Arbeit & Soziales

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Beitragsfoto: Rettungsschirm, Subventionen, Transferzahlungen | © Shutterstock

Dass unser etabliertes Sozialsystem nicht mehr und dies schon sehr lange rund läuft, dürfte inzwischen auch der letzte Bürger mitbekommen haben.

Das erste Grundproblem ist dabei, dass wir mehrheitlich immer noch unsere eigene Existenz über die Arbeit definieren. Der letzte, der gegen dieses System so richtig aufbegehrt hat, dürfte Friedrich Nietzsche gewesen sein, der ganz prägnant feststellte, dass jeder, der nicht zwei Drittel des Tages für sich selber habe, ein Sklave sei. Bis heute definieren wir uns alle über die Arbeit — die Schlaueren von uns täuschen diese aber nur noch vor — und das vermeintliche Nichtstun ist bis heute Teufelswerk.

Selbst Milliardäre, ob ererbt oder gar selbst gewonnen, können sich nicht nur mit einem einfachen Müßiggang begnügen, sie müssen der Welt weiterhin vorgaukeln, dass sie mindestens 20 Stunden am Tage hart und noch härter arbeiten — einzig zu ihrem eigenen Leidwesen tun dies manche sogar; Arbeit bestimmt deren Leben, welches ohne Arbeit nicht wäre.

Und auch jene, die zu einer halbwegs sinnvollen Arbeit überhaupt nicht in der Lage sind — die Gründe hierfür dürften vielfältig sein — müssen in unserer Gesellschaft zur Arbeit gezwungen werden. Und jene, die zwar arbeiten könnten, dies aber nicht wollen, „arbeiten“ sich dumm und dämlich, nur um nicht arbeiten zu müssen.

Ein Arbeitsplatz wird inzwischen gar von sehr vielen Menschen zum Grundrecht erhoben, noch mehr sprechen sich für eine Arbeitspflicht aus.

Das mir völlig Unverständliche dabei ist, dass der Mensch eigentlich nicht zum Arbeiten geboren wurde, sondern sich u. a. deswegen so gut entwickelt hat, weil er ständig nach Möglichkeiten suchte, um zumindest weniger arbeiten zu müssen. Und schon in den Urzeiten suchten Menschen Kunst und Kultur, um sich, wenn sie ihr notwendiges Tageswerk verrichtet hatten, miteinander zu beschäftigen — nicht zu arbeiten!

Unsere Vettern in der Tierwelt nutzen solche Momente immer noch zu ausgedehnten Schlafeinheiten oder sitzen einfach nur zur Entspannung in heißen Quellen.

Das zweite Grundproblem ist, dass es weiterhin ein Minimum an Arbeit gibt, das erledigt werden muss, um allen Menschen ein angenehmes Leben zu bescheren. Die Herausforderung dabei ist, wer arbeitet und wer nicht. Das erste Grundproblem ist, wie wir es immer häufiger feststellen müssen, nicht die Lösung für das zweite Grundproblem. Eine Sklavenhaltergesellschaft, ob in der Antike oder gar eine noch heute zu beobachtende, ist ebenfalls nicht der richtige Weg.

Der richtige Weg wird weiterhin sehr kompliziert und komplex sein, aber dabei hilft uns wie ehedem der technologische Fortschritt immer weiter. Automatisierung und Roboterisierung sind hier zwei vielversprechende Stichworte. Die Herausforderung dabei ist, dass auch die gesellschaftliche Entwicklung mit der technologischen mithalten muss. Auf jeden Fall aber müssen wir unsere Vorstellung von Arbeit zwingend neu definieren!

Das dritte Grundproblem ist nicht, dass alle Angehörigen unserer Gesellschaft leben können müssen, denn dies ist eine Selbstverständlichkeit und auch ein allgemeingültiges Menschenrecht, sondern dass jede Gesellschaft diese Selbstverständlichkeit auch ermöglichen, sprich finanzieren muss.

Die Herausforderung dabei ist, dass man in Europa und ganz besonders in Deutschland die Mindestansprüche für eine menschliche Existenz im Gegensatz zum Rest der Welt exorbitant nach oben geschraubt hat. So weit, dass keine 5 % Europäer gut 50 % der weltweit verfügbaren Sozialleistungen verbrauchen — übrigens ein Ungleichgewicht, das nicht ohne weitere Folgen bleiben kann, wie z. B. Migrationsbewegungen innerhalb und nach Europa hinein oder eine weitere Destabilisierung des ehemals halbwegs funktionierenden Welthandels.

Um diese Diskrepanz zwischen Steuern und Ausgaben überhaupt noch finanzieren zu können, müssen notwendige, aber unrentable Arbeitsplätze entweder automatisiert oder in Niedriglohnländer ausgelagert werden. Wie wir es gerade feststellen müssen, gelingt Letzteres nur bei einer arbeitsteiligen und funktionsfähigen Weltwirtschaft.

