Beitragsfoto: NATO Logo | © Pixabay
Meinem ersten NATO-Vortrag konnte ich bereits im Sommer 1983 als Offiziersanwärter lauschen. Worin es in dem Vortrag ging, kann ich heute nicht mehr sagen, damals bereits spannender das Drumherum. Der deutsche NATO-Vertreter, der hauptsächlich vor deutschsprachigem Publikum sprach, war gezwungen auf Englisch vorzutragen. Und damit auch jeder im Saal den Ausführungen folgen konnte, gab es einen Dolmetscher. Das wirklich Spannende dabei, dass der Vortragende sich mit dem Dolmetscher stritt, weil er sich nicht richtig übersetzt fühlte. Damals wurde der Streit von der höchsten im Saal anwesenden Stelle dahingehend beendet, dass man dem „Übersetzerdiplom“ Recht gab.
Jahre später bat mich unser Übersetzer in einem NATO-Stab um Versetzung, da er sonst befürchtete, seine Englischkenntnisse voll und ganz zu verlieren. Über die Jahrzehnte hinweg hatte sich die NATO nicht nur vergrößert, sondern auch in ihren inneren Wesen her geändert. Bezeichnend dafür das nun dort gesprochene NATO-Englisch, welches mit dem Beitritt ehemaliger Sowjetländer eine ganz eigene Form annahm.
Vor 75 Jahren wurde die NATO als Verteidigungsbündnis (siehe: Nordatlantikvertrag) gegen die damalige Sowjetunion gegründet und war von Anfang an ein politisches Bündnis. Gerade wir Föderalisten sahen die NATO als Chance, um die westliche Welt weiter zu einen. Auf alle Fälle aber trug sie dazu bei, dass sich die NATO-Partner einander näherten und im gegenseitige Austausch die Welt verbesserten — ganz davon abgesehen, dass sich viele Länder erst unter dem Schutz der NATO entwickeln konnten.
Fast von Anfang an gab es aber auch Mitglieder, die die NATO nicht nur für ihre ganz eigenen Zwecke nutzen wollten, sondern auch bereit waren, diese bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu torpedieren. Als politisches Bündnis trug man diese „Minderheitenmeinungen“ bis zu einem gewissen Maße mit und hielt sie auch aus.
Und so war der eigentliche Schwerpunkt von Anfang an, die „Bündnispartner“ zu Bündnispartnern zu machen. Die Integration von uns Westdeutschen kann dabei als vorbildlich angesehen werden, auch wenn sich Briten und Franzosen bis heute darin einig sein dürften, dass Hastings Lionel Ismays Leitspruch weiterhin Gültigkeit besitzt: „To keep the Soviet Union out, the Americans in and the Germans down.“
Von Anfang an ganz speziell die Franzosen und schwierig bis heute auf alle Fälle die Türken, die weiterhin und dies bereits seit dem 17. Jahrhundert erst einmal im Westen ankommen müssen.
Inzwischen hat sich die NATO ähnlich wie der Europarat oder die EU so weit vergrößert, dass man sich auch hier die Frage nach „Vertiefung“ oder „Erweiterung“ stellen müsste. Zumindest einige der ehemaligen Warschauer Pakt Länder — z. B. Ungarn — zeigen, dass es ihnen nicht um westliche Werte und demokratische Politik geht, sondern einzig und alleine um den größtmöglichen Eigennutz, wobei auch der Verrat am Bündnis mit einkalkuliert ist.
Aber auch in den alten NATO-Ländern bestehen weiterhin in Teilen der jeweiligen Bevölkerungen Vorbehalte gegenüber westlichen Werten und demokratischen Systemen. Und diese Vorbehalte lassen sich bis heute sehr gut an der NATO ausleben — insbesondere dann, wenn man sich ausschließlich auf deren militärische Komponenten beschränkt.
In Zeiten, wo sich die NATO gleich mit mehreren Angreifern (u. a. Russische Föderation und China) beschäftigen muss, lassen sich diese antidemokratischen Kräfte wie bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren (siehe: NATO-Doppelbeschluss) als Fünfte Kolonne missbrauchen. Und diese ziehen nun ganz aktuell langsam aber sicher wieder die alten Register („Petting statt Pershing“).
Für manchen Polit-Greis ein richtiger Jungbrunnen, wenn man auf seine alten Tage hin beim Steine- und Molotowcocktailwerfen oder zumindest beim Radmutterlockern wieder so richtig ins Schwärmen kommt. Zumindest aber hetzen sie erneut auf allen Kanälen.
Wie die EU und der Europarat auch, ist die NATO einfach zu gut für unsere Welt. Politische Systeme, die auf die Mündigkeit der Bürger und auf deren demokratisches Engagement bauen, haben wohl keine Zukunft mehr. Die Welt gehört bald wieder den Steinewerfern.
Fast hätte ich es vergessen. Liebe NATO, herzlichen Glückwunsch zum 75. Jubiläum!
„Die Parteien dieses Vertrags bekräftigen erneut ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und Regierungen in Frieden zu leben. Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten. Sie sind bestrebt, die innere Festigkeit und das Wohlergehen im nordatlantischen Gebiet zu fördern. Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen. Sie vereinbaren daher diesen Nordatlantikvertrag:“
Präambel des Nordatlantikvertrags (Washington DC, 4. April 1949)