liegt im Repräsentantenhaus noch immer in der Schublade des Speakers Mike Johnson, der seit Wochen versucht, die Quadratur des Kreise zu schaffen: Die Hilfe für die Ukraine samt der Grenzsicherung zur Abstimmung zu stellen ohne den Extremisten in der eigenen Fraktion ins Messer zu laufen. Johnson, der in der Vergangenheit mehrfach gegen die Ukrainehilfe votiert hatte, steht nun als Speaker in der Verantwortung und unter Druck von außen und von innen. Am 28.3.2024 erklärte ihm Volodymar Zelensky die Lage an der Front und drang auf rasche Entscheidung über die Hilfe. Bereits am 22.3.2024 stellte Marjorie Taylor Green aus Georgia „zur Warnung an Johnson“ den Antrag auf dessen Absetzung. „Gleichzeitig steht Mr. Johnson unter Druck von Regierungschefs rund um die Welt, die ihm den Preis der amerikanischen Inaktivität vorhalten“, schreibt die New York Times.

(Bis jetzt – 7.4.2024 – ist noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen).

(Quellen: cnbc.com, 28.1.2024: „Nikki Haley slams Trump for trying to torpedo congressional border deal”; nytimes.com, 1.4.2024: „Johnson Outlines Plan for Ukraine Aid;  House Could Act Within Weeks“; sueddeutsche.de, 3.4.2024: Ende der Blockade?“).

 

Die Endrunde hat begonnen – Aus Reden Donald Trumps

Der zweite Teil der „Amerikanischen Tragödie“ geht in die entscheidende Phase. Mit den am Dienstag, 12.3.2024 gelaufenen Vorwahlen haben Joe Biden und Donald Trump jeweils die zur Nominierung erforderlichen Delegiertenstimmen eingesammelt. Auf ihren Parteitagen werden die beiden Parteien ihre Kandidaten endgültig auf den Schild heben. Die Republikaner tagen vom 15. - 18.7.2024 in Milwaukee, Wisconsin, die Demokraten vom 19. - 22.8.2024 in Chicago, Illinois. Spätestens dann werden wir auch erfahren, wer Running Mate – die Kandidatin oder der Kandidat für die Vizepräsidentschaft – bei Donald Trump sein wird. Bei den Demokraten ist dies klar: Die bisherige Vizepräsidentin Kamal Harris wird wieder ins Rennen gehen.

Die New York Times schrieb am 12.3.2024: „Inzwischen haben Mr. Trump und Mr. Biden die Primaries hinter sich gebracht. Der Präsident hat keine gewichtigen Herausforderer aus der eigenen Partei zu befürchten und wird den Schwerpunkt seiner Wahlkampfreden nicht nur auf die Bilanz seiner vierjährigen Präsidentschaft legen sondern auch auf die Gefahren, die seiner Ansicht nach mit Mr. Trump verbunden sind.“ Zu nennen sind insbesondere zwei Komplexe: 

  • Innenpolitisch die Gefahr, dass die Demokratie in Amerika unbeschreiblich beschädigt wird;
  • Außenpolitisch die Gefahr, dass die USA in der Isolation versinken und mit der Blockade der weiteren Hilfen für die Ukraine ihre Glaubwürdigkeit verspielen.

Die beiden Kandidaten haben in verschiedenen Reden ihr Bild von Amerika beschrieben. Donald Trump zum Beispiel in seiner Siegerrede am Super Tuesday (5.3.2024) und Joe Biden mit seiner State of the Union Address am 7.3.2024. 

Was wird nach der Wahl aus den im Wahlkampf gemachten Ansagen und Versprechen? Der NYT-Kolumnist Jamelle Bouie zitiert eine alte Volksweisheit wonach die Versprechen, die während einer Wahlkampagne gemacht wurden, fast nie eingehalten werden. Allerdings warnt er auch vor dieser vermeintlichen Wahrheit: „Was die Kandidaten und ihre Kampagne sagen, hat Bedeutung. Und wie ein Kandidat und seine Kampagne dies sagen, hat ebenfalls Bedeutung.“  Angesichts dieser Erkenntnis empfiehlt Bouie, die Trump’sche Rhetorik zu betrachten, wie er etwa gegen seine politischen Opponenten vom Leder zieht und sie beispielsweise als „Feinde des Volkes“ bezeichnet (nytimes.com, 19.3.2024: „Want to Know What Trump Will Do? Listen to What He Says“). Dabei scheint Trump einzukalkulieren, dass steter Tropfen den Stein höhlt und dass, je öfter er das Gleiche erzählt, desto eher etwas in der Öffentlichkeit hängen bleibt.  Wieder und wieder verteufelt er die Migranten, die versuchen, von Mexiko aus in die USA zu kommen: „Die Migranten, die über die Südgrenze kommen, sind Kriminelle, des aus Gefängnissen und Einrichtungen für Geisteskranke kommen … Diese Leute sind in höchstem Grad kriminell und dann gibt es Einrichtungen für Geisteskranke und Irrenasyle … und diese Einrichtungen werden geleert in Richtung USA …  und dann sind da die Terroristen, die in einem Ausmaß hereinfließen, wie wir es nie zuvor erlebt haben ….“.  Und schließlich die Spitze der Trump’schen Rethorik: „Immigranten vergiften das Blut unseres Landes.“ Und, als sei dies auch noch nicht genug, bezeichnete er Migranten als „Tiere“ und sagte: „Ich weiß nicht ob man manche von ihnen als „Menschen“ bezeichnen kann. Meiner Meinung nach sind sie keine Menschen.“

Die New York Times schreibt dazu: „Es gibt keine Beweise für all dies. Nach Angaben von Grenzbeamten sind die meisten Migranten Familien, die vor Gewalt und Armut fliehen, und trotz einiger weniger hochkarätiger Fälle zeigen die Zahlen keinen Anstieg der Kriminalitätsrate, die man auf die Immigration zurückführen könnte, einschließlich der Zahlen für Mord, die im letzten Jahr sogar zurückgingen“ (nytimes.com, 17.3.2024: „Trump Doubles Down on Migrants ‚Poisoning’ the Country“).

Doch Trump hat das Kompromisspaket des Senats, das neben weiterer  Gelder für die Ukraine auch Bestimmungen zur Verstärkung der Südgrenze enthält, durch seine Getreuen im Repräsentantenhaus blockieren lassen. Nicht in allererster Linie, weil er die Ukraine nicht mag, sondern vor allem weil er die Probleme an der Grenze am Köcheln halten will. Er weiß, dass man mit dem Thema „Migration“ Funken schlagen und Wählerstimmen gewinnen kann. 

Nun jedoch zu den Reden Trumps und im nächsten Kapitel auch zu Bidens State of the Union Address. Wie schon in früheren Reden beschrieb Trump bei seiner Siegesansprache am Super Tuesday seine Untergangsvorstellung für die USA. Warum er und seine Fans davon so sehr begeistert sind, müssen Sozialwissenschaftler erklären. Bei seiner Rede am 5.3.2024 in Mar-a-Lago hielt er sich nur kurz beim Jubeln auf sondern beschrieb ausführlich das bittere Schicksal Amerikas, sollte Biden wiedergewählt werden. Trumps Jammerrede beschrieb die New York Times wie folgt: „Ein düster dreinblickender Mr. Trump rezitierte eine verdrehte Liste von Missständen und behauptete, das Land werde unter Bidens Führung im Chaos versinken. Er schimpfte über die mangelnde Sicherheit an der Grenze, die China Politik und den Rückzug aus Afghanistan, wobei er über die nagelneue Ausrüstung klagte, die zurückgelassen wurde: „Flugzeuge und Panzer und alles was man sich denken kann. Ferngläser, Nacht-Ferngläser. Sie konnten nachts nicht kämpfen, jetzt können sie das, weil sie Ferngläser haben. Sie haben bessere Ferngläser als wir.“ (Trump versteht es, eine Geschichte dramatisch zu erzählen. Dass er sich dabei manchmal widerspricht, bemerken wohl die wenigsten Zuhörer). Und wieder einmal weckte Trump Zweifel an der Integrität des Wahlvorgangs: „Wir sind ein Dritte-Welt-Land an unseren Grenzen und wir sind ein Dritte-Welt-Land bei unseren Wahlen“ (nytimes.com, 5./6.3.2024: „On a Bright Night for his Campaigne, Trump Again Conjures a Dark Vision“).

Eine weitere Rede – die „Blutbad-Rede – vom 16.3.2024 sei noch erwähnt. Weil er und seine Kampagne später offenbar bemerkten, dass er mit der Ankündigung eine Blutbads für den Fall einer Wahlniederlage offenbar überzogen hatte, versuchte er am 18.3.2024, seine Aussagen von zwei Tagen zuvor umzudeuten. In zwei mir vorliegenden seriösen Zeitungen, der New York Times und der Süddeutschen Zeitung, wird inhaltlich gleich berichtet, was Trump am 16.3.2024 in Vandalia, Ohio vorgetragen hatte: Es werde ein Blutbad geben, falls er am 5.11.2024 die Wahl verliert. (nytimes.com, 16.3.2024: „Trump Says Some Migrants are ‚Not People’ and Predicts a ‚Blood Bath’ if He Loses“; sueddeutsch.de, 17.3.2024: „Trump: Wahlniederlage wird ein „Blutbad“ für das Land“).

Inzwischen hat Trump erklärt, die „Blutbad-Formulierung“ habe sich nicht auf eine eventuelle Wahlniederlage bezogen sondern auf den Niedergang der amerikanischen Autoindustrie, über die er unmittelbar vor dem Stichwort „Blutbad“ gesprochen hatte. Nach Trump’scher Art versucht er jedoch nicht, das mögliche Missverständnis zu erklären sondern geht sofort in den Angriff auf die Medien über. Auf seiner Social Media Plattform schrieb er am 18.3.2024:  „Die Fake News Medien und ihre Partner bei der Zerstörung des Landes, die Demokraten, geben vor, über den Gebrauch des Begriffs „Blutbad“ schockiert zu sein obwohl sie genau verstanden haben, dass ich mich dabei auf die Importe bezog, die der Gauner Joe Biden genehmigt hat und die die Autoindustrie zerstören werden.“

Was Donald Trump am 16.3.2024 in Vandalia, Ohio tatsächlich ansprechen wollte, eine eventuelle Wahlniederlage oder die Einfuhr ausländischer Autos und dabei in die falsche Spur kam, weiß nur er selbst. Seine aggressive Reaktion diente nicht zur Aufklärung eines eventuellen Missverständnisses, hat eher die entstandenen Zweifel noch vertieft. Die New York Times zitiert zum aktuellen Zwist eine Reihe früherer Aussagen Trumps, die mit Gewalttätigkeit zu tun hatten: „Mr. Trump hat sich gewalttätiger Botschaften bedient, seit er zum ersten Mal für die Präsidentschaft kandidierte, etwa als er seinen Unterstützern auf einer Kundgebung versprach, er werde ihre Gerichtskosten übernehmen, wenn sie Protestierer angreifen. „Er hat seine Rhetorik gesteigert, als er 2020 verloren hatte und seine Unterstützer zu dem ermuntert, was mit dem Sturm auf das Kapitol endete. Noch immer beschreibt er sie als verfolgte Patrioten.“  Und inzwischen sei er noch deutlicher geworden: „Im September sagte er, dass Ladendiebe erschossen und dass Mark Milley, der frühere Vorsitzende der Joint Chiefs of Staff  (des Vereinigten Generalstabs) hingerichtet werden sollte. Des Weiteren forderte er seine Unterstützer auf, hinter dem Generalstaatsanwalt von New York herzusein, dessen Büro die Anklage wegen Betrugs gegen ihn erhoben hat. Im Januar 2024 warnte er, das Land werde zum Tollhaus, sollten ihm die Klageverfahren bei der Wahl schaden.    

Die New York Times weist darauf hin, dass die Trump-Unterstützer – nicht zuletzt der Mob, der am 6.1.2021 das Kapitol stürmte – immer wieder auf die Worte Trumps mit „Action“ reagierten, selbst wenn er mehrdeutig formulierte. „Polizeibeamte und Staatsanwälte, die an den Strafsachen gegen den früheren Präsidenten mitwirkten, haben Drohungen erhalten, ebenso die Mitarbeiter und das Verwaltungspersonal bei Wahlen und auch jene Amtsträger, die sich geweigert haben, bei den Versuchen Trumps mitzuwirken und die Wahl von 2020 auf den Kopf zu stellen.“ Dazu die Aussage des republikanischen Senators Bill Cassidy aus Louisiana, der im Impeachment-Verfahren nach dem 6.1.2021 für die Verurteilung Trumps gestimmt hatte: „Diese Art der Rhetorik liegt immer an der Grenzlinie – vielleicht überschreitet sie diese, vielleicht auch nicht, es kommt auf die jeweilige Perspektive an“ (nytimes.com, 18.3.2024:  „Trump Defends His Warning of a ‚Blood Bath fort he Country“).

In diesen mehrdeutigen Reden zeichnet Trump seinen Fans ein Schreckensbild Amerikas. Aber warum saugen die Fans solche Beschreibungen auf wie Honig? Für viele Trump-Unterstützer mag eine Kundgebung mit Trump wie eine Unterhaltungs-Show im Fernsehen ablaufen. Andere mögen tatsächlich glauben, in der schlechtesten aller Welten zu leben. Für sie hat Trump den Erlöser-Status erreicht. 

 

Joe Bidens „State of the Union Address“

Die State of the Union Address des Präsidenten in einem Wahljahr unterscheidet sich von der Ansprache in einem “normalen” Jahr. Geht es sonst um das geschäftsmäßige Abarbeiten von Leistungen der Regierung – die NYT bezeichnet dies die „Laundry List of Accomplishments“ – geht es im Wahljahr um wesentlich mehr. Mit seiner 68-minütigen Ansprache am 7.3.2024 erreichte Joe Biden etwa 32,2 Millionen Fernsehzuschauer live, das sind 18 % mehr als im vergangenen Jahr, als 27,3 Millionen Zuschauer live dabei waren. Die New York Times bezeichnet die State of the Union als eines der größten Medienereignisse im Vorfeld der Wahl im November. Dazu das Urteil der NYT: „Präsident Biden lieferte eine energische und leidenschaftliche Rede, die sowohl Wahlkampf-Auftakt als auch State of the Union war und diese wurde wirksam dazu eingesetzt, um eine große Zahl von Zusehern davon zu überzeugen, dass er fit ist für weitere vier Jahre.“ 

Biden beschreib ein völlig anderes Bild von Amerika, von seiner Regierung und von deren Rolle in der Welt als „mein Vorgänger“ – eine Bezeichnung, die er erstmals fünf Minuten nach Beginn der Rede und dann immer wieder gebrauchte. So sprach Biden etwa darüber, wie „mein Vorgänger“ versucht hat, die Geschichte des Sturms auf das Kapitol am 6.1.2021 umzuschreiben, wie „mein Vorgänger“ versagte, als die Pandemie vor fast genau vier Jahren im Land grassierte und wie „mein Vorgänger“ wenig tat, China zu bekämpfen, und wie „mein Vorgänger“ gegen die Schusswaffengewalt nichts unternommen hat.  Später – dabei vom Manuskript abweichend – sprach Biden Trump unmittelbar an: „Falls ‚mein Vorgänger’ zusieht“, solle er sich für den überparteilichen Gesetzentwurf zur Grenzsicherung einsetzen, zu dessen Versenkung Trump beigetragen habe.

„Er schien es zu genießen, sich mit der GOP anzulegen“, schreibt die New York Times. „Zwischenrufe der rechten Abgeordneten Marjorie Taylor Greene aus Georgia – auffallend angetan mit einer roten MAGA-Mütze – Bidens Sohn solle seine Steuern bezahlen, kamen ihm gerade recht. So etwas könne schwierig sein, vermerkte die NYT, und auch dazu führen, dass man eher zornig und nicht überzeugend rüberkommt. Aber – so die Zeitung mit ironischem Unterton – mit Hilfe der Republikaner sei dies vermieden worden. Biden sprach die Altersfrage humorvoll an: „Ich weiß, ich sehe zwar nicht so aus, aber ich bin schon einige Zeit unterwegs. Und wenn man in mein Alter kommt, sieht man gewisse Dinge klarer als zuvor.“ Dazu wird im Zeitungsbericht vermerkt,  dass jedoch eine einmalige Vorstellung, die lebendiger war als sonst, nicht ausreicht um die verbreiteten Bedenken der Wähler wegen Bidens Alter zu zerstreuen. Auch die Republikaner werden dieses Stichwort immer wieder aufgreifen.

Die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der beiden Kontrahenten will ich im nächsten Kapitel darstellen. Biden hat in der State of the Union das den Republikanern besonders unangenehme Thema Abtreibung herausgestellt. Er sprach die „Macht der Frauen“ an, die sich 2024 erneut zeigen werde und prognostizierte im Blick auf dieses Thema: „Wir werden 2024 wieder gewinnen.“ Die Demokraten werden im Wahlkampf zwei Themen besonders herausstellen: Demokratie und Abtreibung  (nytimes.com, 7./8.3.2024: „5 Takeaways From the State of the Union“).

Interessant ist, was die Süddeutsche Zeitung – gewissermaßen mit dem Blick von außen – in ihrem Bericht über die State of the Union besonders herausstellt. Zitiert wird darin einer von Bidens Einleitungssätze, mit denen er die aktuelle Situation im In- und Ausland beschreibt: „Das Besondere an dieser Situation ist, dass Freiheit und Demokratie im In- und Ausland gleichzeitig angegriffen werden.“ Biden streut Salz in eine der offenen Wunden der Republikaner als er an Ronald Reagans Aufforderung and Michail Gorbatschow erinnert, die Berliner Mauer einzureißen – „da klatschten sogar kurz die Republikaner.“ Doch dann ergänzt Biden: „Mein Vorgänger, ein früherer republikanischer Präsident, sagte zu Russlands Präsident Wladimir Putin, er könne tun was zum Teufel er wolle ... Es ist gefährlich. Es ist inakzeptabel.“ (Quellen: nytimes.com, 7./8.3.2024: „5 Takeaways From the State of the Union“; nytimes.com, 8.3.2024: „Ratings Jump 18 % for Bidens Feisty State of the Union“; sueddeutsche.de, 8.3.2024: „Die Rede seines Lebens“).

 

Wirtschaftspolitik und andere grundverschiedene Ansätze

Der Satz: „It’s the Economy, Stupid“ – „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“, tauchte erstmals im Präsidentschaftswahlkampf 1992 auf. Geprägt hatte ihn James Carville, ein Berater im damals erfolgreichen Team von Bill Clinton. „It’s the Economy, Stupid“ ist inzwischen zu einem immer wieder zitierten Slogan in amerikanischen Wahlkämpfen geworden.  (Weitere Informationen dazu: Wikipedia – Stichwort James Carville; Stand 20.1.2024).       

Wirtschaftspolitische Fragen werden auch 2024 eine bedeutende Rolle spielen. Die Wählerinnen und Wähler haben dabei bei ihrer Entscheidung echte Alternativen. In einem Meinungsbeitrag der New York Times verweist der Kolumnist Jamelle Bouie auf die oft zu hörende und zu lesende Meinung, es gäbe über Biden und vor allem über Trump nichts Neues zu berichten. Doch Bouie warnt. Es sei noch viel zu sagen über die Pläne für die nächsten vier Jahre. 

Jamelle Bouie verweist auf das bereits beschriebene „Project 2025“ der Heritage Foundation, das er als den „autoritären Umbau des exekutiven Zweigs und speziell maßgeschneidert für Trump“ bezeichnet. „Damit soll die Bundesregierung auf Dauer politisiert und ideologisch ausgerichtet werden.“ Unter anderem würde das „Project 2025“ Trump ermächtigen, das Justizministerium für Ermittlungen gegen politische Gegner einzusetzen und Opponenten durch die Steuerverwaltung mit Buchprüfungen und anderen Untersuchungen zu schikanieren. 

Die zweite Amtszeit – und damit kommt Bouie zum Wirtschaftsteil seiner Betrachtung – würde die Bundesregierung in einer „konzertierten Aktion zu einem Instrument der Umverteilung des Reichtums von unten nach oben“ machen. Sowohl Trump als auch ein republikanisch dominierter Kongress beabsichtigen, die 2017 beschlossenen Steuersenkungen um weitere 3,3 Billionen Dollar fortzuführen, die zum größeren Teil den höchsten Einkommensbeziehern zu Gute kommen sollen. Trump beabsichtigt ferner, den Körperschaftssteuersatz zu senken, was zu weiteren 522 Billionen Wenigereinnahmen führen würde. Um beide Maßnahmen zu finanzieren – so befürchtet Bouie – würden Trump und die Republikaner das Netz sozialer Sicherheit, beispielsweise Medicaid (die Gesundheitsfürsorge für Menschen mit geringem Einkommen), die Food Stamps (Lebensmittelhilfe für Menschen mit geringem Einkommen) und andere Programme für Amerikaner mit niedrigem Einkommen, ins Visier nehmen. „Trump hat sogar Bereitschaft signalisiert, Medicare und die Sozialversicherung zu beschneiden, ein Schritt, der womöglich zum Ausgleich der Steuerausfälle nötig wird, falls es den Republikanern gelingt, die Einnahmen des Bundes um weitere rund 4 Billionen Dollar zu drücken. In einer zweiten Amtszeit Trumps müsse auch mit dem erneuten Versuch gerechnet werden, den Affordable Care Act (die sog. Obamacare-Krankenversicherung) aufzuheben und einen Großteil der Ausgaben für den Klimaschutz im Rahmen des Inflation Reduction Act  zu streichen.

Alles in allem ein Programm mit zwei wesentlichen Schwerpunkten:

  • Den traditionellen republikanischen Komponenten: Reduzierung der Staatsausgaben, Abbau staatlicher Strukturen und damit der staatlichen Regulierungsmacht, Steuersenkungen, Abbau sozialer Leistungen unter dem

Gesichtspunkt des Vorrangs individueller Eigeninitiative.

(Dabei ist zu beachten, dass sich die Vorstellungen zum Umfang des Sozialstaats in Amerika und Europa bereits jetzt erheblich unterscheiden).

  • Den insbesondere von Trump verfolgten MAGA-Zielen: Alleinige Vorgabe der Ziele der Exekutive von oben, Abbau eigenständiger Entscheidungsstrukturen und Behörden, z. B. beim Verbraucher-, Gesundheits- und Klimaschutz,  Ausbau eines noch oben loyalen Personalkörpers und den Austausch nicht loyal erscheinender Mitarbeiter, der dadurch möglich wird, dass der Kündigungsschutz und andere Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt oder aufgehoben werden).

Die Pläne Bidens zielen darauf ab – so schließt Jamelle Bouie aus den jüngst vorgelegten Budgetvorschlägen – den Sozialstaat im Sinne der Vorstellungen von Franklin D. Roosevelt neu zu beleben. In den am 11.3.2024 veröffentlichten Vorschlägen zielt Biden in den nächsten 10 Jahren auf Mehreinnahmen von 5 Billionen Dollar durch Erhöhung der Körperschaftssteuer und der Steuern auf hohe Einkommen. Dadurch sollen unter anderem Medicare ausgebaut, die ursprünglich im American Rescue Plan enthaltenen Steuervergünstigungen für Kinder und weitere Leistungen für Kinder finanziert werden. Biden hat damit eine Reihe alter Forderungen der Demokraten aufgegriffen.

Jamelle Bouie gibt zu diesen finanz- und steuerpolitischen Programmpunkten der beiden Kontrahenten weitere Erläuterungen: Die Amerikaner sehen Präsidentschaftswahlen meist als eine „Schlacht zwischen Persönlichkeiten“. Deshalb dreht sich der Wahlkampf vor allem um die beteiligten Personen. „Die Persönlichkeit spielt zweifellos eine Rolle“, schreibt Bouie. Aber es läuft auch ein Rennen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und unterschiedlichen Organisationen, die sehr unterschiedliche – manchmal gegenseitig nicht vereinbare Dinge für das Land durchsetzen wollen.

Die hinter Biden stehenden Gruppierungen wollen seit der Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt insbesondere den öffentlichen Beistand für arbeitende Menschen und öffentlich Maßnahmen zur Inklusion von Randgruppen.

Die Gruppierungen hinter Trump haben – neben dem unersättlichen Wunsch nach weniger Steuern – ein tiefes Verlangen nach Dominanz. Trump spricht weniger über irgendwelche politischen Vorstellungen als darüber, sich an Kritikern zu rächen. Er ist nur an den Mechanismen des Regierens interessiert, mit denen er seine Gegner bestrafen kann. Bouie fasst das, was in Amerika im November zur Wahl steht, sehr dezidiert zusammen: „Das tatsächliche Ziel der Trump-Koalition ist nicht das Regieren des Landes sondern die Herrschaft über andere“ (nytimes.com, 15.3.2024; Jamelle Bouie: „Don’t Think of It as a Contest Between Biden and Trump“).

