Behördenwahn

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Beitragsfoto: Akten | © Mariann Szőke from Pixabay

Seit ein paar Tagen versuche ich bereits eine Kleinigkeit bei einer Behörde geregelt zu bekommen. Hätte ich es mit einem Computerprogramm, gerne auch mit künstlicher Intelligenz, zu tun, wäre nach zwei Mausklicks wohl alles erledigt. Auch glaube ich, dass, wenn es mir gelingt, den zuständigen Sachbearbeiter zu erreichen, das Ganze mit einem Telefonat weit unter fünf Minuten erledigt wäre.

Aus drei Gründen nenne ich diese Behörde jetzt nicht beim Namen: erstens verbinde ich noch gute Erinnerungen an diese, zweitens erachte ich das Ganze für ein grundsätzliches Problem und drittens benötige ich noch einen behördlichen grünen Haken an „meinem“ Vorgang.

Wer jemals in seinem Leben selbständig und eigenverantwortlich gearbeitet hat, vielleicht sogar als echter Selbständiger, der kann heutzutage kein Verständnis mehr für unsere Behörden aufbringen. Wenn Redundanzen und Reserven Sinn machen, dann bei der Bundeswehr, die besonders in Krisen- und Kriegssituationen bestmöglich arbeiten und erfolgreich funktionieren muss. Spannender Weise werden gerade dort aber die Personalschlüssel auf Rand genäht, wo hingegen die kleinste Unterbehörde eines kaum noch notwendigen Verwaltungsapparates so mit Personal angedickt wird, dass diese schon alleine deswegen nicht mehr funktionieren kann.

Jeder Architekt und Bauarbeiter weiß, dass man ohne entsprechendes Fundament nicht x-beliebig Stockwerke hinzufügen und selbst mit dem besten Fundament das gesamte Gebäude nicht unbegrenzt in die Höhe wachsen kann — unsere Verwaltungen versuchen beständig, dieses Grundprinzip ad absurdum zu führen!

So halte ich seit ein paar Tagen ein behördliches Schriftstück in Händen, das ich gemäß des Verfassungsdatums schon viel früher erhalten haben müsste — ich gehe einmal davon aus, dass dieser Fehler an der Deutschen Post liegt — und damit die dort gesetzte Frist zu einem sportlichen Unterfangen werden ließ.

Als erstes viel mir auf, dass es keine E-Mail-Adresse mehr gibt, aber dafür eine Telefax-Nummer. Kein Problem für mich, da ich gerade für solche Fälle noch ein eigenes Fax betreibe. Dann aber wird es doch zu meinem Problem, da der angegebene behördliche Faxanschluss toter als tot ist, was mir mein Fax-Gerät sofort und wiederholt als Protokoll ausdruckt.

Kein Problem denke ich, dann greife ich zum Telefonhörer und rufe den angegebenen Sachbearbeiter einfach selber an — den Namen kenne ich noch von einem anderen Vorgang, den ich in guter Erinnerung behielt — und freue mich sogar ein wenig.

Ich dachte das noch beim ersten Versuch als niemand ran ging, beim zweiten Versuch dann nicht mehr, denn ich wurde auf einen Anrufbeantworter der lokalen Vermittlung geschaltet, der mir alle Mitarbeiter als beschäftigt auswies, um mich dann wieder endlos warten zu lassen.

Behördengestählt, wählte ich die Telefonzentrale, um mich vermitteln zu lassen. Zuerst landete ich wieder bei einem Anrufbeantworter, aber beim Folgeversuch landete ich bei der Zentralvermittlung, wo mir ein netter Herr versicherte, dass er mich sehr gerne wieder zur örtlichen Vermittlung durchstellen könne und dies dann tatsächlich auch machte, was mich wieder in eine Endloswarteschleife brachte. Beim darauf folgenden Versuch kam ich sogar wieder beim netten Herren der Zentralvermittlung an.

Dazwischen wählte ich auch wieder den zuständigen Sachbearbeiter direkt an, zuletzt erhielt ich die Telefonansage, dass er dienstlich verhindert sei, was ich auch ein wenig nachvollziehen kann, da ich inzwischen weitere Informationen aus seinem wohl näheren Umfeld erhielt.

Denn als alter Fuchs hatte ich einfach einmal „verwandte“ Nummern gewählt und in netten Gesprächen erfahren, dass er inzwischen im Homeoffice arbeitet. Ich habe darauf verzichtet, um in weiteren Telefonaten seine Lebensgeschichte zu erfahren, da ich eher auf der Sach- als auf der Beziehungsebene arbeite. Und mir zudem die Einhaltung der mir gesetzten Frist — warum auch immer diese gesetzt wurde — immer schwieriger wird.

Ich befürchte, dass ich in der Zeit, in der ich mich mit den Gesprächsversuchen beschäftige, auch die gesamten Jahresrückstände zumindest dieser Abteilung hätte aufarbeiten können — aber das ist nicht das Ziel einer deutschen Verwaltung! Denn diese lebt neben einer möglichst hohen Anzahl von eigenen Mitarbeitern auch von einer exorbitanten Anzahl an „Überstunden“ — was das immer auch in einer Behörde sein mag — und ganz besonders von unerledigten Vorgängen, die sich möglichst theatralisch auf den Schreibtischen und in den Dienstzimmern stapeln.

Mein Gesprächspartner ist weiterhin dienstlich verhindert und das Gespräch wird nicht aufgezeichnet.

Nachtrag

Außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichte ich dann doch noch den zuständigen Sachbearbeiter und keine dreieinhalb Minuten später war das Problem vom Tisch — deutsche Bürokratie kann auch funktionieren.


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Seitenaufrufe: 72 | Heute: 1 | Zählung seit 22.10.2023

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  • Altes leidiges Problem: Übrigens auch in privatwirtschaftlichen Bürokratien von Großkonzernen. Wäre sogar mit praxiserprobten Standardmethoden problemlos „verbesserbar“, aber dazu braucht es wieder jemanden, der a) die Kapazität dafür hat (kostet also erst einmal Geld) und b) die Kompetenz (kostet kurzfristig wieder Geld und Ressourcen – spart aber mittel- bis langfristig Geld / Ressourcen). Auch dafür gibt es bewährte alte Konzepte. Man muss nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befähigen und die Rahmenbedingungen schaffen …

    Das Konzept der Steigerung der „Auskömmlichkeit“ durch Reduzierung nicht wertschöpfender Arbeit (Muda) ist aber auch schwer zu vermarkten, weil es keine wirklich „medienwirksamen“ Erfolge hervorbringt, mit denen man sich auf die Schulter klopfen kann. Viel einfacher ist es, die „Kosten“ lokal zu optimieren, um dann stolz verkünden zu können, dass man 2 Stellen eingespart hat (und dabei zu verschweigen, dass die eigene Planungsabteilung dafür 3 neue Stellen geschaffen hat).