„America is Back“ — Aber wohin gehen die Republikaner?

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Beitragsfoto: Blue Tsunami 3. November 2020 | © Pixabay

Die Entwicklungen in den USA beschäftigen mich noch immer. Gegenwärtig wird drüben diskutiert, wohin sich die Republikanische Partei entwickeln wird. Wird Donald Trump nach wie vor den Takt vorgeben — dies ist zu befürchten — oder kann sich die GOP in nächster Zeit „befreien“ und politisch und moralisch erneuern. Ganz gleich was geschieht, Europa und Deutschland werden von dem Ergebnis berührt werden.

Solche Fragen werden bis jetzt bei uns nicht sehr diskutiert. Ich habe dazu das beiliegendes Papier geschrieben — es wurde bei der Ausarbeitung immer länger.  

Ursprünglich wollte ich noch ein Kapitel über „Konsequenzen und Herausforderungen für Europa“ anfügen, doch dies hätte das Papier noch länger gemacht. Vielleicht werde ich dazu ein gesondertes Papier verfassen.

„America is Back“ — Aber wohin gehen die Republikaner?

Zur virtuellen Münchener Sicherheitskonferenz am 19.2.2021 sandte der neue US-Präsident Joe Biden aus dem Weißen Haus in Washington D.C. eine klare Botschaft: „We are sending a clear message to the world: America is back!“ Die Verbündeten hatten bereits nach der Abwahl von Donald Trump im November 2020 aufgeatmet; nun ist es amtlich: Das Ende der „America first“ Politik wurde eingeläutet.  

Nach vier Jahren Trump hat in den vereinigten Staaten das große Aufräumen – politisch und moralisch – begonnen. Thomas L. Friedman schrieb am 20.1.21 in seiner Kolumne in der New York Times: „Dies war ein schreckliches, schreckliches Experiment … Ich bin der ehrlichen Überzeugung, dass wir zu unseren besten Seiten zurückfinden können, es liegt an uns allen, dass dies geschieht.“ Anlässlich der Amtseinführung am 20.1.2021 hat der neue Präsident seinen Landsleuten und auch der Welt ans Herz gelegt: „Es gibt die Wahrheit und es gibt Lügen, Lügen, die der Macht und des eigenen Profils wegen erzählt werden; doch jede Führungspersönlichkeit hat die Pflicht und die Verantwortung als Bürger, als Amerikaner und insbesondere als Führer der gelobt hat, unsere Verfassung zu ehren und unser Land zu beschützen, die Wahrheit zu verteidigen und die Lügen zu besiegen.“ Die Zielrichtung dieser Worte war klar, ohne dass Biden den Namen seines abgewählten Vorgängers nennen musste.

Außenpolitisch bedeutet Bidens „America is back!“ die Zusage an die Verbündeten, dass nun die Diplomatie wieder im Vordergrund stehen wird, dass die Politik der Vereinigten Staaten wieder berechenbar und sachbezogen und weniger impulsiv und personifiziert sein wird. Die Verbündeten haben wieder Klarheit – ebenso wie die Opponenten in Moskau, Peking und andernorts. In einem Bericht über die Rede des Präsidenten an die virtuelle Münchener Sicherheitskonferenz, die Biden früher häufig persönlich besucht hatte, schreibt die New York Times von „something of a homecoming“ – „so etwas wie eine Heimkehr“, stellte aber auch fest, dass das Land in den letzten vier Jahren einiges an Stärke und Einfluss verloren hat.

Die Biden-Administration hat den außenpolitischen Kurswechsel bereits eingeleitet. Die Vereinigten Staaten sind dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten. Die Blockade gegen die Wahl von Ngozi Okonjo-Iwela aus Nigeria zur Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO) wurde aufgegeben. Für Trump waren bilaterale Handelsverträge das Nonplusultra; Man darf gespannt sein, was nun aus der WTO wird.

Besonders bedeutsam angesichts der Pandemie ist, dass Biden die Rücknahme des Austritts der USA aus der WHO angekündigt hat; er sagte zu, zwei Milliarden Dollar zur Beschaffung von Corona Impfstoff für Entwicklungsländer bereitzustellen; bis 2022 sollen weitere vier Milliarden Dollar folgen.  

