Der gallische Hahn kräht

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Beitragsfoto: Französische Trikolore | © Pixabay

Christian Moos hat es bereits in einem Blog-Beitrag „offene strategische Autonomie“ anklingen lassen, die Französische Republik stellt ihre Ratspräsidentschaft tatsächlich unter das Motto „strategische Autonomie für Europa“.

Die politischen Realisten werden dies bestimmt erneut abwiegeln, da unsere französischen Nachbarn bekannter Weise gerne das große Wort führen, ohne aber selber die entsprechenden Ressourcen vorweisen zu können. Ich erinnere diesbezüglich gerne an die geplante Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) aus den Anfangsjahren der europäischen Einigung.

Und seit dieser Zeit ist die deutsch-französische Kooperation im Wesentlichen dadurch geprägt, dass wir unseren Nachbarn dabei helfen, ihre ureigenen Wunschvorstellungen mit zu erfüllen. Dabei gelang es uns aber bisher sehr diplomatisch und unter hohen finanziellen Aufwendungen, nicht nur Frankreich in Europa zu halten, sondern auch wieder etwas der NATO anzunähern.

Scheinbar aber waren diese Zugeständnisse immer nur eine temporäre Angelegenheit. Und so gelang es uns wohl nun auch im Vorfeld der offiziellen Verlautbarung dieses Programms der französischen EU-Ratspräsidentschaft, welches den Titel „Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit“ trägt, auf die französischen Großmachtansprüche, die diese nunmehr sehr gerne mit einem „europäischen Superstaat“ verknüpfen, ein wenig besänftigend einzuwirken.

So findet man nur noch einmal in diesem Programm die „Stärkung eines offenen Europas“ — was man nicht mit einer offenen Gesellschaft verwechseln darf und, im Gegensatz zu dieser, auch nicht weiter definiert wird — und eine „offene Handelspolitik“, wobei das „offene Europa“ und seine „offene Handelspolitik“ immer noch als Drohungen gegenüber unseres wichtigsten Verbündeten, den USA, angesehen werden müssen. Weiterhin wird von einer „Entscheidungsautonomie gegenüber den USA“ gesprochen und die „Autonomie“ oder gar „strategische Autonomie Europas“ immer noch mehrfach erwähnt. Das Ganze gipfelt dann aber doch noch in der Forderung nach einem „vollständig souveränen Europa“.

Allerdings wird nun nicht mehr von einer „offenen strategischen Autonomie” — was immer das auch sein mag — gesprochen, sondern unsere nordamerikanischen Verbündeten sowie uns restlichen Europäer wieder etwas beruhigend, davon, dass die „europäische Verteidigung ergänzend zur NATO“ erwähnt wird, und eine Stärkung der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO unterstützt werden soll — dies ist aber alles andere als ein französisches Bekenntnis zur NATO!

Das Traurige an der Sache ist, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten nicht in der Lage waren, unsere französischen Nachbarn von einem föderalen Bundesstaat zu überzeugen oder zumindest von ihren rein nationalen Großmachtallüren zu befreien, sondern diese selbst immer wieder durch falsch zu verstehende Zusagen oder Zugeständnisse weiter schüren; man könnte sogar vermuten, dass wir über diese französischen Ansprüche — einer Grande Nation — selbst gerne wieder „großdeutsch“ werden möchten. Noch trauriger dabei ist, dass die allseits so gelobte „deutsch-französische Freundschaft“ bis heute kein vereintes Europa erreichen konnte, sondern „nur“ sicherstellen, dass wir beide nicht mehr aufeinander schießen (lassen).

Dabei müsste es uns allen doch klar sein, dass selbst ein europäischer Bundesstaat niemals mehr autonom werden können wird. Vor allem dann nicht, wenn wir weiterhin an unseren sozialen Standards und unseren hehren Werten festhalten möchten. Denn dazu fehlt es uns an sämtlichen Ressourcen, die wir den anderen gut 95% der Menschheit bestimmt nicht mehr streitig machen werden können — nicht eine strategische Autonomie müssen wir erreichen, sondern eine möglichst umfassende Kooperation.

Auf gut deutsch: Koalitionen und Kooperationen nicht Konfrontationen sind gefragt!


Hier finden Sie das Programm der französischen EU-Ratspräsidentschaft:

Dass ein europäischer Bundesstaat darin überhaupt keine Erwähnung findet und dies trotz des jüngsten deutschen Vorstoßes (Koalitionsvertrag), wird wohl niemanden mehr wundern.

Einzig die Bankenunion findet darin Erwähnung, was ebenfalls niemanden wundert.

So kann man sowohl beim deutschen Koalitionsvertrag als auch beim französischen Programm zur Ratspräsidentschaft von reinem Wahlkampfgetöse sprechen, welche beide einzig und alleine für die eigenen nationalen Wählergruppen geschrieben wurden.

Denn hätte Frankreich den deutschen Koalitionsvertrag tatsächlich ernstgenommen, dann hätten es darauf geantwortet. Und sollte es doch eine und zwar diplomatische Antwort auf den deutschen Vorstoß sein, dann lautet diese eindeutig: „Fuck Europe!“


„Les États n’ont pas d’amis, ils n’ont que des intérêts.“

Charles de Gaulle, zitiert in Eric Walther, la Tribune, Ecoutes : l’impérialisme américain 2.0 (1. Juli 2013)
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