Politische Dystopie

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Beitragsfoto: Zeitungsausschnitt | © Pixabay

Wir schreiben das Jahr 2030, eigentlich das Jahr, in dem sämtliche Versprechungen der damaligen Großen Koalition, welche noch in den 2010er bis 2020er-Jahren sehr populär war und gerne auch liebevoll als GroKo bezeichnet wurde, hätten erfüllt sein müssen.

Mitte der 2020er-Jahre kam aber alles ganz anders, die angestauten und neu hinzugekommenen Herausforderungen konnten weder von den Regierungen noch von den völlig überforderten Parlamenten gelöst, wenn überhaupt, nur noch annähernd wahrgenommen werden. Die Enttäuschung bei der Bevölkerung wurde damals immer größer, sodass die verantwortlichen Politiker die Flucht nach vorne suchten und ihr Glück in der politischen Vergangenheit fanden.

„Getriggert“ wurde das Ganze, als die Umfragen in einem erneut als Superwahljahr beworbenen Event für die Parteien allesamt unvorteilhaft ausgingen: kurz entschlossen bildeten sich in Deutschland zwei Hauptblöcke: zum einen die Nationalistische Einheitspartei Deutschland (NED: AfD, CDU und CSU) und zum anderen erneut die Sozialistische Einheitspartei Deutschland (SED: Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD) sowie ein eher lockerer Zusammenschluss von Kleinstparteien, wobei die FDP heute noch am bekanntesten sein dürfte. In einem sehr polarisierten Wahlkampf konnte sich 2025 die NED nur sehr knapp durchsetzen und es wurden in Folge davon neue Pflöcke eingeschlagen.

Zum Wohle Deutschlands wurde die Europäische Union zwar nicht ganz beerdigt, sondern in eine neue Version des alten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen überführt und fristet seither das Dasein seines heute so beliebten Vorgängers; dies ganz im Sinne der französischen Präsidentin Marine Le Pen, die zugleich auch alle EU-Präsidentenämter in Personalunion innehat. Als deren Stellvertreterin in allen EU-Ämtern wurde Ursula von der Leyen auf Lebenszeit bestätigt, wobei diese Funktion mit einem Erbrecht versehen wurde.

Um den nationalen Frieden wieder herzustellen, haben sich die beiden Blöcke (NED und SED) darauf geeinigt, nach jeder Wahl abwechselnd die Regierungsaufgabe zu übernehmen, wobei die jeweiligen Vorgänger ihre Ämter bis zum eigenen Ableben weiterhin mit dem Zusatz „momentan nicht in Regierungsfunktion“ beibehalten. Im Zuge davon wurde auch für alle Abgeordnete der Bestandsschutz garantiert und jedem entsprechende Ausgleichsmandate zugebilligt. Zudem wurde den Kleinst- bzw. Blogparteien zugesichert, dass sie an der jeweiligen Regierung beteiligt werden, sobald sie die 10 % Hürde überschreiten.

Um eine bereits absehbare Überschreitung der Bundestagsgröße von 3 000 Abgeordneten zu begegnen, wurde eine freiwillige und großzügige Abfindungsregelung eingeführt, wobei jene, die das Angebot nutzen, alle ihre Titel und Aufsichtsratsmandate weiter beibehalten dürfen. Diese Regelung gilt selbstverständlich auch für sämtliche Landtage und unterscheidet sich — dem deutschen Föderalismus geschuldet — nur in der Höhe der jeweiligen Abfindungen, wobei nirgends die Sechsstelligkeit der Zahlungen unterschritten werden darf.

Um die Ungleichheit innerhalb unserer Gesellschaft zu beenden, wurden alle Ämter und Leitungsfunktionen gedoppelt und müssen seither zwingend jeweils mit einem Mann und einer Frau besetzt werden.

Um die Bevölkerung besser in die neue und jetzt viel bessere Demokratie einzubinden, wurde generell die Wahlpflicht eingeführt und die freien Wahlen zum Wohle aller in geregelte Wahlen überführt.

Um die nationale Identität weiter und auch das Zusammengehörigkeitsgefühl partei- wie bundeslandübergreifend zu fördern, wurden z. B. die Bundesautobahnen in Volksautobahnen mit dem Namenszusatz von verdienten Politikern umbenannt. Wegen seines großen Verdienstes um die deutsche Autobahn wurde die Strecke Berlin – München in Volksautobahn Adolf Hitler und die Strecke Berlin – Saarbrücken in Volksautobahn Erich Honecker umbenannt sowie u. a. die Strecke München – Stuttgart in Volksautobahn Andreas Scheuer.

Auch auf lokaler Ebene wurde diese brillante Idee meistens gerne übernommen, so auch in Heilbronn, wobei die Allee auf Anregung der Porschefahrer in der NED Fraktion in Volksstraße Albert Leo Schlageter umbenannt wurde und sich in Heilbronn zudem schnell eine weitere Tradition etablierte, nämlich indem jährlich am 1. Mai Porsche- und Mercedesfahrer gut zwei bis drei Stunden lang über die Volksstraße Albert Leo Schlageter brettern und zum Takt des allseits bekannten AfD-Volkslieds „Eure Armut kotzt mich an!” ihre Hupen erklingen lassen.

Leider wurden, so wie es bei Dystopien der Fall ist, damit keine gesellschaftlich und existenziell relevanten Probleme gelöst, aber sie konnten erfolgreich weiter verdrängt werden, und für den Fall, dass das eine oder anderen Problem erneut hochkocht, weiß jetzt wieder jeder ganz genau, wer daran schuld ist: die allseits bekannten Minderheiten, der gesellschaftszerstörende Kapitalismus oder die mündigen Bürger, welche einst für freiheitliche gesellschaftliche Konzepte eintraten.

Wohlgemerkt, wir schreiben das Jahr 2030 und alles ist gut!

P.S.
Übrigens, Victor Orban ist inzwischen auch Ehrenbürger Europas.


„Now, the dividing line is not between left and right but globalists and patriots.“

Marine Le Pen, We Are Not the World (6. Januar 2017)
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