Ähnliche Befürchtungen wie Jamelle Bouie in der New York Times beschreibt Nikolaus Piper in der Süddeutschen Zeitung. Er nennt eine Reihe von Rechtspopulisten in westlichen Ländern, die das bekämpfen, was sie „Globalismus“ nennen: Die AfD in Deutschland, Marine LePen in Frankreich, Viktor Orban in Ungarn, vor allem aber Donald Trump in Amerika. „Sollten sie ihre Pläne umsetzen können, dann drohen finstere Zeiten – politisch und kulturell sowieso, aber auch wirtschaftlich“, schreibt Piper und fügt an: „... den rechten Kämpfern gegen den Globalismus geht es auch gar nicht so sehr um den Wohlstand der Menschen, sondern vor allem um nationale Identität. Sie stellen die nationale Souveränität über das Individuum.“ 

Bei einer Wahl Trumps sieht Piper schlimme Konsequenzen sowohl für die USA als auch für deren Handelspartner. Dazu schreibt er: “Trumps Wirtschaftsprogramm steht unter der Parole „America First“. Die Programme anderer Rechtspopulisten mögen sich im Detail unterscheiden, im Grundsatz laufen sie immer auf das eine hinaus: Die Wirtschaft der geeigneten Nation muss gefördert und geschützt werden, notfalls zulasten anderer. Dahinter steht das alte Ziel der Protektionisten, möglichst alle Produkte innerhalb der eigenen Grenzen herzustellen und zu diesem Zweck Schutzzölle einzuführen. Es gehört zu den lange erprobten Erkenntnissen der klassischen Nationalökonomie, dass diese Politik auf Dauer alle ärmer macht, auch das Land, das die Zölle erhebt.  Bei einer großen Wirtschaftsmacht wie den USA dauert es nur einige Zeit, bis dieses Scheitern sichtbar wird.“ Piper weist darauf hin, dass diese Politik in der ersten Amtszeit Trumps erfolgreich war. In Regionen, in denen Betriebe durch Zölle geschützt wurden, haben die Republikaner tendenziell besser abgeschnitten, und Biden habe sie beibehalten.

Mit Blick auf die Auswirkungen populistischer Wirtschaftspolitik in USA auf die Europäische Union schreibt Piper: „Absurd ist, dass Trump ausgerechnet zu einer Zeit auf die Schutzzollpolitik zurückgreift, in der der Arbeitsmarkt in den USA so stark ist wie seit Langem nicht. Auch für Deutschland gibt es nicht den geringsten Grund, über das lebensgefährliche Abenteuer eines EU-Austritts auch nur nachzudenken. Tatsächlich nährt sich der Rechtspopulismus ja auch nicht aus Wirtschaftsproblemen, sondern aus teils berechtigter Angst vor den Folgen von Migration sowie dem Gefühl, von einer liberalen Elite in Hochschulen und Medien übervorteilt zu werden“ (sueddeutsche.de, 27.3.2024; Nikolaus Piper: „Sie planen den Crash“).

(Es sei daran erinnert, wie wichtig die EU in der ersten Amtszeit Trumps war, als dieser die Muskeln spielen ließ und auch Schutzzölle einführte. Die einzelnen europäischen Länder Europas wären in einer schlechten Position, müssten sie jeweils auf sich selbst gestellt Handelsabkommen mit den USA aushandeln).    

 

Warum genießt Donald Trump so hohes Ansehen bei vielen evangelikalen Christen? – Von der Vergöttlichung eines Sünders

Zum besseren Verständnis der Glaubensvorstellungen der Donald Trump unterstützenden weißen evangelikalen Christen will ich zunächst zitieren, wer und was unter dem Begriff „Evangelikalismus“ zu verstehen ist:  

 „Der Evangelikalismus (vom englischen evangelicalism) ist ein theologischer Sammelbegriff für verschiedene Frömmigkeits- und Reformbewegungen innerhalb des Protestantismus, die stark beeinflusst sind vom ursprünglich deutschen Pietismus, dem englischen Methodismus, dem Puritanismus sowie von den amerikanischen Erweckungsbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Der Evangelikalismus breitet sich konfessionsübergreifend aus. Anhänger dieser Strömungen werden heute als Evangelikale bezeichnet.“  (Zitiert aus Wikipedia – Stichwort Evangelikalismus; Stand: 22.12.2023)

Thomas B. Edsall, der in seiner New York Times Kolumne regelmäßig Persönlichkeiten aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu speziellen Themen zu Wort kommen lässt, hat vor kurzem über die „Vergöttlichung von Donald Trump“ geschrieben. Ein dialektisches Lehrstück, in dem Edsall und andere darlegen, warum der Lügner, Ehebrecher, Verleumder und Anstifter zur Gewalt – kurz: Der sündige Mensch Donald Trumpnach Meinung seiner Unterstützer aus den Reihen der evangelikalen Christen Gnade vor Gott gefunden hat. Trump wird durch einen Prozess der Vergöttlichung zu einem Werkzeug Gottes zur Wiederherstellung von Amerika als Christlicher Nation. In Trump-Veranstaltungen werden immer wieder Schilder mit der Aufschrift „Dank Dir Lord Jesus, für Präsident Trump“ gezeigt.  Trump wird dadurch zu einer unantastbaren Figur des Glaubens. 

Als Donald Trump mehrfach angeklagt wurde, sahen manche evangelikale Christen darin die erneute Bestätigung, dass er ein göttliches Werkzeug sei. Die Trump-Ikone Marjorie Taylor Green hat am 3.4.2023, einen Tag vor der Anklageerhebung durch den Manhattan Criminal Court gegen Trump wegen der Fälschung von Geschäftsunterlage gesagt: „Auch Jesus wurde verhaftet und von den Römern ermordet. Es gab in der Geschichte viele Menschen, die von radikalen und korrupten Regierungen verhaftet und verfolgt wurden und dies beginnt heute in New York und kann nicht glauben, dass dies passiert, aber ich werde ihn immer unterstützen. Er hat nichts Falsches getan.“ Mit solchen Aussagen werden Verbindungslinien zwischen Trump und Jesus in einer Art und Weise gezogen, dass Trump seinen Fans erklären kann: „Sie verfolgen nicht mich, sie verfolgen euch!“

Dass Trump der Messias sei glauben Gruppierungen wie etwa die New Apostolic Reformation oder die Independent Network Charismatics zwar nicht. Für sie ist nur Jesus der Messias. Sie glauben auch nicht, dass Trump besondere Kräfte besitzt. Aber er sei gewiss ein Beauftragter Gottes oder ein Gefäß, durch das Gott daran arbeitet, Amerika wieder christlich zu machen. Thomas B. Edasll zitiert dazu John Fen, einen Professor an der Messiah University in Pennsylvania, dass Trump wahrscheinlich denke, diese Charismatics und Pfingstler seien verrückt. Aber wenn sie erzählen, „er sei von Gott gesandt, wird er den Titel dankend annehmen und ihm zum Stimmenfang nutzen …“

Robert P. Jones, der Gründer und Vorstand des früheren Public Religion Research Institute (P.R.R.I.) schreibt dazu,  Trumps religiöse Behauptungen seinen ein totaler Betrug: „Trump hat uns ausgiebig gezeigt, dass er geringe religiöse Sensibilität oder theologische Klugheit besitzt. Er hat dürftige Bibelkenntnis, und er hat erklärt, dass er nie die Vergebung seiner Sünden gesucht habe. Er hat keine bedeutsamen Verbindungen zu einer Kirche oder Konfession. Er ist nicht nur einer der am wenigsten religiösen sondern auch einer der theologisch ignorantesten Präsidenten, den das Land je hatte … Und dennoch, viele seiner loyalsten christlichen Anhänger – weiße evangelikale Protestanten – sehen in ihm so etwas wie eine metaphorische Retterfigur.“ Die Treue und andauernde Unterstützung Trumps durch weiße Evangelikale – so folgert Robert P. Jones – sage viel mehr darüber aus, wie diese sich sehen als wie sie über Trump denken. Die primäre Antriebskraft für die Politik weißer evangelikaler Protestanten sei die Vision. ihre Vision, von Amerika als eine Nation vorrangig von, durch und für weiße Christen. Jones verwendet bei dieser Beschreibung der politischen Vorstellungen der Evangelikalen jene berühmte Formulierung Abraham Lincolns in der Gettysburg Address von 1863, mit der dieser die amerikanischen Regierungsgrundlagen beschrieben hat: „Eine „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk“ – „A government of the people, by the people, for the people“. Für die Evangelikalen wurde der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865) jedoch weniger für die Gleichheit aller Menschen und insbesondere gegen die Sklaverei geführt, sondern reduziert sich auf ihre Rechte und auf eine Regierung weißer Christen. 

(Hier lassen sich frappierende Verbindungslinien zu den Gründen der gegenwärtigen Massendemonstrationen gegen „Rechts“ und für „Weltoffenheit und Toleranz“ in Deutschland ziehen:  Sowohl in Deutschland als auch in den USA geht es um den Bestand der Demokratie, um die Gleichheit aller Menschen und um die Rechtsstaatlichkeit).

Etwa ein Drittel der Amerikaner glaubt, dass „Gott geplant hat, Amerika zu einem neuen gelobten Land (promised land) zu machen, wo europäische Christen eine Gesellschaft aufbauen, die zum Beispiel für den Rest der Welt wird.“ Unter den evangelikalen Christen in den USA ist dieser Glaube besonders häufig zu finden; 56 Prozent leben mit dieser Vorstellung. Diese Vorstellung bedeutet – umgesetzt in die aktuelle Politik – folgende Unterstützerzahlen für Trump durch weiße Evangelikaler bei den republikanischen Vorwahlen in Iowa – 53 Prozent; in New Hampshire – 70 Prozent;  und in South Carolina – 71 Prozent.

Doch – über die religiös begründeten Bindungen evangelikaler Christen an Trump gibt es auch starke sekulare Bindungsfaktoren. Thomas B. Edsall zitiert in seiner NYT-Darstellung Jim Guth, einen Politik-Wissenschaftler an der Furman University in Greenville, SC zu der Affinität weißer evangelikaler Christen zu Trumps konservativem Populismus. Guth schreibt: „Weiße Evangelikale sind die unabänderlichsten Populisten: Sie neigen mehr dazu einer starken Führen den Vorzug zu geben (selbst wenn dies die Übertretung von Regeln bedeutet), der Regierung zu misstrauen, das Land auf dem falschen Weg zu sehen und sind der Meinung, dass die Mehrheit stets regieren sollte (und die Minderheit sich anpasst)“. Ein weiterer hervorstechender Charakterzug populistischer Politik ist die Bereitschaft, demokratische Anstandsregeln zu ignorieren.“ 

Jim Guth hat eine Rangfolge des Grades der Unterstützung des konservativen Populismus durch religiöse Gruppen aufgestellt und vermerkt, dass die Evangelikalen weit an der Spitze rangieren. Dabei fallen zwei Drittel von ihnen in die Kategorie der Populisten. Weiße Katholiken, Mainline-Protestanten und Letzte-Tage-Heilige gehören in bemerkenswertem Umfang in diese Gruppe, erreichen aber nie den Umfang der Evangelikalen und kommen nie in die Nähe der Mehrheit. Bei religiös Ungebundenen und ethno-religiösen Minderheiten gibt es nur wenige – oft sehr wenige Populisten; unter Juden, Agnostikern/Atheisten, schwarzen Protestanten und Mitgliedern von Weltreligionen die meisten Gegner des Populismus.

Zur Beantwortung der Frage, warum weiße evangelikale Christen Donald Trump derart stark unterstützen obwohl seine persönlichen Wertvorstellungen und sein Verhalten den biblischen und ethischen Glaubenssätzen ihrer Gemeinschaft völlig entgegenstehen, nennt Jim Guth zwei Gründe:

  • So lange er konservativen Richter nominiert und passende Andeutungen zu Themen wie Abtreibung und Sexualpolitik macht, werden sie ihn unterstützen;
  • Der zweite Grund ist problematisch und komplizierter: Weiße Evangelikale teilen mit Trump  eine Vielzahl von Einstellungen, etwa die Feindschaft gegen Immigranten, seine Islamphobie, seinen Rassismus und Nativismus und auch seinen Politikstil mit all den hässlichen Maßnahmen und feierlichen Beteuerungen über eine starke und einzigartige Führung. Trumps Kandidatur macht es möglich, zum ersten Mal in aller Breite solche Einstellungen zu verkünden.

Thomas B. Edsall beschließt seinen Beitrag in der New York Times mit der Feststellung: „Mit anderen Worten, konservativer Populismus mit all seinen anti-demokratischen Folgerungen hat sich in Amerika verwurzelt.  Wir wissen nicht auf wie lang – oder wie viel Schaden er anrichten wird.“

Trump und seine Kampagne schwimmen im Wahlkampf geschickt auf dieser Welle. In Wahlveranstaltungen wird manchmal ein Video gezeigt, in dem die Stimme Gottes verkündet: „Ich brauche jemand, der stark und mutig ist. Der keine Angst hat oder vor den Wölfen erschrickt wenn diese angreifen. Einen Mann, der die Herde beschützt, einen Hirten für die Menschen, der sie nicht im Stich lässt oder sie verrät. Ich brauche einen gewissenhaften Arbeiter, der dem Pfad folgt und stark ist im Glauben. Und der an Gott glaubt und an das Land.“ In dem Video stellt Donald Trumps Sohn Eric lapidar fest, sein Vater habe buchstäblich die Christenheit gerettet. An solcher Art von Glaubensgewissheit prallt die Kritik am unmoralischen Leben Trumps ganz einfach ab.  Trump wird zur religiösen Figur. Er ist der Beschützer vor den Feinden – Liberale, Demokraten, Elite, Sekulare, illegale Einwanderer usw. – und er beschützt Amerika vor allen Gefahren. Trump wird manchmal als der von Gott gesalbte Führer gesehen, der von Gott für eine besondere heilige Aufgabe gerüstet wurde. Manchmal hat Gott dafür Leute ausgesucht, die am wenigsten erwartet wurden. Deshalb ist Trumps Ungeeignetheit für diese Aufgabe in Wirklichkeit der Beleg für die Gunst Gottes. Dass Gott auch Sünder benützt, um seinen Willen zu verwirklichen wird in der Bibel mehrfach beschrieben. Bei Johannes 8, 7 steht die berühmte Aussage Jesu: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein …“.  Ähnlich klingt die von mir an anderer Stelle zitierte Volksweisheit aus dem Süden der USA: „Wir verabscheuen die Sünde aber wir vergeben dem Sünder.“ Es mag schwer fallen, solches Denken und Fühlen im Zusammenhang mit der Person Donald Trumps zu verstehen. Aber in den Vereinigten Staaten gibt es viele Leute, die all dies können. Auch beim Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021 wurde ein großes Kreuz mitgetragen. (Quellen: nytimes.com, 17.1.2024: „The Deification of Donald Trump Poses Some Interesting Questions“; Gastbeitrag von Thomas B. Edsall).

In der New York Times wurden diese Gefühls- und Glaubenswelten evangelikaler Christen und die Verbindungslinien zu den Republikanern mehrmals beschrieben. Passagen aus dem bereits erwähnten Video „God Made Trump“ wurden auch in einem Bericht am 11.1.2024 zitiert. Diese Video – es wurde von der Gruppe Trump’s Online War Machine“ produziert, erschien am 5.1.2024 erstmals auf der Trump-Plattform „Truth Social“ und wurde später auch auf Wahlveranstaltungen Trumps in Iowa gezeigt – beginnt mit dem dramatischen Aufmacher: „Gott schaute hinab auf sein geplantes Paradies und sprach: ‚Ich brauche einen Wächter’ – und Gott gab uns Trump.“  Nicht alle kirchlichen Institutionen und Amtspersonen sind begeistert von dieser Art der Wahlwerbung.  Pastor Joseph Brown von der Marion Avenue Baptist Church in Washington, Iowa, kritisierte die im Video gebrauchte Sprache der Bibel und den direkten Vergleich Trumps mit Gott. Die NYT ergänzt, dass nicht alle Gläubigen Trump so akzeptieren aber: „Mr. Trump, der selten eine Kirche besucht, hat jedoch die Unterstützung eines großen Teils der Gläubigen im Land gewonnen – insbesondere  aus der Gruppe der nicht so traditionellen und der Nicht-Kirchgänger unter den Christen.“ 

Pastor Darran Whiting von der Liberty Baptist Church in Cedar Rapids, Iowa, erklärte, er werde niemals Trump wählen. Das Video sei dafür einer der Gründe. „Gott hat dienende Nachfolger berufen und nicht so arrogante, sich selbst bedienende und selbstgerechte Führungspersönlichkeiten, wie sie in dem Video gezeigt werden“ (nytimes.com, 11.1.2024: „Iowa pastors say viedeo depicting Trump as godly is ‚very concerning’“).

Manche Pastoren sind geradezu ratlos über die Gründe, die christlich orientierte Menschen veranlassen, Trump zu unterstützen.  In einem weiteren Bericht zitiert die New York Times nochmals den Pastor Joseph Brown von der Marion Avenue Baptist Church in Washington, Iowa, der nicht Trump sondern Ron DeSantis unterstützte weil er diesen als erfahrenen Verwalter mit einer starken Überzeugung einschätzt, nicht zuletzt in der Abtreibungsfrage: „Wir verstehen wirklich nicht, warum Leute, die vorgeben sie stünden für Werte, die biblisch sind, für Werte der Verfassung, sich jemandem zuwenden, der im öffentlichen Leben und in seiner Sprache sich so sehr von ihnen unterscheidet. Er widerspricht wirklich allem, für das wir als Evangelikale und konservative Iowaner stehen. Ich bin überzeugt davon, dass er der evangelikalen Bewegung in Iowa Schande bringt, weil so viele ihn noch immer unterstützen“  nytimes.com, 12.1.2024: „Are Iowa Evangelicals on the Trump Train? These Pastors Offer Clues“).

Pastor Joseph Brown sagte – wie vorstehend zitiert – er könne sich nicht erklären, warum evangelikale Christen, deren Wertesystem sich auf die Bibel und die Verfassung stützt, jenen Donald Trump unterstützen, dessen Vorstellungen über richtig und falsch, über fair und unfair und über aufrichtig und hinterhältig denen der Evangelikalen diametral entgegenstehen. Warum verschließen sie die Augen und und akzeptieren dieses Verhalten und diese Moral?  Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil die Gründe hinter einem Berg von Widersprüchen verborgen sind. Ähnlich schwer zu beantworten wie die unlösbare Frage, was zuerst da war, das Ei oder die Henne. Wo liegen die Triebkräfte des Trumpismus? Allein bei jenem Mann, mit dem zweifelhaften Wertesystem oder zum Teil auch bei jenen, die diesen Mann „in den Himmel“ heben? Jenen, die Trump alles Mögliche nachsehen oder gar verzeihen und ihn am Ende noch als Opfer eines parteiischen Justizsystems sehen?

Der New York Times Kolumnist Thomas L. Friedman beschäftigte sich im Juni 2013 mit ähnlichen Fragen. Er beschrieb, wie Donald Trump einmal erklärte, als TV-Star könne er Frauen überall begrabschen. Friedman erwähnte auch, wie Trump, keine vier Monate nachdem seine Frau ihren gemeinsamen Sohn geboren hatte, einen Seitensprung mit einer Porno-Darstellerin hatte. Und Friedman beschrieb, wie Trump im Juli 2015 in einer Veranstaltung über seinen inzwischen verstorbenen Parteifreund, den Senator John McCain herzog, der während des Vietnam-Krieges mehr als fünf Jahre in Gefangenschaft der Nordvietnamesen durchstehen musste. 

Er, Trump, habe McCain während seiner Präsidentschaftskandidatur unterstützt. „Aber er verlor, hat uns hängen lassen. Deshalb mochte ich ihn danach nicht mehr, denn ich mag keine Verlierer.“ Als damals im Publikum gelacht wurde, warf der Moderator ein: „Aber er war ein Held!“ Der NYT-Bericht geht daraufhin so weiter: „Trump – der mit einer zweifelhaften medizinischen Zurückstellung die Einberufung nach Vietnam vermied – erwiderte: „Er ist kein Kriegsheld. Er ist ein Kriegsheld weil er gefangen genommen wurde. Aber ich mag Leute, die nicht gefangen genommen werden.“ Am selben Tag setzte er einen Tweet ab mit folgender Überschrift: „Donald Trump: John McCain ist ein Verlierer“. (Den herabwürdigenden Begriff „Verlierer“ – „Loser“  verwendet Trump immer wieder, um andere Leute, insbesondere Opponenten und selbst Leute aus der eigenen Partei zu schmähen und lächerlich zu machen. Eine Eigenheit, die bei genauer Betrachtung den eigenen miesen Charakter offenbart. Damit versucht Trump immer wieder, sich über andere zu erheben. Die offene Frage dabei ist, warum dies seinen Fans besonders gut gefällt).

Thomas L. Friedman beschreibt zwei Ziele, die Trump mit seinen „Eigenheiten“ erreichen will:

  • Er versucht, die Qualitätsanforderungen an eine Führungspersönlichkeit umzudefinieren. Eine Führungspersönlichkeit ist nicht die- oder derjenige, die oder der – wie etwa Liz Cheney oder Mitt Romney die eigene Karriere riskiert um die Wahrheit zu verteidigen. Nein, eine Führungspersönlichkeit ist jemand, der um jeden Preis gewinnen muss – gegen das Land, gegen die Verfassung und gegen das gute Beispiel, das wir für unsere Kinder setzen, und auch gegen unsere Verbündeten. Wenn man jedoch eine Führungspersönlichkeit lediglich als „Siegertyp“ beschreibt, dann stehen Leute wie McCaine, Cheney und Romney im Weg …
  • Trump schert sich nicht um Anstandsregeln, die ihm Grenzen setzen. Er verfolgt einfach nur sein grenzenloses Verlangen nach Macht um der Macht willen. 

Ein früherer Weggefährte Trumps, sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hat all dies in zwei Sätzen zusammengefasst: „Trump hat keine Regierungsphilosophie. Er betrachtet alles als Transaktion, bei der die entscheidende Frage ist, wie Donald Trump davon profitiert. (Quellen: nytimes.com, 13.6.2023; Thomas L. Friedman: Trump Thrives in a Broken System. He’ll Get Us There Soon .” sueddeutsche.de, 1.3.2024: „Trump wird aus der NATO austreten“; Interview mit John Bolton, geführt von Fabian Feldmann).

Ein Resümee könnte so aussehen: Die Gruppe der weißen Evangelikalen in den verschiedenen protestantischen Kirchen der USA ist zur treuen Unterstützerin Donald Trumps geworden. Zu einem umspannenden Trump-Block sind dadurch die theologisch konservativen Kirchen Amerikas, wie etwa die Southern Baptist Convention, die Gemeinden Christ und die Mega-Kirchen und Pfingstgemeinden nicht geworden.  s würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen, wollte ich über die vielfältigen internen Diskussionen und Auseinandersetzungen in den einzelnen Kirchengemeinden und in den Kirchenleitungen berichten, etwa wenn Pastoren ihre Gemeinden verlassen oder von der Gemeinde gekündigt werden oder auch über den Streit in manchen Kirchenleitungen über die Berufung von Frauen in Führungspositionen oder auch das Zurückdrängen von Frauen durch evangangelikale Kräfte in den einzelnen Kirchen. (Umfangreiche Informationen zum Stichwort Evangelikalismus siehe Wikipedia, Stand 22.12.2023).  

 

Wahlvolkschelte?

Nach nochmaliger Durchsicht des vorherigen Kapitels frage ich mich, ob es zu viel Pessimismus enthält? Oder ob angesichts der Begeisterung vieler Evangelikaler für den „Sünder“ Trump die Beschimpfung dieser Wählergruppe – und auch vieler anderer Trump-Unterstützer – nicht doch berechtigt sei?  Trump hatte bereits 2016 erklärt, für die „schweigende Mehrheit der Amerikaner“ zu sprechen. Für die „normalen Amerikaner“, für die „Durchschnittsamerikaner“. Darunter sind viele „Blue-Collars“, Leute aus dem Arbeitermilieu, die keinen höheren Bildungsabschluss haben. Warum „lieben“ sie Trump ganz besonders? Können sie die Folgen ihrer Zustimmung nicht abschätzen? 

Fabian Fellmann schrieb am 14.1.2024 unter der Überschrift „Der Wähler, das unbekannte Wesen“ den Satz: „Je mehr sich Trump als Feind der Demokratie präsentiert, desto begeisterter jubelt ihm seine Anhängerschaft zu.“ Warum habe ich diesen Satz in Fellmanns Bericht in der Süddeutschen Zeitung unterstrichen? Irgendwo zwischen den Zeilen erschien mir der Vorwurf: „Ihr könnt nicht abschätzen, was ihr anrichtet!“ 

Auch Jamelle Bouie von der New York Times – er ist ein fundierter Kritiker Trumps – hat sich mit dem Thema Wählerverantwortung und mit der Kritik der schreibenden Zunft an den Trump-Fans beschäftigt: „Zu viele Kommentatoren haben zu viel Zeit darauf verwendet, sich über die Trump-Wählerinnen und Wähler Sorgen zu machen und zu wenige an die Millionen von Wählerinnen und Wählern gedacht, die immer wieder sagten, dass sie diesen Mann und  sein Bewegung nicht in der amerikanischen Politik haben wollen.“ 

Mamelle Bouie weist darauf hin, dass Trump auch 2016, als er die Wahl gewann, nicht die Mehrheit der Stimmen erhalten hat. Ferner, dass die MAGA-Republikaner 2018 im Repräsentantenhaus die Mehrheit verloren und diese – trotz ganz anderer Erwartungen – 2020 nur hauchdünn zurück gewannen.  Und schließlich auch, dass die von Trump unterstützten Leute 2020 die engen Auseinandersetzungen in Georgia, Nevada, Arizona und Pennsylvania alle verloren. Dies erinnert an einen Vorwurf, den Ron DeSantis seinem inzwischen wieder zum Freund gewordenen Opponenten Donald Trump immer wieder gemacht hat: „Trump kann nicht gewinnen, Trump verliert die Wahlen.“ Steckt in dieser Beschreibung etwa das „Pfeifen im Wald?“ Dies lässt sich heute, knapp ein Dreiviertel Jahr vor der Wahl am 5.11.2024 nicht vorhersagen. Fabian Wellmann zitiert dazu die angelsächsische Binsenweisheit, dass die einzig relevante Umfrage jene am Wahltag ist. Trump ist – auch angesichts der Ergebnisse der der Times/Siena-Umfrage von Ende Februar 2024, die Trump mit 48 Prozent vor Biden mit 43 Prozent sieht – erneut zu schlagen, wenn es Biden und den Demokraten gelingt, alle Leute zu den Wahlurnen zu bringen, die nicht wollen, dass Trump noch einmal US-Präsident wird. Viele Wählerinnen und Wähler stehen am 5.11.2024 womöglich vor der Frage: „Wer von beiden ist das „geringere Übel“? (Quellen: sueddeutsche.de, 14.1.2024: „Der Wähler, das unbekannte Wesen“; nytimes.com, 6.1.2024: Jamelle Bouie:  „Trump doesn’t actually speak fort he silent majority“; nytime.com, 2.3.2024: “Voters Doubt Biden’s Leadership and Favor Trump, Times/Siena Poll Finds”).

