Deutschländer

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Beitragsfoto: videoüberwachte Sammelstelle für Wertstoffe

Dieses Wort bezieht sich in diesem Blog-Beitrag nicht auf die bekannten und von so einigen gerne gegessenen Würstchen, sondern auf den Begriff für Deutsche, die sich selbst in Deutschland nicht heimisch fühlen oder von anderen Deutschen als solche nicht an- oder gar wahrgenommen werden.

Ich habe das Wort Deutschländer in diesem Sinne wohl erstmals 2007 bei Seyran Ateş gelesen, die damals das Buch „Der Multikulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können“ veröffentlicht hatte. Diese Wortschöpfung wird der Staatsbürgerschaftsproblematik, ob positiv oder negativ Verwendung findend, nicht gerecht und zeigt nur, dass wir auch hierbei größere Herausforderungen zu bestehen haben.

Dabei ist in Deutschland alles geregelt, auch wer Deutscher ist. Dies kann man im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) nachlesen und gleich zu Anfang (§1) auf den Punkt gebracht: Deutscher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.“ Und diese wird von deutschen Verwaltungsangestellten bescheinigt. Und auch der Verzicht wird in einem Paragrafen (§ 26(1)) geregelt: „Ein Deutscher kann auf seine Staatsangehörigkeit verzichten, wenn er mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt. Der Verzicht ist schriftlich zu erklären.“ und muss ebenfalls von einem Verwaltungsangestellten bescheinigt werden.

Und selbst ein Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft wäre möglich, dazu muss man allerdings das Grundgesetz § 16(1) bemühen: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“

Alle Deutschen verbindet aber doch so einiges, denn mit den Rechten kommen auch die Pflichten und ein paar weitere Gebote, die sich u. a. trotz oder gerade wegen der „Gnade der späten Geburt“ (im Sinne von Günter Gaus und nicht der von Helmut Kohl plagiierten) ergeben. Besser hat es Richard von Weizsäcker in seiner Rede am 8. Mai 1985 formuliert: „Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen.“

Dies wird ganz prominent im GG Artikel 1(2) festgehalten: (2) „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ Und zudem dort mehrfach mit der Pflicht für jeden Bürger, mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen, ergänzt.

Von Anfang an ist unseren Verfassungsvätern und dies wohl noch unter dem Eindruck der von den Nationalsozialisten geprägten Formel „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“, aber auch dem Ende des 19. Jahrhunderts beginnenden und bis heute vergeblichen Versuchen in Deutschland eine „Volksnation“ zu schaffen der Fehler unterlaufen, auch im Grundgesetz von einem einzigen Volk zu sprechen, aber dies dann bis auf die Bundesländer (eigentlich ebenfalls Völker) nicht weiter und präziser zu definieren.

Insbesondere angesichts der europäischen Geschichte und ganz besonders wegen der weiteren Vernetzung unserer einen Welt ein kapitaler Fehler. Wenn es überhaupt in Europa einen einzigen Staat gab, der ein einziges Volk (Ethnie) in sich vereinen konnte, dann auf alle Fälle nicht Deutschland. Wie wir alle wissen, war selbst das Heilige Römische Reich ein Zusammenschluss von deutschen Nationen, und nicht umsonst sind wir von Anfang an erst ein Staatenbund und später dann ein Bundesstaat. Und so müsste es richtiger Weise deutsche Völker heißen, was aber auch wieder nicht so recht hinhaut, da es auch außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes Deutsche gibt, die als Minderheiten in ihren Ländern leben und ebenfalls den Anspruch für sich erheben können, zwar nicht im Sinne des Grundgesetzes, aber aufgrund ihrer Ethnie (Volkszugehörigkeit) Deutsche zu sein — zumindest erfüllen die meisten davon die noch heute gültigen Grundlagen für eine Ethnie: Sprache, Kultur und Religion.

