Demokratie am Abgrund

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Beitragsfoto: Abgrund | © Shutterstock

Rückblickend muss ich mir wohl eingestehen, dass Demokratie bei uns in Deutschland noch nie so populär war, wie es uns immer so nett vermittelt wird. Bereits in meiner Jugend konnte ich feststellen, dass sich unsere beiden Volksparteien alleine deswegen so definieren, weil jede schon immer zumindest einer sehr starken antidemokratischen Minderheit eine Heimat bot. Und noch heute bezeichnen sich ohne Gewissensbisse viel zu viele als Sozialisten, wobei eindeutig geklärt ist, dass Demokratie und Sozialismus reine Gegenpole sind.

In der anderen Volkspartei sind diese Menschen wohl alleine unserer Geschichte geschuldet, etwas vorsichtiger und bezeichnen sich eher als „nationalkonservativ.“ Aber auch in den Kleinparteien traf man von Anfang an immer wieder auf ehemalige und neue Nationalsozialisten, Faschisten, Monarchisten, Kommunisten oder auch Sozialisten, die für sich eine politische Heimat suchten oder aber auch nur in den etablierten Parteien gegen ihre eigenen Gesinnungsgenossen keine Chance hatten.

Demokratische Staaten hatten uns Deutsche zwar 1945 gerettet, wobei noch heute viel zu viele Mitbürger ohne Gewissensbisse dieses Ereignis als Untergang Deutschlands und als unsere größte Niederlage bezeichnen. Da die Demokratie uns aber nicht nur in der internationalen Gemeinschaft wieder hoffähig machte, sondern uns auch wirtschaftliche Erfolge und noch nie gekannten Wohlstand für die meisten von uns brachte, wurde sie zur Staatsraison erklärt.

Aber Demokratie hat auch immer ihre Schattenseiten, nämlich Eigenverantwortung, die Notwendigkeit zur Partizipation, eine hinreichende Transparenz des eigenen Handelns, die Akzeptanz anderer Meinungen und wohl am Schlimmsten die Pflicht zur Solidarität mit allen „Mitherrschern“.

Dies war auch allen bekannt, und so legte man bereits zu Beginn unserer Republik Wert darauf, dass alle (politisch) gebildet wurden und man schuf nicht nur Bildungsstätten aller Art und subventionierte zudem noch weitere private Bildungsbemühungen und -angebote, sondern man legte darüber hinaus Wert auf einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und gab der Kultur an sich einen sehr hohen Stellenwert. Und um wirklich ganz sicherzugehen, holte man — entgegen besserem Wissen — selbst unsere Kirchen wieder mit ins Boot, wobei diese sich ihre vermeintliche „Loyalität“ noch heute sehr gut bezahlen lassen!

Als Krönung des Ganzen gab man unseren Demokratien in Europa sogar noch eine eigene Idee mit einem ganz bestimmten Ziel mit auf den Weg, nämlich die schrittweise Einigung des demokratischen Europas hin zu einer zukünftigen demokratischen Weltunion: Humanismus und Rechtsstaatlichkeit wurden zu allgemein anerkannten Grundsätzen.

Und alle Beteiligten wussten von Anfang an auch ganz genau, dass die Alternativen dazu weniger rosig sind und zudem die betroffenen Länder dem Totalitarismus zum Fraß vorwerfen. Unter Totalitarismus fasst man jene Politikmodelle zusammen, die den demokratischen Alternativen gegenüberstehen, wobei es letztendlich keinen Unterschied macht, ob sich ein Antidemokrat als Sozialist, Nazi, Faschist oder Oligarch bezeichnet — das Ergebnis für uns Bürger ist immer dasselbe! Und wenn sich auch Politikwissenschaftler gerade verstärkt darüber streiten, den bisherigen Opfern ist es wirklich egal, ob sie von Sozialisten oder Faschisten ermordet wurden.

Dennoch wurde von Anfang an und dies auch in den bundesdeutschen Parteizentralen gegen unsere Demokratie gearbeitet. Jean Monnet musste erst die SPD für Europa als Ziel aller unserer demokratischen Bemühungen begeistern, wobei die Geldzuwendungen aus den USA für einzelne Politiker aller Parteien sicherlich nicht schadeten. Die Unionsparteien hingegen schufen von Anfang an die Mär vom deutschen Nationalstaat mit seinem Wirtschaftswunder als Motor unseres Erfolges und unterminierten damit Europa insgesamt.

Beide Volksparteien machten zusammen über die Jahrzehnte hinweg aus dem Ziel all unserer demokratischen Bemühungen, nämlich einem europäischen Bundesstaat, ein diffuses Konstrukt von einem Europa, unter dem sich jeder genau das vorstellen konnte, was er gerade selber für schick und angebracht hielt. Europa wurde ganz alleine nur deswegen zerredet, weil es die Demokratie in unseren Ländern manifestiert hätte!