 

Amerika erlebt einen schmutzigen Wahlkampf

Am 1.2.2024 meldete CNN in der Sendung This Morning“ folgende Umfragezahlen:

 

                                                                    Gesamt                          Frauen

 

                          Joe Biden                            50 %                              58 %

                          Donald Trump                  44 %                              36 %

 

Vermerkt wurde dazu, dass den Wählerinnen und Wählern dabei die Erhaltung der Demokratie das wichtigste Thema der Wahl sei.

 

Im fiktiven Rennen Biden ./. Haley wurden folgende Prognosezahlen gemeldet:

 

                            Joe Biden                           42 %

                            Nikki Haley                       47 %

 

Diese Zahlen dürften für Trump in zweifacher Hinsicht ärgerlich gewesen sein: Im „Kampf der Giganten“ hatte ihn Biden erstmals überholt und eigentlich müsste er nun intensiv gegen Biden in den Wahlkampf ziehen. Doch er musste sich nach wie vor mit Nikki Haley auseinandersetzen, die einfach nicht weichen wollte und durch die fiktiven Zahl Biden -/. Haley auch noch Auftrieb erhielt. Erneut ist sie mit dem Stichwort „Electibility“ gegen Trump ins Rennen gegangen. Haley hatte dabei die Abneigung im Land gegen einen Wahlkampf der beiden „alten Männer“ aufgegriffen und attackiert damit sowohl Trump als auch Biden. Dadurch kam Trump vor den Vorwahlen in South Carolina verstärkt unter Druck und erlebt eine sonderbare Situation. Dieser Wahlkampf war und ist in der Tat in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich und gibt Anlass zur Sorge. Dazu ein markantes Beispiel:

Auf den ersten Blick unverstehbar ist, wie Donald Trump seine Fans gegen die Pop-Ikone Taylor Swift in einen gehässigen Krieg gezogen sind und vor allem in den Sozialen Medien aus allen Rohren – über und unter der Gürtellinie – schießen. Die Sozialen Medien eignen sich besonders gut für die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, etwa die, Taylor Swift sei eine Geheimagentin des Pentagon. Üble Beschimpfungen und Bedrohungen sind ebenfalls gang und gäbe. In einem Kommentar in der Heilbronner Stimme fragt Thomas Spang, woher dieser von Trump losgetretene Hass kommt und nennt dazu drei Stichworte: Neid, Eifersucht, Angst (Heilbronner Stimme, 2.2.2024: „Bizarrer Feldzug“; Kommentar von Thomas Spang).  Taylor Swift will nicht amerikanische Präsidentin werden, ist also keine politische Kontrahentin Trumps. Was jedoch um sie geschah, lässt für den „richtigen“ Wahlkampf Schlimmes befürchten. Wie mit Hass beladen wird Trump erst gegen Biden in den Kampf ziehen, wenn es um Alles geht? 

Die New York Times erwartet eine hässliche, Mutlosigkeit verbreitende und sich endlos dahinschleppende Auseinandersetzung zwischen zwei unpopulären Kandidaten. In einem umfangreichen Bericht beschreibt die Zeitung Bidens Anti-Trump-Schlachtplan, und „wo Taylor Swift darin platziert werden könnte.“ Eine Wahlempfehlung des Superstars wäre die Erfüllung der wildesten Träume des Biden-Teams, schreibt die NYT. Swift hat bereits 2020 für Biden geworben. Allerdings stand sie vor vier Jahren noch nicht so hoch am Himmel der Stars. Früher bestand Swifts Fangemeinde überwiegend aus Teens und noch jüngeren Kids. Doch die haben inzwischen das Wahlalter erreicht, schreibt die New York Times. Ein  Social Media Post von Swift, wie etwa: „Ich habe stets und ich werde meine Stimme den Kandidaten geben, die die Menschenrechte beschützen und für das eintreten, was wir in diesem Land verdient haben.  Ich glaube an den Kampf für L.G.B.T.Q.-Rechte und dass jede Art der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung falsch ist“,  hat daher eine ganz andere Breitenwirkung.  Swift  hat inzwischen auf Instagram 279 Millionen Followers. Im vergangenen Jahr brachte ein einziger Instagram-Post von ihr 35 000 neue Wähler-Registrierungen. Ein Spendenaufruf von Taylor Swift wäre mehrere Millionen Dollar wert, hat sie doch bei der Grammy-Verleihung am 4.2.2024 zum vierten Mal in der Hauptkategorie „Album des Jahres“ gewonnen und ist damit an Größen wie Paul Simon, Frank Sinatra und Stevie Wonder vorbeigezogen (Heilbronner Stimme, 6.2.2024: Grammy-Rekord für Taylor Swift“). Bei der Biden-Kampagne wird erwogen, ob der Präsident nicht ein Konzert von Taylor Swift besuchen sollte, nachdem diese sich immer wieder für die Rechte von Frauen und der LGBTQ-Comunity  einsetzt – Themen, die zur Agenda von Donald Trump nicht so recht passen wollen.   

Kein Wunder, dass Taylor Swift für Donald Trump zu einem wichtigen Wahlkampfthema geworden ist.  Am 11.2.2024 nahm er sie auf seiner Social Media Plattform unmittelbar ins Visier. Er erinnerte sie daran, dass er ein Gesetz unterschrieben habe, das es für Künstler leichter macht, Tantiemen zu erheben, wenn ihre Musik im Internet gestreamt wird. Es sei nicht loyal, wenn sie nun Biden zur Wahl empfehlen würde. Wörtlich schrieb Trump: Joe Biden hat für Taylor gar nichts getan und wird auch weiterhin nichts für sie tun. Wie kann sie nun den Gauner Joe Biden zur Wahl empfehlen, den korruptesten Präsidenten in der Geschichte unseres Landes und illoyal gegenüber dem Mann werden, der ihr zu so viel Geld verholfen hat.“( nytimes.com,11.2.2024: „Trump Says It Would Be „Disloyal“ for Taylor Swift to Endorse Biden“).

(Der Vorgang zeigt die einfach gestrickte Denkweise Trumps: Im Jahr 2018 hat der Kongress mit nahezu allen Stimmen aus beiden Parteien den Music Modernization Act verabschiedet und Trump hat als Präsident das Gesetz unterschrieben. Nun erwartet er von den Künstlern, dass diese ihm gegenüber „loyal“ und dankbar sein müssen).    

Am 5.3.2024 – dem Super Tuesday, an dem in 16 US-Bundesstaaten Vorwahlen stattfanden – griff auch Taylor Swift ins Wahlkampfgeschehen ein, jedoch nicht so, wie es vielleicht die Biden-Kampagne gehofft hatte. Mit einem Instagram Post erinnerte Swift ihre Fans an den Wahltag: „Ich möchte euch daran erinnern, für die Leute zu stimmen, die Euch am besten repräsentieren, falls ihr nicht bereits vor hattet, heute zur Wahl zu gehen.“ Einen bestimmten Kandidaten nannte sie nicht. Doch – so vermutet die New York Times – dürfte der Post geeignet sein, bei Fox News und MAGA Empörung hervorzurufen (nytimes.com, 5.3.2024: Taylor Swift Wants You to Vote Today, Though She’s Not Saying for Whom“).

Das Taylor Swift Hin und Her im Wahlkampf dürfte also weitergehen. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob die Reaktionen Trumps und seiner Unterstützer bei den Swifties auf fruchtbaren Boden fallen.  (Weitere Quellen zu Taylor Swift: nytimes.com, 29.1.2024: „Inside Biden’s Anti-Trump Battle Plan (and Where Taylor Swift Fits In); nytimes.com, 30.1.2024: “Taylor Swift, Travis Kelce and a MAGA Meltdown; Heilbronner Stimme, 1.2,.2024:  “Trumps Gefolge erklärt Taylor Swift den Krieg“).

Auf solche Vorfälle und Einlassungen Trumps baut die Biden-Kampagnie eine besondere Taktik: „Das Rennen ist ohne historische Parallele – ein Kontrastprogramm zwischen zwei Präsidenten, wobei der eine 91 strafrechtliche Anklagepunkte gegen sich hat“, schreibt die New York Times, weist jedoch darauf hin, dass dieser Versuch, die Frontlinien gewissermaßen umkehren zu wollen und die Wahl nicht zu einem Referendum über die Amtszeit Bidens sondern über seinen Vorgänger Trump zu machen, zum Wagnis für Biden werden kann. Trump wird in der gewohnten unschönen Art mit Schmähungen und verletzenden Worten dagegenhalten – und hier steckt das Kalkül aber auch das Wagnis für die Biden-Kampagne:  Je mehr die Öffentlichkeit Trump hört und sieht, desto weniger Wählerinnen und Wähler werden für ihn stimmen. Biden setzt darauf, dass viele Amerikaner die Fairness im gegenseitigen Umgang sehr hoch einschätzen.

 

Donald Trump schwafelt

Donald Trump verfällt immer wieder in die Untugend, andere mit Spottnamen zu schmähen. Ich habe darüber an anderer Stelle berichtet. Doch Trump erzählt auch glatte Lügen. Wenn er auf Touren kommt, sagt er manches, das nicht zusammenpasst. Nun ist zwar ein Wahlkampf keine Veranstaltung, bei der man jedes Wort auf die Goldwaage legen kann. Jedoch die genannten Zahlen sollten stimmen. In seiner 20minütigen Siegesrede am Super Tuesday (5.3.2024) fand die New York Times zehn falsche oder irreführende Aussagen Trumps. 

Im Zusammenhang mit einem seiner Lieblingsthemen, dem Einwandererstrom an der Südgrenze der USA sagte er – wohl mit der Absicht, die Regierung Biden in Misskredit zu bringen: „Sie brachten 325 000 Migranten mit dem Flugzeug – flogen sie rein, über die Grenze, in unser Land. Das zeigt euch, woher sie kommen, die wollen offene Grenzen.“ Vorgetragen im Trump’schen Plauderton hat eine solche Aussage durchaus Wirkung: „Die“ organisieren sogar Einwandererflüge in unser Land! Die New York Times vermerkte dazu: „This is misleading“ – „dies ist irreführend“ und erläutert, dass Trump offenbar aus den Veröffentlichungen einer Organisation zitiert hat, die sich für restriktivere Einwanderungsbestimmungen einsetzt. Bei genauer Betrachtung: Im Jahr 2023 wurde  etwa 320 000 Personen erlaubt, mit dem Flugzeug in die USA einzuwandern. „Aber dies ist keine geheime Operation, wie Trump den Anschein erweckt“, schreibt die NYT. Diese Einwanderer kamen über ganz bestimmt Programme, etwa über bestimmt Quoten, aus Cuba, Haiti, Nicaragua, und Venezuela, die unter der Überschrift „Visa aus humanitären Gründen“ u. a. für die Familienzusammenführung eine Einreiseerlaubnis erhielten. Sie hatten zuvor ein amtliches Verfahren durchlaufen und den Flug selbst organisiert. Dieser Personenkreis ist nicht vergleichbar mit den Leuten, die versuchen, ohne Erlaubnis über die Südgrenze der USA zu kommen. Doch der Satz: „Die fliegen 325 000 Migranten in unser Land“ klingt im Wahlkampf bedeutend dramatischer als der Versuch, über legale Programme zu reden und darüber, ob und evtl. für welchen Personenkreis man diese ändern sollte.

Eine andere Aussage Trumps vom 5.3.2024 – zum gleichen Thema – bezeichnet die New York Times schlichtweg als „falsch“.  Trump hatte verkündet: „Wir bauten 571 Meilen der Mauer“. Dazu erläuterte die NYT, dass die südliche Grenze der USA zu Mexiko mehr als 1 900 Meilen lang ist. Im Wahlkampf 2016 hatte Trump versprochen, eine Mauer entlang dieser Grenze zu bauen – „was nicht geschah.“ Die Trump-Regierung errichtete 458 Meilen an Grenzbarrieren, meist handelte es sich um den Ersatz oder die Verstärkung bereits bestehender Befestigungen. Noch offizieller Mitteilung wurden lediglich 47 Meilen erstmalige und neue Barrieren errichtet an Stellen, wo es noch keine Befestigungen gab.

Noch eine falsche Aussage Trumps vom 5.3.2024: „Wir ließen neue und wunderschöne Ausrüstung im Wert von 85 Mrd. Dollar in Afghanistan zurück.“ Auch diese Aussage war „falsch“. Trump nannte hier den Wert aller Sicherheitsgüter, die von den USA über einen Zeitraum von 20 Jahren an Afghanistan geliefert wurden; dieser Wert: 88,6 Mrd. Dollar. Nach Aussagen des Verteidigungsministeriums blieb beim Rückzug aus Afghanistan Material im Wert von 7 Mrd. Dollar zurück (nytimes.com, 6.3.2024: „Trump’s Super Tuesday Speech: Assessing 10 False and Misleading Claims“).

 

Auch Biden kann austeilen  

In zwei Reden setzte er sich mit Trump sehr grundsätzlich auseinander und beschrieb die Wahl als Entscheidung zwischen einem Kandidaten, der für die amerikanischen Ideale einsteht und einem Agenten des Chaos, der diese um des eigenen Vorteils willen aufgeben will.

Die erste Rede hielt Biden am 6.1.2024, dem dritten Jahrestag des Sturms auf das Kapitol an einem geschichtsträchtigen Ort, in Valley Forge in Pennsylvania, wo George Washington im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1777/78 mit den amerikanischen Revolutionstruppen überwintert hat. An diesem Ort, über dessen Bedeutung für die Freiheit und Demokratie jedes Schulkind in Amerika immer wieder hört, machte Joe Biden sehr grundsätzliche Aussagen: „Demokratie steht auf dem Stimmzettel.“ Oder auch: „Wir alle wissen, wer Donald Trump ist. Die Frage ist: Wer sind wir?“  iden verglich Trump mit ausländischen Autokraten, die mit Befehlen und Lügen regieren. Trump habe den Basistest für amerikanische Führungspersönlichkeiten verfehlt, nämlich dem Urteil der Menschen bei der Wahl ihrer Amtsträger zu vertrauen und sich ihrer Entscheidung zu fügen.  Trump antwortete Biden und warf ihm vor, er betreibe „pathetische Panikmache“ und missbrauche das Vermächtnis von George Washington.

Es gibt Stimmen, die daran zweifeln, dass diese Art der Rhetorik bei den Wählerinnen und Wählern ankommen wird. Der republikanische Senator und Trump-Kritiker Mitt Romney aus Utah sagte dazu, er glaube, die Schwerpunktsetzung auf die Bedrohung der Demokratie sei ein Schlag ins Wasser. Der demokratische Senator John Fetterman aus Pennsylvania formulierte kurz und bündig: „2024 geht es um Gut gegen Böse.“ 

Bei all dem werde deutlich, hier findet eine Auseinandersetzung zweier Präsidenten aus völlig verschiedenen Teilen des Landes statt: Dem Präsident des „Blauen Amerikas“ und dem des „Roten Amerikas“, resümierte der NYT-Journalist Peter Baker. Hier gehe es um weit mehr als um das binare Gegeneinander von „liberal“ und „konservativ“ zwischen den beiden politischen Parteien, wie es Generationen von Amerikanern kennen. Hier geht es zum Teil um Ideologie, aber auch ganz grundsätzlich um Rasse und Religion und Kultur und Wirtschaft und Demokratie und Vergeltung aber vor allem, vielleicht, um Identität. Peter Baker beschreibt die einzelnen Bereiche, über die Amerika tief zerrissen ist. Ich will sie im Detail nicht darstellen. Man kann zusammenfassend formulieren, dass sich in den Vereinigten Staaten zwei fundamental unterschiedliche Lebenswelten entwickelt haben und noch weiter entwickeln, die keinen Bezug und keine Tür mehr finden, um sich zu begegnen. Die USA werden 2024 einen ganz außergewöhnlichen, wenn nicht in ihrer Geschichte einmaligen Wahlkampf erleben. Joe Biden und Donald Trump werden aller Wahrscheinlichkeit nach die beiden Kontrahenten sein – und es wird nicht nur harte sonder schmutzige Auseinandersetzungen geben. (Quellen: nytimes.com, 3.1.2024: „Biden Plans 2 Campaigne Speeches to Unterscore Contrast With Trump”; nytimes.com, 5.1.2024: “Biden Condemns Trump as Dire Threat to Democracy in a Blistering Speech”; nytimes.com, 25.1.2024: “The Looming Contest Between Two Presidents and Two Americas”; nytimes.com, 29.1.2024: “Inside Biden’s Anti-Trump Battle Plan (and Where Taylor Swift Fits In”).

Der tiefe Riss in der amerikanischen Politik – aber auch in der amerikanischen Gesellschaft – zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sich die Kontrahenten nicht mehr beim Namen nennen. Präsident Biden sprach in seiner State of the Union Rede am 7.3.2024 nur von seinem „Vorgänger“ und nannte Donald Trump nicht beim Namen.  Trump spricht über Biden seit langem nur mit einem Spottnamen. Dieser Graben läuft nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern sondern auch quer durch die Republikanische Partei. Trump hatte am Super Tuesday (5.3.2024) die Vorwahlen in 15 der 16 abstimmenden Bundesstaaten gegen die noch einzige Kontrahentin gewonnen. Bei der Siegesfeier in Mar-a-Lago nannte er Nikki Haley nicht ein einziges Mal. Vorher hatte er seie frühere UN-Botschafterin „Spatzenhirn“ genannt. Trump dürfte verärgert gewesen sein, dass sie ihm so lange die Stirn bot; am 6.3.2024 gab sie auf. Bereits vorher hatte Nikki Haley erklärt, sie werde – anders als die Mitbewerber DeSantis, Scott und Ramaswamy, die beim Ausstieg Wahlempfehlungen für Trump abgegeben haben„den Ring nicht küssen.“ 

Auch der Editorial Board der New York Times geht davon aus, dass Donald Trump der Kandidat der Republikaner sein wird und eröffnete das Wahljahr2024 mit einem Warn- und Weckruf: „Die Amerikaner sollten innehalten und überlegen, was eine zweite Amtszeit Trumps für unser Land und die Welt bedeuten würde und die ernste Verantwortung bedenken, die bei dieser Wahl auf ihren Schultern ruht. Ab jetzt sollten die meisten Amerikaner keine Illusionen darüber haben, wer Mr. Trump ist. Während seiner vielen Jahre als Immobilien-Entwickler und als Persönlichkeit im Fernsehen, dann als Präsident und dominante Figur in der Republikanischen Partei hat Mr. Trump einen Charakter und eine Wesensart gezeigt, die ihn völlig ungeeignet für ein hohes Amt machen.

Im NYT-Editorial werden eine Reihe früherer Amtsträger in Trumps Regierung zitiert: John Kelly, Bill Barr, Mark Esper, und Mike Pence. Sie alle kommen zu einem ähnlichen Schluss. Jeder Satz ist eine Warnung und ein Hammerschlag zugleich: „Wir rufen die Amerikaner auf, ihre politischen Differenzen, ihren Groll und ihre Parteilichkeit zur Seite zu legen und darüber nachzudenken – als Familie, als Kirchengemeinden, als Räte und Klubs und als Individuen – über die wirkliche Bedeutung der Entscheidung, die sie im November treffen.“ 

Das Editorial nennt einzelne, bisher bekannt gewordene Pläne Trumps für eine evtl. zweite Amtszeit, u. a. das umfangreiche Handbuch „Projekt 2025“, in dem die künftigen Strukturen, Schwerpunkte und das Personal des Trump’schen Weißen Hauses beschrieben werden (Ich werde darüber später noch berichten).  Mit folgendem Satz wird vor der Person des Donald Trump gewarnt: „Diese ehrgeizigen Absichten zeigen, dass die Jahre außerhalb eines Amtes und die wachsenden Herausforderungen, die auf ihn zukommen werden, allein seine schlimmsten Instinkte geschärft haben“ (nytimes.com, 6.1.2024; „This Election Year Is Unlike Any Other“; Editorial der New York Times)

 

Das politische Klima in den USA ist schlechter geworden

„Amerika steht vor einem schmutzigen Wahlkampf“, habe ich ein vorheriges Kapitel überschrieben. Um diese Überschrift noch zu unterstreichen, meldete am 4.2.2024 die New York Times: „Nikki Haley hat beim Secret Service um besonderen Schutz nachgesucht, nachdem die Bedrohungen gegen sie zugenommen haben.“ Eine besonders üble Masche geistert seit einiger Zeit durch die USA: Das sog. „Swatting“. Haley war davon innerhalb kurzer Zeit zweimal betroffen. 

Swatting ist deshalb so übel, weil die völlig ahnungslosen Opfer sich plötzlich einer schwer bewaffneten Polizeitruppe gegenüber sehen, die davon ausgeht, am Ort, zu dem sie gerufen wurde, sei ein Verbrechen geschehen und sie habe womöglich gefährliche Beteiligte vor sich. Beim Swatting löst ein anonymer Anruf, mit dem ein Verbrechen mitgeteilt wird, diesen Einsatz aus; er hat bei den Opfern schwere psychische Folgen. 

Der Vorfall am 30.12.2023 wird in der NYT so geschildert: Ein Anrufer teilte der Behörde mit, er habe seine Freundin im Haus erschossen; es seien Kinder vor Ort und er drohte, sich selbst etwas anzutun. Die Beamten zeigten ihre Waffen als sie vor Ort erschienen; und forderten die anwesenden drei Personen auf, ihre Hände zu erheben. Sie erkannten kurz darauf, dass der Anruf ein übler Scherz war. Bei den Menschen im Haus handelte es sich um die Eltern von Mrs. Haley und eine Betreuerin. Die Eltern von Haley sind 87 und 90 Jahre alt.

Schlussbemerkung im NYT-Bericht: „Diese Vorkommnisse haben zu einem erhöhten Klima der Einschüchterung und Gewalt beigetragen, seit Mr. Trump und seine Verbündeten damit begannen, Lügen und Verschwörungstheorien über die angeblich gestohlene Wahl von 2020 zu verbreiten. Im Oktober 2022 wurde Paul Pelosi, der Ehemann von Nancy Pelosi, der früheren Sprecherin (des Repräsentantenhauses) schwer verletzt als ein Einbrecher in das Haus eindrang und ihn mit einem Hammer niederschlug“ (nytimes.com, 5.2.2024: „Nikki Haley, Facing Rising Threats, Requests Secret Service Protection“).

 

Was wäre wenn …?   Die Sorgen der Amerikaner  

Die Befürchtungen und Sorgen um die Zukunft der Vereinigten Staaten, die aus den beiden Reden des Präsidenten und aus dem Editorial der New York Times durchklingen, sollte Donald Trump und seine Truppe noch einmal ins Weiße Haus einziehen, sind keine schwarzmalerischen Einzelstimmen.  Manches darin gesagte und geschriebene erinnert an das 2018 erschienene Buch „Wie Demokratien sterben“ (Originaltitel: „How Democracies Die“). Die Verfasser Steven Levitsky und Daniel Ziblatt haben dargestellt, dass Demokratien nicht mehr durch einen Umsturz oder einen Bürgerkrieg sondern durch die langsame und oft unbemerkte „Umgestaltung“ der Verfassungsstrukturen und des Rechts aus den Angeln gehoben werden. An den Startproblemen der neuen Regierung in Polen, nach der Abwahl der PIS-Regierung wird deutlich, wie schwierig es ist, solche Veränderungen im Staatsgefüge wieder rückgängig zu machen und die geschwächten demokratischen Stützpfeiler, etwa in der Justiz, wieder zu stärken. Die Veränderungen in der polnischen Justiz und auch im öffentlich-rechtlichen Informationssystem verschwanden nicht automatisch am Tag nach der Wahl. Die von der PIS-Regierung eingesetzten Richter und Amtsträger sind noch immer im Amt und versuchen teilweise, der Regierung Tusk den demokratischen und rechtsstaatlichen Rückbau des Landes zu erschweren. Zu nennen ist der Staatspräsident Andrzej Duda, dessen Amtszeit erst im kommenden Jahr endet.

Die New York Times Kolumnistin Michelle Goldberg hat im Januar 2024 Polen bereist und darüber einen umfangreichen Bericht geschrieben. Dessen Überschrift: „In Polen sah ich, was eine zweite Amtszeit Trumps in Amerika anrichten könnte“ (nytimes.com, 6.2.2024: „In Poland, I Saw What a Second Trump Term Could Do to America“). Adam Bodnar, der neue polnische Justizminister beschrieb die immensen Herausforderungen, die liberale Demokratie in Polen wieder herzustellen nachdem das Land innerhalb von acht Jahren in die Autokratie abgeglitten war. Die PIS-Regierung hatte den „Umbau“ immer nur in kleinen Schritten durchgeführt. Michelle Goldberg nennt dazu ebenfalls das Buch „Wie Demokratien sterben“. Die Zielrichtung der Vorgänger-Regierung war klar und schon lange sichtbar.  In der Rückschau fragen sich die überzeugten Europäer, warum die Europäische Union so lange geduldig zugesehen hat. 

