Gastro-Sterben

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Beitragsfoto: Rathaus Heilbronn | © Shutterstock

Der Irrsinn greift weiter um sich. Nun beklagt auch die lokale Hofberichterstattung, ehemals Zeitung genannt, dass die „Hiobsbotschaften in Heilbronn nicht abreißen“ würden und dabei ganz besonders jene, die aus der Gastro-Szene kommen.

Grundsätzlich gilt dabei, dass es fast überall auf der Welt regelmäßig zu Öffnungen und Schließungen von Wirtschaften aller Art kommt — das ist der normale Lauf des Lebens. Und da die Gastro-Szene mit Masse aus Kleinbetrieben besteht, ist es nur natürlich, dass es eine Lebenszeitbegrenzung für die meisten Betriebe gibt — selbst für die Familienbetriebe.

Das ist der große Vorteil von Ketten, denn dort besteht durchaus die Chance, dass man als Großvater noch mit den eigenen Enkeln in Restaurants einkehren kann, welche man selbst als Kind gerne aufsuchte. Aber auch hier verschwinden im Laufe des eigenen Lebens ganze Gastro-„Institutionen“, nehmen wir einmal nur den Wienerwald.

Wir Menschen sollten uns alle einmal damit abfinden, dass sich die Welt nicht um uns dreht und wir auch keinen Anspruch darauf haben, alles zu bekommen, was wir gerne hätten. Und so erlaubt sich auch der Lieblingsitaliener um die Ecke einfach so zu schließen und dies ohne dabei auf seine eigene Stammkundschaft Rücksicht zu nehmen.

So ganz nebenbei garantiert dieser Lauf der Welt zudem, dass wir nicht immer nur Wiener Schnitzel mit Pommes essen, sondern uns gewollt oder auch nicht, immer wieder auf Neues einlassen müssen.

Das Ganze hat aber nun in Heilbronn eine neue Qualität entwickelt. Wobei dies nur die dafür Verantwortlichen und deren Werbeblätter überrascht!

Zu allererst einmal sind wir Heilbronner ein Eldorado für alle Gastronomen, vom Profi bis hin zum letzten Dilettanten. Wir sind grundsätzlich gesellig und gehen gerne essen und trinken, zudem sind wir dabei nicht sehr anspruchsvoll. Ein paar Tische und Stühle genügen und wir machen es uns von alleine gemütlich.

Wenn dann das Essen und die Getränke stimmen und der Service freundlich ist, fühlen wir uns pudelwohl und kommen gerne immer wieder. Wir können aber selbst bei bestem Willen nicht immer essen gehen, zumal man sich das Auswärtsessen auch leisten können muss.

Und so ist auch die Gastro-Szene von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Mit zwei Ausnahmen: die Luxusgastronomie, welche sich selbst in Kriegszeiten dumm und dämlich verdient, und jene Billigläden, die ihr Essen und ihre Getränke unterhalb des gewöhnlichen Einkaufspreises verramschen — glauben Sie es mir, dort möchten Sie weder essen noch an einem Getränk nippen!

Nicht nur als Folge der Heilbronner Gemütlichkeit hat man in Heilbronn ein Überangebot an Gasstätten erhalten, sondern vor allem deshalb weil die städtischen Verantwortlichen dies noch so richtig gefördert haben; Stichwort: „Größtes Weindorf aller Zeiten!“

Zum bereits bestehenden und sich über die Jahre hinweg weiter ausbauenden Überangebot, hat man noch ganz lokaltypisch die Besen und Weinausschänke aller Art und dies inzwischen das gesamte Jahr über. Hinzu kommen noch die unzähligen Feste und Festle, die das gesamte Gastro-Ensemble weiter abrunden; selbst in den Weinbergen, am Neckar und im Sportbecken wird jetzt ausgeschenkt.

Das führt schon seit Jahren dazu, dass es bei uns in der Gastro-Szene einen knallharten Verdrängungswettkampf gibt, der schon lange nicht mehr gesund ist.

Das alles wird in Heilbronn durch von mir schon sehr lange bemängelnde Umstände ins völlig Abstruse gesteigert! Zum einen ist es der Heilbronner Klüngel, der dafür sorgt, dass es in Heilbronn Gastro-Betriebe gibt, die vorsichtig ausgedrückt, einfacher als die anderen wirtschaften können.

Zum anderen aber und dies ist der meines Erachtens gravierendste Grund stellt Heilbronn überhaupt nicht sicher, dass sich Gastronomiebetriebe im mittleren Preissegment und dabei selbst internationale Ketten langfristig in der Stadt halten können!

Vielleicht ein kleiner Trost für meine Mitbürger, eine „Luxus-Gastronomie“ denkt schon gar nicht daran, sich in Heilbronn überhaupt zu etablieren, denn die müssen unbedingt im Vorfeld prüfen, ob die Rahmenbedingungen dafür überhaupt vorhanden sind.

Und das ist mein Punkt. Sie sind es nicht! Nicht einmal für den sehr leistungsbereiten gastronomischen Mittelstand.

Egal welcher Betrieb und wie gut er sich selbst auch aufstellt, er ist von seinem direkten Umfeld abhängig. Und wenn dies nicht stimmt oder nicht stimmig ist, fühlen sich seine Kunden kaum wohl. Und das führt mittelfristig dazu, dass diese abwandern und nicht mehr wiederkommen.

Wer möchte schon auf dem Weg für sein 50 Euro Steak durch Müllberge waten und sich nach dem Steak dazu noch seinen Weg durch Bettler, Hausierer und sonstigen Rabauken bahnen?

Oder mit der Familie an einem Tisch sitzen, der keine 20 Zentimeter von einer Schnellstraße für Radfahrer und sonstige Rüpel entfernt ist?

Oder in der Fußgängerzone sitzend das Eis genießen, wenn der Verwesungsgeruch aus der Seitenstraße herüberweht?

Diese Lokalitäten können noch so gut sein wie sie möchten, der Kunde sucht sich stimmigere Orte.

Wir beklagen uns aber weiterhin lieber darüber, dass gute Lokalitäten und auch andere Läden bei uns immer wieder und nun gehäufter verschwinden, als dafür zu sorgen, dass diese Betriebe ein Umfeld vorfinden, wo sie überhaupt eine Chance haben, um langfristig existieren zu können.

Wenn ich mich gleich auf den Weg mache, um in der Innenstadt zwei Pflanzenkübel zu gießen, werde ich sicherlich auf dieselben Müllhaufen stoßen, wie bereits vor 14 Tagen — zumindest mir macht das keinen Appetit!


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3 thoughts on “Gastro-Sterben

  1. … und die guten nur im kleinen Kreis teilen oder möglichst geheim halten. Fördert zwar auch nicht die Geschäfte, aber mag der Besucherqualität zuträglich sein.

  2. In Heilbronn mag es eine besondere Situation sein. Ich habe allerdings den Eindruck, dass viele, die früher gerne mal essen gegangen sind, heute aus finanziellen Gründen mehr und mehr auf selber kochen umsteigen. Wundert nicht, gefühlt ist alles krass teurer geworden, auch und gerade in der Gastronomie.

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