Beitragsfoto: Spruch
Nun wird so langsam aber sicher ein Mythos zu Grabe getragen, nämlich jener, dass es eine Redefreiheit gäbe. Wie wir heute erfahren mussten, wurde inzwischen sogar in den USA die Jimmy-Kimmel-Show verboten. Jimmy Kimmel war dabei in seinen Äußerungen stets abwägend, juristisch gut beraten und selten unter der Gürtellinie.
Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
mit Pulver und Blei:
die Gedanken sind frei.Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
die Gedanken sind frei.Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.Drum will ich auf immer
Volkslied
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.
Schon immer musste man sich die Freie Rede auch leisten können!
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“ — eine uralte deutsche Weisheit, auf die ich nie stolz war. Aber der sicherlich gut gemeinte Hinweis meiner Mitbürger, dass bei uns nur der sagen darf, was er möchte, der auch das Sagen hat!
Bereits in frühester Jugend lernen wir, noch lange vor dem Kindergarten, den Mund zu halten oder den anderen nach dem Mund zu reden. Jene, die dies am besten können, machen noch vor einem eigenen Schulabschluss die größten Karrieren. Nicht nur unsere Parlamente sind voll davon, gucken Sie sich nur einmal Ihre eigene Chefetage an.
Ganz ohne Frage, es gab sie immer, jene Mitbürger, die sich nicht den Mund verbieten ließen, aber nie sehr lange. Im besten Fall erreichten sie einen Narrenstatus und wurden damit doch nicht gehört.
Dies erkennend kultivierte man beginnend mit der Aufklärung die Farce der Rede- und Meinungsfreiheit, wobei man den Gutgläubigen versprach, dass jeder das denken, sagen und schreiben dürfe, was er möchte. Alles aber immer auch nur in bestimmten Grenzen und damit letztendlich unfrei.
Eine Diskussion darüber gab es einmal im Vereinigten Königreich und im Ansatz in den USA. Die Speakers’ Corner am nordöstlichen Ende des Hyde Parks gilt noch heute als bekanntester Versuch.
Und selbst auf diese Grenzen ist für jene, die sich daran wagen kein Verlass. Das mussten unter anderem die Journalisten von Charlie Hebdo bitterbös selbst erfahren.
Unsere Neuzeit kippt nun — eigentlich nur folgerichtig — schon einmal die vermeintliche Redefreiheit für alle, außer jene, die das Sagen haben und natürlich jenen, die diesen nach dem Munde reden.
Was vorerst offiziell bleibt, ist die Meinungsfreiheit, diese dürfen wir noch so lange behalten wie sie uns keiner nachweisen kann!
Aber auch dies ist falsch gedacht, denn zumindest jeder Social Media Nutzer erfährt über kurz oder lang, dass der Mob im sagt, was er gerade gemeint hat und richtet ihn auch sogleich dafür. Inzwischen muss man bei uns sehr gut und genau aufpassen, dass man nicht den Eindruck erweckt, überhaupt eine ganz eigene Meinung zu haben.
Und so ist es nicht nur gut, sondern für unsere Gesellschaften absolut lebensnotwendig, dass es weiterhin und immer wieder Mitmenschen gibt, die trotz Repressalien an ihrem Menschenrecht der Rede- und Meinungsfreiheit festhalten. Aber damit auch — weil wir alle Menschen sind — mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben müssen — man muss sich schon immer, auch heute und zukünftig seine eigene Meinung leisten können!
Jammerschade nur, dass es inzwischen in den USA — bei uns Gott sei dank (noch) nicht (!) — soweit ist, dass man seine eigene Meinung nicht mehr ohne Gefahr vom eigenen Staat verfolgt zu werden, äußern darf.
Nun müssen selbst die traditionell freiheitsgewohnten US-Amerikaner lernen, wie man mit einer Diktatur umzugehen hat. Und so werden sie auch einmal sehr schmerzhaft lernen müssen, dass man Diktatoren nicht mehr durch Wahlen wegbekommt.
Wir Deutschen haben es hier sehr viel einfacher, erstens leben wir allesamt (noch) in einer funktionierenden Demokratie und zweitens sind wir Weltmeister darin, anderen nach dem Mund zu reden.
Auch kann uns noch keiner nachweisen, ob wir überhaupt und wenn ja, was wir tatsächlich denken.
Auf alle Fälle wäre die Welt viel besser, wenn alle, die eigene Gedanken haben, diese artikulieren und ihren Mitbürgern zur Diskussion stellen. In einer guten Welt würden diese Gedanken aufgenommen, bewertet, verworfen oder angenommen werden — und dies zum Wohle von uns allen!
Wir Menschen sind ein einziger Kommunikationsraum und entwickeln uns nur bei einer funktionierenden Kommunikation weiter. Wer dies zu unterbinden versucht, der ist ein Menschenfeind!
Nachtrag 19.9.2025
Manchmal muss man etwas deutlicher werden, damit es die eigenen Zeitgenossen auch verstehen. Hier finden Sie ein Cartoon von Guido Kühn.