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Protokolle 7. Hertensteiner Gespräche

Hier können die damals erstellten Protokolle angefügt werden. Damit bleiben diese einem interessierten Leserkreis erhalten.

Den diesjährigen Aufschlag macht Ursula Hecht mit ihrer Zusammenfassung der Gespräche:

Endlich wieder in Präsenz – und das mit über 80 Teilnehmern – da war Heinrich Kümmerle, Vorsitzender der Europa-Union Heilbronn und total engagierter Initiator der vergangenen Hertensteiner Gespräche glücklich.

Er begrüßte alle Mitglieder und Ehrengäste und alle Referenten der einzelnen Gesprächskreise bei strahlendem Wetter. Dies in der bestens Location, nämlich dem Parkhotel Heilbronn. Damit konnten diese Gespräche nur eine erfolgreiche Veranstaltung werden!

Evelyne Gebhardt, Landesvorsitzende der Europa-Union Baden-Württemberg und Mitglied des EUD-Präsidiums betonte in Ihrer Begrüßung, dass die Wertigkeit der Menschen, die erkannt haben wie wichtig Europa ist – noch stärker nach außen getragen werden muss. Europa kann nur gemeinsam eine   Antwort auf die aktuellen Krisen der Energie und des Klimas geben. Zur Situation der Ukraine erklärte sie, der Krieg sei ein Angriff gegen die Demokratie und das freie Leben und wir dürfen die Ukraine nicht alleine lassen.

Das Ziel der Hertensteiner Gespräche sei es, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa werden wollen.

Die nächste Begrüßung erfolgte durch den Generalkonsul der Republik Frankreich, Gaël de Maisonneuve, der in bestem Deutsch an die Rede Charles de Gaulles vor 60 Jahren für die Jugend in Ludwigsburg erinnerte, ganz aktuell stolz auf 580 Partnerschaften zu Deutschland verwies und betonte, dass in jeder Generation neue Initiativen ergriffen zur Zukunft Europas werden sollen --  also Methoden und Ideen zur echten Integration Europas entwickeln. Lösungen zur Integration oder vertieften Kooperation mit der Schweiz, Großbritannien und auch zur USA.

Mit dem Einstieg in die einzelnen Gesprächskreise begann der Hauptteil des Vormittags

EU und die USA – Wie weiter mit den Transatlantischen Beziehungen ?

wurde von Michael Link MdB und europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion geleitet,

Die Wahlen zum europäischen Parlament 2024 von Jean Marsia (UEF) und

Europa Jetzt - Encounter von Prof. Dr. Walther Heipertz.

Durch so viel Kompetenz, Wissen und Informationsfluss bekamen im Fazit alle Teilnehmer Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart.

Das Mittagsbuffet ließ keine Wünsche offen und so ging es gestärkt in die Nachmittagsrunde.

Eröffnet und moderiert wurde sie von Christian Moos, Generalsekretär der Europa-Union Deutschland, angereist aus Berlin.

Er erlaubte sich jeweils vorab Statements zu den Themen:

Europa und die neue Welt(un)ordnung

wurden von Prof. Dr. René Repasi MdEP und Dr. Carolin Rüger, Uni Würzburg, vorgetragen und gemeinsam diskutiert.

Dr. Carolin Rüger: Von der Unipolarität 1980 zur Multipolarität – es herrsche viel Unsicherheit inder Wekltordnung – oder besser Weltunordnung? BRICS fordern, dass die USA nicht über alles dominieren,  die Probleme des 21. Jahrhunderts Klima, Pandemie, Krieg gehen über den Plan es bestehe Druck zur Kooperation und sie sei gespannt – wie Europa das liefert. Eine gemeinsame Strategie aufbauen als Antwort auf die Weltkrise. Mit unserem demokratischen Verständnis sei es schwer mit Personen wie Trump, Le Penn umzugehen -- und sie erklärte den Begriff Strategische Autonomie, handlungsfähig zu sein, Freiheit von und für etwas haben.

