Arier

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Beitragsfoto: Menschen |  © Stefan Keller auf Pixabay

Heute schreibe ich einmal über ein sehr unschönes, wahrscheinlich auch äußerst problematisches Thema, welches sicherlich bei sehr vielen Mitbürgern auf völliges Unverständnis, wenn nicht gar zu sehr drastischen Reaktionen führen wird. Man kann sich diesem Thema wohl kaum von der richtigen Perspektive aus nähern und deshalb versuche ich es erst gar nicht. Auch schreibe ich — so wie ich es übrigens schon immer hier in diesem Weblog handhabe — einfach aus dem Lamäng heraus und gucke selbst einmal, wohin mich meine Gedanken so führen.

Der Anlass zu diesem Blog-Beitrag sind ein paar sehr traurige Gespräche, denen ich in den letzten Tagen zuhören durfte und mich an manchen davon sogar etwas beteiligte. Diese wiederum ließen mich an ein Streitgespräch mit einem selbst ernannten sehr jungen Arier denken, das ich als Vorsitzender der EUROPA-UNION Heilbronn in der Fußgängerzone führen musste. Deshalb verwende ich nun auch dieses Unwort als Beitragstitel, um von vornherein Missverständnisse auszuschließen und jenen, die mich sehr gerne missverstehen möchten, gleich zu Beginn ausreichend Grund dafür zu geben.

Also dieser bekennende Arier, the Worst Case eines vermeintlichen Volksdeutschen, bestand darauf, dass er als Arier — weder mit qualifiziertem Schulabschluss noch mit einer abgeschlossenen Lehre als arbeitsloser Deutscher, der sich zudem um den Militärdienst gedrückt hatte — bis zu seinem ruhmreichen Ende von seinen Volksgenossen durchgefüttert werden wird. Zugleich wünschte er mir als Befürworter von Migration die Pest an den Hals und bezeichnete mich so richtig in Fahrt gekommen, als Volksschädling, der noch schlimmeren „Menschen“ hilft, das deutsche Volk zu vernichten.

Etwas gebildetere Mitbürger, vor allem jene, die sich durchaus selbst ernähren können, nehmen wohlweislich von solchen Äußerungen Abstand, formulieren diesen vermeintlichen Sachverhalt aber nur etwas verblümter und bringen das Ganze letztendlich auf denselben Punkt: „Die oder Wir!“

Das Problem dabei ist, wer sind die „Wir“ und wer sind die „Die“?

Ich wüsste z. B. jetzt nicht, was mich dazu bewegen könnte, mich mit einem dummen, faulen Drückeberger zu identifizieren und zusammen mit diesem ein Wirgefühl zu entwickeln. Einzig und alleine die Staatsbürgerschaft verbindet mich mit diesem Herren. Und im Falle, dass dieser auf eine gemeinsame „Volkszugehörigkeit“ pocht, müsste man dies dann auch weiter ausdifferenzieren, denn es gibt sehr unterschiedliche deutsche Völker, von den Stämmen ganz zu schweigen.

Alle hatten früher, wenn überhaupt, ein paar Gemeinsamkeiten, die man vielleicht heute noch in einer Ethnie zusammenführen könnte, die sich aus drei Kriterien zusammensetzen lässt, nämlich die deutsche Sprache, die Religion, wobei das Evangelische maßgebend und Juden sowie Katholiken halt gerade noch so geduldet wären, und letztendlich dann die gemeinsame „deutsche Kultur“.

Und nähme man dies heutzutage noch wörtlich, dann würde es bestimmt um viele von uns sehr, sehr einsam werden. Vor allem dann, wenn man die eigene Leistungsfähigkeit oder die eigenen Präferenzen als Maßstab nimmt. Einen Staat kann man damit auf alle Fälle nicht (mehr) machen. Und so gibt es ein etwas belastbareres Kriterium und dies ist die Staatsbürgerschaft. Und wer diese bekommt oder nicht, ist die Aufgabe von „Verwaltungsbeamten“, die anhand von Vorschriften nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Die wirkliche Krux dabei ist, dass man seine Staatsbürgerschaft vererben kann und alleine damit sämtliche Vorschriften zum Erhalt einer Staatsbürgerschaft ad absurdum geführt werden — ich führe hier einfach einmal den selbst ernannten Arier auf.

Das Ganze führt nun aber nicht wirklich weiter, wenn wir feststellen wollen, wer „Wir“ eigentlich sind. Und dies hängt tatsächlich immer vom aktuellen Umfeld ab, die Fußballmannschaft, der Stammtisch, die Firma, das Viertel, die Straße, die Familie, die Reisegruppe usw. Das ist immer wieder das „Wir“ und dabei meist jedes Mal ein anderes.