Denn Demokratie ist gerade für jene am anstrengendsten, die für sich daraus die größten Gewinne erzielen möchten, denn das Übervorteilen von ganzen Bevölkerungsgruppen ist in einer funktionierenden Demokratie äußerst schwierig, da diese den Ausgleich zwischen allen Bevölkerungsgruppen zum Ziel hat.

Und so ist es verständlich, dass sich sehr viele unserer Mitbürger mit allen Mitteln gegen eine erfolgreiche Demokratie wehren — was übrigens auch in den meisten anderen Demokratien immer wieder zu beobachten ist und somit nicht als deutsches Alleinstellungsmerkmal betrachtet werden kann.

Demokratie verhilft zwar der Gesamtheit der Bevölkerung zu mehr Wohlstand, erschwert es im Gegenzug einzelnen Gruppen aber auch sehr, „superreich“ zu werden.

Und darüber hinaus verlangt sie von sehr vielen Menschen mehr an Engagement, als diese für sich und vor allem für andere aufwenden möchten. Damit gibt es von Anfang an in jeder Demokratie Menschen, die alles daran setzen, dass aus einer Demokratie kein langfristiges Erfolgsmodell wird. Denn, wie bereits erwähnt, eine funktionierende Demokratie hindert Menschen an ihrer „Selbstverwirklichung“, sobald diese auf Kosten anderer geht — dies trifft die Penner ebenso wie die „Superreichen“.

Für diese Menschen ist es, wenn sich die Demokratie erst einmal etabliert hat, ziemlich schwer, eine solche Volksherrschaft wieder loszuwerden. Deshalb unterminieren sie eine solche von Anfang an, hier kann die Weimarer Republik als gutes Beispiel dienen. Und auch bei unserer Bundesrepublik haben diese Menschen ebenfalls sämtliche Register gezogen — allerdings weniger erfolgreich als beim ersten Mal.

Und so ist es durchaus verständlich, dass sich antidemokratische Kräfte gerade in jenen Institutionen etablierten, die die Demokratie organisieren und verwalten — unseren Parteien. „Der Marsch durch die Instanzen“ ist kein linkes Alleinstellungsmerkmal, sondern ein Vehikel, um jede Demokratie von innen heraus zu destabilisieren.

Und deshalb ist es auch verständlich, dass sie, wenn sich diese Kräfte in den Parteien etabliert haben, alles daran setzen, um wirksame außerparteiliche oder freie demokratische Organisationen zu verhindern.

Das Ganze garnieren sie dann noch mit einem bewusst herbeigeführten Politikverdruss, der die Wähler immer mehr von den Wahlurnen fernhält — was die Initiatoren dann sehr gerne selber bemängeln.

Und zum krönenden Abschluss sorgen sie dafür, dass die meisten Mitmenschen mit allen möglichen Dingen beschäftigt werden, um sich nur nicht mehr selber mit Politik beschäftigen zu können. Sie stürzen die Bevölkerung immer mehr in Krisen, eine schlimmer als die vorherige, und unternehmen dabei wirklich alles, dass es zu keinen Lösungen mehr kommt. So fahren sie jede Demokratie langsam aber sicher an die Wand und überzeugen die Menschen, dass das eigene politische Engagement keinen Sinn mehr macht und dass es keine Alternativen (Stichwort: alternativlos) zu den derzeitigen politischen Entscheidungen gibt!

Dieser Entwicklung setzen sie dann vermeintliche Erfolgsmodelle in anderen Ländern entgegen, wo starke Männer oder Frauen die Krisen alleine durch ihre Omnipotenz angeblich in den Griff bekämen und werben damit unverhohlen für weniger demokratische Politikmodelle. Und so hat jede deutsche Volkspartei auch immer wieder ihre ganz „eigenen Lieblingsdiktatoren“, wie jüngst Orban oder Putin, die sie gerne feiern, vorzeigen und unterstützen. Und deswegen hat gerade in diesen Parteien auch der Personenkult so eine hohe Bedeutung.

Vielleicht sehe ich das Ganze viel zu Schwarz, und keiner unserer Politiker möchte aus Deutschland erneut eine Diktatur machen, aber es reicht schon völlig aus, wenn einige unserer Politiker an eine Oligarchie glauben, zumindest mit einer solchen sympathisieren oder auch nur meinen, als Berufspolitiker einer „eigenen Klasse“ anzugehören.

Denn letztendlich kommt es nur darauf an, was unsere Bevölkerungsmehrheit glaubt, und so wie es gerade aussieht, haben sehr, sehr viele Wahlberechtigte bereits den Glauben an unsere Demokratie und eine demokratische Zukunft Deutschlands wieder verloren.

Was aber noch viel schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass der Glaube an eine gemeinsame Demokratie in unserem Europa mehrheitlich bereits verloren ging. Und so wird eine demokratische Zukunft für uns alle kaum noch möglich sein — ein demokratischer Nationalstaat war und ist weiterhin rein imaginär, ganz egal in welchem Land auch immer.


Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
Und ward nicht mehr gesehn.

Johann Wolfgang von Goethe, Der Fischer (1779)
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