Zusammen mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland werden sich die USA bemühen, das von Trump einseitig aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben. Dies wird ein schwieriges Unterfangen, denn die Machthaber in Teheran werden zusätzliche Sicherheiten erwarten, dass die Amerikaner nicht eines Tages erneut abspringen. Wann und wie können die Sanktionen aufgehoben werden, die Trump gegen den Iran verhängt hat? Das gegenseitige Misstrauen ist gewachsen, da alle Probleme des Nahen und Mittleren Ostens auf dem Tisch liegen.  

Der neue amerikanisch Präsident hat sich ausdrücklich zur gegenseitigen Unterstützungspflicht zwischen den NATO-Partnern bekannt: „Wir wollen Wort halten. Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf alle.“ Der von Trump angekündigte Truppenabzug aus Deutschland ist gestoppt, der von Trump als Strafaktion gegen Deutschland angeordnet worden war. Der Truppenabzug war sowohl von demokratischen als auch republikanischen Senatoren kritisiert worden.

Nach Darstellung all des Wandels, der sich zu Beginn der Amtszeit des demokratischen Präsidenten Joe Biden abzeichnet, will ich eine Frage ansprechen, die in den Vereinigten Staaten intensiv diskutiert wird: Was wird aus der Republikanischen Partei? Aus der einst so stolzen GOP (Government of the People) die Donald Trump nahezu vollständig vereinnahmt hat, und die nach der Wahlniederlage und allem, was danach geschah, sowohl an der Spitze als auch an der Basis zutiefst zerrissen und gespalten ist Wird die GOP weiterhin die Trump-Slogans „America first!“ und „Make America great again!“ (MAGA) vertreten oder eine neue programmatische Grundlage suchen? Der Ausgang der internen Auseinandersetzungen bei den Republikanern in Amerika ist gegenwärtig völlig offen. Es wäre nicht angemessen, von Europa aus wohlfeile Ratschläge zur Lösung der verzwickten Situation geben zu wollen. Ihre Probleme müssen die Republikaner selbst lösen. Es ist jedoch sinnvoll, ja notwendig, die Auseinandersetzungen um die Zukunft der konservativen Partei in Amerika genau zu beobachten, denn – was immer am Ende herauskommt – es wird sich unmittelbar auf Europa und auch auf Deutschland auswirken. Trump hat mehrfach angedeutet, 2024 wieder ins Rennen um die Präsidentschaft zu gehen. Zwar kann bis dahin noch viel geschehen, doch mit einer nochmaligen Trump-Präsidentschaft würde das ganze Drama von Neuem beginnen, von dem die Verbündeten glaubten, es hinter sich gelassen zu haben. Diese nicht absehbare Ungewissheit werden die Verbündeten und auch die Opponenten der USA in nächster Zeit einkalkulieren müssen.  

Quo vadis Amerika? Putin wird hoffen, China ist stark genug, gelassen zu bleiben und im Iran wird man sehr vorsichtig agieren. Donald Trumpwird am 28.2.21 vor der Conservative Public Action Conference (CPAC) in Orlando, Florida eine Rede halten und wahrscheinlich seine Zukunftspläne verkünden.

Vor den Augen der Welt: Lügengeschichten, Sturm aufs Kapitol, Impeachment und Freispruch für Trump  

Vor und nach der Abwahl von Donald Trump am 3.11.2020 wurde in den Vereinigten Staaten die Frage diskutiert, ob dieser am Ende der Amtszeit das Weiße Haus freiwillig verlassen wird, hatte er doch bis zum Schluss das übliche Eingeständnis, die Wahl verloren zu haben, nicht abgegeben. Im Gegenteil! Trump und seine Anhänger, seine Parteifreunde und auch Teile der Medienwelt, etwa Fox-News, erzählten täglich neue Lügengeschichten über Wahlfälschungen, Betrug, umprogrammierte Wahlautomaten – der Wahlsieg sei ihm „gestohlen“ worden. Beweise konnte Trump nicht vorlegen. Auf dem Rechtsweg waren seine Beschwerden – von der unteren Ebene bis zum Supreme Court – erfolglos. Während die Chancen auf dem Rechtsweg schwanden, wurden die öffentlichen Auftritte und Erklärungen immer schriller. Die New York Times schrieb am 4.1.21 von erratischem Verhalten. Trump versuchte nun, die Wahlergebnisse mehrerer Swing-Staaten mit zweifelhaften Mitteln zu kippen. So setzte er in einem langen Telefongespräch Brad Raffensperger, einen Republikaner und Trump-Unterstützer, den für die Wahlen in Georgia Zuständigen, massiv unter Druck, genug Wählerstimmen „zu finden“, um Biden aus dem Rennen zu werfen. Er ließ republikanische Politiker aus Michigan ins Weiße Haus kommen und erwartete von ihnen, dass sie das Wahlergebnis für Biden dort nicht anerkennen und schließlich bedrängte er seinen Vizepräsidenten Mike Pence, dieser solle die Ergebnismeldungen aus den Staaten zurückweisen, obwohl die Verfassung dem Vizepräsidenten dazu keine Kompetenz einräumt.  