Dieser Problematik der Volkszugehörigkeiten und der Tatsache, dass die bestehenden Länder, Reiche und Fürstentümer in Europa nicht mit diesen stimmig in Deckung zu bringen sind, wurde bereits im Mittelalter erkannt, wobei man schon damals versuchte, die Völker europäischer Wesensart zusammenzufassen. Und noch bevor sich die Politik einig wurde, war es gang und gäbe, dass zumindest Händler, Handwerker, Intellektuelle und Künstler von einem Land in das nächste zogen. Und so dürften beim Bau der Heilbronner Kilianskirche bereits die ersten Gastarbeiter aus Italien beschäftigt worden sein.

Spannend dabei auch, dass man sich bereits spätestens im 17. Jahrhundert Gedanken darüber machte, ob die Russen (damals noch Moskowiter) und Türken eigentlich zu den Völkern europäischer Wesensart gehören oder nicht. Und ein halbes Jahrtausend später wird immer noch darüber debattiert — beide Seiten müssten einmal darüber nachdenken, warum das eigentlich weiterhin so ist.

Und so müssen wir davon ausgehen, dass, wenn man weiterhin an den Nationalstaaten festhalten möchte, in Deutschland neben den klassischen deutschen Völkern nicht nur die Donauschwaben und Wolga-Deutschen, sondern auch Kasachen, Usbeken, Türken, waschechte Russen, Ungarn, Italiener, diese dann auch noch als Sizilianer oder Lombarden weiter ausdifferenziert, Athener, Griechen, Franzosen, Polen, Chinesen, Inder, Angolaner und noch weit mehr leben, die gemäß StAG Deutsche sind und damit ebenfalls zum deutschen Volk gehören.

Am Beispiel vieler Polen, die bereits im Zuge der Industrialisierung Deutschlands hierher kamen, kann man erkennen, dass es für viele Deutsche mit Zuzugsgeschichte möglich ist, sich in unser Volk zu integrieren und dank der Religionsfreiheit ist es dabei auch nicht mehr nötig, zum Christentum zu konvertieren. Und so ist es durchaus möglich, dass ein Migrant in weniger als 20 Jahren voll und ganz in unserer Gesellschaft aufgeht. Andere benötigen dafür ein bis zwei Generationen und wiederum andere werden es nie schaffen bzw. nicht wollen — was allerdings nichts an deren Volkszugehörigkeit ändert, so lange sie nicht gemäß StAG § 26(1) letztendlich auf eine solche verzichten. Doch so einige, darunter sehr viele leistungsstarke Migranten, haben sich später dazu entschlossen, um weiter zu migrieren und US-amerikanische, kanadische, neuseeländische oder australische Staatsbürger zu werden.

Und so werden wir weiterhin sehr unterschiedliche Deutsche in Deutschland haben, so wie es übrigens auch in sehr vielen anderen Ländern der Fall ist, die sich zudem in den unterschiedlichsten Stadien ihres eigenen Deutschseins befinden. Dass dies nicht einfach ist, das erleben wir alle jeden Tag aufs Neue.

Weitere Migrationsbewegungen kommen noch erschwerend mit hinzu, die entweder aus Flüchtlingen oder auch nur Arbeits- oder Bequemlichkeitssuchenden bestehen und überhaupt keinen Anspruch erheben, Deutsche sein zu wollen.

Dies führt auch unter optimalen Verhältnissen zu einer Gemengelage, wobei selbst ohne größere Bestrebungen aller Beteiligten die verschiedenen Kulturen und Religionen aufeinanderstoßen und das Ganze durch eine fehlende gemeinsame Sprache noch weiter verschärft wird.

Bisher können wir alles sehr froh darüber sein, dass Deutschland noch über ausreichend Kapital und Reserven verfügt, um sämtliche Beteiligten — darunter auch die Reichsten der Reichen — über Transferzahlungen bei hinreichender Laune zu halten und damit größere Verwerfungen zu verhindern.

Darüber, was geschieht und wie man dann mit dieser Situation umgehen könnte, hat u. a. Michael Wolffsohn 2018 ein durchaus strittiges Buch „Zum Weltfrieden“ über unterschiedliche Kommunikationsräume geschrieben, die jetzt schon auch in Deutschland vorhanden sind und weiter auseinander triften.

