Journalisten

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Beitragsfoto: Journalistin | © Neven Divkovic auf Pixabay

Schlechte wie auch gute Journalisten gab es schon immer. Meine erste Erfahrung mit Journalisten konnte ich bei der Lektüre der Heilbronner Stimme machen. Qualitätsjournalismus lernte ich kennen, da der Vater eines Freundes den Spiegel abonniert hatte und ich diesen damit regelmäßig lesen konnte. Noch bis weit in die 1990er-Jahre hinein gehörte der Spiegel zu meiner regelmäßigen Lektüre.

Später dann, als ich mich politisch in einer Jugendorganisation engagierte, lernte ich weitere Lokalzeitungen kennen und musste mich mit der Tatsache abfinden, dass unsere Lokalzeitungen allesamt an politischen Inhalten weniger interessiert waren als an den vielen Riverboat-Partys und sonstigen politischen Festen der damaligen Konkurrenz. Und noch heute, Jahrzehnte später, bekomme ich dort jene Artikel abgedruckt, die sich schwerpunktmäßig ums Essen und Trinken drehen — politische Inhalte interessieren weiterhin nur dann, wenn diese mit der gefühlten lokalen Einheitsmeinung in Einklang zu bringen sind.

Zu Beginn meines Berufslebens stellte man uns vor die Wahl, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und, wohl eher für die Nordlichter, die Welt zu abonnieren. Ich entschied mich damals für die FAZ und blieb dieser Zeitung fast bis zu meiner Zuruhesetzung treu, auch wenn ich mich immer mehr mit der Süddeutschen Zeitung anfreunden konnte; und hätte diese nicht beständig mit ihrem Regionalteil gedroht, vielleicht sogar einmal über einen Wechsel nachgedacht.

Beruflich bedingt, lernte ich dann auch Zeitungen anderer Länder kennen und schätzen, so habe ich bis heute immer wieder ein paar davon abonniert und freue mich darüber, dass diese mir dabei helfen, über den eigenen Tellerrand zu blicken.

Noch heute schätze ich gut recherchierte Zeitungsartikel sehr und glaube darüber hinaus, dass Zeitungen an ihrer eigenen Konkurrenz wachsen und gedeihen, aber ohne Konkurrenz nur noch vor sich hin vegetieren und zu bloßen Abziehbildern von sich selbst und ihrem ehemaligen Glanz mutieren.

Wiederum beruflich bedingt, wurde ich damit konfrontiert, dass man durchaus selbst im Interesse von Journalisten liegen kann und diese nicht immer nur beständig darum bitten muss, dass sie über die eigenen ehrenamtlichen Aktivitäten berichten. Schnell musste ich aber dabei feststellen, dass es nicht unbedingt ein Vorteil ist, wenn man ins Interesse von Journalisten gerät. Und so wurde es „überlebensnotwendig“, dass ich mich mehr mit Journalisten beschäftigte als es mir meist lieb war und dabei auch entsprechende Lehrgänge und Ausbildungen absolvieren musste.

Meine erste entsprechende Erfahrung musste ich dann bereits als Zugführer machen, nämlich als man mir befahl, eine Journalistin mit Kamerateam den gesamten Tag über mit dem von mir geführten Infanteriezug zu bespaßen. Da es sich nur um einen weiteren Waldkampftag handelte und die Soldaten inzwischen ihre Aufgaben im Schlaf beherrschten, eigentlich ein Selbstläufer — das dachten wohl nicht nur meine Vorgesetzten, sondern auch ich. Aber um wirklich ganz sicher zu gehen, informierte ich meine Kameraden vorab über die Bedeutung dieses Besuchs und stellte ihnen noch ein paar Kisten Bier in Aussicht.

Und so begleitete uns diese Journalistin fast den gesamten Tag über, führte Gespräche und ließ bestimmte Übungen für die Kamera wiederholen. Dabei wurde ihr Gesicht immer länger, was ich auf die viele frische Luft, die sich so langsam einschleichende Kälte und das Fehlen eines besonderen Caterings für unsere Presse-Begleiter zurückführte.

Dann aber geschah, was nicht geschehen sollte, ein Soldat, nicht gerade der brillanteste unter der Sonne, verhaspelte sich im Interview und es kam dabei zu einem Halbsatz, den man ohne Kontext hätte missverstehen können. Und damit war der Presse-Besuch plötzlich zu Ende und die Journalistin verließ uns mit ihrer Entourage wieder.

Ein paar Tage später wurde ich von meinen Vorgesetzten barbiert und mir dabei der Pressebericht vorgeführt. Dieser bestand nur aus einer Meinung der besagten Journalistin, die dann zum Schluss mit gerade diesem Halbsatz untermauert wurde — damit hatte ich meine erste Bekanntschaft mit dem gefühlten Journalismus gemacht. Und wenn man etwas bei der Bundeswehr schon einmal gemacht hat, dann darf man dies immer wieder machen.