Am Mittwoch, 6. Januar 2021, spielt sich vor den Augen der Welt in Washington D.C. ein Drama ab, das es so in der amerikanischen Geschichte noch nie gegeben hat: Vom eigenen Präsidenten angestachelt stürmten Trump-Unterstützer in großer Zahl das Kapitol, wo der US-Verfassung gemäß die Abgeordneten und Senatoren dabei waren die Wahlergebnisse der 50 Einzelstaaten förmlich entgegenzunehmen um schließlich den Wahlsieg von Joe Biden offiziell zu bestätigen. Der aggressive und zum Teil bewaffnete Mob verbreitet Angst und Schrecken. Die Sitzung wurde unterbrochen und die Volksvertreter müssten um ihr Leben fürchtend in Sicherheit gebracht werden,  

„Wir sind hier weil uns „unser Präsident“ gerufen hat“, erklärten die Angreifer. Sie brüllten „Stop the Steal“ und „Hang Mike Pence“ und zeigten auch sonst, welch Geistes Kinder sie sind. Am 26.2.21 berichtete die New York Times über die schlimmen Erlebnisse des schwarzen Polizisten Harry Dunn, der seit 13 Jahren bei der Kapitol-Polizei Dienst tut. Dunn ist über 1,90 groß, ein Schrank von einem Mann, und doch reichten die Ereignisse am 6. Januar aus, ihn in Angst zu versetzen. Dunn schildert, wie der Aufruhr und Auseinandersetzungen am Kapitol begannen, als Teilnehmer der großen Trump-Kundgebung in großer Zahl zum Kapitol zogen und den äußeren Absperrring durchbrachen. „They’re fighting. They’re throwing smoke bombs. These were terrorists. They had weapons, and they were attacking us.“ Jene Bilder, und auch das spätere Geschehen, sind vom Fernsehen in die ganze Welt übertragen worden.  

Bei den blutigen Auseinandersetzungen in den Räumen des Kapitols ergossen sich wüste Schmähungen über die Polizisten. „I got called … a couple dozen times today“, berichtet Dunn; das dabei gängige Schmähwort für Afro-Amerikaner kennt jeder und wird im NYT-Bericht nicht genannt. Dunn berichtet über ein Gespräch mit einem Kollegen, nach den stundenlangen Auseinandersetzungen und Kämpfen: „I’m looking at him. He’s got blood on him. I’ve got bloody knuckles. We’re hurting. “Is this America?” and I started crying. Tears are coming down my face. “Is this America?” Ein schwarzer Polizist weinte über sein Land! (New York Times, 26.2.21: “Battling the Mob, a Black Officer Came Face to Face With Racism”).

Der Begriff „Insurrection“ – Aufruhr, Aufstand – erscheint in den folgenden Tagen in den Zeitungsschlagzeilen. Beinahe prophetisch hatte der Spiegel bereits vor den US-Wahlen geschrieben:


„Ob Donald Trump die Wahl am Dienstag gewinnt oder verliert – Hass und politische Zwietracht werden das Land auf Jahre hinaus lähmen. Der Präsident hat das politische System derart massiv beschädigt, dass es sich kaum reparieren lässt.“

Der Spiegel – Nr. 45/30.10.20

Diese Beschreibung im Spiegel waren gewiss nicht übertrieben. Die New York Times beschrieb Trumps Bemühungen, das Wahlergebnis zu revidieren am 4./5.1.21 – also unmittelbar vor dem Sturm auf das Kapitol – als ein völlig unvorstellbares Szenario, das jedoch seit Beginn seiner Amtszeit zu befürchten war. „Trumps Versuche klingen all jenen vertraut, die sich mit autoritären Regimen auf der Welt beschäftigt haben, etwa dem von Präsident Vladimir V. Putin in Russland und Premierminister Viktor Orban in Ungarn“, steht im NYT-Bericht. (New York Times, 4./5.1.21: „The Insurgency From Inside the Oval Office“) – Bemerkenswert bei diesem Zitat ist für Europäer, dass Wissenschaftler und Journalisten als Beispiel für ein autoritäres Regime neben Putins Russland immer wieder Orbans Ungarn nennen. Dies sollte die EU endlich zu Konsequenzen veranlassen.

Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021 waren fünf Tote zu beklagen. In den Vereinigten Staaten und insbesondere in der Hauptstadt Washington D.C. hatte sich nach den Wahlen am 3.11.2020 eine sonderbare Sicherheitslage entwickelt. Noch immer ist das Kapitol mit Zäunen und Stacheldraht abgeriegelt und wird von der National Guard bewacht. Die Sicherheitsmaßnahmen kosten täglich 2 Mllionen Dollar. Doch anstatt das Land nach der Wahl zu beruhigen, warf der Präsident auf der Veranstaltung am 6. Januar das Streichholz ins Pulverfass, als er mit einer langen und feurigen Rede seine Fans und Unterstützer aufrief, zum Kapitol zu ziehen und „wie der Teufel zu kämpfen“ – „fight like hell!“

Die Demokraten hatten danach keine andere Wahl: Sie mussten – um glaubhaft für ihr Eintreten und die Verteidigung der Verfassung zu bleiben – im Repräsentantenhaus das zweite Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump einleiten. Dieses Mal wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ – „(Incitement of Insurrection“). Zehn republikanische Abgeordnete stimmten mit den Demokraten im Repräsentantenhaus für die Anklage. Liz Cheney, eine Spitzenpolitikerin der Republikaner im House begründete ihr Votum damit, es habe noch nie einen größeren Verrat eines Präsidenten an seinem Amt und seinem Eid auf die Verfassung gegeben. Sie hat dafür – wie die übrigen 9 Abgeordneten der Republikaner, die der Anklage zugestimmt haben – Kritik, Rügen und Schmähungen aus den eigenen Reihen erfahren.

Im anschließende Verfahren (Trial) vor dem Senat trugen die Anklagevertreter (House Manager) überzeugende Beweise und Argumente vor, die den Zusammenhang zwischen den Worten und Taten Donald Trumps und dem Sturm auf das Kapitol klar belegten. Zu seiner Verurteilung wären im Senat neben den 50 Stimmen der Demokraten weitere 17 republikanische Senatorenstimmen nötig gewesen um ihn des Amtes zu entheben und eine künftige Übernahme öffentlicher Ämter unmöglich zu machen. Doch nur 7 Republikaner hielten Trump für schuldig. Die Zweidrittel-Mehrheit wurde bei der Schlussabstimmung am 13.2.2021 nicht erreicht und Trump damit erneut freigesprochen.  

Die 43 republikanischen Senatoren hatten mit einer Verfahrensbrücke Donald Trump die Möglichkeit gegeben, womöglich 2024 erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren. Die Begründung war: Die aktuelle Amtszeit Trumps habe bereits am 20. Januar geendet und man könne den Privatmann Trump nicht nachträglich des Amtes entheben. In der Tat ist dies beim Impeachmentverfahren gegen einen Präsidenten noch nie geschehen. Allerdings sind viele amerikanische Verfassungsjuristen der Auffassung, dies werde durch die Verfassung nicht ausgeschlossen. Nachträgliche Amtsenthebungen wurden in der Vergangenheit bei niederrangigen Amtsträgern durchaus schon vorgenommen. Der Freispruch Trumps könnte den Republikanern eines Tages vor die Füße fallen. Er ist weiterhin berechtigt, für die Präsidentschaft zu kandidieren.  

Mitch McConnell, der Fraktionsvorsitzende der Republikaner im Senat, hat bei bei all dem ein Glanzstück politischer Taktik abgeliefert, an dem Niccolo Machiavelli gewiss seine Freude gehabt hätte. Zunächst verzögerte McConnell den Beginn des Verfahrens im Senat, bis die Amtszeit Trumps abgelaufen war. Dann gab er die Devise aus, der Privatmann Trump könne nicht nachträglich des Amtes enthoben werden und votierte selbst für den Freispruch. Gleich nach der Entscheidung hielt er im Senat eine feurige Rede und erklärte, es bestehe kein Zweifel, Trump habe seine Pflichten schändlich verletzt – doch jetzt sei die reguläre Justiz zuständig. Der Kommentator der Heilbronner Stimme schrieb dazu: „Der Freispruch für Donald Trump zeigt auch den Tiefpunkt der Republikaner in den USA“ (Thomas Spang: „Politische Stiefellecker“; Heilbronner Stimme:. 15.2.21).