Zur Warnung und gleichzeitig zur Mahnung an ihre Landsleute beschreibt die Journalistin, wie die liberalen Werte in Polen beinahe überall auf dem Rückzug waren und wie schließlich vor allem Frauen und junge Menschen für die Wiederherstellung ihrer Rechte kämpften. Bei der Parlamentswahl am 15.10.2023 lag die Wahlbeteiligung bei den unter 30jährigen höher als bei den über 60jährigen. „Ermunternd und ernüchternd zugleich“, schreibt Michelle Goldberg, „weil rasch klar wurde, wie schwierig es ist, eine moderne Demokratie wieder zu reparieren, die systematisch untergraben worden war – eine Lektion, die wir womöglich eines Tages in Amerika lernen müssen.“

Polen ist ein Land, das gerade hinter sich gebracht hat, was Trump in einer zweiten Amtszeit erreichen will: Die Institutionen der Regierung auszuhebeln und die erfahrenen Amtsträger in der Exekutive durch Lakaien und Ideologen ersetzen. „Für die Demokratie in Polen waren die Wahlen die letzte Möglichkeit, den Marsch in „Richtung Budapest“ abzuwehren“, zitiert Michelle Geldberg ein neu gewähltes Mitglied des Parlaments, die 29 Jahre alte Tochter von Einwanderern aus Thailand;  sie wurde als jüngstes Mitglied und als einzige Nicht-Weiße in den Sejm gewählt. Goldberg beschreibt, wie die PIS das Land umgebaut hat, um die Macht zu sichern und „Demokratie-sicher“ zu machen. Ich will die Details nicht beschrieben. Auch hier klingt an was in dem Buch „Wie Demokratien sterben“ herausgearbeitet wurde: Der „Umbau“ erfolgt „legal“, gestützt auf Mehrheiten, die in Wahlen erreicht werden. Hat der „Umbau“ eine gewisse Stufe erreicht, treffen die Autokraten Vorkehrungen, dass neue Mehrheiten keinen „Rückbau“ beschließen können. Die veränderten Strukturen im Justizsystem, die auf Schlüsselpositionen platzierten Lakaien und Ideologen und die linientreu gemachten staatliche Medien tun alles, um diesen „Rückbau“ zu erschweren wenn nicht zu verhindern. 

Interessant ist, wie Michelle Geldberg ihren amerikanischen Landsleute beschreibt, was aus den Medien in Polen geworden ist: „Die PIS machte die öffentlichen Medien zu einer ranzigen und hysterischen Agitprop-Truppe, die Fox News (den erzkonservativen TV-Sender in USA) fair und ausbalanciert erscheinen lässt“ (nytimes.com, 6.2.2024: „In Poland, I Saw What a Second Trump Term Could Do to America“). 

Michelle Goldberg hat einen klaren und niederschmetternden Bericht geschrieben. Die Amerikaner wissen aus jüngsten Erfahrungen, was einseitige Mehrheiten im Obersten Gericht des Landes, dem Supreme Court, bewirken können. Nun führt Donald Trump in aller Öffentlichkeit den Umbau der Führungsebene der eigenen Partei vor. Es sieht aus wie der Probelauf, wie und was er nach einem evtl. Wahlsieg am 5.11.2024 in der Exekutive der USA umbauen wird. 

Am 8.3.2024 wurde Ronna McDaniel, sie war seit 2017 die Vorsitzende des Republican National Committee (RNC), gefeuert und durch den Trump-Vertrauten Michael Whatley ersetzt. Trump und seine Truppe warfen McDaniels unter anderem vor, ihren Kandidaten nicht genügend unterstützt zu haben. Sie hatte – wie üblich – die öffentlichen TV-Debaten mit Nikki Haley und den anderen Bewerbern um die Kandidatur veranstaltet, die Trump nicht wollte und an denen er auch nicht teilnahm. Um die Kontrolle über das RNC komplett zu machen, wählte Trump seine Schwiegertochter Lara Trump, die Ehefrau von Sohn Eric als Vize-Vorsitzende des RNC aus. Lara Trump war eine Rednerin bei jener Trump-Veranstaltung am 6.1.2021 in Washington D. C., von der der Sturm auf das Kapitol ausging. 

Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die neue RNC-Spitze dabei sei, „die Organisation und das Personal zu evaluieren, um sicherzustellen, dass das Gebäude mit ihrer Vision übereinstimmt.“ Berichtet wird von der Kündigung von etwa 60 Angestellten. Die SZ zitiert das Magazin Politico, das ein „Blutbad beim RNC“ gemeldet hat (sueddeutsche.de, 12.3.2024: „Make Trump Great Again“).

Nachdem er seit längerem die Basis der Republikanischen Partei (GOP) und auch den Großteil der republikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren „auf Vordermann“ gebracht hat, hat er nun auch die Kontrolle über die Parteiorganisation übernommen. Nach diesem Muster wird Trump – vorausgesetzt er gewinnt am 5.11.2024 – auch die amerikanische Bundesregierung in ein Familienunternehmen umbauen. Über den entsprechenden Plan – das Project 2025 – werde ich an anderer Stelle berichten. 

Zu all dem passt wie die Faust aufs Auge, dass Donald Trump am 8.3.2024 den ungarischen Premierminister Viktor Orban in Mar-a-Lago herzlich empfangen hat. Orban wird zweifellos eine wichtige Rolle in der künftigen Europapolitik Trumps zu spielen haben: Er wird weiterhin der Störer im europäischen Integrationsprozess sein. Am 8.3.2024 empfing ihn Trump mit lobenden Worten: „Er ist ein großer Regierungschef, ein sehr starker Mann.  Einige Leute mögen ihn nicht, weil er so stark ist.“ Und Orban pries Trump als den „Präsident des Friedens.“

Viktor Orbans „Illiberale Demokratie“ ist seit langem ein Vorbild für die MAGA-Republikaner in Amerika. Im Vergleich zu Putins Russland ist Ungarn kein autoritärer Polizeistaat, in dem Regierungskritiker eingesperrt oder gar umgebracht werden. In Ungarn wird jedoch ebenfalls – aber mit diffizileren Mitteln gegen kritische Stimmen vorgegangen. Unabhängige Medien werden vom Anzeigenmarkt abgeschnitten und ausgehungert und schließlich von den von der Regierungsparte Fidesz kontrollierten Medien als Abweichler und Verräter gebrandmarkt. 

„Was haben Trump und Orban ideologisch gemeinsam?“, wird in einem Bericht der New York Times gefragt. Andrew Higgins, der für Ost- und Mitteleuropa zuständige Ressortleiter der NYT nennt mehrere Punkte:

  • Ihre Aktivitäten begründen sich weniger ideologisch sondern mehr stilistisch. Sie teilen eine Einstellung im Denken, die man mit dem Motto  „Lasst uns das Schiff gehörig schaukeln“ beschreiben kann;           
  • Die größte Übereinstimmung gibt es beim Verhältnis zu Russland und in ihrer Haltung zum Thema Einwanderung;
  • Sie sind gegen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.

Andrew Higgins nennt hier einen Punkt nicht, der m. E. Trump und Orban ebenfalls verbindet: Ihre kritische Distanz, wenn nicht Abneigung gegen die Europäische Union in ihrer jetzigen Form. Es wäre ein Alptraum – sollte Trump gewählt werden, ihn gemeinsam mit Orban – zur Freude Putins – gegen die EU „in den Kampf“ ziehen zu sehen. Die New York Times vermerkt, dass Orban –  anders als etwa die Britten – nicht beabsichtigt, die EU zu verlassen und zitiert eine Orban-Aussage vom Dezember 2023: „Ich plane nicht das „leave“ sondern Brüssel zu übernehmen.“ 

Ein grundlegender Unterschied in der Politik der beiden Regierungschefs ist zu nennen: Ihr Verhältnis zu China. Orban ist der letzte verlässliche Partner Chinas in der EU. Trump hat hier völlig andere Vorstellungen. (Quellen: nytimes.com, 1.2.2024: „For Orban, Ukraine Is a Pawn in a Longer Game“; nytimes.com, 7.3.2024; The Morning: “Orban in Florida”).

Das Weiße Haus wählte einen interessanten Weg, auf den Besuch von Viktor Orban bei Donald Trump zu reagieren. In einer Rede des amerikanischen Botschafters David Pressman am 14.3.2024 anlässlich des 25. Jahrestags des NATO-Beitritts von Ungarn, machte dieser einige kritische Bemerkungen zu den Beziehungen der USA zu Ungarn. Das Land sei ein Verbündeter, der sich jedoch anders verhalte als alle anderen. „Wir müssen entscheiden, wie wir unsere Sicherheitsinteressen schützen können, die die gemeinsamen Interessen aller Verbündeten sein sollten.“ Washington reagiert damit auch auf ein Interview, das Orban unmittelbar nach seinem USA-.Besuch mit dem ungarischen Staatsfernsehen führte. Trump habe ihm detailliert dargelegt, wie er den Ukraine-Krieg beenden wolle und dass dieser Plan die Beendigung der amerikanischen Hilfe für die Ukraine enthalte. 

Der amerikanische Botschafter nannte in seiner Rede ein langes Sündenregister des NATO-Verbündeten Ungarn. So habe die ungarische Regierung verweigert, den Angehörigen der in Ungarn stationierten amerikanischen Soldaten Kennzeichen für die Autos von Familienangehörigen zu erteilen. Wohl mit Ironie in der Stimme fügte der Botschafter an: „Natürlich geht es bei dieser Rede nicht um Autokennzeichen aber dieser Vorgang zeigt den Besorgnis erregenden Zustand der Beziehungen Ungarns mit seinen Verbündeten. Erwähnt wird in dem Bericht der New York Times auch, dass die Türkei und Ungarn die einzigen Länder waren, die den NATO-Beitritt Schwedens lange blockiert haben (nytimes.com, 14.3.2024: „Orban Endangers Hungary’s Status as an Ally, U.S. Diplomat Says“).

Selbst ein in der hohen Schule der Diplomatie nicht bewanderter Normalbürger kann aus dieser Rede entnehmen, auf was für ein gewagtes Spiel sich Viktor Orban mit seinem Besuch bei Donald Trump mitten im amerikanischen Wahlkampf eingelassen hat. Gewinnt Trump im November die Wahl, wird Orban zum wichtigsten Staatsmann und Partner der USA in Europa aufsteigen. Verliert Trump und Biden bleibt Präsident, verliert Orban weiteres Vertrauen im Kreis der NATO- und EU-Verbündeten und muss weiterhin versuchen, seinen Landsleuten als großer Weltpolitiker zu erscheinen. Doch Polen hat gezeigt, dass die Wählerinnen und Wähler nicht ewig an solche Bekanntgaben glauben.      

In den USA warnen nicht nur die Demokraten vor einer Wiederwahl Trumps. Mit einer Reihe von Auftritten machte die frühere republikanische Kongressabgeordnete Liz Cheney einen dramatischen Versuch, die Republikaner von einer Nominierung Trumps abzubringen:  Zeigt der Welt mit eurer Stimme, wer wir sind. Zeigt, dass wir eine gute und große Nation sind“, sagte sie am 5.1.2024 beim Demokratie-Gipfel des Dartmouth College in Hanover, New Hampshire. „Zeigt der Welt, dass wir die Seuche der Feigheit besiegen werden, die über die Republikanische Partei fegt.“ Doch Liz Cheney findet im Kongress und in der Führungsebene der GOP kaum Gehör. Ob ihre Warnungen in der Mitgliedschaft der Republikaner ankommen, ist zu bezweifeln. Doch Cheney ist – neben Nikki Haley, die sie zum weitermachen aufgefordert hat – eine der wenigen, die Trump und die MAGA-Ideologie scharf kritisieren. 

Liz Cheney griff Trumps großsprecherische Aussage in einer Wahlkampfrede auf, der Amerikanische Bürgerkrieg (1861 – 1865) hätte verhindert werden können, wenn Präsident Lincoln „verhandelt“ hätte. Was und wen wollte Trump mit einer solchen saloppen Interpretation der amerikanischen Geschichte erreichen? Wollte er vor seinen Fans als der große Dealmaker erscheinen, der jenes Unglück in der Geschichte der USA durch sein unwiderstehliches Verhandlungsgeschick mit den Sklavenhalterstaaten im Süden des Landes verhindert hätte? Amerikaner, die sich in der Geschichte der USA besser auskennen als Donald Trump werden über solche Anmaßungen wohl nur den Kopf schütteln. Liz Cheney fragte zurück, welcher Teil des Bürgerkriegs hätte „verhandelt“ werden können? Etwa die Sklavenfrage? Oder der Austritt der Südstaaten aus der Union? Oder ob Lincoln überhaupt die Union hätte retten sollen? Abraham Lincoln ist 1865 von einem fanatischen Südstaatler ermordet worden. Er kann sich gegen die Trump’sche geringschätzige Kritik nicht mehr wehren. Aber die Amerikaner von heute sind zum Mitdenken über ihre Geschichte aufgerufen. Auf der Social Media Plattform „X“ formulierte Liz Cheney eine Frage an die Mitglieder der der Republikanischen Partei – der Partei Abraham Lincolnsdie Trump als Präsident empfiehlt:  „Wie in aller Welt könnt ihr so etwas entschuldigen?“ 

Vermutlich hat sich Donald Trump nie sehr intensiv mit der Geschichte seines Landes beschäftigt. Das mag zu verzeihen sein; viele seiner Landsleute haben dies wohl auch nicht getan. Vorzuwerfen und gefährlich ist jedoch, dass er suggeriert, etwas davon zu verstehen. Trump tut so als ob, um bei seinen Fans Eindruck zu machen. In Wirklichkeit zeigt er lediglich seine Überheblichkeit. Abraham Lincoln, einer der größten Präsidenten der USA, war aus der Sicht von Trump ein Stümper, weil er nicht „verhandelt“ hat. Er, Trump, hätte diesen Deal geschafft …

Liz Cheney hat nicht ausgeschlossen, als Kandidatin einer Dritten Partei gegen Trump ins Rennen zu gehen. In ihrer Dartmouth-Rede teilte sie mit, ihre weiteren Pläne hingen auch davon ab, ob die republikanischen Wählerinnen und Wähler ihrem Aufruf Beachtung schenkten. „Ich werde das tun, was am wirksamsten ist um die Wahl Trumps zu verhindern.“ Ihre Entscheidung, die sie in den nächsten Monaten treffen will, hängt auch davon ab, was in den republikanischen Primaries passiert (nytimes.com, 7.1.2024: With Time Running Short, Liz Cheney Implores Republicans to Reject Trump“).

Klar ist, eine Kandidatur Cheneys hätte so gut wie keine Erfolgsaussicht, ins Weiße Haus zu kommen. Sie könnte aber ausreichen, um Trump in einigen Swing-Staaten entscheidende Stimmen abzunehmen. Cheney wäre damit für die bisherigen Unterstützer von Nikki Haley eine Nachfolgerin gegen Trump.  Aber was wird Nikki Haley tun? Nach jetzigem Stand wird sie in absehbarer Zeit über den Ausstieg aus dem Kandidatenrennen entscheiden müssen – es sei denn, etwas völlig Überraschendes passiert.

(Als ich im Entwurf dieses Papiers bei dieser Frage angekommen war, lag Haley noch gegen Trump im Vorwahl-Rennen der Republikaner; sie ist erst am 6.3.2024 ausgeschieden. Doch ich wollte diese Textpassage nicht streichen, denn sie macht die zu der Zeit im Vorwahl-Rennen der Republikaner noch bestehende Dramatik deutlich).

Sollte Haley – entgegen aller Erwartungen – am Ende die Kandidatin der Republikaner sein, hätte dies auch Auswirkungen auf die Kandidatur von Joe Biden, denn dann würde die „Altersfrage“ voll durchschlagen. Nach den am 1.2.2024 von CNN veröffentlichten Umfragezahl eines fiktiven Rennens Biden ./. Haley zeigen letztere mit 5 Prozentpunkten vor dem Präsidenten. 

Zurück zur Ausgangsfrage: Was wird Nikki Haley tun falls sie aussteigt? Wird sie, so wie DeSantis, Scott und Ramaswamy den Front Runner Trump um Verzeihung bitten und ihn womöglich auch noch aktiv unterstützen oder wird sie – ähnlich wie Liz Cheneycharakterfest bleiben? (Ich wagte zu dem Zeitpunkt keine Prognose):

Nach diesen (zunächst) offenen gebliebenen Fragen will ich zurückkommen zu meiner (sicheren) Vorhersage in einem früheren Kapitel: Amerika steht vor einem schmutzigen Wahlkampf. In einem umfänglichen Bericht beschäftigte sich die langjährige NYT-Journalistin Lisa Lerer am 13.1.2024 – zwei Tage vor den Caucus-Veranstaltungen der Republikaner in Iowa – mit den Stimmungen im Land. Lerer berichtete von Furcht, Ängsten und Hoffnungslosigkeit, die über der Iowa-Primary waberten. Die Wählerinnen und Wähler redeten über einen Dritten Weltkrieg, über öffentliche Unruhen und über die Befürchtung, das Land könnte zerrissen werden. In einem Abschnitt ihres Berichts beschreibt Lerer den Unterschied zwischen der Wahl im Jahr 2020 und der bevorstehenden Wahl im November 2024: „Vor vier Jahren sorgten sich die Wählerinnen und Wähler über die sich ausbreitende Pandemie, über wirtschaftliche Unsicherheit und Protest im Land.  Jetzt – vor der ersten Präsidentschaftswahl seit der Belagerung des Kapitols am 6.1.2021 – haben diese Ängste Metastasen gebildet und sind zur existentiellen Angst um die entscheidenden Grundlagen des amerikanischen Experiments geworden“ (nytimes.com, 13.1.2024:  „On the Ballot in Iowa:  Fear, Anxiety, Hopelessness“).

Furcht, Angst und Hoffnungslosigkeit und zu all dem der wahrscheinlichste Kandidat der Republikaner, Donald Trump, der es 2016 verstanden hat und auch heute vortrefflich versteht, diese unsicheren Stimmungen in Amerika zu bedienen. Lisa Lerer zitierte in ihrem Bericht den Mitbürger Mark Binns, der eine Wahlveranstaltung von Nikki Haley besucht hatte: „Ein Bürgerkrieg steht bevor – ich bin überzeugt davon.“ Manche Wählerinnen und mancher Wähler wird seine Wahlentscheidung aus dem Bauch heraus treffen, obwohl doch Wahlen in erster Linie im Kopf entschieden werden sollten. Im Kopf sollten all die Sorgen bewertet werden, ehe sie ins Bauchgefühl absinken. Ich habe mehrmals des „Projekt 2025“ erwähnt, jene umfangreiche Ausarbeitung der Heritage Foundation, die das Ziel hat, den Trumpismus in den amerikanischen Institutionen fest zu verankern. Doch das Bauchgefühl reicht nicht aus, dieses „Projekt“ und dessen Auswirkungen auf die amerikanische Gesellschaft zu begreifen, dazu müssen die Wähler die Pläne kennen und bewerten.

Bereits Mitte 2023 beschrieb die New York Times in einer umfangreichen Darstellung, wie Trump und seine Verbündeten planen, die Regierung und die Bundesverwaltung strukturell so umzubauen, dass bedeutend mehr Macht beim Präsidenten angehäuft und die Unabhängigkeit wichtiger Bundesbehörden geschwächt wird. Am Ende würde dadurch das ausbalancierte System von „Checks and Balance“, auf das die Amerikaner so stolz sind, zu Gunsten der Präsidentenmacht umstrukturiert. Man wird angesichts dieser Pläne daran erinnert, wie Trump während seiner ersten Amtszeit die Autokraten dieser Welt – auch Putin und Erdogan – bewundert und insgeheim beneidet hat um ihre Möglichkeit, einfach durchregieren zu können. Das „Project 2025“ würde ihm dazu die Möglichkeit geben.

„Niemand steht über dem Gesetz.“ Dieser Satz ist mit Blick auf die gegen Trump erhobenen Anklagen in Amerika immer wieder zu hören. Doch Trump und ein Heer von Anwälten versuchen angesichts dieser Verfahren, für den früheren Präsidenten die absolute Immunität zu erreichen. Ich nenne hier das Stichwort Immunität, um damit eine Verbindungslinie zu einem weiteren Bericht der New York Times zu ziehen. Kate Shaw, eine Rechtsprofessorin an der Cardozo Law School in New York, beschäftigte sich in einem Gastbeitrag in der NYT mit Trumps Versuchen, beim Supreme Court die absolute Immunität zu erreichen und damit viele rechtliche Sorgen im Wahljahr 2024 los zu sein. Kate Shaw äußert auf der Grundlage früherer Entscheidungen des Gerichts Zweifel an Trumps Vorstellung, ihm stehe eine absolute Immunität zu. Sie zitiert einen Satz der Richterin Tanya Chutkan vom U.S. District Court of the District of Columbia, dass diese früheren Entscheidungen Trump nicht das göttliche Recht der Könige verleihen, sich der strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen, der seine Mitbürger unterliegen. Shaw stellt als ein Fazit ihres Beitrags fest, dass – sollte Trump in der Immunitätsfrage Recht bekommen, dies eine ernüchternde Botschaft aussenden würde. Die Botschaft nämlich, dass er in einer zweiten Amtszeit in der Lage wäre, einiges von dem durchzuziehen, was er immer durchziehen wollte: Die Verfolgung politischer Gegner, den Missbrauch des Insurrection Act  (Dieses Gesetz aus dem Jahr 1807 gibt dem Präsident ausnahmsweise die Vollmacht, die Nationalgarde oder reguläres Militär innerhalb der USA im Fall von Aufständen einzusetzen), sowie den Abbau der öffentlichen Verwaltung – wohl wissend, dass ihm der Supreme Court auf Grund seiner Immunität keine Hindernisse in den Weg legen kann und wird  (nytimes.com, 19.12.2023: „Trump Has Always Wanted to Be King.  The Supreme Court Should Rid Him of That Delusion“).

Ich schrieb diesen Text zu Trumps Immunitätsvorstellungen am 6.2.2024, gewissermaßen parallel zum realen Geschehen, denn an diesem Tag, am 6.2.2024, hat der U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit mit den Stimmen aller drei Richter einstimmig entschieden, dass Trump in den Verfahren in Verbindung mit dem Sturm auf das Kapitol keine Immunität besitzt. Diese Entscheidung bedeutet – so das Gericht: „Trotz der Privilegien seines früheren Amtes ist Mr. Trump Subjekt der Strafgesetze des Bundes wie jeder andere Amerikaner“ (nytimes.com, 6.2.2024: „Federal Appeals Court Rejects Trump’s Claim of Absolute Immunity“).

 Trump wurde eine Frist zur Anfechtung dieses Urteils bewilligt. Endgültig entscheiden wird der Supreme Court. Seine Entscheidung wird auch Auswirkungen auf die politische Agenda Trumps haben. Sollte ihm der Supreme Court im Gegensatz zum Urteil der Vorinstanz die absolute Immunität und damit die Macht der Könige verleihen, stünde dem Umbau des Staates nach dem „Project 2025“ nichts mehr im Weg – falls er am 5.11.2024 zum nächsten Präsident gewählt wird. 

Darauf hoffend, dass der Supreme Court der Entscheidung der Vorinstanz folgt und Trump das „göttliche Recht der Könige“ verweigert, komme ich zurück zu den Plänen Trumps, mit dem „Project 2025“ die Macht des Präsidenten entscheidend zu mehren; mit anderen Worten: In seiner Hand – sollte er die Wahl gewinnen – zusätzliche Entscheidungsmacht zu konzentrieren. Die weiteren Pläne der Heritage Foundation, jenem konservativen Think Tank, der seit der Reagan-Präsidentschaft die politischen und personellen Schwerpunkte republikanischer Administrationen mit gestaltet hat, gehen bis ins Detail. Sie beschreiben, für den kommenden republikanischen Präsident, was ab dem Tag der Machtübergabe zu tun sei, um nicht – wie bei ersten Amtsantritt Trumps – in ein Chaos zu geraten. Darüber später mehr.

Trump und seine engsten Mitarbeiter verschweigen nicht, was sie planen: „Die gegenwärtige Exekutive wurde von den Liberalen entwickelt um liberale Politik zu machen. Es ist nicht möglich, mit diesen Strukturen auf konservative Art zu arbeiten. Es reicht nicht aus, das richtige Personal zu haben. Notwendig ist, das ganze System umzubauen“, sagte John McEntee über das große Vorhaben. McEntee hat bereits früher unter Trump gearbeitet. Russell T. Vought, der frühere Chef Trumps im Amt für Management und Haushalt, formulierte die künftige Zielrichtung ähnlich: „Wir wollen die Nischen der Unabhängigen ausfindig machen und diese schleifen.“ Man könnte diese allgemeinen Aussagen wie folgt zusammenfassen: „In einer künftigen republikanischen Regierung soll es keine divergierenden Meinungen und keine selbständigen Entscheidungen untergeordneter Stelle geben. Nur der Präsident gibt die Richtung vor und die nächste Ebene hat ohne Wenn und Aber zu funktionieren.“

Die New York Times benennt in einem Bericht vom 17./18.7.2023 die Bereiche, in denen die Entscheidungsmacht des Präsidenten ausgeweitet und die bisherigen Zuständigkeiten anderer Ebenen beschnitten werden sollen:

  • der Bereich unabhängiger Behörden, wie etwa die Federal Communications Commission, die für die Aufstellung und Durchsetzung der Bestimmungen für das Fernsehen und die Internetfirmen zuständig ist und auch die Federal Trade Commission, die vielfältige Antitrust-Regelungen und andere Bestimmungen des Konsumentenschutzes gegen die Wirtschaft durchsetzt, sollen der direkten Kontrolle des Präsidenten unterstellt werden.
  • Die frühere Praxis des „impounding“ soll wieder eingeführt werden. „Impounding“ gibt dem Präsident die Möglichkeit, Programme, für die der Kongress Haushaltsmittel bereitgestellt hat, die der Präsident aber nicht „mag“, einfach zu blockieren. Diese Praxis wurde zur Zeit der Präsidentschaft von Richard Nixon verboten.  Die Wiedereinführung würde die Entscheidungsmacht des Kongresses schwächen.
  • Der Arbeitnehmerschutz für zehntausende öffentlich Bediensteter soll aufgehoben werden. Dadurch könnten solche Bediensteten entlassen werden, die als „Hindernisse“ für die Umsetzung der Agenda (des Präsidenten) angesehen werden. 

