Gedankengänge

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Beitragsfoto: Glühbirne | © Image by Colin Behrens from Pixabay 

Eigentlich wollte ich nicht mehr zu diesem Thema schreiben. Aber der Krieg in Europa, welcher ohne Frage ein hybrider Weltkrieg ist — meine Meinung (!) — treibt mich einfach um und führt nun dazu, dass ich doch wieder ein paar ganz aktuelle eigene Gedankengänge in einem Blog-Beitrag festhalte. Diese sind weder strukturiert noch für einen Blog-Beitrag ausgearbeitet; ich schreibe mir hier einfach meinen Kummer von der Seele. Der Auslöser dazu war ein Artikel von Ivo H. Daalder und James Goldgeier in Foreign Affairs vom 9. Januar 2023 mit dem Titel: The Long War in Ukraine – The West Needs to Plan for a Protracted Conflict With Russia.

Selbstverschuldet führen wir heute noch Kriege wie im letzten Jahrtausend und dafür mache ich unsere Berufspolitik und unsere Waffenproduzenten bzw. -händler verantwortlich. Genau so wie ich diesen eine Teilschuld am Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine gebe. Zumindest nach militärischen Gesichtspunkten — wenn man auf verantwortungsbewusste Militärs gehört hätte — gäbe es diesen aktuellen Krieg nicht; leider in diesem Fall, gilt aber auch hier weiterhin das Primat der Politik und man muss unumwunden zugeben, dass Kriege immer von der (Berufs)Politik gemacht werden. Selbst wenn Kriege vom Zaun brechende Berufspolitiker einmal gedient haben sollten (siehe: GröFaZ), heisst das noch lange nicht, dass das Militär den Krieg begonnen hat. Das Militär muss meistens diese Kriege führen aber letztendlich immer verantworten. Die Berufspolitik unterschreibt später dann die Friedensverträge und lässt sich wieder einmal feiern. Und dabei sind es neben der Berufspolitik die Waffenproduzenten und -händler die aus Kriegen ihre Vorteile ziehen — ich kenne keinen Soldaten, der in einem Krieg jemals gewonnen hat, außer an Erfahrung vielleicht.

Spätestens in den 1980er-Jahren war allen Beteiligten klar, dass Kriege, die es übrigens seit 1945 nicht mehr gibt bzw. geben dürfte, wenn überhaupt noch, dann völlig anders zu führen sind. Damit meine ich nicht, die damals bereits überholte Abschreckungsstrategie der „Massive Retaliation“, sondern zeitgemäßere und moderne Kriegsführungstechniken, wie eine weitgehende Automatisierung und der noch heute so von der deutschen Politik angefeindeten Roboterisierung des Gefechts. Bereits damals wurden uns professionellen Soldaten Konzepte vorgestellt, wie zukünftig eine zeitgemäße Kriegsführung auszusehen hat.

Weg von der Levée en masse hinzu einer weitgehenden Professionalisierung der Streitkräfte, die zudem nur noch multinational und zumindest mit Zustimmung oder aber im Auftrag der Vereinten Nationen eingesetzt werden. Die Leere des Gefechtsfeldes wurde dabei bis ins Höchste zelebriert wobei nur noch einzelne Offiziere unterstützt von Robotern und weiteren modernen Waffensystemen künftigen Kriegen ein ganz anderes Gesicht gegeben hätten.

Aber Wissenschaft und Militär hatten die Rechnung ohne Industrie und Berufspolitik gemacht, wie letztere zuvor auch „völlig unbedarft“ Kriege insgesamt abgeschafft hatte und nunmehr darum bemüht war, diese wieder hoffähig zu bekommen. So dienen noch heute Kriege dazu, um von einer völligen Inkompetenz oder gar kriminellen Machenschaften der verantwortlichen Berufspolitiker abzulenken — entsprechende Beispiele finden sich in den letzten Jahrzehnten zuhauf. Die Hauptursache lag und liegt allerdings noch heute darin, dass man mit „Verteidigungspolitik“ am einfachsten mit Billionenbeträgen an Steuergelder jonglieren kann ohne jemals tatsächlich zur Rechenschaft gezogen zu werden — der sogenannte militärisch-industrielle Komplex kann als Beispiel für dieses Gebaren angeführt werden.

Und so wurde nicht nur in der Russischen Föderation — wie wir es aktuell erfahren können — die „Verteidigungsindustrie“ dahingehend ausgebaut, dass Berufspolitiker und „Unternehmer“ sehr einfach sehr reich wurden. Auch in der westlichen Welt wurden auf Kosten der Streitkräfte Billionen an Steuergeldern veruntreut und an Potemkinschen Dörfern festgehalten und dies immer mit dem Hinweis, dass dies der Wirtschaft und der Gesellschaft diene. Sobald manche Bürger dieses Verhalten in Frage stellten, wurde darauf hingewiesen, dass man doch nicht die Sicherheit unserer Länder gefährden könne oder dies gar wolle.

Ganz aktuell erleben wir in der Ukraine wieder einmal, dass sich Fortschritt und moderne Technologie nicht ignorieren lassen und wir — auch die militärisch Unbedarftesten — können allesamt erahnen, wie zukünftige Kriege aussehen werden. Zudem erleben wir in sämtlichen Medien hautnah mit, wie dort die eigenen Staatsbürger und Freiwillige aus anderen Ländern regelrecht verheizt werden, teilweise nur um kriminelle Machenschaften zu vertuschen oder die Versäumnisse von Jahrzehnten auszugleichen.