Viele der Kapitol-Stürmer mögen am Abend des 6.1.2021 stolz nach Hause gezogen sein und sich als „große Patrioten“ gefühlt haben. Manche der republikanischen Abgeordneten mögen den Freispruch Trumps als politischen Sieg empfunden haben. Was sie dem Ruf ihres Landes in den Augen der Welt angetan haben, scheinen sie nicht zu erkennen. Die USA wurden zu einem politisch und moralisch geschwächten Land. Wie bizarr klingt es, angesichts all der Fernsehbilder vom Sturm auf das Kapitol, wenn der republikanische Senator Ron Johnson aus Wisconsin bei der Mitte Februar im Senat begonnen Untersuchung des Geschehens vorträgt, unter dem Mob hätten sich linke Provokateure und falsche Trump-Anhänger befunden. Was für eine Mär! Beweise benannte der Senator nicht. Wer die Aufrührer im Fernsehen gesehen hat, mit MAGA-Kappen, Transparenten, Trump-Fahnen, Fahnen der Konföderation und sogar christliche Kreuzen, dem ist klar geworden: Diese Leute waren echt, das waren keine Trump- Attrappen oder linke Schauspieler, die einen Aufstand gespielt haben. Die nachträglichen Verhaftungen und Anklagen belegen dies.  

Doch warum erzählt ein ehrenwerter Senator so unglaubhafte Geschichten und für wen sind sie bestimmt? Trump wird zufrieden sein mit dem Senator aus Wisconsin. Die Welt schaute der sonderbaren Vorstellung zu und viele mögen verwundert den Kopf geschüttelt haben, doch dies scheint die neuen amerikanischen „Patrioten“ nicht zu kümmern. Bei aller tief verwurzelten Sympathie für Amerika frage ich: Wie kann ein Land der Welt ein Vorbild für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein, dessen Präsident einen bewaffneten Mob aufstachelt, das Parlament zu stürmen und dessen Freunde in diesem Parlament anschließend eben diesen Präsidenten vor jeder Sanktion bewahren? Amerikanische Diplomaten werden in nächster Zeit einen schweren Stand haben, wenn sie etwa China für das Vorgehen in Hongkong rügen. Chinas Staatschef Xi Jinping wird ihnen milde lächelnd freundliche Grüße an Donald Trump auftragen.  

Die Republikanische Partei (GOP) – Zerrissen an der Spitze, Trump ergeben an der Basis

Mit einigen Beispielen will ich aufzeigen, wo Amerika nach vier Jahren Trump-Präsidentschaft steht. Am 18.2.21 berichtete die New York Times, dass die Spitze des Pentagons mit Verteidigungsminister Mark T. Esper und General Mark A. Milley, dem Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, zwei ganz besondere Beförderungsanträge bis nach den Wahlen am 3.11.20 zurückgehalten haben, um diese nicht zu gefährden. Man spekulierte im Pentagon auf den Wahlsieg von Joe Biden; die Rechnung mag nun mit anderem Personal im Weißen Haus, tatsächlich aufgehen. Es handelte sich um die Beförderung von zwei äußerst qualifizierten Generalen in den Vier-Sterne-Rang. Das Problem dabei: Es ging um zwei Frauen, um qualifizierte Anwärterinnen, doch man wusste aus früheren Erfahrungen, dass das Trump-Weiße Haus dabei sehr zurückhaltend war. Im Pentagon hielt man durch selbst als Trump sechs Tage nach der Wahl Mark Esper gefeuert hatte.

Das Beispiel zeugt vom Misstrauen, zwischen dem Weißen Haus und Teilen der Administration, das es nicht nur beim Militär gab. Beim Außenministerium sind Diplomaten ausgeschieden, die unter dem Trump ergebenen Mike Pompeo nicht arbeiten wollten. Das FBI und die Geheimdienste fühlten sich dann im Stich gelassen, wenn Trump z.B. Putin mehr glaubte als den eigenen Diensten. Von seien Corona-Experten und auch von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat Trump bei öffentlichen Aussagen nicht viel gehalten.  

