Gängeleien

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Beitragsfoto: Kreisverkehr | © Herbert Burkhardt

Wahlkampf war für mich schon immer eine schöne Zeit, man konnte sich mit seinen Mitbewerbern messen, mit diesen streiten und manchmal auch inhaltlich diskutieren. Am Ende bekam man für sein Engagement von den Bürgern die Quittung. Da ich schon immer nach der Maßgabe lebe, dass man sich besonders dann Gedanken machen sollte, wenn man plötzlich einer Mehrheitsmeinung anhängt, führte ich erst Wahlkämpfe für die damaligen Liberalen und heute für die Freien Wähler. Und ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass es nicht gut ist, wie ein Lemming allen anderen hinterherzurennen.

Was mich an diesem Wahlkampf allerdings gewaltig stört, ist, wie sich die Stadtverwaltung höchst einseitig gegen die Freien Wähler stellt. Ich meine dabei nicht getrieben von jenen Gemeinderäten, die dafür bekannt sind, die Plakate der Konkurrenz anzuschwärzen, aber wenn deren eigenen Plakate angemahnt werden zu wimmern anfangen, sondern explizit jene städtischen Mitarbeiter, die warum auch immer, sich voll und ganz auf die Freien Wähler eingeschossen haben und dabei den Rest der anderen Parteien und Wählergruppen völlig vergessen — frei nach dem Motto: „es gibt kein Recht im Unrecht“ und deshalb ohne jegliche Hemmungen auf uns Freie Wähler reinhauen.

Und so begann das Drama schon recht früh, nämlich mit einer Sitzung eines anonymen Hinterzimmergremiums, das die Regeln für den Wahlkampf festlegte, welche besonders für uns Freie Wähler von Nachteil sind. Leider hatten wir bereits vor Jahren angekündigt, dieses Mal und alleine schon aus Kostengründen den letzten Wahlkampf einfach zu wiederholen, wobei wir vier Sitze im Gemeinderat gewannen und knapp am fünften Sitz scheiterten.

Den Startschuss gab aber dann ein städtischer Mitarbeiter am 8. April 2024, als wir endlich einmal ein wenig Klarheit über den bevorstehenden Wahlkampf wollten. Unten stehend die Antwort auf unsere Anfrage, ob wir mehr als 300 Siegel bekommen könnten, da wir unsere Plakate während des Wahlkampfes ersetzen wollten.

Sehr geehrter Herr Burkhardt,
angehängt finden Sie den entsprechenden Antrag sowie das Merkblatt zur Kommunalwahl.

Bitte füllen Sie den Antrag vollständig aus und übermitteln diesen an: wahlplakate@heilbronn.de. Des Weiteren bitten wir darum, sich mit dem Merkblatt sorgfältig auseinander zu setzen. Aus diesem geht hervor, dass nur dann Nachbesserungssiegel vergeben werden, wenn ein Plakat verschmutzt oder beschädigt ist. Für jedes verschmutzte oder beschädigte Plakat muss ein Bildnachweis an: wahlplakate@Heilbronn.de übermittelt werden, erst dann erhalten die Antragsteller ein Nachbesserungssiegel um das betreffende Plakat auszutauschen.

Ein Austausch der Plakatmotive ab 11.05.2024, ohne dass es sich um beschädigte Plakate handelt, müssen wir somit ablehnen. Sobald Sie uns den Antrag ausgefüllt haben, beginnen wir mit der Erteilung der angefragten Sondernutzungserlaubnis für 300 Standorte/600 Werbetafeln.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
gez. Herr J. B.

E-MAil, 8. April 2024 um 09:54:24 MESZ

Auf unseren Einspruch kam es zu einer Erlaubnis, unsere Plakate zu wechseln, aber mit solch großen Hürden versehen, dass es praktisch unmöglich war, die Plakate zu tauschen. Die Begründung dafür einleuchtend: die anderen Parteien und Wählergruppen wollen ihre Plakate nicht tauschen — deswegen kann man den Freien Wählern ganz getrost das Leben schwer machen!

