Kleiderallianz

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Beitragsfoto: Secondhand | © Benjamin Brandt auf Pixabay 

Ich gebe gerne zu, dass ich selbst kein Dressman bin und immer sehr froh darüber war, dass es mir mein Arbeitgeber mit der Kleiderwahl sehr einfach machte.

Noch heute trage ich meine Kleider, bis sie mir entweder vom Leibe fallen oder ich diese nicht mehr im Kleiderschrank finde; ich vermute stark, dass meine Frau immer wieder einmal ausmistet, obwohl ich sie bisher noch nie auf frischer Tat ertappen konnte.

Mein schönstes Erlebnis beim Kleiderkauf hatte ich in Afrika, als ich dort überraschend Zivilkleidung benötigte und diese dann in einem Slum-Kaufhaus unvorstellbarer Größe beschaffen konnte. Ich traute meinen Augen kaum und hätte sicherlich alle meine alten Klamotten wiedergefunden, wenn nur etwas länger Zeit zum Suchen vorhanden gewesen wäre. Als ich Monate später stolz die neuen Schätze meiner besseren Hälfte präsentierte, rümpfte diese nur die Nase, und sie verschwanden wie magisch alsbald wieder aus meinem Kleiderschrank.

Jüngst konnte ich gar einen Halbschuh besohlen lassen, den ich 1983 gebraucht von der Bundeswehr erwarb. Und auch meine Bergstiefel haben dank des hervorragenden Service von Meindl schon etliche Jahre auf dem Buckel.

So ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass ich dem Rummel um immer neue und ausgefallenere Kleider nichts abgewinnen kann. Froh bin ich zudem, dass meine bessere Hälfte schon immer gerne secondhand trägt, denn nur wenn sich jeder ein wenig selber einschränkt, kann man in der Welt etwas verändern.

Egal wie man auch selbst zur Mode steht, ob es für einen ein lebensbestimmendes Mittel der Selbstverwirklichung oder eine zwingende Notwendigkeit ist, um Karriere zu machen, eines ist dabei unstrittig, wir haben insgesamt bei Weitem zu viele Kleidungsstücke in den Läden, in den eigenen Schränken, auf Lager oder gar Halden. Die Kleiderflut, die meist sehr günstig aus Asien zu uns strömt und letztendlich die Kleiderproduzenten in den ärmeren Gegenden dieser Welt ruiniert, ist weder nachhaltig noch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.

Aber man muss auch zugeben, dass inzwischen sehr viele Menschen von und an dieser Verschwendung verdienen, meist sind es Mitbürger aus den alteingesessenen Industrieländern. Nur muss irgendwann irgendwer letztendlich die Zeche für solches Wirtschaften zahlen. Wer dabei glaubt, dass wir es nicht sind, der irrt sich gewaltig. Nur ein Beispiel aus eigenem Erleben.

Vor ca. zehn Jahren lernte ich eine Modedesignerin mit einer eigenen Manufaktur in Afrika kennen. Sie war erfolgreich und veranstaltete mit einer Freundin auch regelmäßig gut besuchte Modeschauen. Zehn Jahre später lebt sie nun in Bayern und ihre Freundin im Vereinigten Königreich. Beide wurden Opfer unserer Kleiderflut nach Afrika und ihnen blieb nur die Flucht nach Europa, um überleben zu können; unisono würden beide noch heute lieber selber ihren Unterhalt zu Hause in Afrika verdienen als in Europa „betteln“ zu müssen.

Dies seit Jahren erkennend, müssten wir alle eigentlich umsteuern. Leider glauben die meisten von uns, dass sie selber weder etwas Falsches machen, noch daran, dass sie überhaupt auf irgendetwas verzichten müssten.

Das eigentlich Gute am Umsteuern in Sachen Kleiderflut ist, dass so gut wie niemand verzichten müsste und selbst die Billig-Produzenten ausreichend Zeit hätten, um ihre Geschäftsmodelle an die neuen Gegebenheiten anzupassen, zumal dieser Prozess mehrere Jahre, wenn nicht gar länger in Anspruch nähme.

Ich nenne meinen entsprechenden Vorschlag „Kleiderallianz“ und glaube auch, dass dieser erst lokal und später gut untereinander vernetzt funktionieren könnte.

Wir sollten den bereits bestehenden secondhand Markt stärken, attraktiver gestalten und die unterschiedlichen Handelsmodelle so miteinander verknüpfen, dass zum einen jene, die darauf angewiesen sind, profitieren und zum anderen der tatsächlich auch vorhandene Kleidermüll nicht exportiert, sondern aus dem Markt genommen wird und damit möglichst als Rohstoff für andere Produkte weiterverwendet werden kann.

Gute Kleidungsstücke erhalten entsprechend auch für den Konsumenten einen Wiederverkaufswert und werden damit zur allseits anerkannten Handelsware, was wiederum die Akzeptanz von secondhand bei den Nutzern insgesamt erhöht.

Damit erhöht sich die Qualität der Ware und senkt mittel- bis langfristig auch die Quantität, wobei ich vermute, dass die hohen Gewinnmargen von den Großproduzenten und -händlern zu den Zwischenhändlern fließen und damit einen krisenfesten Markt schaffen werden.

Die von mir intendierte Kleiderallianz sammelt mit ihren teilnehmenden Firmen, Stiftungen, Organisationen, Kirchen und Vereinen weiterhin die Kleidungsstücke dezentral, sortiert (Müll bzw. Kleidung), katalogisiert die Stücke und stellt diese auf einer gemeinsamen digitalen Plattform zur Verfügung. Damit ist sichergestellt, dass gute Kleidungsstücke auch ihre Abnehmer finden und nicht jahrelang in irgendwelchen Kellern vergammeln.

Kunden von Hilfsorganisationen werden beim Einkauf automatisch rabattiert und die Kleidungsstücke ggf. an die nächstgelegenen Läden, Verkaufs- oder Abgabestellen geliefert. Zudem besteht die Möglichkeit, dass man sich die Kleidungsstücke auf eigene Kosten nach Hause schicken lassen kann.

Wenn das Ganze dann attraktiv auf einer Website beworben, vorgestellt und verkauft wird, kommen sicherlich weitere und auch sehr zahlungskräftige Käuferschichten mit hinzu, denn einem guten Kleidungsstück sieht man nicht an, ob der Träger dieses selber zwei Jahrzehnte lang oder wie viele glückliche Vorbesitzer es bereits vorab getragen haben.

„Over the years I have learned that what is important in a dress is the woman who is wearing it.“

Yves Saint Lauren (1936 – 2008)

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