Es ist ferner vorgesehen, die Geheimdienste, das Außenministerium und die Institutionen der Landesverteidigung als „Helfer“ bei der Ermittlung und Entlassung solcher Bediensteter einzusetzen, die in das von Trump beschriebene Raster  fallen: „Leute aus der kranken politischen Klasse, die unser Land hassen.“ 

Die Umsetzung all dieser Pläne, so erläutert die NYT, geht zurück auf das lange Bemühen konservativer Staatsrechtler, den „Verwaltungsstaat“ zu bekämpfen. Hierunter zählen sie vor allem Behörden, die Gesetze umsetzen, die saubere Luft und saubere Gewässer, sichere Lebensmittel, Medikamente und andere Konsumprodukte gewährleisten sollen. Dabei kommt es verständlicherweise immer wieder zu Konflikten mit der Wirtschaft. 

Der Begriff „Deregulierung“ steht im Raum. Zu Zeiten von Ronald Reagan ging es dabei vor allem um die Aufhebung von Vorschriften, die die Entwicklung der Wirtschaft behindern – eines der primären Ziele der „Reaganomics“, die zu jener Zeit auch von Margaret Thatcher vertreten wurden. Inzwischen hat sich in den USA daraus so etwas wie ein ideologischer Kampf entwickelt, den vor allem die MAGA-Konservativen gegen alles führen, was den Ruch von Liberalität haben könnte: Angefangen bei Schulbüchern, die Rassenfragen, die Geschichte der Sklaverei oder LGBTQ-Themen behandeln, bis hin zum Klimaschutz und der Frage, ob die Menschen die Hauptverantwortlichen für die Erderwärmung seien oder nicht.

Donald Trump hat diese komplizierten Zusammenhänge für seine Fans auf eine Wahlveranstaltung in Michigan auf folgenden Nenner gebracht: „Wir werden den „Deep State“ niederreißen. Wir werden die Kriegshetzer aus unserer Regierung werfen. Wir werden die Globalisten vertreiben. Wir werden die Kommunisten, Marxisten und Faschisten vertreiben. Und wir werden die kranke politische Klasse rauswerfen, die unser Land hasst.“ Damit umschrieb er eines seiner Ziele – den Umbau der staatlichen Exekutive – in eingängigen Schlagworten und erhält dafür bei seinen Kundgebungen großen Beifall  (nytimes.com, 17./18.7.2023: „Trump and Allies Forge Plan to Increase Presidential Power in 2025“).

Anschließend – zur weiteren Erläuterung der Sorgen der Amerikaner für den Fall, dass Trump der nächste US-Präsident wird – weitere Details des bereits mehrfach erwähnten „Project 2025“. 

 

Das große Ziel der Heritage Foundation: Die Verankerung des Trumpismus

Die New York Times veröffentlichte am 21.1.2024 ein ausführliches Interview, der Journalistin Lulu Garcia-Navarro mit Kevin D. Roberts, seit 2021 der Präsident des konservativen Think Tanks Heritage Foundation, bei dem in den Reagan-Jahren das Konzept der „Politik der Stärke“ entwickelt wurde. Im Vorfeld der kommenden Präsidentschaftswahl hat Heritage die Details einer Machtübernahme durch DonaLD Trump oder eines anderen Republikaners ausgearbeitet, um chaotische Zustände im Weißen Haus, wie 2016 nach der Wahl Trumps, zu vermeiden. Damals war Trump weitgehend unvorbereitet Präsident geworden und hatte Leuten wie Steve Bannon die Bühne zur Entwicklung der politischen Inhalte überlassen. Dies soll 2024 – im Falle eines republikanischen Wahlsiegs – vermieden werden und die Heritage Foundation brachte wesentliche Teile der Agenda zu Papier.  Im Interview werden die wesentlichen Punkte des Plans erneut genannt:

  • Konsolidierung der Macht des Präsidenten in der Exekutive;
  • Abbau der Entscheidungsmacht von bisher unabhängigen Bundesbehörden;
  • Aufbau eines loyalen Personalkörpers in der Exekutive, der voll auf den Präsidenten ausgerichtet ist.

Es sind immer wieder die Nebensätze des Interviews, die deutlich machen, welche Vorstellungen im einzelnen im „Projekt 2025“ enthalten sind. Roberts erwähnte den republikanischen Senator Joe McCarthy aus Wisconsin, der in den 1950er-Jahren als „Kommunistenjäger“ die Regierung und das Land von ideologischen Gegnern säubern wollte. McCarthys Motive seien in Ordnung gewesen, so Roberts, denn wirkliche Kommunisten hätten damals die Bundesregierung unterwandert. Nur Mc Carthys Methoden seinen schlecht gewesen. Über solchen Anmerkungen wird klar, warum Donald Trump in seinen Wahlkampfreden immer wieder gegen „Kommunisten, Marxisten und die Eliten, die unser Land hassen“ wettert. Er bereitet verbal jene „Säuberung“ der Bundesverwaltung vor, die er auf der Grundlage der Namenslisten der Heritage Foundation später umsetzen will. Auf diesen Listen werden die Namen jener stehen, die „gefeuert“ werden und jener, die sie ersetzen sollen. 

Im weiteren Verlauf des Interviews, als es um das Stichwort „Abbau des Verwaltungsstaates“ geht – um jene „Bürokraten, die an Stelle des Kongresses die Macht ausüben“ – und denen durch eine Exekutiv-Anordnung des Präsidenten (die „Schedule F“) der Kündigungsschutz entzogen werden soll – kommt Kevin D. Roberts erneut auf die Kommunisten zu sprechen, jene „geheime kommunistische Bewegung in Amerika“ und er äußert die Vermutung, dass weit mehr chinesische Kommunisten die amerikanische Regierung unterwandert haben als amerikanische Kommunisten“ dies tun. Er sprach dabei von „Agenten der chinesischen Kommunistischen Partei.“

Wie zu Zeiten von Senator Joe McCarthy wird hier die Unterwanderung des Staates durch Kommunisten als Begründung für die mit der neuen Agenda geplanten Umbaupläne aufgeführt. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: McCarthy fahndete damals gegen einzelne amerikanische Kommunisten. Der Heritage Foundation geht es heute um die „Agenten der Kommunistischen Partei Chinas“, also um eine umfängliche Streitmacht. Mit dieser Begründung soll die amerikanische Exekutive weitgehend auf den Kopf gestellt und dem Präsidenten – nicht der amerikanischen Verfassung – verpflichtet werden. Solche und ähnliche Aussagen von Kevin D. Roberts machen deutlich, dass es beim „Project 2025“ um weit mehr geht, als um den einmaligen Vorgang der Machtübernahme durch einen neuen republikanischen Präsidenten. Es geht um die Veränderung der Strukturen.

Der Interviewfrage, ob es nicht ein Widerspruch sei, dass die Heritage Foundation, die einst das Konzept der „Politik der Stärke“ entwickelt habe, heute gegen die weitere Militärhilfe an die Ukraine sei, wich Roberts aus und machte dazu zwei Anmerkungen:

  • Es sei unter anderem unser Säbelrasseln über eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine gewesen, das zur heutigen Lage geführt habe. „Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt, aber es wäre sehr hilfreich, wenn insbesondere Deutschland und Frankreich mehr zur Unterstützung ihres Nachbarn tun würden.

(Genau hier steckt der Widerspruch: Mit diskutierbaren Fehlern in der Vergangenheit wird begründet, warum die Ukraine „geopfert“ und der nächste Fehler gemacht wird).

  • „Wir sind keine Fans der EU in der Form, wie sie heute verfasst ist. Ob die EU Geld gibt, ist für uns unwesentlich. Wir wollen, dass die einzelnen europäischen Nationalstaaten das Geld schicken“.

 

Hier kommen die Europa- und sicherheitspolitischen Vorstellungen wieder ans Licht, die Donald Trump als Präsident immer wieder geäußert hat: Zum einen sein Vorwurf, die Europäer lebten auf Kosten der USA. Und zum andern seine Gegnerschaft gegen die Stärkung Europas durch den EU-Integrationsprozess. Trump wollte und will mit den einzelnen Staaten seine „Deals“ abschließen. Eine geschlossen auftretende Europäische Union sieht er als Gegner. Wohl deshalb hat Trump den Brexit befürwortet. Die inzwischen zu Tage getretenen Nachteile für Großbritannien sind ihm gleichgültig. Wesentlich war und ist für Trumps MAGA-Bewegung die Schwächung der EU. An anderer Stelle des Interviews zitiert Roberts einen Satz, den – nicht zuletzt bei der Verweigerung weiterer Hilfen für die Ukraine – insbesondere konservative Amerikaner ins Feld führen: „Warum sollen wir irgend einen internationalen Platz als wichtiger ansehen, als die Probleme in den USA?“ Eine klassische Beschreibung der sich in die Isolation zurückziehenden Außen- und Sicherheitspolitik der MAGA-Bewegung.

Kevin D. Roberts machte kein Hehl daraus, dass Viktor Orban insbesondere an den die Ukraine betreffenden Vorstellungen mitgewirkt hat. Auf die Anmerkung der Interviewerin „Orban wurde zum Liebling der Rechten. Sie selbst haben ihn getroffen. Sie haben ihn in den Sozialen Medien gelobt“, antwortete Roberts: „Er ist ein sehr beeindruckender Regierungschef“. Die Interviewerin zitierte anschließend eine Aussage Orbans bei der CPAC-Konferenz 2023: „Ungarn ist der Ort, wo nicht nur über den Sieg über die Progressiven und Liberalen und über die Notwendigkeit der Wende zu einer konservativen christlichen Politik geredet wurde, wir taten es.“ Darauf Roberts: All dies trifft zu. Es sollte gefeiert werden.“ Dies lässt ahnen, welche Rolle Orban nach einem Wahlsieg Donald Trumps in Europa übernehmen soll. Er würde erneut zum störenden U-Boot der konservativen US-Regierung in der EU (nytimes.com, 21.1.2024: Inside the Heritage Foundation’s Plans for ‚Institutionalizing Trumpism’“).

Einen ähnlich detaillierten Hintergrundbericht veröffentlichte am 1.2.2024 die Süddeutsch Zeitung; Verfasser ist Christian Zaschke, der Korrespondent der Zeitung in New York.  Zaschke schilderte zunächst das Chaos in der Anfangsphase der Trump-Präsidentschaft, nachdem dieser 2016 überraschend gewonnen hatte und 2017 völlig unvorbereitet ins Weiße Haus einzog. Zaschke nennt diese Anfangsphase ein soziales Experiment: „Trump hatte nicht nur keinen Plan. Er wusste nicht einmal, dass er keinen Plan hatte, geschweige denn, dass er einen brauchte. Es war, als würde ein Achtjähriger zu seiner Überraschung den größten Süßigkeitswarenladen der Welt betreten und sagte: „WoW.“ Doch Trump hat aus dieser Lektion gelernt und Zaschke schreibt:  „2024 ist alles anders. Trump hat nicht nur Erfahrung im politischen Betrieb gesammelt, er hat, weit bedeutender, Menschen angeheuert, die wissen, wie man eine Kampagne führt.“  

In diesem Zusammenhang verweist auch Christian Zaschke auf das „Projekt 2025“ der Heritage Foundation und das Ziel, den Trumpismus zu institutionalisieren; will heißen, „die staatlichen Strukturen radikal umzubauen“ mit der Folge: „Die zweite Präsidentschaft (Trumps) hätte jedenfalls sehr viel heftigere Folgen als die erste.“ Auch Zaschke nennt die Auswechselung von Personal, die weit über das hinausgeht, was nach einem Regierungswechsel bisher geschah. Üblicherweise wurden bisher etwa 4 000 leitende Beamtinnen und Beamte in Washington ausgetauscht. Diese Zahl würde sich durch das „Projekt 2025“ gravierend erhöhen. Die Heritage Foundation bereitet Listen mit bis zu 20 000 Namen vor. Trump will eine „Wahrheitskommission“ einsetzen, die dabei helfen soll. (Man wird bei dieser Institution an Orwells „1984“ erinnert).

Mit Blick auf eine eventuelle zweite Präsidentschaft Trumps stellt Zaschke fest: „Dessen erste Präsidentschaft hat das Land beschädigt, aber glimpflich überstanden, obwohl es durchaus „einigen Wandel gab“ (sueddeutsche.de, 1.2.2024: „Trumps Wahlkampf:  Fürchtet euch“).

Denkt man an den von Trump angeheizten Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021, so ist dieses Fazit  recht undramatisch formuliert.

 

Who cares …?

Am 6.2.2024 schrieb der NYT-Kolumnist Thomas L. Friedman so etwas wie ein Trauer- und Klagelied auf das beginnende Ende der Weltgeltung der Vereinigten Staaten. „Remember this week, folks – because historians surely will“, ruft er seinen Landsleuten zu: „Leute, behaltet diese Woche in Erinnerung – die Historiker werden dies gewiss tun.“ Friedman beschreibt das fürchterlich Schauspiel, das – in erster Linie den Republikanern geschuldet – im US-Kongress aufgeführt wird. (Es ist ein Teil der „Amerikanischen Tragödie“). Es geht um das Kompromisspaket einer Gruppe demokratischer und republikanischer Senatoren im Umfang von 118,3 Mrd. Dollar, mit dessen Annahme der gordische Knoten, geknüpft aus der Hilfe für die Ukraine, für Taiwan und für Israel sowie dem Projekt „Reparatur unseres gescheiterte Einwanderungssystems“ durchschlagen werden soll. 

Friedman beklagt den Zustand der Republikanischen Partei, „die aus der Spur geraten ist und im Gleichschritt hinter einem Mann marschiert, dessen Philosophie nicht etwa „America First“ sondern „Donald Trump First“ heißt. „Trump First“ bedeutet aber, dass ein Gesetzentwurf, der Amerika und seine Verbündeten stärken würde, zur Seite gelegt wird, damit Amerika weiterhin polarisiert werden kann. Vladimir Putin mag in der Ukraine triumphieren und unsere Südgrenze mag weiterhin eine offene Wunde bleiben – bis und es sei denn, Trump wird wieder Präsident. Unsere Verbündeten mögen verdammt sein. Unsere Feinde mögen ermuntert werden. Die Zukunft und Sicherheit unserer Kinder mag verpfändet werden …  Der heutige Aufkleber auf dem Kotflügel der GOP lautet: „Trump First.  Putin Second. America Third.“ – „Trump an erster“.  „Putin an zweiter“.  „Amerika an dritter Stelle“.

Der weltweit gereiste Journalist Friedman nimmt vor allem Mike Johnson, den republikanischen Speaker of the House in die Verantwortung.  Johnson wird großen Anteil daran haben, sollte das Kompromisspaket des Senats im Repräsentantenhaus scheitern. Friedman hinterfragt und bezweifelt die Fähigkeit Johnsons, weltweit zu denken: „Ich frage mich, wie oft er seinen Pass benützt. Ich frage mich, ob er überhaupt einen Pass hat. Er ist einer der mächtigsten Männer in Amerika, der den Spuren jener republikanischen und demokratischen Speaker folgt, die unsere weltweiten Interessen vorangebracht und uns über Jahrzehnte hinweg stark gemacht haben. Bis jetzt, so scheint es, geht es ihm nur darum, Trumps Interessen zu dienen, selbst wenn dies bedeutet, ein äußerst riskantes außenpolitisches Spiel zu spielen.“

Friedman sagt für Amerika eine dunkle Zukunft voraus: „Unsere Freunde in Europa, im Mittleren Osten und in Asien spüren, dass wir in den Winterschlaf verfallen sind und sie werden damit beginnen, Deals zu vereinbaren – die europäischen Verbündeten mit Putin, die arabischen Verbündeten mit dem Iran, die asiatischen Verbündeten mit China. Wir werden diese Veränderungen nicht über Nacht spüren, aber wir werden sie mit der Zeit spüren, sollten wir den Gesetzentwurf oder etwas Ähnliches nicht verabschieden“ (nytimes.com, 6.2.2024: „The G.O.P. Bumper Sticker:  Trump First.  Putin Second.  America Third“).  

Ein kleiner Hoffnungsschimmer spricht aus dem letzten Konjunktiv-Satz: Falls der Gesetzentwurf doch noch verabschiedet wird, könnte das von Friedman beschriebene Zukunftsszenario noch einmal vermieden werden – oder nur hinausgeschoben?  Falls nicht, dann Gnade Gott der Ukraine.

Ein früherer enger Mitarbeiter Trumps, sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater und einer der „Falken“ im Kabinett, John Bolton, sendet ebenfalls eine klare Warnung an seine Mitbürgerinnen und Mitbürger, Trump nicht noch einmal zu wählen. Bolton war 17 Monate lang im Amt und hat schließlich aufgegeben.

In einer neuen Auflage seiner Memoiren mit dem Titel „The Room where it Happened“ zitiert er das Versprechen, das Trump im vergangenen Jahr seinen Unterstützern gegeben hat: „Ich bin euer Krieger. Ich bin euer Richter und für alle, denen Böses angetan und die betrogen wurden, bin ich die Vergeltung“.  Damals kündigte Trump an, im Falle seiner Wahl einen Sonderermittler einzusetzen, um hinter Hunter Biden (den Sohn des Präsidenten) und seiner Familie her zu sein. John Bolton schreibt dazu: „Trump geht es in Wirklichkeit nur um Vergeltung für ihn selbst und dies wird einen großen Teil der zweiten Amtszeit ausfüllen.“ Maggie Haberman, eine langjährige NYT-Journalistin, die Trump bereits in seiner New Yorker Zeit journalistisch beobachtet hat, vermerkt zu Boltons Aussage, das Berater Trumps über dessen Ankündigung von Vergeltung besorgt seien. Diese könnten Swing Voters (Wechselwähler) abstoßen. Auch Trump hat inzwischen versucht, diese Ankündigung abzuschwächen. (Meines Erachtens können all die Pläne über den Umbau der Exekutive und über die künftige Schwächung des Rechtsschutzes der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Administration ebenfalls unter die Stichworte „Rache“ und „Vergeltung“ eingeordnet werden).

John Bolton stellt in einem neuen Abschnitt seines Buches kurz und bündig fest, Trump sei „für das Präsidentenamt ungeeignet (nytimes.com, 5.2.2024:  „The Retribution Presidency“).

Ein weiterer früherer enger Mitarbeiter Trumps, sein früherer Vizepräsident Mike Pence sagte nach der Bekanntgabe der Anklagen gegen Trump im August 2023: „Die heutige Anklage ist eine wichtige Erinnerung: Wer sich über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein“  (sueddeutsche.de, 2.8.2023: „Wer sich über die Verfassung stellt, sollte niemals Präsident der Vereinigten Staaten sein“).

Zu Friedmans, Boltons und Pences warnenden Aussagen passen die Berichte über eine Wahlveranstaltung Trumps am 10.2.2024 in Conway, South Carolina, die auch in Europa ein kritisches Echo gefunden haben. Trump erzählte seinen Fans im Plauderton, was er den NATO-Verbündeten während seiner ersten Amtszeit – also zwischen 2017 und 2021 – erklärt hat: Er werde mit Blick auf die Länder, die der Allianz nicht das bezahlten zu dem sie verpflichtet sind, Russland „ermuntern, zu tun was es wolle.“ Ausgeschmückt hat Trump seine Rede in Conway mit einer Anekdote, wie er dem Präsidenten „eines großen Landes“ auf dessen Frage, ob sein Land bei einem Angriff Russlands geschützt würde, wenn es nicht bezahle, zur Antwort gab: „Nein, ich würde euch nicht beschützen. Ich würde sie (die Russen) sogar ermuntern, zu tun was zur Hölle sie tun wollen. Ihr habt zu zahlen. Ihr habt eure Rechnung zu bezahlen“  (nytimes.com, 10.2.2024:  „Trump Says He Gave Nato Allies Warning:  Pay In or He’d Urge Russian Aggression“).

Die Süddeutsche Zeitung untersuchte in ihrem Bericht über diese Rede, was solche Andeutungen bedeuten könnten, falls Trump die Wahl gewinnt und kommt zu dem Schuss: „Wenn ein Land seine Verteidigungsausgaben nicht zahlt, sollten die USA es nach den Worten des Ex-Präsidenten nicht verteidigen – und Russland sogar zur Aggression ermutigen.“ 

Die SZ zitierte dazu ein immer wieder gehörtes Argument der Republikaner: Steuergelder sollten nicht zum Schutz anderer Länder – etwa der Ukraine – ausgegeben werden sondern für den Schutz der eigenen Grenzen. Der Sprecher des Weißen Hauses sagte zu Trumps Aussage: „Angriffe eines mörderischen Regimes auf einen unserer engsten Alliierten zu ermutigen, ist ungeheuerlich und vollkommen verrückt“  (sueddeutsche.de, 11.2.2024: Trump würde säumige Nato-Mitglieder nicht vor Russland schützen“).   

Ob sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen hat wie Trump sie in Conway erzählte, ist zweitrangig. Dass er sie erzählte zeigt, dass er das Verteidigungsbündnis NATO wie ein Handelsunternehmen betrachtet: Wer bezahlt bekommt Ware;  wer nicht bezahlt, bekommt die Ware nicht. Diese Logik ist für ein Land wie die Ukraine verhängnisvoll. Die Ukraine hat an die NATO nicht bezahlt, ist nicht einmal Mitglied, ergo auch kein Geschäftspartner. Bei einer solchen Betrachtungsweise spielen politische oder gar geo-strategische Gesichtspunkte keine Rolle.

Am 19.3.2024 drehte Trump eine weitere Pirouette um die Auslegung der gegenseitigen Bündnisverpflichtung nach dem NATO-Vertrag. Die „Auslieferung“ der nach seiner Auffassung säumigen Bündnispartner an Putin nahm er in einem Interview mit dem BREXIT-Befürworter Nigel Farage für einen britischen Nachrichtensender nicht zurück, versprach aber, im Falle seiner Rückkehr ins Weiße Haus würden die USA das Militärbündnis nicht verlassen – solange Europa „fair“ spielt und seinen Beitrag leistet. Bei näherem Hinsehen hat er den wesentlichen Inhalt seiner Conway-Rede vom 10.2.2024 mit anderen Worten wiederholt: „Die europäischen Länder dürfen die amerikanische Unterstützung nicht ausnützen. Die Vereinigten Staaten sollten ihren gerechten Anteil zahlen, nicht den aller anderen.“ Man dürfe nicht vergessen, dass die NATO wichtiger für Europa sei als für die USA, denn es liege „ein schöner, großer, herrlicher Ozean zwischen den USA und „einigen Problemen“ in Europa. Kein Zweifel, die NATO ist ein wichtiger Schutzschirm für Europa. Doch Trump scheint zu übersehen, dass das Bündnis von den Vereinigten Staaten aus eigenen geo-strategischen Interessen auf den Weg gebracht wurde.  NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte nach der Conway-Rede Trumps deutlich reagiert: Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der USA, und erhöht das Risiko für amerikanische und europäische Soldaten“  sueddeutsche.de, 19.3.2024: „Trump bekennt sich zur NATO – zumindest teilweise“).

Seine Grundvorstellung über die NATO hat er nicht geändert. Die NATO ist primär kein Verteidigungsbündnis auf Gegenseitigkeit sondern ein Handelsunternehmen, bei dem nur der „Ware“ erhält, der dafür bezahlt. Dass die Europäer zwischenzeitlich auch den finanziellen Teil des Bündnisses akzeptieren, wird nicht zuletzt an den deutschen Verteidigungsausgaben deutlich.       

Solche und ähnliche Aussagen Trumps lassen die Sorgen vieler Amerikaner über die „Lage der Nation“, insbesondere über die Zukunft der Nation lauter werden. Parteiübergreifend betrachten viele Amerikaner den Zustand des Landes als schlecht. Doch die Vorstellungen darüber, was zu tun sei, liegen oft meilenweit auseinander. Ein Riss geht durch die Gesellschaft und jede Seite verlangt andere Lösungen. Politische Kompromisse sind selten geworden.  Häufiger trennt ein Abgrund aus Misstrauen bis hin zum Hass die Parteien. 

Hier zeigt sich ein Problem demokratisch und sozial verfasster Rechtsstaaten das auch die beiden Verfasser des Buches „Wie Demokratien sterben“ – Steven Levitsky und Daniel Ziblattangesprochen haben: Es ist Autokraten möglich, mit demokratischen Mitteln die demokratischen Grundlagen und Strukturen von Staat und Gesellschaft derart zu verändern – etwa durch die Abschaffung von Kontrollinstanzen und Kontrollmechanismen, durch den Abbau der Rechte der Opposition, durch die Gleichschaltung der Justiz und durch die Einschüchterung der Presse und der kritischen Zivilgesellschaft – dass nach einiger Zeit die demokratischen Strukturen kippen ohne dass die breite Öffentlichkeit vorher die Gefahren der Veränderungen wahrgenommen hat. 

