Beitragsfoto: Kissen
Heute ein Gesprächsthema mit Detlef Stern. Manche Menschen machen Dinge einfach für andere nur so und dies ohne jegliche Bezahlung oder einer anderen Form der Entlohnung.
In solchen Fällen spricht man von Freiwilligendiensten, Freiwilligenarbeit oder einfach nur vom unentgeltlichen Erbringen gemeinnütziger Arbeit.
Inzwischen dürfte es weitgehend Usus sein, dass die Freiwilligen doch eine kleine Entschädigung erhalten, ganz nach dem Motto „Geld regiert die Welt“. In meinem Fall bekam ich schon vor gut 40 Jahren als Rettungsschwimmer eine Aufwandsentschädigung, die ich als Schüler dem Verein spendete — was aus dieser „Spende“ auch immer wurde. Später dann habe ich diese Aufwandsentschädigung in die Stammtische der Rettungsschwimmer reinvestiert, dann wusste ich genau wohin meine Spende fliest.
Als Lesepate gab es einen kostenfreien Ausweis für die Stadtbibliothek, den ich allerdings nicht nutzte. Und bei meseno bekommen die Freiwilligen Gutscheine, die ich dann gerne weiter verschenke. Alle anderen Freiwilligendienste, ob in weiteren Vereinen, Parteien, Organisationen, Verbänden oder einmal sogar in einem Waldorfkindergarten, waren ganz ohne Entlohnung, was auch gut so war und weiterhin ist!
Denn der Kern des Freiwilligendienstes ist und bleibt das entlohnungslose Erbringen gemeinnütziger Arbeit. Sobald man anfängt an diesem Grundsatz zu rütteln, sollte man sich die Frage stellen, ob es nicht doch besser wäre, das Ganze zu professionalisieren.
Insbesondere in Zeiten, wo die echte Arbeit immer mehr von Automaten, Maschinen, Robotern oder gar von künstlicher Intelligenz erbracht wird und in Folge davon immer mehr Menschen nicht mehr wissen, was sie mit ihrer Zeit überhaupt anfangen sollen — auf die Idee freiwillig und unentgeltlich zu arbeiten kommen diese Menschen nie und nimmer.
Eine weitere Form von freiwilliger Arbeit ist das Ehrenamt. Dieses unterscheidet sich allerdings vom Freiwilligendienst fundamental, denn der Ehrenamtler wird durch die Ehre entlohnt, dieses Amt überhaupt ausüben zu dürfen!
Das Ehrenamt hebt diese Freiwilligen aus der Masse der anderen freiwillig Dienenden etwas empor. Ein weiterer Aspekt ist es dabei, dass die meisten Ehrenamtler in ihre Tätigkeiten gewählt werden. Damit ist das Ehrenamt eine etwas herausgehobenere Version der Freiwilligenarbeit.
In meinem Falle der Ehrenämter, von denen ich seit 50 Jahren sehr viele bereits begleitete und heute noch begleite, gibt es dafür außer der Ehre diese begleiten zu dürfen keine weitere Entlohnung. Ganz im Gegenteil, meist ist es eine Form von einem sehr teuren Hobby, das man sich einfach leisten möchte.
Inzwischen aber werden sehr viele dieser Ehrenämter dank der Berufspolitik missbraucht, alleine dadurch, dass es bei uns möglich ist, dass Ehrenämtler nicht nur von ihrem Ehrenamt leben können, sondern sich damit auch noch dumm und dämlich verdienen.
Das Ganze nimmt bei uns inzwischen mehr als Orwellsche Züge an! Und ist zudem eine permanente Beleidigung und Verhöhnung aller weiterhin unentgeltlich ehrenamtlich Tätigen!
So ist es längst an der Zeit, dass man das Ehrenamt von der Berufspolitik befreit und letztere als das bezeichnet, was sie tatsächlich sind: Söldner unserer Demokratie oder gerne auch Spesendemokraten.
Bei den etwas erfolgreicheren Sportvereinen ist dies längst geschehen, da sind die Präsidenten zu Vorstandsvorsitzenden mit Aktienoptionen mutiert.
So genau nimmt man es bei uns aber schon lange nicht mehr, ganz besonders in der großen Politik. Unsere Berufspolitiker bestreiten ihr gesamtes Leben mit Ehrenämtern und lassen sich dies zum Schluss auch noch „patentieren“, indem selbst der abgewählteste Politiker sich noch ein „a. D.“ hinter die verlorengegangene Verdienstmöglichkeit setzt.
Dies alles hat für uns alle sehr gravierende Auswirkungen, denn unsere Jugend ist nicht so dumm und blauäugig wie es manche Spesendemokraten gerne hätten. Die Jugend sieht ganz genau, was da vor sich geht und zieht die Konsequenzen.
Wohl angewidert finden sich immer weniger junge Menschen, die in Ehrenämter oder Freiwilligendienste streben, da sie nicht mehr wissen können, auf was sie sich da überhaupt einlassen!
Welcher gute Mensch, der gerne für die Allgemeinheit unentgeltlich tätig sein möchte, will kurz darauf als schnöder Söldner gebrandmarkt sein?
Es wäre wirklich an der Zeit, dass wir alle wieder zur Besinnung kommen und damit aufhören, um ein völlig ominöses goldenes Kalb zu tanzen. Wir sind es zumindest unserer Jugend schuldig!
„Die Demokratie aber als Gesinnungskraft und Lebensform lebt aus dem Ehrenamt. … Aber der besoldete ‚Funktionär‘ wird zur Maschine des Macht- und Interessenkampfes, wenn seine Arbeit nicht getragen wird von den vielen Freiwilligkeiten. Denn sie sind die Heimat und der Nährboden eines demokratischen Lebensstils, nicht die Büros, in denen man Befehle oder Anweisungen entwirft oder empfängt oder weitergibt.”
Theodor Heuss, Rede „Formkräfte einer politischen Stilbildung“ (2.5.1952), in „Die großen Reden. Der Staatsmann“ (1965: 222)