Die politischen Einstellungen in der amerikanischen Öffentlichkeit belegt eine CBS News Befragung, die am 9.2.21 veröffentlicht wurde (CBS News poll: „Majority favor conviction as impeachment trial begins, but many Republicans urge loyalty to Trump“). Interessant zu den Themen Trump und GOP sind folgende Ergebnisse:

Zum Impeachment-Verfahren:  

Sollte der Senat – Trump verurteilen: 56 %
– Trump nicht verurteilen 44 %

Einstellungen der Republikaner:

Wie wichtig ist für die Partei die Loyalität zu Trump – sehr wichtig 46 %
– etwas wichtig 27 %
– nicht sehr wichtig 15 %
– überhaupt nicht wichtig 12 %

Einstellung von Republikanern:

Sollte Trump eine eigene Partei gründen, würden sie beitreten?

Ja 33 %
Vielleicht 37 %  
Nein 30 %

In diesen Zahlen liegt einer der Gründe für das Verhalten der Parteispitze und der Basis der Republikanischen Partei, wenn es um die politische Zukunft von Donald Trump geht. Wohin soll die GOP gehen? Das Ringen um die künftige Richtung der Partei ist in vollem Gang.

Für die Führungselite in Washington D.C. steht dabei vor allem die Frage im Vordergrund, wie bei den Midterms, den nächsten Wahlen 2022, der verlorene Boden, insbesondere die Mehrheit im Senat zurück gewonnen werden kann: Mit oder ohne, oder gar gegen Trump? Diese längerfristigen taktischen Überlegungen werden überlagert durch die (noch) bestehende Ungewissheit, ob Trump 2024 nochmals ins Rennen um die Präsidentschaft gehen wird. Sollte er dies tun, wäre eine Neuausrichtung der Partei in absehbarer Zeit nicht möglich. Persönliche Profilierungsversuche einzelner Politiker müssten für längere Zeit auf Eis gelegt werden.  

In der Parteibasis stehen völlig andere Fragen im Vordergrund: Wie loyal bist du gegenüber Trump? Wie sind die „Verräter“ abzustrafen, die Trump im Repräsentantenhaus und im Senat nicht unterstützt haben oder ihn kritisieren? 73 Prozent der Republikaner halten die Loyalität zu Trump für wichtig oder sogar für sehr wichtig. Mit diesem Pfund kann Trump wuchern, wenn er seine Zukunft plant oder wenn er gegen Kritiker in der GOP zu Felde zieht. Nach Vorstellung der Basis müssen Trump-Kritiker bei den Vorwahlen mit Trump-loyalen Gegenkandidaten konfrontiert werden. Dies bedeutet: wer Trump kritisiert, setzt seine politische Karriere aufs Spiel. Dieser Tatbestand spiegelt sich auch darin wider, dass von den 7 Senatorinnen und Senatoren, die am 13.2.21 für die Verurteilung Trumps votiert haben, 2 in den Ruhestand gehen werden und 3 erst 2026 zur Wiederwahl anstehen. Nur 2 der Trump-Opponenten gingen also ins „volle Risiko“.  

Das Establishment in Washington D.C. orientiert sich sehr stark an der Stimmungslage der heimatlichen Basis, und diese ist je nach Wahlkreis recht unterschiedlich. Der Spiegel berichtete am 13.2.21 über die Stimmungslage auf dem flachen Land im Bundesstaat Georgia (Der Spiegel, Nr. 7, 13.2.21: „Miss Amerika“). Die Vorsitzende der GOP in einem Bezirk des Wahlkreises der Verschwörungstheoretikerin Marjorie Taylor Greene wird zitiert mit der Aussage: „Wir brauchen jemand, der Amerika schützt und uns vor dem Sozialismus bewahrt.“ Was man im Hinterland von Georgia unter Sozialismus versteht wird deutlich, wenn die Frau gegen die staatliche Krankenversicherung wettert, „von der doch nur jene profitieren, die auf der faulen Haut“ lägen. „Wenn hier in der Stadt jemand krank wird und seine Arztrechnung nicht bezahlen kann, dann sammeln wir Spenden oder veranstalten ein Barbecue um das Geld reinzuholen. Wir brauchen den Staat nicht, wir sorgen für uns selbst.“ Eine sehr romantische Vorstellung von Sozial- und Wirtschaftspolitik, die im vermeintlich „sozialistischen“ Europa längst überholt ist, denn gesundheitlich abgesicherte Bürger tragen weit mehr zum Gemeinwohl bei als kranke. Hier liegt einer der Gründe für den Kampf der Republikaner gegen Obamacare.  