Solche Gefahren sehen auch die kritischen Eliten und Teile der Medien in Amerika, die Trump – aus seiner Sicht nicht ohne Grund – verspottet und auch hasst. Kritische Journalisten sind für Trump und die MAGA-Bewegung die „Feinde des Volkes“. Dass sich Donald Trump nach einer evtl. Wiederwahl an demokratische Grundsätze oder die Regeln des anständigen Umgangs halten wird und den Rechtsstaat schützt und verteidigt, ist nach den früheren Erfahrungen äußerst zweifelhaft. Und nicht alle Wählerinnen und Wähler – auch dies haben Levitsky und Ziblatt festgestellt – können oder wollen die über das Tagesgeschehen hinausreichenden langfristigen Auswirkungen ihrer Wahlentscheidung voll ermessen. Dies ist keine Wählerbeschimpfung sondern markiert eine der Grundlagen repräsentativer Demokratie: Die Wählerinnen und Wähler müssen sich darauf verlassen können, dass die Amts- und Mandatsträger die Vorgaben der Verfassung einhalten, auf die sie den Eid geschworen haben: Zum Wohle des jeweiligen Volkes …

 

Was wäre wenn … Trump nicht gewählt wird?   

Was wäre wenn …?  In den vorstehenden Kapiteln habe ich die Sorgen und Befürchtungen vieler Amerikanerinnen und Amerikaner beschrieben, sollte Donald Trump am 5.11.2024 die Präsidentschaftswahl gewinnen. Wären mit Blick auf die Erfahrungen seiner ersten Amtszeit die politischen und zivilgesellschaftlichen Tragwerke der Vereinigten Staaten stark genug, weitere vier Jahre Trump auszuhalten? Welche Auswirkungen hätte es für Amerika und die demokratische Welt, womöglich die Führungsmacht abkippen oder sich in die Isolation zurückziehend zu erleben? Würden Steven Levitsky und Daniel Ziblatt darüber eine Fortsetzung ihres Buches „Wie Demokratien sterben“ schreiben? Bei all dem ging es um die Frage: Was geschieht falls Trump die Wahl gewinnt?

Doch die Erfahrungen nachdem er 2020 verloren hat – insbesondere das Geschehen am 6.1.2021 – wecken auch Sorgen und Befürchtungen, falls Trump die Wahl am 5.11.2024 verliert. Trump und viele seiner Parteifreunde und Anhänger reden noch immer von einer „gestohlenen Wahl“. Trump tat dies beispielsweise bei einer Veranstaltung am 16.3.2024 in Vandalia, Ohio wo er die wegen ihrer Beteiligung am Sturm auf das Kapitol inzwischen Inhaftierten als „Geiseln“ und „unglaubliche Patrioten“ bezeichnete (nytimes.com, 16.3.2024: „Trump Says Some Migrants are „Not People“ and Predicts a ‚Blood Bath’ if he loses“). Er hat die Niederlage von 2020 entgegen vieler gegenteiliger Gerichtsentscheidungen – nicht eingestanden, geschweige denn akzeptiert. (Auf diese „Blutbad-Rede“ werde ich an anderer Stelle zurückkommen). Im Vorfeld der Caucus-Versammmlungen in Iowa faselte er – gewissermaßen vorsorglich – ebenfalls von Wahlbetrug. Nachdem er Iowa gewonnen hatte, hat er dieses Stichwort nicht mehr aufgegriffen, denn: Wenn Trump gewinnt, war die Wahl in Ordnung. Doch wenn Trump verliert – so wie 2020 – muss seiner Meinung nach Betrug im Spiel gewesen sein. Trump wird dieses Stichwort aller Voraussicht nach auch „vorsorglich“ vor dem 5.11.2024 wieder ins Spiel bringen – und in der Tat, er tat es am 16.3.2024 in Vandalia, Ohio.

Einen sonderbaren Eiertanz zu diesem Thema veranstaltete Kevin B. Robert, der Präsident der Heritage Foudation in dem bereits dargestellten Interview mit der New York Times. Auf die direkte Frage: „Glauben Sie, dass Präsident Biden die Wahl 2020 gewonnen hat?“ antwortete Roberts mit einem glatten „Nein“. Auf die anschließende Bitte der Interviewerin, dies zu begründen, redete Roberts über Hinz und Kunz: „Ich denke, es gibt Unklarheiten. Ich weiß nicht, was herauskam aber deshalb kann ich nicht endgültig „Ja“  sagen. Ich bin gewiss kein Verschwörungstheoretiker, wie einige Mitglieder der Wahl-Integritäts-Beobachtung von den Rechten bestätigen können. Da gibt es noch immer viele Unklarheiten in zwei Counties in Arizona, in zahlreichen Counties in Pennsylvania, Wisconsin. Ist es möglich, dass er gewonnen hat? Gewiss. Aber kann ich sicher sagen, dass er gewonnen hat? „Nein“. Nach all dem was ich gegen Ende 2020 und Anfang 2021 sehr lautstark auf Grund des damaligen Wissensstand gesagt habe, musste die Wahl bestätigt werden. „And so let’s move on“ – „und deshalb, lasst uns weiterziehen“. 

Die Interviewerin wies darauf hin, dass all die kleinen Beweisstücke doch zeigten, dass des bei der Wahl 2020 keinen substantiellen Betrug gab. Darauf Roberts: Wir haben bei der Heritage eine Datenbank die in vielen Fällen Betrügereien zeigt. Ich sage aber nicht, dass die Beispiele in der Datenbank beweisen, dass Biden nicht gewonnen hat. Ich bin nicht sicher, dass er gewann“ (nytimes.com, 21.1.2024: „Inside the Heritage Foundation’s Plans for ‚Institutionalizing Trumpism’“).

Nach all diesen Aussagen von Kevin D. Roberts muss man feststellen, dass er mit vielen Worten Nichts gesagt hat. Von Trump kann man vor dem Wahltermin ähnliche Andeutungen zum Stichwort „Wahlbetrug“ erwarten – und tatsächlich hat er dies inzwischen auch getan. Doch außer vagem Gerede könnte Trump nach einer Niederlage erneut Schlimmeres planen. Er sprach davon, dass – sollte er in Colorado nicht zu den Vorwahlen zugelassen werden, oder in den Strafverfahren wegen des Versuchs, das Wahlergebnis von 2020 zu kippen verurteilt werden – könnte es im Land zu Gewalt kommen. Trump sprach von „big, big trouble“ und einem „Tollhaus im Land.“ In einem Bericht der New York Times wird dazu vermerkt, dass zwar eine unheilschwangere Sprache bei Trump nichts Neues sei, habe er doch öffentlich gefordert, politische Opponenten einzusperren, die Verfassung außer Kraft zu setzen und er hat auch vorgeschlagen, Amerikas führende Militärs hinzurichten. Allerdings – so stellt die NYT fest, „haben die jüngsten Aussagen besondere Bedeutung, weil sie sich auf Gerichtsverfahren beziehen, bei denen es um seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021 geht (nytimes.com, 10.1.2024: „Trump Has Suggested Violence Could Erupt if Court Cases Do Not Go His Way“).

Trump scheint 2024 da weiterzumachen, wo er 2020/21 aufgehört hat. Amerika droht erneut Gefahr von einem Mann, der Präsident werden will und damit zum Schutz der Verfassung verpflichtet wird. Hört und sieht man auf Donald Trump, so scheint das Land schwierigen Zeiten entgegenzugehen, ganz gleich ob Trump am 5.11.2024 gewinnt oder verliert. Mit diesem Blick von außen beschreibt Peter Burghardt in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung das unwürdige Schauspiel, das Trump und die Republikaner der Welt vorführen. Trump scheint vor Nichts Angst zu haben. Nur Nikki Haley hat lange versucht, die Stellung zu halten. „Doch Trump ist enteilt“, schreibt Burghardt, weil er seine Show durchzieht, weil er eine Menge Geld verpulvert und besser organisiert ist als früher. Weil ihm seine Prozesse, in denen er sich zum Justizopfer stilisiert, bisher nützen – und weil er zumindest öffentlich vor nichts Angst hat, aber offenbar jeder seiner Partei vor ihm. Haley traute sich nicht mal. Die Sklaverei als wichtigste Ursache des Bürgerkriegs 1861 bis 1865 zu benennen – vermutlich aus Sorge, die reaktionäre Basis zu verprellen.“

Peter Burghardt schreibt von der „erbärmlichen Rolle der Republikaner:  „Trump hat sich die Republikaner weitgehend untertan gemacht, dabei fehlte es nicht an Warnungen. Das Land schlafwandle in die Diktatur, sagt Liz Cheney. Die vormalige Abgeordnete unterstützte das zweite Impeachment gegen Trump. Später war sie Vize in jenem Ausschuss, der Trumps Beitrag zur Verschwörung sezierte. Was tat die Partei? Sie sorgte zur Strafe, dass die Rebellin aus dem Parlament flog“ (sueddeutsche.de, 24.1.2024: „Bis zum Wahltag kann noch viel passieren“; Kommentar von Peter Burghardt).

Einen anderen Aspekt dieses Schauspiels beschreibt Carl Hulse, ein altgedienter Journalist der New York Times. Das politische Durcheinander, das die MAGA-Fraktion der Republikaner seit Beginn der neuen Legislaturperiode im Repräsentantenhaus inszenierten – erinnert sei an den Auf- und Abstieg des Speakers Kevin McCarthy und an den Stillstand der Legislative, weil es den Republikanern erst nach mühsamer Suche gelang, Mike Johnson zum Nachfolger von McCarthy zu wählen – hat sich inzwischen auch zum Senat durchgefressen. „Der erhabene Senat wird – zumindest auf der republikanischen Seite – täglich mehr zum chaotischen Gegenstück (des Repräsentantenhauses) auf der anderen Seite der Rotunda,“ schreibt Hulse. „Die Mitglieder des Senats haben immer voller Stolz beschrieben, dass sie anders sind als das Repräsentantenhaus, aber davon kann gegenwärtig keine Rede mehr sein.“ Der republikanische Senator Mike Braun aus Indiana sagte am 7.2.2024 dem Fox Business Network: „Wir haben nun im Senat die kritische Masse erreicht … jetzt sind wir genug und wir gewinnen andere, um mit uns zu ziehen. Das gibt eine andere Dynamik.“ 

Was dies bedeutet beschreibt Carl Hulse so: „Wie die weit rechts stehende Gruppe im Repräsentantenhaus setzt sich der rechte Flügel im Senat zusammen aus ideologischen Puristen, die nur das vertreten, was sie wollen und nicht an jenem traditionellen gesetzgeberischen Pferdehandel interessiert sind, der den Senat definiert. Ihr Ziel ist vor allem, die Gesetze aufzuhalten, die ihnen nicht gefallen – selbst wenn ihre eigenen republikanischen Kollegen dabei mitgewirkt haben.“ Hulse beschreibt so, was es bedeutet, dass für die MAGA-Republikaner der Begriff „Kompromiss“ zum Unwort geworden ist. 

Ein aktuelles Beispiel dafür ist bzw. war jener Kompromiss, mit dem es einer Gruppe demokratischer und republikanischer Senatoren nach Monaten intensiver Verhandlungen gelungen war, die Migrations- und Grenzpolitik und die Unterstützung der Ukraine, Israels und Taiwans zu einem Gesetzespaket über 118 Mrd. Dollar zusammenzuschnüren. Die Zustimmung des gesamten Senats wurde fraglich, als Donald Trump und seine Unterstützer den Migrationsteil des Kompromisses aus allen Rohren unter Feuer nahmen. Der republikanische Senator James Lankford aus Oklahoma, der an den mehr als vier Monate dauernden Verhandlungen maßgeblich beteiligt war, beschrieb das langsame Sterben des Kompromisses wie folgt: „Ich fühle mich wie einer, der in einem Gewitter mitten auf einem Feld steht und einen Metallstab in die Höhe hält.“ 

Am 7.2.2024 scheiterte das Paket im Senat bei 50 „Ja-„ und 49 „Nein“-Stimmen. Um den Filibuster der Republikaner zu überstimmen, wären 60 „Ja“ –Stimmen erforderlich gewesen, doch – wie Trump verlangt hatte, ließen die Republikaner den Kompromiss scheitern, weil sie die Demokraten zu noch größeren Zugeständnissen in der Migrationspolitik zwingen wollten.

„Is the Senate Becoming the House?” – “Wird der Senat zum Repräsentantenhaus?“ – überschrieb Carl Hulse seinen Bericht in der NYT, in dem er das Abgleiten des US-Senats – insbesondere der republikanischen Fraktion beschreibt. Er zitiert die Aussage der republikanischen Senatorin Susan Collins aus Maine: „Das ist nicht der Senat in dem ich gewohnt bin zu dienen … Die persönlichen Angriffe und die mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit um einen Kompromiss zu finden, der für alle annehmbar ist, ist enttäuschend. Es ist sehr ernst. (Quellen: nytimes.com, 7.2.2024: „As His Border Deal Dies, a G.O.P. Senator Laments the Forces Against It”; nytimes.com, 7.2.2024: “Senate Bogs Down on Ukraine and Israel Aid After G.O.P. Blocks Border Deal”; nytimes.com, 9.2.2024: “Is the Senate Becoming the House?”).

 

Der Plan B von Senator Chuck Schumer

Dass Politik häufig das Bohren dicker Bretter bedeutet, ist bekannt. Dies bedeutet nicht zuletzt, nach einer Niederlage wieder aufzustehen und weiterzumachen. Donald Trump hatte mit Manövern von außen die republikanischen Senatsmitglieder bei der Abstimmung über das Kompromisspaket auf seine Linie gebracht. Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat zog darauf einen Plan B aus der Schublade, mit dem er den republikanischen Außenpolitikern die Möglichkeit gab, der weiteren Unterstützung der Ukraine, Israels und Taiwans zuzustimmen. Am frühen Morgen des 13.2.2024 stimmte der Senat mit 70 : 29 Stimmen für ein Auslandshilfepaket im Umfang von 95 Mrd. Dollar, darunter 60,1 Mrd. für die Ukraine. Zusammen mit fast allen demokratischen Senatoren stimmten auch 22 Republikaner für die Vorlage, darunter auch Mitch McConnell, der Sprecher der republikanischen Minderheit im Senat. Damit wurden die zur Überwindung des Filibuster erforderlichen Stimmen klar überschritten. Die republikanischen Gegner der Vorlage hatten argumentiert, zuerst müssten die steigenden Immigrantenzahlen an der US-Südgrenze gestoppt werden, ehe man anderen Ländern beim Kampf um ihre Souveränität helfe. Diese Rangfolge wäre für die Ukraine tödlich.

Doch die künftige Unterstützung der Ukraine durch die USA ist damit noch längst nicht in trockenen Tüchern. Zustimmen muss auch das Repräsentantenhaus mit seiner zwar knappen republikanischen Mehrheit, in der jedoch eine lautstarke rechte und Trump ergebene Gruppe das Sagen hat.  Offen war und ist, wie der außenpolitisch unerfahrene jedoch auf Trump fixierte Speaker of the House, Mike Johnson, taktieren wird. Er hat die Entscheidungsmacht darüber, was im Plenum des Repräsentantenhauses abgestimmt wird. Die Rechtsausleger im House werden alles daransetzen, eine Abstimmung über das Kompromisspaket des Senats zu verhindern (und tatsächlich ist dies bis heute – dem 10.4.2024 – noch nicht geschehen (nytimes.com, 12./13.2.2024: „Senat Passes Aid to Ukraine, but Fate Is Uncertain in a Hostile House“).

Dieser Vorgang macht klar, Europa muss sich – sollte Trump am 5.11.2024 erneut gewählt werden – ernsthafte Sorgen um die Sicherheit des freien Teils Europas machen.  Da wäre zum einen die erneut zu erwartende wirtschaftspolitische Auseinandersetzung mit der neuen Trump-Regierung. Er würde da weitermachen, wo er 2021 aufgehört hat: Die EU ist auf dem Weltmarkt ein Konkurrent von MAGA-Amerika und Trump würde mit Zöllen und anderen Handelserschwernissen die Exporte aus der EU bekämpfen. 

Doch neben diesem Gerangel auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik haben sich mit Blick auf Russland  in den letzten Jahren schwer erklärbare Einstellungen bei den Republikanern entwickelt. Trumps Putin-Affinität ist nicht neu. Erinnert sei an sein Treffen mit dem Kreml-Chef am 16.7.2018 in Helsinki, als er die Aussage Putins, nicht in den amerikanischen Wahlkampf 2016 eingegriffen zu haben, über die Erkenntnisse der eigenen Geheimdienste stellte. Trump hat Putin in der Vergangenheit als starken und klugen Staatsmann gepriesen; wahrscheinlich begründet in der Bewunderung, die er immer wieder für Autokraten in allen möglichen Ländern geäußert hat. Darüber hinaus entwickelten sich in den letzten Jahren auch in Teilen der Republikanischen Partei Einstellungen, die für die meisten Europäer unverständlich, ja geradezu absurd erscheinen. Am 1.3.2024 schrieb darüber die Ausgabe The Morning“ der New York Times:  „Große Teile der Republikanischen Partei behandeln Vladimir Putin so, als sei er ein ideologischer Verbündeter. Im Gegensatz dazu behandelt der die US nach wie vor als Feind.“ Die NYT bezeichnet die Vorstellung der Republikaner als äußerst ungewöhnlich und manchmal verwirrend. Trump und viele andere Republikaner scheinen eine – schwer verstehbare – ideologische Sympathie für Putins rechtsgerichteten autoritären Nationalismus zu empfinden. Sie teilen die Welt offenbar ein in eine liberale Linke und eine illiberale Rechte, wobei sie sich und Putin – zusammen mit dem Ungar Viktor Orban und einige andere (z. B. Erdogan)  der zweiten Gruppe zuordnen.

Die besondere Bedeutung, die Viktor Orban bei dieser „neuen Weltsicht“ der amerikanischen Republikaner zukommt, habe ich mehrfach beschrieben.  Sollte Trump die Wahl gewinnen, würde Orban für ihn in die Reihe der bedeutendsten Regierungschefs in Europa aufrücken. Budapest würde dann zu einem wichtigen Außenposten für die USA wenn es um die Schwächung der EU geht.    

„Wie immer sich dies erklären lässt“, so die New York Times, „dadurch wird der über Jahrzehnte bestehende Konsens der beiden Parteien über die nationale Sicherheit der USA bedroht.“ Die Republikaner im Repräsentantenhaus blockieren seit längerem die weitere Hilfe für die Ukraine ohne Rücksicht darauf, dass Russland nach Meinung von Militärexperten weitere Gebiete des Landes „übernehmen“ wird. Sollte Trump eine zweite Amtszeit gewinnen, so hat er bereits angedeutet, die Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO in Frage zu stellen oder gar aufzukündigen. Der extrem rechte Flügel der GOP im Repräsentantenhaus hat inzwischen sogar die Ausdrucksweise Putins übernommen. Marjorie Taylor Greene aus Georgia hat die Ukraine beschuldigt, „eine Nazi-Armee“ zu unterhalten. Der republikanische Senator Mitt Romney aus Utah hielt solchen und ähnlichen Aussagen aus seiner Partei entgegen:  „Wenn deine Position den Beifall Putins erhält, ist es an der Zeit, diese Position zu überdenken“  (nytimes.com, 1.3.2024; The Morning:  „Enemy or ally?“).

Auch Joe Biden hat in seiner Rede zur Lage der Nation am 7.3.2024 die sonderbaren Vorstellungen Trumps und anderer Republikaner heftig kritisiert:  „Sollte jemand in diesem Saal sein der glaubt, Putin wird mit der Ukraine aufhören, dem kann ich versichern, er wird nicht aufhören.“ Trump hatte während der Rede Bidens folgenden Text abgesetzt: „Putin hat die Ukraine nur deshalb angegriffen, weil er keinen Respekt vor Biden hat“ (nytimes.com, 7./8.3.2024:  „Offering a Choice of ‚Revenge’ vs. ‚Decency’, Biden Strikes a Contrast With Trump“).

(Ist diese dürftige Aussage Trumps lediglich dem Wahlkampf geschuldet oder zeigt sie, wie wenig Ahnung er von Putins Art zu denken hat?).

 

Bei der Bewertung der künftigen Entwicklungen im Ukraine-Krieg überschneiden sich – mit Blick auf eine evtl. zweite Amtszeit Trumps – die Sorgen vieler Amerikaner mit denen der Europäer. An anderer Stelle dieses Papiers schrieb ich, dass die internationale Glaubwürdigkeit der USA hier auf dem Spiel steht.  Mit Blick auf die Ukraine entsteht der Eindruck,  als bewegten sich manche Amerikaner in einer anderen Welt, die immer wunderbarer wird, je weniger man über die Potentaten anderswo weiß und je weniger man sich um sie kümmert. Sollte Trump verlieren, wären die USA und Europa zwar noch einmal „davongekommen“. Doch die Nachfolger Trumps stehen schon in den Startlöchern, um die Agenda ihres „Hexenmeisters“ bei nächster Gelegenheit weiter voranzutreiben. Die GOP hatte mehrmals die Chance, sich von Trump und MAGA zu lösen. Sie hat diese Chance verstreichen lassen, insbesondere nach dem 6.1.2021, als sie Trump die Anstiftung des Sturms auf das Kapitol hat durchgehen lassen.     

 

Was wäre wenn….?    Die Sorgen der Europäer

Dass ein Wahlsieg Donald Trumps Amerika und die amerikanische Gesellschaft noch tiefer spalten würde, mag manchen Freund und Bewunderer der USA bekümmern.  Ich denke zurück an meine Zeit als Austauschschüler in den USA, als mir das Land und die Menschen dort ans Herz gewachsen sind, und ich bin betrübt darüber, wie sich das Land und die Gesellschaft verändert hat.  Was für ein verwirrendes Bild bietet das Land der Welt, in dem der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat einer ehrwürdigen Partei die Zuhörer bei seinen Kundgebungen sich von den Plätzen erheben lässt, um rechtskräftig verurteilte Gesetzesübertreter zu ehren  (sueddeutsche.de, 22.3.2024: „Gewaltige Worte“).

Auf Europa kommen – mit und ohne Trump – vor allem durch den russischen Angriff auf die Ukraine große wirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen zu. Die Aussagen Trumps am 10.2.2024 in Conway, South Carolina zur Nato und zur europäischen Sicherheit haben Europa aufgeschreckt,  Es besteht die Gefahr, dass im mächtigsten Land der Welt ein Mann Präsident wird, der Weltpolitik wie ein Handelsgeschäft betreibt und der, wenn er seinen Willen nicht durchsetzen kann, Rache schwört. Wäre partnerschaftliche Politik auf Augenhöhe mit einem Präsidenten überhaupt möglich, dem sie Sicherheit anderer im Grunde egal ist?  Was ist zu tun?          

Während der ersten Trump-Präsidentschaft hat der französische Präsident Emmanuel Macron mehrere Grundsatzreden über die Zukunft Europas gehalten und unter anderem das Stichwort „Europäische Souveränität“ in die Debatte geworfen. Er hat dafür viel Kritik erfahren und als Joe Biden zum Präsident gewählt wurde und die USA auf der weltpolitischen Bühne zurückmeldete, erschienen solche Debatten nicht mehr notwendig. Doch inzwischen ist auch Donald Trump wieder zurück und setzt die NATO-Verbündeten mit den gleichen Aussagen unter Druck, mit denen er vor vier Jahren abgetreten ist.  „Zahlt oder Sterbt“, lautet die Überschrift über einem Bericht der Süddeutschen Zeitung. 

In manchen Kommentaren klingt die Frage an, ob Trump mit seinem Drängen nach mehr Geld der europäischen Sicherheit nicht einen Dienst erwiesen hat.  Katrin Pribyl schreibt in einem Kommentar in der Heilbronner Stimme: „Sein jüngstes Gefasel zeugt zwar von Unwissenheit und Ignoranz. Aber trotzdem spricht er in Sachen Geld bei den Europäern einen so wunden wie wahren Punkt an.  Sicherheit hat ihren Preis und viele Staaten auf dem Kontinent waren nicht bereit, ihn zu bezahlen …“ (Heilbronner Stimme, 15.2.2024;  Katrin Pribyl: „ Neue Prioritäten“).

Es trifft zweifellos zu, dass in Europa – und nicht nur da – nach Ende des Kalten Krieges die Verteidigungsausgaben mehr und mehr zurückgefahren wurden.  Die Bedrohungslage nahm ab, der Bedarf an Militär ging zurück. Dies hat sich spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022 grundlegend geändert. Der deutsche Bundeskanzler hat dabei von einer Zeitenwende gesprochen. Es trifft jedoch auch zu, dass der U-Turn und das Fahren in die Gegenrichtung nicht nur politisch sondern auch praktische zur Umsetzung Zeit braucht.

Das „Gefasel“ Donald Trumps, wie Katrin Pribyl schreibt, hat mehrere Adressaten. Es war in erster Linie Teil des Trump-Wahlkampfes und damit an seine Fans gerichtet. Den Nebeneffekt, die Europäer wieder einmal zu schockieren, hat Trump wohl in Kauf genommen. Im Wahlkampf über Geld zu reden, das man womöglich einsparen kann, ist bei Trumps Unterstützern sicher gut angekommen. Aber ging es ihm tatsächlich nur ums Geld? Ich bezweifle, dass sich Trump mit den weit reichenden und komplexen Zusammenhängen überhaupt auseinandergesetzt hat. Pribyls Hinweis auf Trumps Unwissenheit und Ignoranz ist gewiss berechtigt. Welcher verantwortungsbewusste Politiker droht seinen Verbündeten – selbst im Wahlkampf – sie dem gemeinsamen Gegner „auszuliefern“?