Wenn man davon ausgeht, dass für die meisten Deutschen und auch die anderen in Deutschland lebenden Menschen eine „europäische Zivilisation“ (Kemal Atatürk) oder wenigstens eine europäische Völkergemeinschaft keine Rolle spielt, die beide das einigende Band sein könnten und auch ein europäischer Bundesstaat nicht infrage kommt, der auf alle Fälle die bestehende Staatsbürgerschaftsproblematik entschärfen könnte, so verbleibt einzig und alleine — abgesehen vom bereits thematisierten Erhalt von Sozialleistungen — nur das Grundgesetz mit seinem Bekenntnis zur Demokratie, allgemeinen Menschen- und den europäischen Bürgerrechten als Gemeinsamkeit aller in Deutschland lebenden Menschen bestehen.

Und gerade hierbei schwächeln wir allesamt, und ganz besonders die türkisch- und russischstämmigen Bevölkerungsteile beeilen sich jeden Tag aufs Neue nicht nur unsere Demokratie zu hinterfragen und unsere bestehenden Bündnisse (NATO, Europarat und EU) zumindest verbal zu bekämpfen, sondern sie stellen auch immer öfters unsere gesamten Grundwerte infrage und klagen zudem immer offener ein totalitäres System in Deutschland ein, genau so, wie sie es von zu Hause oder wenigsten dem der eigenen Großeltern aus gewohnt sind.

Noch 2005 schrieb ich einen Blog-Beitrag zur Integration, wobei ich damals fest von einem positiven Integrationsbegriff ausging und überzeugt war, dass wir (fast) alle Migranten in unsere Gesellschaft integrieren können, so wie dies die letzten Jahrhunderte zuvor angefangen von den Hugenotten bis hin zu den Polen, auch möglich gewesen war. Dies war damals der Tatsache geschuldet, dass ich bereits gut 25 Jahre lang sehr konstruktiv mit Migrantenvereinen arbeitete und selbst bereits drei Jahre mit meiner Familie in Polen lebte; dort lernten wir allesamt — obwohl nur für maximal vier Jahre im Land — von Anfang an Polnisch und umgaben uns nicht mit der deutschen Minderheit in Polen, sondern nutzten die Zeit, um die Polen und die polnische Kultur besser kennenzulernen — wir wollten integriert werden.

Heute muss ich erkennen, dass sehr viele Migranten diese Integration überhaupt nicht wollen, sondern am liebsten in einer eigenen Parallelwelt existieren, sich damit ihrer staatsbürgerlichen Verantwortung entziehen und ganz folgerichtig unserem gemeinsamen Land mehr schaden als nutzen.

Und wie bereits erwähnt, sind es erneut Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei, die sich dabei ganz besonders hervorheben und damit jenen Menschen aus dem 17. Jahrhundert, die sich damals gegen eine Integration von Türken und Moskowiter in einem gemeinsamen Europa aussprachen, recht geben. Erschreckend ist, mit ansehen zu müssen, wie schnell dabei der Panslawismus und das „Jungtürkentum“ wieder hoffähig werden!

Noch erschreckender, wie sich diese Menschen in ihrem Unglück winden, hier bei uns leben zu müssen. Wie sie lamentieren und klagen, dass die Deutschen sie, obgleich sie meist selbst auch Deutsche sind, nicht ernst nehmen oder gar wertschätzen — Deutschländer halt.

Dabei ist die Welt doch so groß! Was ich dabei wirklich nicht verstehe, ist, dass gerade jene Deutsche, die den Wladimir Putin nicht nur als waschechten Demokraten sehen, sondern inzwischen gar als GröFaZ verehren, oder jene Deutsche, die meinen, Recep Tayyip Erdoğan sei gottgleich, nicht einfach die Chance ergreifen, um ihre Lieblingspolitiker vor Ort in der Russischen Föderation oder in der Türkei zu unterstützen. Aus sichererer Quelle weiß ich, dass beide ganz aktuell jede nur erdenkliche Hilfe benötigen!