Prof. Repasi sprach über die Welt im Umbruch, bisher hatten wir Bürgerkriege – nun ist es ein Angriffskrieg in der Ukraine. Er sprach vom Ende der Globalisierung 1.0 zu 2.0, vom Decoupling (??) zum Deresting (??) wieder ankoppeln und da wären eben auch Diktatoren dabei – weil wir das Öl benötigen!

Aber was ist zu tun?

Das Thema Noble Gateway – wurde diskutiert  besser sei Global Gateway – als Konkurrenzprodukt zur Seidenstraße in China für AFRIKA! Afrika habe man viel zu lange vernachlässigt -- wir seien keine Koalitionspartner auf Augenhöhe!

Modell des Duopol USA und Modell des Duopol China wurde angesprochen und wichtig: der Brüsseleffekt – Industrienormen nach europäischem Muster gestaltet - denn wenn man die Technik in Europa verkaufen kann  - dann auch weltweit begründet durch die gute Qualität.

Weiter wurde angesprochen, dass die strategischen Industrien, Zukunftsindustrien bei uns wieder aufgebaut werden sollen – einen  Zeitrahmen von 15 Jahren wird das benötigen. Das europäische Lieferkettengesetz  - also Produktionsstandarts wie in Europa und die es in anderen Ländern nicht gibt –einführen. Viele Hausaufgaben gäbe es zu machen – es gibt keinen Automatismus.

Wichtig sei auch die Partnerschaft zu Indien verstärken, weil man sich gegenüber China derisken muss.

Diese aufgeworfene Thematik ließ manchen sehr nachdenklich werden, bevor es dann in die nächsten 3 Arbeitskreise ging.

Ich selbst war im AK Nachhaltiges Europa, mit Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin a. D. und Sarah Reisinger, stv. Landesvorsitzender JEF Baden-Württemberg.

Hier lag der Schwerpunkt auf sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit und Begriffe wie

Green Deal, also möglichst viele Akteure von der Basis mitnehmen und

Schützen durch Nützen in Bezug auf das Düngen in der Landwirtschaft und neue Richtlinien nämlich: weniger anbauen, dafür qualitativer mit finanziellem Ausgleich für die Bauern.

Natura 2000 sieht den Green Deal als erfolgreich an, denn wir als Verbraucher könnten alle positiv etwas dazu beitragen.

Global denken – lokal handeln das war das Credo und so endete der Arbeitskreis mit guten Ideen.

Zum Schluss gab es viele Dankesworte und Christian Moos formulierte treffend:

Die Europa-Union Heilbronn trug früher kleine Schuhe, heute benötigt sie ganz große!

Also ganz großen Dank an Bettina und Heinrich Kümmerle.

Nach dem leckeren Abendessen traf man sich zum Abschluss noch im 10. Stock in der Skybar und wir freuen uns schon auf Hertenstein Nr. 8 in Heilbronn.

7. Hertensteiner Gespräche – Heilbronn am 23.9.2023 „Europa jetzt!“ – Encounter – Protokoll

Teilnehmerzahl 15-20 (fluktuierend)

Moderation und Berichterstattung: Prof. Walther Heipertz, Heidelberg

Die Mehrheit hatte das Impulspapier noch nicht gelesen. Deshalb trug der Moderator noch einmal wesentliche Inhalte der Kapitel vor. Dann wurden als Input per Flipchart Thesen zur denkbaren ‚inneren‘ bzw. jeweils persönlichen Verfassung von uns „engagierteren‘ Europäern in Bezug auf den aktuellen Stand Europas aufgestellt, die eine Wahrnehmung eigener Befürchtungen oder Hoffnungen im Zusammenhang damit ermöglichen sollten. Die Idee des „Encounter“ sei ja unter anderem, dass man sich - anders als im alltäglichen Gespräch oder gar Streit - selbst ein stückweit beobachten, besser erleben und auch darauf fokussieren kann, vermittelt durch die Reaktion der anderen auf einen selbst oder das Erleben der Reaktion anderer Teilnehmer auf gemeinsame Gegenstände und Situationen.