Und so war ich eines Tages hocherfreut als ich zwei Spiegel-Journalisten betreuen durfte, die extra zu uns gekommen waren, um meine Vorgesetzten im O-Ton zu hören. Sehr umgängliche Herren, die erstaunlicher weise sehr viel wussten, mehr als sie in ihrem Artikel später schrieben, welcher zudem auch sehr fair war — ein Highlight fachlichen Journalismus’. Weniger erfreut war ich über den zeitgleich stattfindenden Besuch einer Journalistin, die wohl zum selben Thema recherchieren sollte, weil es damals das Thema überhaupt war, sich aber bereits bei Ankunft auf meinen einzigen weiblichen Soldaten, eine sehr attraktive Französin, welche sich aber durch gute Stabsarbeit und eine beeindruckende Robustheit bei allem Kameraden Respekt verschafft hatte, stürzte und diese frank und frei fragte, was sie von den sexuellen Belästigungen in der Armee halte? Diese erwiderte nur: „Warum, hat sich einer meiner Kameraden über mich beschwert?“ und ließ die Journalistin stehen. Da ich bereits wusste, dass ich gegen gefühlten Journalismus keine Chance habe, ließ auch ich diese Dame links liegen und war mir dabei völlig sicher, dass diese an ihrem Thema vorbei schreiben würde. Auf jeden Fall aber hat mir kein Vorgesetzter später deren Artikel unter die Nase gerieben.

Den Tiefpunkt journalistischer Arbeit durfte ich etwas später in einem bekannten Hotel an der Sniper Alley kennenlernen, dort hatten sich Politik, Presse, Hilfsorganisationen und die organisierte Kriminalität zusammengefunden, offensichtlich weil es der einzige lebenswerte Ort in der näheren bis weiteren Umgebung war. Ich war mit dabei, weil dort Informationen wie auf einem Bazar gehandelt wurden und gute Informationen sind nicht nur für Journalisten wichtig. Auf jeden Fall aber durfte ich dort wohl die letzten Dinosaurier des Journalismus erleben, welche von jüngeren Journalisten wie Popstars umschwärmt wurden und whiskygeschwängert und mit Zigarren- oder Zigarettenqualm umnebelt gerne ihre Weisheiten an die Frau brachten. Damals wurden ganz offensichtlich Karrieren gestartet, wobei wohl auch der gefühlte Journalismus massentauglich wurde.

Ich hatte diese Erlebnisse bereits vor Jahren in zwei oder drei Blog-Beiträgen verarbeitet, diese später aber — wohl altersmilde — wieder gelöscht. Dabei halfen auch Erlebnisse, die ich bei einem meiner letzten Einsätze machen, wobei ich erstmals freie Journalisten kennenlernen durfte, die fachlich fundiert und gut recherchierte Artikel schrieben, die sie später dann an die verschiedensten Medien verkaufen mussten. Diese Journalisten lebten ihren Beruf und wohl meist auch an der Grenze hin zum Prekariat — mit Gefühlsjournalismus wären sie sicherlich viel weiter gekommen.

Wieder mit dem Journalismus befriedet hat mich dann aber ein nun auch etwas ergrauter wie auch bekannterer Journalist, dem ich mit Malariamitteln zugedröhnt ein Fernsehinterview gab, wobei er mich zudem völlig auf dem falschen Fuß erwischte. Dieses Interview wurde meines Wissens nie ausgestrahlt, er hat es später aber sehr gerne zur Belustigung meiner Mitarbeiter gezeigt — was bezeugt, dass ein Quäntchen Humor durchaus zu gutem Journalismus mit dazugehört.

Und wo stehen wir heute? Es gibt sie sicherlich noch, die guten Journalisten, die weiterhin durch Kärrnerarbeit und fachlich versiert Informationen sammeln und für ihre Leser aufbereiten. Und später dann, wenn sie sich selbst durch Erfahrung und Wissen ein Bild gemacht haben, mit Meinungsbeiträgen ihre Leser- oder Hörerschaft verzücken, besser noch, dabei ihre Meinungen auch mit treffenden wie gut fundierten Argumenten untermauern können.

Leider aber, und dies war der Grund dafür, warum ich u. a. mein FAZ-Abonnement gekündigt habe, kommen gute Journalisten immer seltener zu Wort. Und wenn dabei auch noch die Rechtschreibfehler zunehmen und die Kenntnisse in den Grundrechenarten entsprechend abnehmen, dann lohnt es sich wirklich kaum noch, eine überregionale Zeitung zu lesen. „Die lokale Tageszeitung liest man wegen der Todesanzeigen“, so zumindest meine längst und viel zu früh verstorbene Oma.

Besonders dann nicht, wenn die viel gelobten Meinungsmacher zwar immer eine dezidierte Meinung verkünden aber sehr oft weder das dazu notwendige Wissen noch die Erfahrung und manchmal nicht einmal ausreichend Hirn haben, um überhaupt eine fundierte Meinung haben zu können.

Es fängt bereits an, wenn ich Meinungen über das Ehrenamt lese, von Journalisten, die selbst nie hinreichend ehrenamtlich tätig waren und das Ganze wird für mich dadurch gekrönt, wenn es in Glossen um Dinge geht, bei denen ich weiß, dass der betreffende Journalist weder das notwendige Wissen noch die dafür nötige Erfahrung haben kann.

Man darf durchaus eine Meinung haben, aber diese sollte auf Grundlagen beruhen und je fundierter diese Grundlagen sind, so wertvoller dürfte die damit vertretene Meinung sein — ob diese Meinung gut oder schlecht ist, liegt weiterhin in der Betrachtung des Lesers. Auch hängt es vom Leser ab, ob er diese dann teilt oder nicht.

Und so bin ich davon überzeugt, dass guter Journalismus aus dem Zusammentragen von Informationen und deren verständliche Aufbereitung für den Leser bzw. Hörer besteht. Dazu zähle ich auch, dass man die erhaltenen Informationen vorab auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüft und gerade bei strittigen Themen die gesamte Bandbreite mit abdeckt.

Wem als Journalist dies alles zu mühsam ist und wer dabei glaubt, die Welt alleine durch die eigene Meinung glücklich machen zu müssen, der sollte vom Journalismus Abstand nehmen und lieber ein Weblog schreiben.


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