Liebe Deutschländer, seid doch einmal in Euren Leben richtige Männer oder Frauen, macht von Eurem Recht des Paragrafen 26(1) im StAG Gebrauch und werdet die besten Russen oder Türken aller Zeiten!

Es gibt übrigens Millionen Deutsche vor Euch, die von diesem Recht Gebrauch gemacht haben und in anderen Ländern ihr Glück fanden.

Im Falle, dass Ihr doch Deutsche bleiben wollt, dann hilft es uns allen, wenn Ihr Euch so langsam, aber sicher mit dem Grundgesetz anfreundet, wenn noch nicht erfolgt, auch Eure alte oder gar neue Muttersprache erlernt und Euch endlich auf das Abenteuer einlasst, Deutscher im 21. Jahrhundert zu sein — übrigens, das ist auch für alteingesessene Deutsche nicht so ganz einfach!


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  • You might imagine an uncharitable extraterrestrial observer looking down on our species over all that time – with us excitedly chattering. “The universe is created for us! We’re at the center! Everything pays hommage to us!” – and concluding that our pretentions are amusing, our aspirations pathetic, that this must be the planet of idiots. (Carl Sagan: Pale blue dot)
    Um klar zu sehen, reicht oft ein Wechsel der Perspektive …

  • Spannender Gedanke: Deutscher ist, wer sich zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bekennt. Damit dürften viele sogenannte „Bio-Deutsche“ ihren Status als „Deutsche“ verlieren. Mit anderen Worten: Der „Spätzelestürk”, der das Grundgesetz täglich lebt und fördert, ist mir deutlich lieber als der deutschnationale Möchtegern, dessen Demokratieverständnis mehr als zweifelhaft ist. Und damit haben wir auch die Grundlage einer Leitkultur: das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Das mag manchem rechtskonservativen Politiker genauso wenig schmecken wie den selbsternannten „Deutschnationalen“, die die Staatsbürgerschaft an den Konsum von Weißbier und Weißwurst koppeln wollen (und dabei vergessen, dass es auch Viertelsschlotzer- und Äppelwoi-Trinker gibt).

    • De jure ist das bei uns so, dass jeder Deutsche das Grundgesetz als Grundlage und Leitkultur hat. So lange wir noch auf Nationalstaaten bauen, wird diese Staatsbürgerschaftsproblematik leider aber nicht gelöst werden können. Und so sind all jene bei uns weiterhin geschützt, die ihre Staatsbürgerschaft ererbt haben.

      Was wir aber könnten, wäre all jenen die Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, die diese per Betrug erhalten haben — und das sind viel mehr als wir vermuten. Denn jeder muss sich vor dem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft ohne Wenn und Aber zu unserem Grundgesetz bekennen. Leider aber — gestern hatte ich solche Gespräche — bekennen sich diese Deutschen seit dem Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft nicht nur weiterhin zu ihrem „ehemaligen“ Staat, sondern geben ohne zu zögern zu, dass sie die Demokratie und unsere Werte aus voller Überzeugung heraus ablehnen.

      Damit bestätigen diese Menschen, dass sie die deutsche Staatsbürgerschaft durch Betrug erworben haben und könnten diese damit sehr schnell verlieren, vorausgesetzt, sie haben die alte Staatsbürgerschaft noch.

      Das Problem dabei ist, dass sie diese alte dann, wenn es zum Schwur kommt verleugnen, und sogar den Nachweis darüber in den Müll werfen — was sich viele Flüchtlinge inzwischen zum Vorbild genommen haben.

      Und so bleiben auch diese Deutsche weiterhin unsere Mitbürger. Unsere Behörden weigern sich dabei meist aus Bequemlichkeit, diese Sachverhalte weiter aufzuklären und z. B. in der Russischen Föderation oder der Türkei nachzufragen, ob nicht Herr Maier auch noch eine weitere Staatsbürgerschaft hat.

      Dieses Problem lösen wir erst dann, wenn wir in Deutschland für alle die Brotkörbe wieder höher hängen. Denn dann müssen auch unsere eigenen „Staatsfeinde“ wenigstens etwas zu unserem Staat beitragen.