Und demzufolge sind die „Die“ jedes Mal auch wieder immer andere.

Und selbst dies führt uns nicht sehr viel weiter und so muss man sich fragen, was meinen die Menschen tatsächlich damit, wenn sie so vehement und teilweise auch sehr verbissen von „Die oder Wir!“ sprechen?

So behaupte ich einmal frank und frei, dass es sich hierbei letztendlich einzig und alleine nur um ein „Verteilungsproblem“ handelt. Würden wir allesamt im Paradies leben, dann gäbe es das „Die oder Wir!“ überhaupt nicht. Wir wären alle „Wir“ und lebten einfach so nur vor uns hin, selbst das Rülpsen und Furzen der eigenen Nachbarn würde uns kaum vom Hocker reißen.

Das „Die“ käme wohl erst dann ins Spiel, wenn wir befürchten müssten, dass uns jemand aus diesen Träumen reißen möchte oder wir letztendlich sogar Angst bekommen, dass die „Die“ uns die Butter vom Brot holen.

Damit wäre wohl festgestellt, wer die „Die“ eigentlich sind, nämlich gerade jene, von denen wir glauben, dass diese unsere eigene Existenz gefährden — und damit sind letztendlich alle anderen — außer einem selbst — die „Die“, zumindest potenziell.

Ganz ohne Frage, es gibt sie, die Verteilungsprobleme und sie werden auch immer gravierender, ganz besonders dann, wenn wir selbst feststellen, dass man als Mensch immer älter und damit schwächer, verwundbarer und hilfsbedürftiger wird. Und zumindest ganz zum Schluss sind dann gerade alle jene die „Wir“, die uns bis zum letzten Atemzug begleiten und uns dabei vielleicht sogar die letzten Stunden erleichtern — selbst dann, wenn es sich um einen Schwarzafrikaner handeln würde!

Und jetzt ganz kurz und schmerzlos: das „Die oder Wir!“- Geschwafel und sei es noch so elaboriert, bringt niemanden wirklich weiter! Aber ja, es gibt sie, die guten und netten, wie auch die bösen und schlechten Menschen — wir alle sind das! Zumindest in der Betrachtung irgendeines anderen Menschen.

Deshalb müssen „Wir“ nach Regeln und Gesetzen suchen, die uns gemeinsam allesamt das Leben erleichtern. Und vor allem, „Wir“ müssen uns auch an die von und selbst gemachten Regeln und Gesetze halten und diese dann auch befolgen.

Und je nachdem, wie wir und wann wir dies schaffen oder auch nicht, gibt es „Wir“ die Guten oder „Wir“ die Schlechten — was sich in einem einzigen Menschenleben sehr oft und auch sehr gravierend ändern kann.

Und so werden wir auch weiterhin mit anderen zusammenleben, jenen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und jenen, die sie (noch) nicht besitzen. Und wir werden auch weiterhin mit jenen zusammenleben, die kein Deutsch können, keinen Schulabschluss oder keinen Arbeitsplatz haben sowie auch mit jenen, die sich nach unseren eigenen Maßstäben völlig daneben benehmen oder sogar beständig Regeln und Gesetze brechen.

Wenn wir etwas ändern können, dann durch das beständige Einfordern und Einklagen des Einhalts der Regeln und Gesetze. Und dies am besten, wenn wir selbst die Regeln und Gesetze einhalten.

Wenn wir etwas ändern wollen, dann indem wir uns allesamt dazu befähigen, gutes Deutsch zu sprechen, an Gott oder zumindest an das Gute im Menschen zu glauben und ganz besonders gerade die Kultur vorzuleben, die wir bei anderen so gerne sehen würden.

„Wir sagen und Ich meinen ist eine von den ausgesuchtesten Kränkungen.“

Theodor W. Adorno, Minima Moralia (14. Auflage 2022 [1951]: 217)

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Seitenaufrufe: 13 | Heute: 3 | Zählung seit 22.10.2023

Weitersagen:

  • Und ich dachte Europa sei durch Migration entstanden und durch Migration geprägt. Darin erweist sich auch „Deutschland“ als Sammlung vieler Stämme mit ähnlichen Dialekten und ist letztlich als künstlich geschaffene Nation erst im 19 Jhdt. entstanden. Vielleicht ist der Arier immerhin das Produkt gemeinsamer Ausscheidung.