Sehr geehrter Herr Burkhardt,
leider mussten wir heute, den 08.04.2024 feststellen, dass unerlaubte Wahlwerbung im öffentlichen Raum in Heilbronn angebracht wurde, siehe Anhang!

Das Anbringen von Wahlwerbung ist nach den Bestimmungen des Straßengesetzes sowie der städtischen Sondernutzungssatzung erlaubnispflichtig. Ihnen wurde bislang keine Sondernutzungserlaubnis für Wahlwerbung erteilt. Weiterhin stellt unerlaubte Plakatierung im öffentlichen Raum ein Verstoß nach § 18 Abs. 1 Polizeiverordnung dar. Wir bitten Sie, das Bauzaunbanner unverzüglich, spätesten jedoch bis Dienstag, den 09.04.2024 – 12:00 Uhr zu entfernen und uns den Vollzug der Maßnahme mit Bildbeweisen (vorher/nachher Bild) über Mail an: wahlplakate@heilbronn.de. Diese Aufforderung gilt für sämtliche Wahlwerbung im Stadtgebiet Heilbronn, die ohne eine Sondernutzungserlaubnis angebracht wurde.

Sollten Sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommen, werden wir die Beseitigung der Wahlwerbung kostenpflichtig nach §§1, 3 Polizeigesetz Baden-Württemberg anordnen. Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie gemäß § 28 Landesverwaltungsverfahrensgesetz, nach Ablauf der o.g. Frist (ohne Tätigwerden) Gelegenheit zur Stellungnahme anhand einer Anhörung haben. Sollten Sie die Wahlwerbung auch auf diese Anordnung binnen der in der darin gesetzten Frist nicht entfernen, werden wir dies im Wege der Ersatzvornahme tun. Die dadurch entstehenden Kosten werden wir Ihnen in Rechnung stellen.

Bitte denken Sie zwingend an die Übermittlung der Bildbeweise, da wir ansonsten im Außendienst stichprobenartig kontrollieren werden und Ihnen die Kosten unseres Außendienstes sowie der Fotodokumentation in Höhe von 18 € je Viertelstunde Bearbeitungszeit in Rechnung stellen.

Ferner wird die Stadt Heilbronn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Sie einleiten, sollten wir von weiterer nicht genehmigter Wahlwerbung Kenntnis erlangen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
gez. Herr J. B.

E-Mail, 8. April 2024 um 15:28:52 MESZ

Bereits vor dem offiziellen Wahlstart am 26. April 2024 hatten es sich manche Gemeinderäte erlaubt, bereits auf ihren Autos und an ihrem Eigentum Werbung für sich zu machen. Und auch Mitglieder von den Freien Wählern fingen an, ihre Privatgrundstücke für die Eigenwerbung zu nutzen. Jede Stadt könnte über so viel bürgerliches Engagement und gelebte Demokratie stolz sein — aber nicht Heilbronn!

Deswegen haben wir auf die obige E-Mail dahingehend geantwortet, dass viele Mitbürger bzw. Firmen und auch andere Mitbewerber bereits auf Privatgrund Werbung für sich oder für Ihre Partei machen. Selbstverständlich haben wir entsprechende Beweisfotos mit übersandt. Daraus entwickelte sich eine Auseinandersetzung, dass unsere Werbung, weil Wahlwerbung anders sei, zudem diese unsere Werbung in den öffentlichen Raum ausstrahlen würde, es kein Recht im Unrecht gäbe und wenn wir es darauf anlegen, alle Firmen in Heilbronn mit Hinweis auf uns Freie Wähler ihre Werbung abhängen müssten. — was wir Freien Wähler selbstverständlich nicht möchten!

Und schon ein paar Tage später ging es munter weiter.