Hinzu kommt auf beiden Seiten eine Kriegsführung, die kein morgen zu kennen scheint und das spätestens seit Vietnam gescheiterte Konzept „Masse statt Klasse“ nunmehr zu einem neuen Höhepunkt führt. Wir erleben dabei Munitionsverbräuche, die kein einzelner Staat mehr tragen kann und es muss einen aufhorchen lassen, dass alleine die Ukraine in einer Woche mehr Granaten verbraucht als selbst die USA in einem Monat herstellen können.

Wenn man nun aber glaubt, dies sei der Höhepunkt des Ganzen, dann irrt man sich gewaltig, denn wir erfahren zudem, dass die deutsche Waffenindustrie — ähnlich wie bei der Bundeswehr üblich — überteuerte Waffensysteme liefert, die dann ihren Zweck nicht erfüllen, da unsere Waffenindustrie traditionell nur wunderbare Luftschlösser verkauft. Ganz aktuell hierbei die Information, dass die Ukraine zwar das deutsche System IRIS-T erhalten hat, was übrigens in der Ukraine nun gewaltige Ressourcen bindet, dieses System aber mangels notwendiger Flugkörper „nur jedes Schaltjahr einmal“ einen Schuss abgeben kann.

Schlimmer noch, wir können in der Ukraine bereits einen Wissens- und Technologietransfer beobachten, der wohl kaum beabsichtigt noch geregelt ist und uns allen insgesamt, besonders der westlichen Welt, zukünftig sehr schaden wird. Und auch dies zeigt erneut, dass es ein großer Fehler war, unsere ehemals tatsächlich funktionsfähige Rüstungsindustrie, wohl alleine wegen des kurzfristigen Gewinnstrebens einzelner, zu reinen Waffenhändlerorganisationen umzubauen. Übrigens, das daraus resultierende schlechte Gewissen hat man durch Waffenexportgesetze beruhigt, die aber nur dazu führten, dass die Industrie durch Korruptionszahlungen diese wieder umgehen kann, was wiederum für beide, Industrie und Politik, eine Win-Win-Situation darstellt.

Jeden Krieg muss man so schnell wie möglich beenden, diesen in der Ukraine leider aber nicht! Denn es handelt sich hierbei „nur“ um einen einzelnen Kriegsschauplatz, nämlich von einem, sich gerade langsam aber sicher weiter entfaltenden Weltkriegs. Und wenn wir diesen gewinnen möchten, müssen wir weiterhin Ukrainer und Russen „verheizen“, so lange bis sich die Russische Föderation in Wohlgefallen auflöst und damit unsere ideologischen Gegner so geschwächt werden, dass diese bereit sind, um wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Diese dann hoffentlich erzielte Gefechtspause wird zumindest seitens der Gegenseite dazu genutzt werden, um die eigenen Streitkräfte tatsächlich zukunftsfähig zu machen. Und auch wir wären gut beraten, wenn wir uns wieder an die originären Aufgaben von Streitkräften und Rüstung erinnern würden und zudem dafür sorgen, dass in künftigen Kriegen nicht das unsinnige Opfern von Menschenmassen notwendig ist, um eine „Entscheidung auf dem Schlachtfeld“ herbeizuführen.

Selbstverständlich wäre es für alle viel besser, wenn wir verantwortliche Politiker, wie jene nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätten, die ihre Aufgabe darin sehen, den Krieg an sich abzuschaffen und Modelle zu entwicklen, wie man ohne Waffengewalt Interessenkonflikte ausgleichen kann — eine zeitgemäße Form der Vereinten Nationen böte die geeignete Plattform dafür. Alleine es fehlt uns an den dazu notwendigen Politikern, und diese erhalten wir nur, wenn wir unsere Demokratien allesamt wieder in Ordnung bringen — Bildung, Moral und Verantwortung sollten wieder hoffähig werden!

Und wer jetzt glaubt, dass wir Deutschen wieder einmal ungeschoren davon kommen, der wird sich irren, denn selbst, wenn alles zu unseren Gunsten liefe, muss irgendwer die Zeche zahlen und dieser Krieg, der wird die Welt Billionen Euro kosten. Und die Russen werden, so wie wir Deutschen übrigens nach dem Zweiten Weltkrieg auch, diese Kosten nicht zahlen können, die Ukrainer werden ebenfalls nichts mehr haben, die US-Amerikaner zahlen jetzt schon bereits mehr als sie können, die Chinesen können wir wohl kaum zur Kasse bitten und so wird ein großer Teil der Zeche an uns hängen bleiben — dies ist neben den Folgen des Klimawandels und den Kosten einer völlig aus dem Ruder gelaufenen „Sozialpolitik“ nur ein weiterer Grund, warum spätestens unsere Enkel weitaus kleinere Brötchen backen müssen.

Deshalb wäre es ganz gut, sich schon jetzt darüber Gedanken zu machen — nicht wer den kommenden Mallorcaurlaub für unsere „Leistungsrentner“ finanziert, sondern — wie wir unser Wirtschaftssystem insgesamt am Leben erhalten können. Ich glaube, eine Besteuerung zu 100 % für die Gewinne bei Waffen und Munition wären ein ganz guter Anfang.

Leseempfehlung

Zum meinen spontan geschriebenen Blog-Beitrag passt ein Artikel von Matthias Gebauer und Konstantin von Hammerstein aus dem Spiegel 3/2023 zum Thema „Zeitenwende bei der Bundeswehr: Heerjemine – wie schlimm es um die Truppe wirklich steht“ ganz gut. Dieser Artikel wurde am 13. Januar 2023 auch online bei S+ veröffentlicht.

Wenn wir vielleicht doch noch etwas zum Positiven wenden wollen, dann müssen wir nicht nur die letzten verantwortlichen Minister, sondern auch die zuständigen MdB vor Gericht bringen und mindestens wegen Landesverrats anklagen. Weitere Anklagepunkte werden im Laufe der Ermittlungen sicherlich folgen.


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