Die restlichen in Europa verbleibenden Arbeitsplätze müssen entweder hochprofitabel, denn diese finanzieren fast vollumfänglich das gesamte Sozialsystem oder aber für das Funktionieren unserer europäischen Gesellschaft zwingend notwendig sein. Bei letzteren müsste es dann zwingend sein, dass diese Arbeitsplätze höchst effizient gestaltet und besetzt werden.

Das größte Hindernis dieses dritten Grundproblems ist das erste Grundproblem an sich, nämlich weil wir für das System unnötig viel zu viele Scheinarbeitsplätze schaffen und unterhalten. Darunter fällt der gesamte sogenannte zweite und dritte Arbeitsmarkt, der egal wie man es nimmt, letztendlich immer für unsere Gesellschaft ein Problem ist. Selbst dann, wenn man diesen damit begründet, dass es jedem Menschen zusteht, sich auch durch Arbeit selbst zu verwirklichen oder man darauf hinweist, dass diese Menschen später einmal in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren könnten. Ich behaupte einmal dann aber nur in jenen Teil, den wir nicht benötigen oder uns kaum noch leisten können.

Kann man den zweiten und dritten Arbeitsmarkt noch als reines Luxusproblem abtun, das man sich weiterhin leisten können möchte, muss man dennoch und verstärkt auf den größeren Teil von Scheinarbeit hinweisen, nämlich von u. a. gut 50 % der Verwaltungsmitarbeiter, gut 80 % der Mitarbeiter in Banken, Versicherungen oder bei Steuerberatern. Selbst wenn diese Scheinarbeit das System mittragen sollte, so zerstört es dieses doch, indem sie die Besetzung von tatsächlich notwendigen Arbeitsplätzen verhindert. Sprechen wir dabei nicht von den so gerne streikenden Lokführern, deren Nichtvorhandensein unsere Gesellschaft insgesamt weiterbringen und den öffentlichen Nah- und Fernverkehr funktionsfähiger machen würde. Wir alle kennen weitere solche Arbeitsplätze, die zwar Menschen in Arbeit bringen, insgesamt aber unserem derzeitigen Sozialsystem nur schaden.

Und so bringt es auch nichts, dass wir möglichst viele Menschen und schon gar nicht neue Zuwanderer in Niedriglöhne bringen. Den auch der tüchtigste Billighaarschneider oder Döner-Verkäufer wird insgesamt betrachtet kein Gewinn für unser aktuelles Sozialsystem werden. Wenn wir diese Menschen, ob hier geboren oder neu hinzugezogen, bei uns beschäftigen wollen, dann entweder in hochprofitablen Jobs oder aber in für die Gesellschaft zwingend notwendige Arbeit, wie z. B. der Pflege.

Ich sehe für diese drei oben genannten Grundprobleme nur einen einzigen gangbaren Ausweg, nämlich indem man Bildung zur bürgerlichen Grundpflicht erhebt und fehlende Bildungsbemühungen wirksam und nachhaltig sanktioniert. Insgesamt müssen wir unsere Gesellschaft leistungsfähiger bekommen und zudem Scheinarbeit nur noch in ganz wenigen Ausnahmen akzeptieren und tolerieren.

Arbeit muss so teuer werden, dass man sich diese auch leisten können muss und auch möchte. Wer sich Arbeit nicht leisten kann oder möchte, der wird weiterhin und nun ganz offiziell vom Sozialsystem mitgetragen und findet entweder für sich eine gesellschaftlich relevante Aufgabe oder sucht sein Glück bei Drogen, in einer virtuellen Welt oder schaut einfach den ganzen Tag lang fern und Youtube-Videos — oder setzt sich wie unsere Vettern in Whirlpools.

Wenn es uns gelingt, unsere Wirtschaft und Gesellschaft möglichst effizient und profitabel zu halten, dann werden wir unser bestehendes Sozialsystem noch eine ganze Weile halten können.

Letztendlich aber wird unser Sozialsystem kollabieren, denn die vorab beschriebene Ungleichheit in der Welt wird sich ausgleichen müssen und dies auch tun — ob wir es wollen oder nicht!

Die einzige Chance wäre es, wenn es uns gelänge, den Rest der Welt peu à peu so weiterzuentwickeln, dass dieser sich unserem eigenen Niveau annähert — aber auch hierbei wäre die Annäherung eine gegenseitige!

Leider aber werden wir als Gesellschaft anders reagieren und weiterhin versuchen, Scheinwelten aufrecht zu halten und dies so lange wie irgend möglich.

Nachtrag 19.8.2023

Hier ein weiterer Gedankenanstoß von Twitter. Die „qualifizierte“ Arbeitskraft trägt nur noch den Müll hinaus.


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