Die ‚imperative Ansage‘ im Titel „Europa jetzt!“ sei ja Ausdruck eines starken Wollens, auch einer wahrgenommenen Dringlichkeit angesichts einer Vielzahl von Unsicherheiten und Problemen in der Welt, für die man mit einem präsenten und handlungsfähigen Europa - im staatsmächtigen Sinne eines in der Welt unübersehbar großen Verbundes europäischer Länder – ‚gewappnet‘ sein möchte. Das gegenwärtige und weitere Ausbleiben dessen bzw. einer deutlich und zügig positiver verlaufenden Entwicklung - so die naheliegende umgekehrte Unterstellung - löse in genau der Intensität Ängste aus, mit der man sich die Verwirklichung dessen herbeiwünscht.

Der Mechanismus von Angst sei ja, sich dann kontinuierlich sogar noch zu vergrößern, wenn es starke Auslöser dieser – dann auch starken - Emotion gebe, die anhaltend eben nicht beherrscht werden können. Sie wirkt lähmend, was sie wiederum vergrößert. Eine bloß gestische Attitüde der Vermeidung dieser unerträglichen Aversion sei dann oft, die tatsächlichen oder vermeintlichen Gegner des Guten moralisch anzugreifen. Dies führe aber - aufgrund des Kontrasts zu seiner tatsächlich ausbleibenden Schwächung - subjektiv nur zur weiteren Angstzunahme und Hilflosigkeitserleben, umso mehr, je vehementer die untaugliche Verdammung ausfiel. Ein Teufelskreis.

Gelingt es nun - in einer hoffentlich noch vorkommenden, zwischenzeitlich ruhigeren inneren Verfassung - zu erkennen, dass die primären Angstauslöser zwar tatsächlich zutreffen und auch nicht vergleichsweise ‚umstandslos‘ - wie immer in der Politik - zu ändern sind, so benötigt man - will man nicht wieder in den Strudel des Teufelskreis hineingeraten - einen Plan, d. h. vor allem Prioritäten und Posterioritäten, um ein aktuell gleichsam chaotisch gleichzeitiges, selbstverstärkendes, alles erschlagendes Ganzes unter Berücksichtigung der Zusammenhänge in kleinere, ‚operationalisierbare‘ Probleme und Optionen, natürlich auch hier nur mit offenem Ausgang, zu ‚zerlegen'. Die seien dann in eine vermutlich funktionierende Zeitreihe zu stellen, um über einen zukünftigen Zeitraum, möglichst schnell genug natürlich, zu einer kontinuierlich - leicht oder auch stärker - verbesserten Ausgangslage zu geraten, die sich dann selbst befeuert, tendenziell also zur Lösung der Probleme.

Es handelt sich ja um Politik. Entscheidend für das Vorankommen ist also die Zustimmung der Menschen bzw. Bevölkerungen, zu denen wir einerseits gehören, uns andererseits als Organisation bzw. Mitglieder einer solchen, die Einfluss nehmen will, auch unterscheiden. Wir unterstellen diesen Menschen dabei aber vergleichbare Ängste, vielleicht nur nicht so explizit wahrgenommen, denn wir gehen ja gleichsam von ‚objektiven' Gründen aus, die auch nicht verborgen sind. Dabei können sich die Menschen allerdings auch kontrafaktisch bzw. paradox - so weit es sich nicht sogar um ‚ausgewählte‘ Nutznießer des Scheiterns Europas handelt  - gegen uns und unsere Ziele richten, speziell wenn wir so ihre individuelle, subjektiv, ja nur bedingt wirksame Angstvermeidungsstrategie auch noch stören: als' Unruhestifter', die ständig nervig Neues - und dadurch immer auch zusätzlich Unsicheres - wollen, zumal gerade das doch aktuell stagniert und ‚versagt‘, sodass zusätzlicher Orientierungsverlust und Frustration drohen, vielleicht auch massive Aversion und schließlich zurückschlagende Bekämpfung.