Was hat Trump – sollte er gewählt werden – mit der NATO tatsächlich vor? Eines seiner Dauerthemen während seiner Amtszeit war, anderen vorzuwerfen, dass sie auf Kosten der USA leben, und das nicht nur wirtschaftlich sondern auch militärisch. Sein Plan für eine neue Amtszeit könnte so sein, wie es Anne Applebaum kurz und bündig beschrieben hat: „Wird Donald Trump wiedergewählt, wird er die NATO-Mitgliedschaft der USA beenden“ (republik.ch, 5.2.2024: „Das Ende der Welt, wie wir sie kennen“).

Trump fordert direkt die Übergabe Europas an Putin“, sagte der polnische Innenminister Marcin Kierwinski, und Donald Tusk, der neue polnische Ministerpräsident rief dazu auf, „wir müssen die Politiker und Gesellschaften Europas wachrütteln.“ Nötig sei eine gemeinsame Verteidigungspolitik. „Diese Äußerungen sind verantwortungslos und spielen sogar Putin in die Hände“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die Trump-Aussage. Die Reihe solcher und ähnlicher Zitate lässt sich ohne weiteres fortsetzen (sueddeutsche.de, 12.2.2024:  „Es gibt keine Alternative zur NATO“).

Fabian Fellmann, der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Washington, spricht – über das Finanzielle hinaus – weitere Gesichtspunkte zu Trumps Schelte der Verbündeten an:  „Trumps eigentliche Botschaft ist aber ohnehin, dass die USA unter seiner Führung weniger Hilfe leisten würden im Ausland,“  und Fellmann verweist auf Nikki Haley und einige wenige Republikaner, die Trumps Aussage zur NATO widersprachen, „weil er die Sicherheitsarchitektur in Europa so sehr infrage stellt, wie noch nie zuvor.“ Und schließlich zitiert Fellmann John Bolton, Trumps ehemaligen Sicherheitsberater, der vor einer realen Bedrohung mit dramatischen Folgen warnt: „Die Leute müssen Donald Trump ernst nehmen, wenn er sagt, er wolle aus der NATO austreten … Mit ein paar Sätzen bei einer Wahlkampfrede in South Carolina und 691 Zeichen auf seinem sozialen Netzwerk hat Donald Trump am Wochenende einfach mal die globale Sicherheitsarchitektur seit dem Zweiten Weltkrieg infrage gestellt“ (sueddeutsche.de, 12.2.2024: „Zahlt oder sterbt“). 

Zu Trumps NATO-Aussage abschließend ein Zitat aus einer Tour d’Horizon des renommierten SZ-Journalisten Stefan Kornelius: „Seit gut 20 Jahren kämpfen die USA mit ihrer Rolle in der Welt – mal kurzsichtig, muskulär unter Präsident George W. Bush, mal desinteressiert sanft wie unter Barack Obama, mal unberechenbar wie unter Donald Trump. Nun ist es Joe Biden, der seine außenpolitische Prägung im Kalten Krieg erhielt, der die klassische Supermachtrolle der USA wieder beleben möchte – aber nicht frei handeln kann, weil er sich zu Hause nicht beim außenpolitischen Geschäft ertappen lassen darf. Den Amerikanern ist die Welt zu viel geworden. Donald Trump nutzt dieses isolationistische Bauchgefühl im Wahlkampf skrupellos aus“  (sueddeutsche.de, 14.2.2024; Stefan Kornelius:  „Absolut nicht in Ordnung“).  

Neben der „Krämerseelenmentalität“ mit der er weltpolitische Entscheidungen trifft, ist es seine Unberechenbarkeit, sein Einfach-mal-so-Ansatz, der die Europäer erneut schockiert hat und Anlass zu ernster Besorgnis gibt. Nach Trumps Ankündigungen und all dem, was man daraus ableiten muss, kriecht Angst und Unsicherheit über die möglichen Folgen eines Wahlsiegs Trumps durch die europäischen Hauptstädte. „Europa könnte sich gegenwärtig in einem konventionellen Konflikt gegen Russland ohne die Hilfe der Vereinigten Staaten nicht verteidigen,“ stellt Claudia Major, die Verteidigungsexpertin beim Deutschen Institut für Internationale Sicherheit fest.  Nicht ohne Grund warnte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor dem Schaden, der angerichtet wurde: „Jede Andeutung, dass die Verbündeten sich nicht gegenseitig verteidigen, untergräbt unser aller Sicherheit, auch die der USA und setzt die amerikanischen und die europäischen Soldaten einem erhöhten Risiko aus.“ Ähnlich formulierte Bundeskanzler Olaf  Scholz: „Jedwede Relativierung der NATO-Beistandsgarantie ist unverantwortlich und gefährlich und dient allein dem Interesse Russlands. Niemand hat die Erlaubnis, mit der Sicherheit Europas zu spielen oder Deals darüber abzuschließen.  Wir werden zur Sicherheit Europas die NATO stärken.“

Diese Stimmen stammen alle aus einem Bericht der New York Times über die europäischen Reaktionen auf die Trump-Erklärungen. Dies wird im NYT- Bericht mit Blick auf die US-Wahlen auf folgenden Nenner gebracht: „Daher fasst ein Wort auf der diesjährigen Münchener Konferenz die wachsenden Ängste der Europäer zusammen: „Verlieren – verlieren“.  Die europäischen Regierungschefs sorgen sich über die Unberechenbarkeit Trumps und seine anscheinende Bereitschaft, mit Putin zu verhandeln, ohne die Ukraine oder ihre Nachbarn zu beteiligen“ (nytimes.com, 14.2.2024: „Europe Wants to Stand on It’s Own Military.  Is It Too Little, Too Late?“).

Am 5.11.2024 wird in Amerika gewählt. Zur Entwicklung fundamental neuer europäischer Sicherheitspläne ist es bis dahin zu spät. Es geht daher um pragmatische Ansätze für einzelne Bereiche. Zur Münchener Sicherheitskonferenz vom 16. – 18.2.2024 waren aus USA die Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken angereist. Sie standen vor der nicht zu beneidenden Aufgabe, die Verbündeten zu beruhigen und von der Bündnistreue der USA zu überzeugen. Doch wie lange gelten solche Zusicherungen? Die Frage – so schrieb die New York Times schon vor Beginn der Konferenz wie der Neo-Isolationismus in USA den Internationalismus verdrängen konnte, dürfte ein Hauptthema bei der Münchener Sicherheitskonferenz sein. 

Kamala Harris tat was sie konnte. Sie versicherte Europa, dass die USA ihre NATO-Verpflichtungen weiter erfüllen werden. Die in Artikel 5 des NATO-Vertrags festgeschriebene Bündnispflicht, wonach ein bewaffneter Angriff auf ein Mitglied des Bündnisses als Angriff auf alle angesehen werde, sei „eisern“ und „heilig“ für sie und den US-Präsidenten Joe Biden. Den Namen Donald Trump nannte sie nicht. Dieser hatte mit seinen Wahlkampfaussagen gerade an diesem entscheidenden Punkt Zweifel aufkommen lassen und hat den Artikels 5 des Vertrags auf so etwas wie eine selektive Verpflichtung herabgestuft:  Nur wer bezahlt hat, wird von den USA verteidigt. Natürlich gebe es Stimmen, die dafür plädieren, dass sich die USA isolieren und von den Verbündeten abwenden sollten. „Diese Sicht der Welt ist gefährlich, destabilisierend und kurzsichtig … Amerika kann sich nicht zurückziehen, wir müssen für die Demokratie kämpfen und für unsere Verbündeten.“

Zur aktuellen Meldung, dass Alexej Nawalny in einem sibirischen Straflager gestorben ist, sprach Harris das aus, was dabei vielen durch den Kopf gegangen sein mag: „Welche Geschichte sie auch immer erzählen werden, lassen sie uns klar sagen, Russland ist verantwortlich“ (sueddeutsche.de, 16.2.2024:  „Amerika kann sich nicht zurückziehen“).    

Eine Reihe von Fragen konnte Kamala Harris natürlich nicht beantworten:

  • Werden die Republikaner im Repräsentantenhaus noch die Kurve kriegen und den weiteren Hilfen für die Ukraine zustimmen);

(Die Aussichten sind nicht rosig. Auch heute, am 10.4.2024 hat das House noch nicht abgestimmt).

  • Wie wird die Wahl am 5.11.2024 ausgehen?
  • Was würde geschehen sollte Trump die Wahl gewinnen?

 

In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 5.10.2023 wird die Frage gestellt: „Was tut eigentlich die EU, um sich auf die mögliche Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus vorzubereiten?“ Eine der Antworten auf diese Frage lautet: „Herr, lass diesen Kelch an uns vorübergehen.“ Ein EU-Diplomat klingt absolut skeptisch: „Wenn Trump wieder drankommt, wissen wir, dass es schwierig wird. Aber darüber wird höchstens mal am Rand gesprochen.“ Eine detaillierte, ausführliche Diskussion darüber, welche politischen und wirtschaftlichen Folgen ein Sieg Trumps  für die EU hätte, findet nicht statt. Eine Planung, wie eine abgestimmte europäische Reaktion im Ernstfall aussehen soll, sollte dieser am November eintreten? Gibt es nicht (sueddeutsche.de, 5.10.2023: „Zurück in die Zukunft“).

Dieser SZ-Bericht ist inzwischen knapp 6 Monate alt.  Warnungen und die Beschreibung der möglichen Folgen einer zweiten Trump-Präsidentschaft gibt es inzwischen – wie vorstehend dargestellt – zuhauf:

  • In der deutschen Wirtschaft wächst die Sorge davor, dass Donald Trump wiedergewählt wird.  Das würde „nicht nur Europa for große Probleme stellen“ (sueddeutsche.de, 28.12.2023:  „Industriepräsident warnt vor Trump-Comeback“).
  • Ohne viel Aufhebens versucht Berlin gerade, neue Kontakte in die USA zu knüpfen, um auch nach einem Comeback Trumps Fürsprecher in Washington finden zu können (sueddeutsche.de, 18.1.2024: „Nur zur Sicherheit“).
  • „Trump zwei“ wird anders als „Trump eins“. Er hatte viel Zeit zum Nachdenken. Und er hat diesmal genügend Treue um sich, die Spitzenpositionen übernehmen können. „Trump eins“ wurde gebremst, weil er Washington nicht kannte. Das wird dieses Mal nicht helfen. Diesmal werden wir Trump und einen Haufen Faschisten an der Spitze der amerikanischen Regierung haben, vom ersten Tag an. (sueddeutsche.de, 19.1.2024: „Trump zwei wird anders als Trump eins“).
  • Wer Präsident der USA ist, hat globalen Einfluss – aber davon müsse man sich freimachen, forderte Bundesfinanzminister Christian Lindner beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2024.  „Wir reden zu viel über Donald Trump in Europa.“  Der Kontinent müsse seine Hausaufgaben machen. Europas Verteidigung und Europas Wirtschaft müsse so aufgestellt sein, dass der Kontinent sich selbst helfen kann und nicht um Unterstützung rufen muss. „Dann kommt es nicht darauf an, wer die US-Administration ist“ (sueddeutsche.de, 19.1.2024: „Lindner präsentiert seinen Trump-Plan“).

(Das klingt grundsätzlich gut, wäre die US-Wahl nicht schon am 5.11.2024. Was würde Europa tun, sollte ein neuer Präsident Trump ein paar Tage nach Amtsantritt den NATO-Vertrag aufkündigen?).

  • „Sollten die USA unter einem Präsidenten Trump die Ukraine im Stich lassen und der Willkür Putins ausliefern wollen, wären die Europäer kaum in der Lage, das zu verhindern. Selbst wenn Trump die NATO nicht gleich zerstört, würde deren Abschreckungskraft massiv leiden. Der gewaltbereite Imperialist Wladimir Putin würde sich geradezu eingeladen fühlen … Wer sich auf Trump vorbereiten will, wird darüber nachdenken müssen, was das für den Haushalt und die Schuldenbremse bedeutet. Das gilt für Kanzler Scholz, Finanzminister Christian Lindner und alle in der Ampel. Und für Oppositionschef Friedrich Merz ebenso“ (sueddeutsche.de, 15.1.2024: „Und es gibt keine Entkommen“;  Kommentar von Daniel Brössler).

 

 

Pragmatische Ansätze des Bundeskanzlers – Auszüge aus einem Interview mit der SZ vom 14.2.2024

Die Beurteilung der Lage:

Auf absehbare Zeit sollten wir jedenfalls nicht auf ein friedlicheres Russland hoffen. Putins Russland hegt imperiale Träume, vor denen sich Europa schützen muss.  Sicherheit in der Welt ist eigentlich nur miteinander zu gewährleisten, das ist die Erkenntnis aus dem 20. Jahrhundert – und sie bleibt im Grundsatz richtig. Sie  funktioniert allerdings nur so lange, wie niemand eigene Eroberungspläne verfolgt.

 

Warum wir die Ukraine unterstützen:

Wir unterstützen die Ukraine, weil das auch unsere Sicherheit erhöht. Gleichzeitig werden wir es nicht zu einem Krieg zwischen der Nato und Russland kommen lassen. Und wir stimmen uns ganz eng mit unseren Verbündeten ab, allen voran mit den USA. Dass wir dauerhaft mehr Geld ausgeben müssen für unsere Verteidigung, das verstehen die allermeisten Deutschen.

 

Könnte Europa die Lasten allein tragen falls sich die USA zurückziehen?

Ohne die US-Hilfe würde es ganz schwer werden. Die USA sind eine militärische Großmacht mit dem größten Verteidigungsetat weltweit. Deutschland ist, um es mit Helmut Schmidt zu sagen, eine Mittelmacht. Dennoch haben wir allein in diesem Jahr mehr als sieben Milliarden Euro an Waffenhilfen für die Ukraine vorgesehen, weitere sechs Milliarden Euro für die nächsten Jahre kommen hinzu. Auch Polen, Dänemark und die Niederlande tun viel in diese Richtung. Insgesamt bleibt es aber in Europa zu wenig. Mein Appell an die anderen EU-Staaten ist deshalb klar: Schaut, ob ihr eure Hilfen für die Ukraine nicht auch erhöhen könnt.

 

Was wäre wenn…?  Hat Donald Trump recht, dass die Europäer Trittbrettfahrer sind, die sich ihre Sicherheit von den USA bezahlen lassen?

Nein, denn er verkennt völlig, was die Nordatlantische Allianz nun ein Dreivierteljahrhundert miteinander verbindet: Wir sind liberale Demokratien Rechtsstaaten und soziale Marktwirtschaften. Wir folgen gemeinsamen Prinzipien, haben einen ähnlichen Blick auf die Welt und stellen den Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik. Durch die NATO hat die Supermacht USA zugleich Einfluss in Europa gewonnen und Sicherheit garantiert. Richtig und wichtig ist, dass alle NATO-Partner ihren Teil dazu beitragen, dass das Bündnis so stark wie möglich ist – dafür gibt es das Zwei-Prozent-Ziel …

Der nukleare Schutzschirm der NATO speist sich tatsächlich ja nicht nur aus US-Waffen.  Und mit unseren französischen Freunden habe wir einen engen und kontinuierlichen Dialog. Ich warne aber ausdrücklich davor, in quasi vorauseilender Sorge den amerikanischen Schutz fahrlässig infrage zu stellen. Richtig ist doch: Die transatlantische Zusammenarbeit ist im Augenblick so eng wie seit vielen Jahren nicht.     

 

Wären Verhandlungen mit Russland ein Ansatz?

Diplomatische Bemühungen laufen seit Langem. Es hat Gespräche mit Vertretern aus aller Welt gegeben in mehreren Runden in Kopenhagen, Dschidda, Malta und Davos. Allerdings allein nach „Verhandlungen“ zu rufen, löst nicht das Problem. Wenn Verhandlungen bedeuten, dass die Ukraine einfach kapitulieren soll, sind sie sinnlos. Der russische Präsident hat das Land überfallen, um es sich einzuverleiben. Von diesem Ziel muss er abrücken.  Putin kann den Krieg jederzeit beenden, indem er den Befehl erteilt, die Angriffe abzubrechen und Truppen abzuziehen.

 

Das aktuelle Ziel:

Wir müssen alles dafür tun, dass die transatlantische Zusammenarbeit, die uns 75 Jahre geschützt hat, stabil bleibt.  Und wir sollten – ganz unabhängig von den Wahlen in den USA – den europäischen Pfeiler der NATO deutlich stärken.

(Quelle: sueddeutsche.de, 16.2.2024: „Wir wollen so stark sein, dass niemand uns angreift“; Auszüge aus einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit Bundeskanzler Olaf Scholz). 

 

 

Deutschland wird Garantiestaat für die Ukraine

Auf der Grundlage eines Beschlusses des NATO-Gipfels vom 11./12.7.2023 in Vilnius, Litauen, hat Deutschland am 16.2.2024 mit der Ukraine ein Sicherheitsabkommen abgeschlossen. Ziel ist es, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine langfristig zu stärken. Der Vertrag beinhaltet unter anderem Waffenlieferungen, die Ausbildung ukrainischer Soldaten, Hilfe beim Wiederaufbau, bei der Minenräumung und beim Aufbau einer klimafreundlichen Energie-Infrastruktur nach Ende des Krieges. Deutschland ist nach Großbritannien der zweite Staat, der ein solches Abkommen mit der Ukraine abgeschlossen hat. Frankreich wird folgen. (Quellen: sueddeutsche.de, 16.2.2024:  „Ein umfassender Pakt“; Heilbronner Stimme, 17.2.2024: „Historischer Pakt“).

 

Europäische Kooperation in Verteidigungs- und Rüstungsfragen

Am 17.2.2024 hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die baldige Vorlage eines Strategiepapiers für eine gemeinsame Rüstungs- und Verteidigungspolitik der EU angekündigt. Sie sprach sich für einen eigenen EU-Kommissar für Verteidigung aus. Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht Europa auf einem guten weg. 18 der 31 NATO-Staaten erfüllen 2024 das Ziel, mindestens 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben (handelsblatt.com, 17.2.2024: „Von der Leyen spricht sich für EU-Verteidigungskommissar aus).

 

Und was noch?

Nach dem bisher Gesagten ist klar: Die Sorgen der Europäer, sollte Donald Trump noch einmal ins Weiße Haus einziehen, gehen über den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik weit hinaus. Donald Trump, dem MAGA-Hexenmeister, ist es gelungen, die Republikanische Partei innerhalb weniger Jahre in eine völlig andere Richtung zu steuern. Es gab Zeiten, da arbeiteten beide Parteien an der Installation von Freihandelsverträgen und an der globalen Arbeitsteilung. Beide Parteien verfolgen dieses Ziel nicht mehr. Es gab auch Zeiten, da förderten die Demokraten und zumindest Teile der Republikaner die Einwanderung bis zu einem gewissen Umfang. Heute geht es in Washington vor allem um die Sicherung der Grenzen und nicht mehr darum, den im Land unregistriert Lebenden einen legalen Status zu geben. Diese Trendumkehr hat nicht erst seit der Trump-Präsidentschaft begonnen. 

Die New York Times zitiert Heather A. Conley, die Präsidentin des Deutschen Marshall Fonds in den Vereinigten Staaten, dass die Sicherheitsexperten in den letzten 20 Jahren immer weniger über den Nutzen und immer mehr über die Kosten der transatlantischen Zusammenarbeit sprachen. Auch die amerikanische Öffentlichkeit sieht immer mehr die Zielkonflikte der Allianzen und immer weniger ihren Wert. Allerdings hat Trump den Debattenschwerpunkt wesentlich verändert. Er überlegte ernsthaft den Austritt der USA aus der NATO, er kündigte tatsächlich das Pariser Klimaabkommen, er hält nichts von der EU und begrüßte den BREXIT und kappte die amerikanischen Beiträge an die Unterorganisationen der UN (nytimes.com, 15.2.2024:  „Trump’s Nato Threat Reflects a Wider Shift on America’s Place in the World“).

In der Republikanischen Partei wurde der Bezeichnung RINO (Republican In Name Only) für die, die Trump nicht uneingeschränkt folgen, zum Zauberwort und Schandnamen. Welche Bedeutung Trump der absoluten Loyalität beigemessen hat und beimessen wird, sollte er wiedergewählt werden, belegt ein Hinweis in den Memoiren „Enough“ von Cassidy Hutchinson, der Mitarbeiterin des ehemaligen Stabschefs Mark Meadows im Weißen Haus. Hutchinson berichtet, dass Meadows’ erstes wichtige Projekt nach seinem Amtsantritt war, „die Leute zu finden, die entlassen werden müssen weil sie dem Präsidenten gegenüber disloyal sind, vor allem die, die Informationen an die Presse durchstechen“ (nytimes.com, 8.2.2024: „How Mark Meadows Became the Least Trusted Man in Washington“). Cassidy Hutchinson ist im Zweiten Impeachmentverfahren gegen Trump mit ihren detaillierten Beschreibungen der letzten Wochen der Trump-Präsidentschaft bekannt geworden. 

Peter Baker zitiert in einem NYT-Bericht einen interessanten Geschichtsvergleich: 

Mr. Trumps „America First Slogan“ spiegele wider, was die Isolationisten vor dem Zweiten Weltkrieg verkündet haben; (die Gruppe wurde später wegen ihrer Sympathien für Hitler als zu naiv gegenüber den Nazis beschrieben). Als man Trump auf den geschichtlichen Hintergrund seines Slogans hinwies, tat er dies achselzuckend ab und bezeichnete ihn als eine prägnante Beschreibung seiner Weltsicht.  Als Isolationisten wollen sich Trump und seine MAGA-Berater jedoch nicht bezeichnen lassen.  Sie geben sich lieber als Nationalisten und erklären, dass es angesichts der Veränderungen auf der Welt seit dem Ende des Kommunismus an der Zeit sei, die Prioritäten Amerikas in der neuen Zeit zu überdenken. Die NATO und all die anderen Allianzen repräsentierten nicht länger die Interessen der Vereinigten Staaten. 

(Doch wo, außer im Begrifflichen liegt für Trump der wesentliche Unterschied zwischen Isolationismus und Nationalismus? Vielleicht geht es den MAGA-Ideologen dabei in erster Linie nur darum, eine begriffliche Verbindung zu den Christlichen Nationalisten im Umfeld der Evangelikalen zu schaffen. An anderer Stelle habe ich beschrieben, wie wichtig die Evangelikalen für die Republikanische Partei geworden sind).

Eine Umfrage im Oktober 2023 zeigt – internationale Allianzen betreffend – gravierende Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern:  Unter Demokraten glauben 80 Prozent, dass die USA von Bündnissen mit Europa profitieren.  ei den Republikanern sind nur 50 Prozent dieser Meinung. Unter Demokraten wären 68 Prozent für die Unterstützung der NATO-Verbündeten wie Litauen, Estland oder Lettland, sollten diese von Russland überfallen werden. Unter den Republikanern sind dies nur 48 Prozent (nytimes.com, 15.2.2024: „Trump’s Nato Threats Reflect a Wider Shift on Amreica’s Place in the World“)

(Diese Zahlen verdeutlichen erneut, was für Europa bei der amerikanischen Wahl am 5.11.2024 mit auf dem Spiel steht).

Zurück zur Ausgangsfrage:  Was wäre wenn Donald Trump die Wahl gewinnen würde? In einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung appelliert die Journalistin Ann-Kathrin Nezik an die deutschen Firmen, sich dringend auf Trump vorzubereiten. Um was es ihr dabei geht, beschreibt sie wie folgt:  „Donald Trump hält Elektroautos für lächerlich. Verbrenner liebt er dafür umso mehr, genau wie Öl und Gas. Die US-Wirtschaft will er mit neuen Zöllen vor feindlichen ausländischen Unternehmen schützen. Vieles, was Trump Anfang Februar dem Sender Fox Business über seine wirtschaftspolitischen Pläne erzählt hat, klang wie eine kaputte Schallplatte. Mehr Klimafeindlichkeit, mehr America First, alles schon einmal gehört.“

Nezik berichtet über die große „Angst vor dem Zorn eines Mannes, der seine Anhänger gern mal auf missliebige Unternehmer hetzt“; hält aber diplomatische Zurückhaltung für den falschen Weg für die deutsche Wirtschaft. Das mindeste sei ein Plan: „Wir reagieren, wenn Trump doch erneut Präsident wird? Was können deutsche Unternehmen seiner klimafeindlichen und protektionistischen Agenda entgegensetzen? (sueddeutsche.de, 14.2.2204: „Deutsche Firmen müssen sich dringend auf Trump vorbereiten“; Kommentar von Ann-Kathrin Nezik“).

Im dazugehörigen Bericht zitiert Ann-Kathrin Nezik unterschiedliche Aussagen. Stefan Simon, der Vorstand der Deutschen Bank für das USA-Geschäft meint, dass es keine großen Auswirkungen haben wird, wer im November ins Weiße Haus gewählt wird.  Dagegen warnt Christoph Schemionek, der Leiter der Delegation der deutschen Wirtschaft in Washington vor der Absicht Trumps, Zölle von 10 Prozent auf alle ausländischen Importe erheben zu wollen:  „Das wäre nicht nur für die deutschen Unternehmen ein ernsthaftes Problem, weil viele für ihre Produktion in den USA beispielsweise Maschinenteile importieren müssen. Auch amerikanische Unternehmen, die auf Importe angewiesen sind, wären hiervon betroffen.“

Schemionek  nennt das Stichwort „Arbeitskräfte“ und kritisiert dabei auch die Wirtschaftspolitik Joe Bidens. „Die deutschen Unternehmen (in USA) suchen händeringend Arbeitskräfte“. Manche würden gern jene Einwanderer einstellen, die nicht nur in den vergangenen Monaten über die Grenze aus Mexiko ins Land gekommen sind.  Doch die meisten von ihnen bekommen auch nach Monaten oder gar Jahren keine Arbeitserlaubnis – so ist es politisch gewollt.