Sehr geehrte Damen und Herren,
bei einer Kontrolle haben wir folgendes festgestellt:

Verstoß: Bahnhofstraße 8, vor dem Kolping Bildungszentrum, kein Anbringen von Plakatwerbung an oder vor öffentlichen Gebäuden (hier Eingang einer Schule).

Diese Aufforderung gilt auch für eventuelle weitere, uns bislang lediglich nicht bekannten Standorte.

Wir bitten um umgehende Entfernung der Verstöße bzw. um Nachbesserung.

Bitte übermitteln Sie uns einen Nachweis in Form einer vorher/nachher Bilddokumentation (1 Foto mit Verstoß + 1 Foto nach Behebung/Nachbesserung) an: Wahlplakate@Heilbronn.de 

Das Amt für Straßenwesen wünscht einen fairen und erfolgreichen Wahlkampf und bedankt sich für Ihre Kooperation!

Freundliche Grüße
Im Auftrag

gez. J. F.

E-Mail, 3. Mai 2024 um 11:46:30 MESZ

Ich habe darauf wie folgt geantwortet: „Sehr geehrte Frau F., wir haben die zwei Plakate (4 insgesamt) entfernt. Zwei davon waren bereits zerstört. Auch wenn wir es für falsch halten, dass man nicht vor genau den Schulen werben darf, wo die Schüler mindestens 16 Jahre alt und damit wahlberechtigt sind, sind wir Ihrer Aufforderung nachgekommen. Dennoch stören uns dabei zwei Dinge: 

1. Dass unsere Plakate auf der Straße und weg vom Eingang der Schule standen, jedoch ein Plakat einer Partei direkt gegenüber dem Eingang der Schule und damit für alle Schüler sehr prominent sichtbar ganz offensichtlich die Stadtverwaltung nicht stört. Dies aber nicht wegen des Plakates, sondern einzig und alleine wegen der Ungleichbehandlung, die den Freien Wählern seitens der Stadtverwaltung zuteilwird. 

2. Dass wir aufgefordert werden, unsere Plakate dann gleich mit zwei Fotos (davor und nachher) nachzuweisen. Diese Forderung wird h. E. von keinem uns bekannten Gesetz bzw. Erlass gestützt.“

Übrigens, bis heute stört sich die Stadtverwaltung nicht daran, dass Bündnis 90/Die Grünen, CDU, FDP, Die Linke und eine andere Wählergruppe selbst direkt vor Grundschulen massiv für sich werben.

Aber wir erhalten manchmal auch eher konstruktive Hinweise:

Sehr geehrte Damen und Herren,
bei einer Kontrolle haben wir folgendes festgestellt:

Verstoß: Carl-Zeiss-Straße in Kirchhausen, Plakat ist heruntergefallen und ist zerrissen.

Diese Aufforderung gilt auch für eventuelle weitere, uns bislang lediglich nicht bekannten Standorte.

Wir bitten um umgehende Entfernung der Verstöße bzw. um Nachbesserung.

Bitte übermitteln Sie uns einen Nachweis in Form einer vorher/nachher Bilddokumentation (1 Foto mit Verstoß + 1 Foto nach Behebung/Nachbesserung) an: Wahlplakate@Heilbronn.de

Das Amt für Straßenwesen wünscht einen fairen und erfolgreichen Wahlkampf und bedankt sich für Ihre Kooperation!

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
gez. S. S.

E-Mail, 2.5.2024, 9.19 Uhr

Dieses Plakat haben wir selbstverständlich repariert und dies an die Stadtverwaltung gemeldet, welche sich ganz offensichtlich nicht an einem anderen, dort ebenfalls heruntergerissenen Plakat störte, welches noch ein paar Tage später zu finden war.

Sehr geehrte Damen und Herren,
folgender Sachverhalt wurde uns gemeldet:

Verstoß: Dammstraße 54 in Heilbronn, Plakat hängt in unmittelbarer Nähe eines Fußgängerüberweges, somit wird die Sicht für Fußgänger oder Autofahrer beschränkt.