Will man da die Chance auf Einflussnahme und Erfolg verbessern, muss man einen gut verständlichen, in Schritten übersichtlich gegliederten und machbar erscheinenden Plan haben, bestmöglich, also fast ‚künstlich‘ in Form von Etappenzielen formuliert, der machbar erscheint, also eine positive Botschaft enthält, eigene und fremde Ängste nimmt, sie zumindest nicht noch zusätzlich verstärkt.

In Bezug auf Europa heißt das aber auch, dass man als Akteur Ideale bzw. „Ko-Kriterien‘ für diesen Fahrplan auf dem Weg nach Europa sorgfältig abwägen muss im Hinblick auf ihre tatsächliche, alles entscheidende Bedeutung bzw. im Hinblick auf das Maß, mit dem eben die Zustimmung dazu unkonditioniert und sofort zu fordern ist, wenn doch andererseits unverzichtbare andere Mitstreiter, andere Staaten etwa, dies anders sehen, selbst anders praktizieren oder in Bezug auf andere Länder anders gewichten, zum Beispiel aus den Bereichen von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte, Asylrecht, Pressefreiheit, Chancengleichheit usw.

Vertrauen und Zuversicht entsteht durch Überzeugung bezüglich der Zielerreichbarkeit, was also unabdingbar die Vermeidung solcher Ziele verlangt, die nicht überlegt in Relation gestellt wurden zum Risiko anhaltender Erfolglosigkeit. Das bedeutet allerdings nicht die oft apostrophierte und auch dämonisierte „Relativierung von Werten“, beziehungsweise – so muss man dann doch einschränkend sagen - eben nicht eine Außerkraftsetzung grundlegender ethischer Prinzipien, die dann aber auch im Sinne von Nichtunterschreitbarem zu formulieren wären. Es geht ‚lediglich‘ – das aber zwingend - um ‚erträgliche‘ Kompromisse bei der Umsetzung einer ethisch gerechtfertigten Welt, damit auch gedachtermaßen für eine bis dahin jeweils zeitlich umschriebene Etappe. Was stimmen muss ist ‚lediglich‘ die Richtung.

Gelingt das, so entsteht Zukunftskompetenz, also die Überzeugung, sich gerade nicht vor lauter Selbstüberschätzung in eine Art ‚Idealabseits‘ zu verabschieden. Diese Kompetenz kann sich dann in Form von konsentierten Meilensteinen auf einem Zielerreichungspfad manifestieren, mit zahlenmäßig reduzierten, also wenigen, dafür umso entschiedeneren Essentials, wie sie beispielsweise kürzlich in einem ZDF-Interview Manfred Weber von der EVP formuliert hat. Bedingung für die Mitarbeiterin in seiner Parteienfamilie im europäischen Parlament sei, dass man erstens aktuell die Ukraine ohne jede Einschränkung im Krieg gegen Russland unterstützt, den Angriffskrieg also nicht relativieren darf, zweitens die Rechtsstaatlichkeit in ganz wesentlichen Aspekten nicht hinterfragen darf, also auch nicht als nationale Partei eine entsprechende Politik des eigenen Staates auch in Europa weitervertreten darf, und drittens dass man Europa weiterentwickeln will, also nicht mit irgendwelchen Floskeln die Parlamentsbeteiligung nutzt, um Stabilisierung und Ausbau des bisher schon institutionellen Europas - als einem Verbund, dem sich Einzelstaaten zunehmend auch unterordnen - zu hintertreiben.

Stellt man sich so auf, wird man – quasi schon nur optisch und ‚im Echo auf sich selbst‘ - zum potentiellen ‚Erfolgsträger', anpassungsfähig und dennoch fest in wichtigen Grundsätzen, die man auch nicht verheimlicht. Man wird auch berechenbar und beurteilbar für andere. Man hat sich selbst gecoacht.