Am Ende des Nezik-Berichts steht eine merkwürdige Vermutung: „Vielleicht haben sich die deutschen Unternehmen in den USA auch einfach an Trump gewöhnt, wie an einen verrückten  Onkel, der seit Jahren auf Familienfeiern herumpoltert. Sie wissen, welche Sprüche sie von ihm zu erwarten haben und hoffen, dass er nicht alles davon ernst meint“ (sueddeutsche.de, 13.2.2024: „Wer hat Angst vor Donald Trump?“).

(Das wäre zu viel Hoffnung und zu wenig Vorbereitung auf eine mögliche Trump-Präsidentschaft).

Dass Donald Trump vom Klimaschutz und von Klimapolitik nicht viel hält hat er gezeigt, als er 2017 aus dem Pariser Klimaabkommen austrat. Präsident Joe Biden hat dies am Tag seines Amtsantritts, am 20.1.2021, revidiert und hat den Wiedereintritt der USA unterzeichnet. Wird Trump im Fall seiner Wahl wieder austreten? Ein Bericht der Washington Post von der UN-Klimakonferenz COP28 im Dezember 2023 in Dubai lässt nichts Gutes ahnen. George David Banks, Trumps Klimaberater, war mit einer Gruppe Republikaner nach Dubai gereist und deutete an, dass es eine „seismische Wende“ in der internationalen Klimapolitik der USA geben werde. Banks sagte in einem Interview, dass Trump eine zweite Amtszeit erneut nutzen werde, um aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. „Ich vermute“, so Banks, „dass die Exekutiv-Anordnung bereits geschrieben ist“ (washingtonpost.com, 11.12.2023:  „Speaker of second Trump  term looms over global climate talks“).

Auch im Wahlkampf macht Trump bereits mächtig Stimmung gegen die von der Biden-Administration verfolgte Klimapolitik.  Der 2022 mit allen Stimmen der Demokraten im Kongress verabschiedete Inflation Reduction Act, durch den Klimaschutzmaßnahmen in großem Umfang gefördert werden, soll entweder ganz oder in großem Umfang aufgehoben werden. Das Gesetz brachte Steuerermäßigungen beim Kauf von E-Fahrzeugen, ermöglicht die rasche Ausweisung von Standorten für Ladestationen und den Ausbau der Windenergie-Anlagen sowie Steuervergünstigungen für den Einbau von Wärmepumpen und andere Energie sparende Einrichtungen. Frank Pallone Jr., ein führender Abgeordneter der Demokraten im Repräsentantenhaus sagte: „Wir müssen die Präsidentschaft und beide Kammern gewinnen, sonst liegt alles auf dem Hackklotz.“ Ein wesentliches Ziel des Gesetzes ist, dass bis 2030 die Hälfte aller verkauften Fahrzeuge E-Autos sein werden. Trump greift die wesentlichen Teile des Gesetzes immer wieder an und bedient dabei die gängigen Vorurteile in der Öffentlichkeit, etwa dass die Steuervergünstigungen für E-Autos dazu dienten, „reichen Leuten“ zu ermöglichen, „Luxus-E-Autos“ zu kaufen. Im übrigen sei deren Reichweite gering, sie seien zu teuer und die Batterien würden in China hergestellt.

Ein Tatbestand wird es Trump im Falle eines Wahlsiegs jedoch schwer machen, am Inflation Reduction Act zu schnippeln. Seit seinem Inkrafttreten laufen mehr als die Hälfte der angekündigten Großprojekte und 67 Prozent der damit verbundenen Arbeitsplätze in republikanisch regierten Distrikten. „Die republikanischen Extremisten im Kongress würden ihre eigene Wirtschaft schädigen, wollten sie den Inflation Reduction Act aufheben,“ sagte Michael Kikukawa, ein Sprecher des Weißen Hauses (nytimes.com, 19.2.2024: „Republican Attacks on Biden’s Climate Law Raise Concerns Ahead of Election“).

(Ich habe absichtlich die inneramerikanischen Auseinandersetzungen um die Klimapolitik im Abschnitt „Sorgen der Europäer“ dargestellt, denn „der Klimawandel macht an Landesgrenzen nicht halt“, ist zur Binsenweisheit geworden. Sollten die USA, einer der weltweit größten „Klimasünder“ ihre Anstrengungen reduzieren oder gar einstellen, würde sich dies katastrophal auf das Weltklima auswirken).

 

Europa  –  Was tun?

 

In einem vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung abgedruckten Interview begaben sich die beiden Politikwissenschaftler Carlo Masala und Herfried Münkler auf eine große Tour d’Horizon, in deren Verlauf sie auch die mögliche Wiederwahl Donald Trumps ansprachen.  Bereits in der Eröffnungsrunde sagte Carlo Marsala, „dass wir uns mitten in der Auseinandersetzung um eine neue alternative Weltordnung befinden und die relative Macht der USA dramatisch abnimmt….  Deshalb erwarte ich im Falle der Wahl Trumps, dass sich das Ende des Westens als wichtigste ordnungspolitische Macht der Welt stark beschleunigt.  Kleiner habe ich es nicht“,  fügte er hinzu.

 

Das umfangreiche Interview im Detail darzustellen, wurde dieses Papier bei weitem sprengen.  Bemerkenswert sind hier die Aussagen im Zusammenhang mit den anstehenden US-Wahlen:

 

Frage:  Würde ein Wahlsieg Trumps wirklich den Rückzug der USA aus diesem Krieg

             (Ukraine) bedeuten?

 

Antwort Marsala:  Im Senat sind die Republikaner meiner Ansicht nach noch eher für die

             Unterstützung der Ukraine, im Kongress hat Trump die republikanischen

             Abgeordneten aber schon fest im Griff.  Ob ihm das dauerhaft gelingt, ist eine andere

             Frage.  Die Situation ist aber eben auch, dass im US-Haushalt das Geld gerade knapp

             ist.  Dazu kommt, auch wenn Trump sich zuletzt widersprüchlich zur Ukraine

             geäußert hat:  Seine Berater sind sehr dezidiert gegen die weitere militärische

             Unterstützung der Ukraine.

 

Antwort Münkler:  Die alte republikanische Partei war eher eine Partei, die in weiten Linien

            der internationalen Politik und der Außenpolitik gedacht hat.  Die neue priorisiert

            innenpolitische Erwägungen.  Ganz abgesehen davon, dass wir es im Falle eines

            Wahlsiegs von Trump dann international mit drei Quasi-Autokratien zu tun hätten:

            Russland, China und den USA.  Europa stünde dann als letzte liberaldemokratische

            Macht da mit rechtsstaatlichen Bindungen.  Jedenfalls, wenn der amerikanische

            Rechtsstaat Trump diesmal nicht mehr aushalten sollte.

 

Frage:  Warum ist Russland trotz aller Verluste bereit, diesen Krieg zu führen?

 

Antwort Marsala:  Wir verschließen systematisch die Augen vor der Tatsache, dass es

             Situationen gibt, in denen Staaten – aus welchen Gründen auch immer – bereit sind,

             für Kriege immense Kosten in Kauf zu nehmen.  Objektiv volkswirtschaftlich

             gesehen ist es so:  Russland, ein überaltertes Land, verheizt gerade eine ganze

             Generation junger Männer.  Offenbar sind die politischen Ziele des Krieges so

             wichtig, dass man bereit ist, diesen Preis zu bezahlen.

 

Frage:  Hinter der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht steht inzwischen offenbar ein

            gutes Viertel der Wählerschaft – also Menschen, die bereit wären, Russland um des

            Friedens willen Zugeständnisse zu machen.  Was sagen Sie denen?

 

Antwort Münkler:  Tja.  Wenn die Ukraine zusammenbricht, werden wohl fünf Millionen

            Menschen aus diesem Raum flüchten.  Mindestens.  Es könnten auch leicht zehn

            Millionen und mehr werden.  Genau das wollen aber AfD und BSW ja eigentlich

            genau nicht, solche Migrationsbewegungen.  Beide Forderungen – keine

            Unterstützung der Ukraine und keine Aufnahme weiterer Migranten – widersprechen

            sich.

 

Antwort Marsale:  Beide Parteien gefährden die Sicherheitsinteressen Deutschlands.  Zumal

             die Kosten, die im Falle eines Zusammenbruchs der Ukraine auf uns zukommen, um

             ein Vielfaches höher sein werden als die Kosten, die wir jetzt für die Unterstützung

             der Ukraine ausgeben.

            (Quelle:  sueddeutsche.de, 15.2.24:  „Europa treibt auseinander“;  Interview von Jens-Christian Rabe mit Carlo Marsala und Herfried Münkler).

 

Wer entwickelt eine Zukunftsstrategie?   

An einer Stelle des SZ-Interviews wird die Frage gestellt, ob es in Berlin Politikerinnen und Politiker gibt, die mit Weitblick strategisch denken.  Darauf antwortete Herfried Minkler:  „Es gibt Politiker, die in die Zukunft denken.  Aber die überwiegende Mehrheit aller Politiker denkt immer nur bis zur nächsten Wahl, also maximal vier Jahre voraus.  Fluch der Demokratie.“  Carlo Marsala sagte dazu bedauernd:  „Die, die längerfristig denken, sind nicht die Leute, die in der Lage sind, Mehrheiten in Fraktionen und Parteien zu organisieren oder exekutiv genug Einfluss haben.  Das ist das zentrale Problem.  Ich würde einem Mann wie Pistorius nie absprechen, dass er die langen Linien sieht.  Aber reicht es, wenn einer sie sieht?“

Und Europa?  Die Wahlkampfaussagen Trumps haben die Europäer wieder einmal aufgeschreckt.  Im August 2022 stellte Max Bergmann vom Centre for American Progress in Washington D.C. fest, dass das transatlantische Bündnis gerade eine Renaissance erlebe, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass das Engagement der Biden-Regierung nicht von Dauer sein werde, den Chinas weiterer Aufstieg werde dafür sorgen, dass die USA ihr Augenmerk wieder dem pazifischen Rauf zuwenden.  Die USA sollten die Schaffung einer europäischen Säule innerhalb des Nato-Bündnisses einfordern und sich mit voller Kraft dafür starkmachen, dass die Europäische Union eine aktivere Verteidigungsrolle übernimmt…. Es wäre zu wünschen, dass  die EU eine globale Militärmacht wird“  (IPG, 30.8.22;  MaxBergmann: „Europa allein zu Hause“).

Die Zielrichtung wird von Bergmann klar beschrieben:  Europa sollte die Rolle als eigenständige Militärmacht in der Nato übernehmen.  Bergmann ist nicht der Einzige, der dieses Ziel beschreibt,  Auch Münkler und Marsala denken in ähnliche Richtung:  „Deutschland müsste aber von vorne führen.  Es ist aber nichts schwerer zu ändern als die Mentalität von Politikern und die Mentalität von Bevölkerungen.“

Zurück zur Frage:  Was wäre wenn Donald Trump am 5.11.24 erneut zum amerikanischen Präsident gewählt wird?  Europa hat es versäumt, rechtzeitig die eigenen Strukturen zu stärken, „mehr Europa“ zu schaffen.  Dafür gibt es viele Ursachen, die aufzuarbeiten bis zum amerikanischen Wahltag nicht gelingen kann.  Ganz gleich, wer der nächste US-Präsident sein wird, für Europa beginnt spätestens ab dem 5.11.24 die außen- und innenpolitische Kärrnerarbeit, neue Verbindungen nach Afrika, Asien und Südamerika zu knüpfen.  Es ist gut, dass der Bundeskanzler und die Außenministerin damit bereits begonnen haben. 

Der Heilbronner Bundestagsabgeordnete Michael Link (FDP), der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit hat jüngst bei einer Veranstaltung der Europa-Union Heilbronn auf einen besonderen Aspekt dieser unspektakulären Kärrnerarbeit hingewiesen:  Der Kontaktpflege mit amerikanischen Bundesstaaten.  „Nicht alle republikanischen Gouverneure sind bei Fragen der Handels- und Klimapolitik auf gleicher Linie wie Donald Trump.  Wenn Trump zurückkommen sollte, kann er nicht dauerhaft gegen den Senat und das Repräsentantenhaus regieren“, sagte Link am 23.9.23 bei den Siebten Hertensteier Gesprächen in Heilbronn  (Heilbronner Stimme, 26.9.23:  „Transatlantische Vorarbeit für den Ernstfall“).

Beim Außenministertreffen am 4.4.24 wurde auf Nato-Ebene die Frage „Was wäre wenn…?“ erstmals offiziell diskutiert.  Das Problem ist bekannt.  „Die Nato steht vor einer Zerreißprobe:  Von außen bedroht durch einen Krieg mitten in Europa, und innen durch diejenigen die sie obsolet halten wie etwa Donald Trump,“ schrieb Katrin Pribyl am 4.4.24 in der Heilbronner Stimme.  Eine Reihe von Vorschlägen liegen auf dem Tisch.  Beim nächsten Gipfel im Juli, voraussichtlich in Washington D.C. sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden.

 

 

Das Letzte  

 

Wahlkampf der Despektierlichkeiten

Dass sich Donald Trump wenig um zivile Anstandsregeln schert, gibt immer wieder Anlass zur Mediendiskussion.  Bei einer Rede am 9.3.24 äffte er – zur Freude seiner Fans und nicht zum ersten Mal – das zeitweilige Stottern Joe Bidens nach.  Dieser war in seiner Jugend Stotterer, hat aber diese Behinderung weitgehend überwunden.  Die New York Times zitiert zum jüngsten Vorfall die Reaktionen einer Frau, die Zeit ihres Lebens stottert:  „Natürlich, Mr. Trump hat sich wiederholt über das Stottern von Mr. Biden lustig gemacht und er wird es wieder tun.“  Der Trump-Auftritt weckte schmerzliche Erinnerungen an ihre Kindheit:  „Die meisten von uns wurden in unserer Kindheit gehänselt.  Wir haben dies schon früher erlebt.  Daher trifft so ein Video dieses bekannte erniedrigende Gefühl.“ 

Steven Cheung, ein Sprecher Trumps versuchte dessen „Vorführung“ zu relativieren:  „Präsident Trump hat ganz eindeutig über „Crooked Joe Bidens“  abnehmende geistigen Kräfte gesprochen, was die ganze Welt sehen kann und dass er ungeeignet ist, weiterhin der Präsident zu sein.“  (Dadurch hat Cheung den unziemlichen Auftritt Trumps nicht zurecht gerückt sondern noch verstärkt).

Maria Town, die Präsidentin der Amerikanischen Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen verschickte an beide Parteien einen Brief mit der Bitte, „in den Kampagnien solche Aussagen zu unterlassen und die Kandidaten der Partei aufzurufen, sich besser zu benehmen“  (nytimes.com, 11.3.24:  „Trump’s Biden Mockery Upsets People Who Stutter:  ‚We’ve Heard This Before’“).

 

 

Drohung mit Gewalt

Am 30.3.2024 postete Donald Trump auf seiner Social Media Plattform ein Video mit einer Abbildung, das Präsident Biden an Händen und Füßen gefesselt zeigte.  Dazu der Hinweis, diese Abbildung sei am Tag zuvor in Long Island aufgenommen worden, wo Trump die Totenwache für einen im Dienst ermordeten Polizisten besucht hatte.  Dazu berichtete die New York Times:  „Makabere Abbildungen, die auf Mr. Trumps ausgesprochene Feinde zielen, zirkulieren ständig online unter rechtsgerichteten Hetzern und Pro Trump Gruppen und werden manchmal sogar bei konservativen Konferenzen gezeigt.  Fotos mit dem gefesselten Mr. Biden werden in den Sozialen Medien geteilt und im Online-Handel als Aufkleber verkauft.  Dass Mr. Trump einen Clip mit dieser Abbildung ins Netz gestellt hat, zeigt die wachsende Giftgkeit und die persönlichen Angriffe, die er gegen Mr. Biden richtet.“ 

Zur Rechtfertigung der Trump-Rhetorik verweist die Trump-Kampagne immer wieder auf frühere Aussagen der Demokraten.   Steven Cheung, der Sprecher der Kampagne zitierte  Biden aus dem Jahr 2018, als dieser abfällige Aussagen Trumps über Frauen über Fauen so kritisierte:  „Wären wir in der High School, würde ich ihn hinter der Trunhalle höllisch verhauen“ (nytimes.com, 30.3.2024:  „Trump Shares Video Featuring Image of a Hog-Tied Biden“).

 

 

Die Vorstufe zum Hass

In Donald Trumps Repertoir scheint es Denk- und Sprachschablonen zu geben, auf die er immer wieder zurückgreift:

  • Häufig belegt er politische Opponenten, aber auch Parteifreunde mit despektierlichen

Spott- und Schimpfnamen.

  • Immer wieder beschreibt er Migranten mit negativen Begriffen. Sie würden aus

Gefängnissen und Einrichtungen für Geisteskranke in die USA verfrachtet.  Beweise

dafür nennt er nicht.  Flüchtlinge vergiften das Blut des Landes, hat er mehrfach verkündet;  manche Flüchtlinge seien keine Menschen.

  • Kritiker und politische Gegner sind seiner Ansicht nach Leute, die „unser Land nicht

lieben und nicht loyal zu Amerika stehen.“

Wie schwer es ist, Trump bei seinen Auftritten und in den Sozialen Medien in einem respektierlichen Rahmen zu halten, zeigen die richterlichen Anweisungen (Gag Orders), die in letzter Zeit im Rahmen laufender Strafverfahren gegen ihn verhängt wurden.  Wiederholt hatte Trump Richter, Staatsanwälte, deren Angehörige und andere Prozessbeteiligte mit abfälligen Aussagen beschimpft.  Trump wird damit zum schlechten Vorbild für seine Fans die glauben, ihn mit Bedrohungen und anderen Mitteln unterstützen oder gar schützen zu müssen.  Sie seien dem Aufruf „ihres“ Präsidenten gefolgt, sagten manche vor Gericht aus, die wegen der Teilnahme am Sturm auf das Kapitol angeklagt wurden. 

Wenn es um die unerlaubte Zuwanderung und die Probleme an der Südgrenze geht, gibt es bei Trump-Reden kein Halten.  Bei einer Kundgebung am 2.4.2024 in Grand Rapids, Michigan sprach er in großer Länge über den Tod der 25 Jahre alten Ruby GarciaDer für die Tat Beschuldigte war ohne Einreisevisum in die USA gekommen. Trump beschrieb die Getötete in seiner Rede als „hübsche junge Frau, die von einem illegalen Fremden brutal umgebracht wurde.“  Darüber hinaus erzählte er der Menge, er habe mit der Familie der Getöteten gesprochen.  „Die sagten, sie hatte das ansteckendste Lachen und wenn sie ins Zimmer kam, hat sie den Raum erleuchtet.  Das haben viele Leute erzählt – Ich sprach mit Familienangehörigen.“  Doch diese Erzählung hat einen Haken:  Sie ist nicht wahr. Trump hat mit niemand aus der Familie von Ruby Garcia gesprochen.

Eine Schwester von Ruby Garcia bestätigte dies bei einem TV-Interview. Trump habe mit niemand aus der Familie gesprochen. Es sei ein Schock gewesen, diese Falschinformation im Fernsehen mit anzusehen. Sie beschuldigte Trump, den Tod ihrer Schwester zu einem Grenzproblem zu verdrehen. „Es geht stets um die illegalen Immigranten. Niemand redet darüber, wenn Amerikaner abscheuliche Verbrechen begehen und es ist schockierend, dass er nur über die Illegalen redet.  Was ist mit den Amerikanern, die scheußliche Taten wie diese begehen?“  (nytimes.com, 3.4.2024:  „Contradicting Trump, Ruby Garcia’s Sister Says He Never Contacted Family“).

Am 18.3.2024 sagte Donald Trump, als er auf die Israel-Kritik von Präsident Biden und Senator Schumer angesprochen wurde – Schumer hatte gesagt, Netanyahu sei ein Hindernis für den Frieden und Neuwahlen in Israel gefordert:  „Ich denke, sie hassen Israel.  Jede jüdische Person, die die Demokraten wählt, hasst die eigene Religion.  Sie hassen alles an Israel und sie sollten sich schämen, weil Israel zerstört wird.“

Ein Sprecher des Weißen Hauses bezeichnete die Aussagen Trumps als „niederträchtig, völlig unausgewogen und antisemitsch.“  Schon während seiner Präsidentschaft hatte Trump jüdische Wähler, die für die Demokraten votieren, als nicht loyal bezeichnet. Dazu die New York Times: „Diese Bemerkungen und die Kommentierung vom Montag (18.3.24) wecken stets aufs Neue die antisemitische Vorstellung, dass Juden eine gespaltene Loyalität hätten und häufig loyaler zu Israel stehen als zu ihren eigenen Ländern“  (nytimes.com, 18.3.24:  „Trump Says Jews Who Support Democrats ‚Hate Israel’ and ‚Their Religion’“).

 

Donald Trump experimentiert mit der Religion

In einem früheren Kapitel habe ich beschrieben, wie Trump auf ganz besondere Weise mit der Gruppe der Evangelikalen unter seinen Fans interagiert.  Er hat diese spirituelle Verbindung in letzter Zeit noch weiter ausgebaut.  Er und seine besonderen MAGA-Freundinnen und Freunde beschwören das Ende der Welt, den Doomsday“, den Weltuntergang.  Den Begriff „Blutbad“ hat er in letzter Zeit mehrmals verwendet, „Stoppt Bidens Blutbad an der Grenze.  Wir werden den Dritten Weltkrieg verlieren und Amerika wird verwüstet werden mit Waffen, wie man sie nie zuvor gesehen hat.“  Und dazu die Verheißung:  „Das Einzige, was zwischen euch und der Auslöschung steht, bin ich.“  Dazu passt, was seine besondere Ikone Marjorie Taylor Greene aus Georgia am 5.4.24 getweetet hat:  „Gott schickt Amerika starke Zeichen um uns zur Reue aufzufordern.  Erdbeben, und eine Sonnenfinsternis und vieles mehr wird kommen. Ich bete, dass unser Land darauf hört“ (nytimes.com, 6.4.2024; Maureen Dowd: „Donald Trump’s Inatiable Bloodlust“).

Rechtzeitig vor Ostern – am 26.3.2024 – pries Donald Trump die „Die God Bless the USA Bible“ (die „Gott Segne die USA Bibel“)  zum Preis von 59,99 Dollar, zuzüglich Versandkosten und Steuern an. Das Buch enthält die die King James Bibel, den handgeschriebenen Text von „God Bless the USA“ des Country Sängers Lee Greenwood, eine Kopie der Verfassung, der Bill of Rights, der Unabhängigkeitserklärung und des Gelöbnisses zur Nation und zur Flagge der USA (Pledge of Allegiance). 

Dazu Trump: „Alle Amerikaner sollten in ihrem Heim eine Bibel haben; ich besitze viele. Es ist mein Lieblingsbuch. Die Religion und das Christentum sind die wichtigsten Dinge, die wir in diesem Land vermissen. Wir müssen Amerika wieder zum Beten bringen.“

In einem Bericht der New York Times wird beschrieben, wie Trump in jüngster Zeit seine Wahlveranstaltungen mit einem dem Gottesdienst ähnlichen Ritual beendet. „Make America pray again“.

 

(Quellen: nytimes.com, 26.3.2024:  „Trump’s Newest Venture?  A $60 Bible“; nytimes.com, 1.4.2024: “The Church of Trump:  How He’s Infusing Christianity Into His Movement”; nytimes.com, 31.3.2024: “There’s No Such Thing as an American Bible”, Gastbeitrag von Esau McCaulley).

 

Fortsetzung folgt 


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  • Ergänzung: Die Inflation ist stärker als vor dem Euro?

    Nein. Seit 25 Jahren gibt es den Euro. Das Eurosystem (EZB + Nationale Zentralbanken) haben das Inflationsziel zwischen 1999 und 2020 im Durschnitt deutlich besser erreicht als es davor der Fall war. Die Phase der jetzigen Inflation in Folge der Corona-Krise und der Lieferengpässe und der Energiekrise hat die Preise weltweit 2021, 2022 getrieben. Die Inflation sinkt seit Ende 2022 kontinuierlich und nähert sich wieder den 2 % an.
    Darüber hinaus hat die gemeinsame Währung Europa Stabilität in diversen Krisen gegeben.
    Die gemeinsame Währung stützt den Binnenmarkt und hat Deutschland geholfen, starke Exportleistungen zu erzielen.

  • Zum Protokoll des Gesprächskreises „Europa jetzt!“ würde ich gerne hinzufügen, dass wir Teilnehmer auch darüber debattiert haben, wie „selbstverständlich“ Europa gerade für uns jüngeren geworden ist. Viele von uns kennen es gar nicht anders. Reisen ohne Grenzen, zahlen in Euro, keine Zollgebühren beim Onlineshopping, anders kennen wir es fast nicht. Es gilt, diese Freiheiten aufzuzeigen um das Interesse an Europa zu wecken.
    Ebenso war sich der Großteil der Gruppe einig, dass wir keine Angst haben, sondern Bedenken und Unsicherheit empfinden, wenn wir die aktuellen Entwicklungen beobachten.

    • Wie wir feststellen durften ist die Halbwertszeit solcher Runden nicht ausreichend, um ein Forum nur annähernd zu füllen. Wo die Unverbindlichkeit zum Prinzip erhoben wurde, muss man tatsächlich über ganz neue Kommunikationskanäle nachdenken.