Diese Aufforderung gilt auch für eventuelle weitere, uns bislang lediglich nicht bekannten Standorte.

Wir bitten um umgehende Nachbesserung.

Bitte übermitteln Sie uns einen Nachweis in Form einer vorher/nachher Bilddokumentation (1 Foto mit Verstoß + 1 Foto nach Behebung/Nachbesserung) an: Wahlplakate@Heilbronn.de

Das Amt für Straßenwesen wünscht einen fairen und erfolgreichen Wahlkampf und bedankt sich für Ihre Kooperation!

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

gez. C. S.

E-MAil, 30.4.2024, 10.55 Uhr

Ich fuhr sofort hin und stellte keinen Verstoß fest. Dumm dabei nur, dass ich gleich mehrere andere Fußgängerüberwege passierte, die mit Plakaten unserer Konkurrenz vollgepflastert waren und auch heute noch sind.

Heute meldete sich dann der Erstberufene vom 8. April 2024, ein Herr J. B., per Schreiben beim Kreisvorsitzenden der EUROPA-UNION Heilbronn und teilte mir mit: „Aufgrund der oben aufgeführten Verstöße wird die Stadt Heilbronn ein Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten.“

Eine erste Prüfung der dort aufgeführten Vorwürfe ergab, dass eine ältere Dame wohl wahrscheinlich etwas vor 18.00 Uhr am 26. April 2024 ein paar Plakate aufgehängt hat und dabei auch noch zwei Plakate an Verkehrszeichen anbrachte. Zwar haben wir alle unsere Mitglieder über die Heilbronner Regularien und Besonderheiten ausführlich informiert, können dabei aber nicht sämtliche Aktivitäten überwachen. Und wer von uns möchte einem altgedienten Mitglied böse sein, wenn es beim ehrenamtlichen Plakatieren das eine oder andere Plakat etwas zu früh oder gar falsch aufstellt.

Jetzt muss ich nur noch klären, ob ich diese Ordnungswidrigkeitskosten im Falle, dass diese tatsächlich auch anfallen werden, einfach so vom Freie Wähler-Konto bezahlen kann oder ob die Stadt darauf besteht, dass die Mitglieder der EUROPA-UNION Heilbronn für diese Kosten aufzukommen haben — warum auch immer.

Als ich dann dachte, dass es heute nicht noch komischer werden kann, dann weit gefehlt! Schon bekam ich einen Anruf von Herbert Burkhardt, der eine Begegnung der unbekannten Art mit dem OB hatte, wobei ihm dieser die Falschplakatierungen der Freien Wähler u. a. in einem Kreisel vorwarf. Jetzt macht der Heilbronner OB bereits auf Boris Palmer. Was für mich wohl bedeutet, dass ich aufpassen muss, wenn ich dem OB persönlich begegne, nicht auch noch wegen der Plakate von ihm höchstselbst geschüttelt zu werden.

Die sofortige Prüfung des OB-Vorwurfs durch Herbert Burkhardt ergab, dass unser Bauzaunbanner in der Nähe des Kreisels steht, so wie von der Stadt auch vorgegeben. Aber — oh Wunder (!) — andere Plakate im Kreisel angebracht sind.

Mein Fazit in diesem Wahlkampf ist es schon jetzt, dass man uns Bürgern in Heilbronn die Demokratie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln austreiben möchte! Einen ungestörten Wahlkampf sollen nur jene machen dürfen, die als Heilbronner Einheitspartei einen Eid auf den OB im Rathaus geschworen haben — und wie wir es inzwischen alle wissen sollten, dieser ist von Gott gewollt; somit ist jegliche Kritik reine Blasphemie!

Und wie es der OB jeden und alle bereits seit gestern wissen lässt, werden wir Freien Wähler maximal zwei Gemeinderäte stellen können. Dann bekommen auch die Verwaltungsmitarbeiter endlich u. a. ihre Luxusduschen, was deren Engagement in diesem Wahlkampf erklären könnte.


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