Dafür müssen wir unsere Sprache und unser Denken ändern. Wir müssen im vorbeschriebenen Sinne gleichzeitig unbescheidener und bescheidener werden. Unser prekäres Selbstbewusstsein würde so überwunden, weil nur so überhaupt eine Chance auf Bewältigung aller gegenwärtigen und zukünftigen Schwierigkeiten besteht. So haben ja auf früher schon viele maßgebende „Europäer“ gedacht und sich auch an Veränderungen angepasst. Das verschafft sogar Erfüllung und macht Mut und Freude, auch wenn es keine Erfolgsversicherung gibt.

Einige Teilnehmer machten demgegenüber aber deutlich, dass aus ihrer Sicht statt Angst eher ‚nur‘ Verunsicherung zu sehen sei, gerade auch bei den Menschen um uns herum. Richtige Ängste gebe es vielleicht eher bei den aktiveren, weil sie eben mehr die Risiken sehen. Es gebe inzwischen ja auch eine größere Distanzierung von Institutionen, parallel damit auch neue Themen, oder ein neues Format dieser Themen, die man eben nicht mehr so sehr mit Institutionen und etablierten politischen Entscheidungsmechanismen verbindet, etwa auch den Klimawandel. Da habe man diffusere, vorrangig und ‚unbedingt‘ eben ‚parallele‘ Handlungsstränge im Kopf. Es gebe eine regelrechte Abwendung von der Politik. So entstehe auch eine Kultur des „Lebens von unten“ bzw. des „Lebens in der Breite“. Das sei ein neues Denken und Fühlen, das eher „explizit friedlich“ orientiert sei. Eingewendet wurde allerdings, dass speziell der erklärte Pazifismus auch eine verklärende Reaktion auf eigene Hilflosigkeit sein könne, quasi eine Variante von Hilflosigkeit, die sich selbst ‚gesundredet'. Manchmal sei es sogar das Verstecken von Gleichgültigkeit.

Viel Unsicherheit entstehe aber auf, weil nicht deutlich genug gezeigt werde, was schon erreicht wurde. Dem wurde allerdings entgegengehalten, dass ja gerade gesagt wurde, dass viele für diese „frohen Botschaften“ gar keine offenen Ohren mehr haben, eher eine ablehnende Grundskepsis. Sie wollen auch nicht Teil dieses ‚funktionierenden Apparats‘ sein oder durch eigenes, vielleicht auch nur ‚ganz kurzes‘ Interesse bereits darin ‚gefangen‘ werden. Das hat eben den Makel des „Apparates“.

Neben den ‚Eher indifferenten hier‘ und den ‚Ganz friedlichen da‘ gebe es aber auch die, die mit Politik sehr aggressiv umgehen, eigentlich wohl eine generelle Aversion dagegen haben, hinter der vorgehaltenen Klage über „die da oben“, die sich alles nur in die eigene Tasche stecken, eben das Gestalten in Gemeinschaft, den Ausgleich von Interessen ominös finden bzw. mittlerweile hassen, die „Wutbürger“ eben.  

Das alles macht es nicht leicht für uns. Gegen die entmutigenden Effekte dessen hilft dann aber - wie bereits voranstehend in der innerpsychischen Dynamik beschrieben - die Entscheidung, sich gegebenenfalls geradezu künstlich und mutwillig den Habitus der Souveränität ‚anzuverwandeln‘, wie etwas, was man sich selbst ‚entschieden einredet‘. Dann gelingt es, die Dinge wieder fertig zu diskutieren und in eine Reihenfolge zu stellen und sei es – wie in Wirklichkeit ja immer – nur probatorisch. Eine solche ‚Denkschule' und ‘Stilübung' sei essentiell und könne - quasi in Selbsttherapie oder auch wechselseitig in ‚Fremdtherapie‘ – bis auf Weiteres, also vor Auftreten ganz neuer Katastrophen, die Haltung entscheidend zum Positiven hin verändern, wie man das auch im privaten Bereich in Konflikten kennt, wenn die Bemühung um eine veränderte Perspektive Dinge plötzlich in ein anderes Licht stellt.

