Zeit für ein Gedicht

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Beitragsfoto: Kaffeegenuss | © Pixabay

Gedichte, egal in welcher Sprache auch immer verfasst, sind hier auf diesem Weblog nicht wirklich der Renner. Die Weblog-Leser dürften sich inzwischen aber daran gewöhnt haben, dass ich meine kleine Leidenschaft hier immer wieder einmal zu Wort kommen lasse.

Und viele sind auch ganz froh darüber, dass ich darauf verzichtet habe, meine eigenen Werke zu präsentieren; bis auf eines — mein letztes Gedicht — habe ich sämtliche meiner Gedichte dem Vergessenwerden übereignet.

Es gibt sie aber weiterhin, nämlich Gedichte, die man besser nicht vergisst, sondern möglichst lange in guter Erinnerung behält. Ein solches Gedicht stammt von Georg Heym und trägt den Titel „Frühjahr“. Heim verfasste es 1911 und dies keine drei Jahre vor Beginn des Ersten Weltkriegs zu einer Zeit, die für etwas sensiblere Gemüter bereits mit Vorahnungen auf das Kommende schwer belastet war.

Georg Heym wurde am 30. Oktober 1887 geboren und gilt als einer der ersten Vertreter des frühen Expressionismus. Er ertrank bereits 1912 beim Versuch, einen Freund zu retten.

Frühjahr

Die Winde bringen einen schwarzen Abend.
Die Wege zittern mit den kalten Bäumen
Und in der leeren Flächen später Öde
Die Wolken rollen auf die Horizonte.

Der Wind und Sturm ist ewig in der Weite,
Nur spärlich, daß ein Sämann schon beschreitet
Das ferne Land, und schwer den Samen streuet,
Den keine Frucht in toten Sommern freuet.

Die Wälder aber müssen sich zerbrechen
Mit grauen Wipfeln in den Wind gehoben,
Die quellenlosen, in der langen Schwäche
Und nicht mehr steigt das Blut in ihren Ästen.

Der März ist traurig. Und die Tage schwanken
Voll Licht und Dunkel auf der stummen Erde.
Die Ströme aber und die Berge decket
Der Regenschild. Und alles ist verhangen.

Die Vögel aber werden nicht mehr kommen.
Leer wird das Schilf und seine Ufer bleiben,
Und große Kähne in der Sommerstille
In grüner Hügel toten Schatten treiben.

Georg Heym, 1911

„Wer aber verzweifelt stirbt, dessen ganzes Leben war umsonst.“

THEODOR W. ADORNO, MINIMA MORALIA (14. AUFLAGE 2022 [1951]: 190)

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