Beitragsfoto: lesendes Mädchen | © ThePixelman auf Pixabay
Auch wenn es mir heuer wirklich nicht nach Weihnachten zumute ist, muss es anderen nicht auch so gehen!
Manche Menschen, von einigen Bloggern weiß ich es sogar, bringen sich mit ganz bestimmten Hollywood-Schinken in Stimmung. Andere fangen an, bestimmte Lieder zu hören und je älter sie selbst werden, gerade jene, die sie noch vor Kurzem aus tiefsten Herzen heraus abgelehnt haben. Wiederum andere glühen auf den verschiedensten Weihnachtsmärkten vor und bauen darauf, dass sie bis zum Dreikönigstag ihren traditionellen Weihnachtsalkoholspiegel durchgängig halten können.
Völlig sinnloses Shoppen soll auch helfen — gerade jenen, deren einziger Lebensinhalt darin besteht als Verbraucher bei den Händlern respektiert zu werden — und völlig antiquierte Menschen versuchen sich im Basteln oder Brötchenbacken [Achtung: Regionalismus]. Erst gestern habe ich ganz spontan in einer Form von Übersprunghandlung Kerzen eingeschmolzen und neue daraus gegossen — half mir aber auch nicht viel weiter.
Und so habe ich noch in der Nacht eine Blu-ray gekauft und zwar „National Lampoon’s Christmas Vacation“ aus 1989. Dieser Film scheint völlig spurlos an mir vorübergezogen zu sein, da er aber wärmstens empfohlen wurde, versuche ich es in Kürze einmal damit.
Und wer die Überschrift zu diesem Blog-Beitrag gelesen hat, der weiß, was jetzt kommt; manche meiner Leser haben den Beitrag erst gar nicht geöffnet. Die Auswahl an Gedichten, gerade zu Weihnachten ist fast unermeßlich. Christian Morgenstern, Hoffmann von Fallersleben, Kurt Tucholsky, Joseph von Eichendorf oder Theodor Fontane dürften dabei immer eine gute Wahl sein. Ich habe mich allerdings für Joachim Ringelnatz entschieden, der gleich mit mehreren Weihnachtsgedichten aufwarten kann — ist wohl auch nur eine Altersfrage.
Sein Gedicht „Weihnachten“ stammt aus seinem Gedichtband von 1910, den er noch als Hans Bötticher herausgab. Dort finden sich auch seine Gedichte „Der Weihnachtsbaum“ oder auch „Weihnacht zur See“.
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit.
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
schöne Blumen der Vergangenheit.Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
und das alte Lied von Gott und Christ
bebt durch Seelen und verkündet leise,
dass die kleinste Welt die größte ist.
Ein paar Jahre später liest sich das Ganze dann ein wenig anders, nämlich als er 1928 einen Einsiedler Weihnachten feiern ließ. Dieses Gedicht findet sich in seinem Gedichtband „Allerdings“, den er als Joachim Ringelnatz herausgab.
Einsiedlers Heiliger Abend
Ich hab’ in den Wehnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abend noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsensuppe und Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat’s an der Tür gepocht,Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: „Herein!”Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.
Mögen meinen Lesern und gerne auch dem Rest der Welt die Weihnachtsfeiertage nicht beschwerlich erscheinen, manchen gar Frohe Weihnachten beschert sein und vielleicht wird zudem der eine oder andere etwas erleuchtet ins neue Jahr hinüberrutschen.
Inzwischen gucke ich mal, ob ich nicht doch noch meinen Grill so auf Vordermann bringe, damit ich ganz spontan die eine oder andere Wurst auflegen, was man durchaus als sinnvolle Beschäftigung zur Weihnachtszeit durchgehen lassen kann.
Nachtrag 17.12.2024
Wer von uns hat dieses Gedicht von Loriot ‚damals‘ nicht freiwillig auswendig gelernt? Und noch letztes Jahr durfte ich es bei den Werkrealschülern hier in Heilbronn abfragen; es gab dabei — Jahrzehnte später — nun sogar Noten dafür, mehr als drei Strophen waren bereits eine Eins. Was bereits kommendes Jahr in D’tschland für eine erfolgreiche Promotion ausreichend sein dürfte.
Loriots Gedicht wurde erstmals am 7. Dezember 1969 in der elften Folge der Fernsehserie „Cartoon“ (1967 – 1972) im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt — hat ‚damals‘ fast jeder geguckt, da es nicht sehr viel mehr zum Gucken gab.
2 thoughts on “Zeit für ein Gedicht”
Der Vollständigkeit halber sei auf Loriot’s „Advent“ verwiesen, wenngleich das Urheberrecht den Abdruck hier nicht zuläßt. Man schaue im heimischen Bücherregal und genieße die weihnachtliche Wurst mit Kartoffelsalat.
Danke, habe meinen Beitrag entsprechend ergänzt.