Einige machten auch deutlich, dass es dieser „dringenden Selbstheilung aus einer derartigen Mutlosigkeit in Europa“ gar nicht bedürfe, denn es gebe bereits sehr viele europäische Substanz und Zusammenarbeit, also sehr viel bereits „erbauliche“ Erfahrung, beispielsweise im Rahmen von Städtepartnerschaften. Hier wurde der Begriff der „Europäisierung in der Breite“ gewählt, im Unterschied zu einer - eventuell zu prädominanten - Diskussion des „Vertikalen Europas“. In der Breite sei bereits so viel geschaffen worden, dass es zu einem so tragfähigen Fundament gekommen ist, dass glücklicherweise auch die Spitzen Europas - offizielle Vertreter und Institutionen – bereits nicht nur explizit, sondern auch implizit, also quasi ‚automatisch‘, darauf vertrauen beziehungsweise mit ihren Initiativen und Verlautbarungen darauf ‚aufsetzen‘ können.

Es gebe sogar viele fortgesetzte Städtepartnerschaften mit Gemeinden in Großbritannien, wo dieser institutionelle europäische Rahmen gar nicht mehr trage. So werde sicher sowohl ‚von oben‘, also durch einen möglichst immer besseren, und verbindlicheren „offiziellen Fahrplan“ mit realistischen Zielen, aber auch ‚von unten‘, also auf Basis einer bereits substantiellen und auch weiter voranschreitenden europäischen Erfahrung der Menschen, dieses Bewusstsein auch noch weiter gestärkt, auch wenn es nicht immer von außen offenkundig sichtbar sei. Es sei immerhin ja auch schon so, dass selbst die Politik in sehr obstruktiven Ländern, selbst wenn sie eine durch Wahlen erworbene Mehrheit hat, dies nicht umstandslos ignorieren könne, zumindest nicht nachhaltig.

Am Ende wurde deutlich, dass ca. zwei Drittel der Teilnehmer sich selbst solche positiven Erfahrungen, wie voranstehend beschrieben, und damit auch eine bessere innere ‚Stabilität‘ in Bezug auf Europa zuschreiben würden, beispielsweise durch ihre Mitwirkung in Städtepartnerschaften oder auch als Abgeordnete im Parlament. Das sei eine Erfahrung, die für sich selbst spreche, sodass dieses Thema „Angst“ wirklich zu relativieren sei, vielleicht ja eher nur für die so bestimmend sei, die nicht so nah dran sind, dennoch aber mit Europa ‚mitfiebern‘. Man soll von „Sorgen“ sprechen, damit auch der „getriebene Aspekt“ die Diskussion nicht deformiere.

Die anderen, auch der Moderator und Verfasser des Impulspapiers, stimmten zu, auch dass sich für sie - vermittelst dieser gut nachvollziehbaren „Mindestzuversicht“ - diese Angst reduziert, also keineswegs etwa - ihr sonst so fatal entsprechend – vertieft habe. Das sei fast eine gute Wirkung des „Encounter“, wenn man so wolle, ein gelungener Austausch. Allerdings stünden diese Erfahrungen – und da stimmten wiederum einige der „positiv Erfahrenen“ zu - weiterhin eigentümlich ‚wenig verbunden‘ neben den aktuell doch bedrohlichen propagandistischen und realpolitischen Rückschlägen in Bezug auf ein Europa als einem wichtigen Faktor in der Welt. Da gebe es also vielleicht auch ein „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“.

Es bestand auch Konsens, dass wir uns als Mitglieder der Europa-Union, also aus der Perspektive einer überparteilichen Organisation zur Förderung der europäischen Einigung, intensiv befassen sollten mit den Möglichkeiten eines klugen planvollen Vorgehens in Europa, uns klare Vorstellung machen sollten, über Priorisierungen und Posteriorisierungen, in guter, natürlich je persönlicher ‚Mischung‘ aus Emotionalität und Rationalität, um dann mit diesem Rüstzeug auch vor den Europawahlen nach außen zu gehen. Sicher bietet die gerade anhängige Arbeit an einem „Europäischen Manifest“, das demnächst in den Gremien finalisiert werden soll und an dem sich viele Mitglieder der Europa-Union online beteiligt haben, reichlich Material für unsere Argumente und Konzepte, die wir vertreten wollen. Es sei deshalb natürlich sehr wichtig, sich mit diesem Papier, wenn es demnächst rauskommt, intensiv zu befassen, damit man im Bekanntenkreis und auch darüber hinaus für die Europawahl als solche Propaganda machen kann, mit starken Argumenten und gut motiviert.

Wenn wir so ‚ausgestattet‘ sind, also mit einem guten Fundament, gleichzeitig auch der Erkenntnis, dass es notwendig ist, sich anzupassen, auch eigene Position gegebenenfalls zu relativieren, wenn sich die Sachlage entscheidend ändert, habe Europa in unserer überzeugten Wahrnehmung, nicht nur als mehr oder weniger vage Hoffnung also, gute Chancen. Das müsse immer vor jeder öffentlichen Skepsis, die das Ganze betrifft, Vorrang haben.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Walther Heipertz,

ergänzend zu ihrem Protokoll des Gesprächskreises „Europa jetzt!“, würde ich gerne hinzufügen, dass wir Teilnehmer auch darüber debattiert haben, wie „selbstverständlich“ Europa gerade für uns jüngeren geworden ist. Viele von uns kennen es gar nicht anders. Reisen ohne Grenzen, zahlen in Euro, keine Zollgebühren beim Onlineshopping, anders kennen wir es fast nicht. Es gilt, diese Freiheiten aufzuzeigen um das Interesse an Europa zu wecken.
Ebenso war sich der Großteil der Gruppe einig, dass wir keine Angst haben, sondern Bedenken und Unsicherheit empfinden, wenn wir die aktuellen Entwicklungen beobachten.

Heinrich Kümmerle hat auf diesen Beitrag reagiert.
Heinrich Kümmerle

Seitenaufrufe: 3.822 | Heute: 26 | Zählung seit 22.10.2023
  • Ergänzung: Die Inflation ist stärker als vor dem Euro?

    Nein. Seit 25 Jahren gibt es den Euro. Das Eurosystem (EZB + Nationale Zentralbanken) haben das Inflationsziel zwischen 1999 und 2020 im Durschnitt deutlich besser erreicht als es davor der Fall war. Die Phase der jetzigen Inflation in Folge der Corona-Krise und der Lieferengpässe und der Energiekrise hat die Preise weltweit 2021, 2022 getrieben. Die Inflation sinkt seit Ende 2022 kontinuierlich und nähert sich wieder den 2 % an.
    Darüber hinaus hat die gemeinsame Währung Europa Stabilität in diversen Krisen gegeben.
    Die gemeinsame Währung stützt den Binnenmarkt und hat Deutschland geholfen, starke Exportleistungen zu erzielen.

  • Zum Protokoll des Gesprächskreises „Europa jetzt!“ würde ich gerne hinzufügen, dass wir Teilnehmer auch darüber debattiert haben, wie „selbstverständlich“ Europa gerade für uns jüngeren geworden ist. Viele von uns kennen es gar nicht anders. Reisen ohne Grenzen, zahlen in Euro, keine Zollgebühren beim Onlineshopping, anders kennen wir es fast nicht. Es gilt, diese Freiheiten aufzuzeigen um das Interesse an Europa zu wecken.
    Ebenso war sich der Großteil der Gruppe einig, dass wir keine Angst haben, sondern Bedenken und Unsicherheit empfinden, wenn wir die aktuellen Entwicklungen beobachten.

    • Wie wir feststellen durften ist die Halbwertszeit solcher Runden nicht ausreichend, um ein Forum nur annähernd zu füllen. Wo die Unverbindlichkeit zum Prinzip erhoben wurde, muss man tatsächlich über ganz neue Kommunikationskanäle nachdenken.