Die Vorsitzende der GOP im Gordon County gibt tief verwurzelte Überzeugungen wider. Wer hier gewählt werden will, kann nicht über neue Sozialversicherungssysteme reden. Marjorie Taylor Green wies ihren demokratischen Gegenkandidat am 3.11.20 mit 74,7 Prozent in die Schranken. Die Republikaner in einem Swing-Staat wie Georgia – sie haben bei der Stichwahl 2020 gleich beide Senatssitze an die Demokraten verloren – stehen vor einem Dilemma: Wie kann man im urbanen Umland der Großstädte, wie etwa Atlanta, die verlorenen Wähler zurückholen, ohne die Ur-Konservativen auf dem flachen Land zu verlieren? Gerade sie sind ja bereit, einer Trump-Partei beizutreten. Im amerikanischen Zwei-Parteiensystem haben jedoch zwei konservative Parteien keine Chance.  

Es sind solche Berichte von der ländlichen Basis der GOP, die nicht nur zeigen, wie die Leute dort denken sondern vor allem auch, wo die Stärken für Donald Trump liegen. „Für jeden republikanischen Kandidaten wird es künftig absolut entscheidend wein, wie eng sein Verhältnis zu Trump ist“, sagte ein aus dem ländlichen Raum kommendes Mitglied des Zentralkomitees der Republikanischen Partei von Virginia (zitiert bei Hubert Wetzel: „Von wegen Ex-Präsident“; sueddeutsche.de 25.2.21). Dies bedeutet, es wäre zu früh, Donald Trump politisch abzuschreiben. Was in Washington D.C. geschieht ist das eine, was auf dem flachen Land geschieht das andere. Die Republikaner auf dem flachen Land werden wesentlich mitentscheiden, wie die Zukunft der GOP aussieht; sie werden Trump mit dabeihaben wollen. Dieses Rennen ist noch nicht entschieden. Entscheidend wird aber auch sein, ob es Biden und der demokratischen Mehrheit in beiden Häusern gelingt, eine erfolgreiche Politik zu gestalten und damit die Midterms in zwei Jahren und die Wahlen 2024 zu gewinnen.  

In dieser Hängepartie agieren viele Republikaner vorsichtig und mit Bedacht. Zu Wort melden sich gegenwärtig vor allem die 100prozentigen Trump-Fans wie etwa die Senatoren Ted Cruz aus Texas und Ron Johnson aus Wisconsin auf der einen oder die absoluten Trump-Gegner, wie der Abgeordnete Adam Kinzinger aus Illinois auf der anderen Seite. KInzinger wurde nicht nur von der eigenen Partei gerügt, weil er der Anklage gegen Trump zugestimmt hat, sondern auch in aller Öffentlichkeit von der eigenen Verwandtschaft an den Pranger gestellt. „Wir leben nur noch in Angst“, wird Kinzinger in der New York Times zitiert. „Angst vor den Demokraten, Angst vor der Zukunft, Angst vor allem. Dies wird für ein oder zwei Wahlperioden funktionieren. Das Problem ist aber, es wird der Demokratie schlimmen Schaden zufügen“ (NYT, 16.2.21: „Adam Kinzinger’s Lonely Mission“). In der Heilbronner Stimme wurde eine Cousine KInzingers mit der Aussage zitiert, ihr Cousin habe sich der „Armee des Teufels“ angeschlossen (Heilbronner Stimme, 18.2.21: „Einsamer Kampf“).  

Aus der Ferne betrachtet gleicht die einst so stolze Republikanische Partei gegenwärtig einem Mikadospiel. Jede noch so kleine Erschütterung verändert die Lage der Stäbchen. Man könnte auch von einem Haifischbecken reden, in dem jeder jeden argwöhnisch beobachtet. Wer sich zuerst rührt, hat verloren. Bis jetzt hat noch niemand aus der Spitzenriege den Hut in den Ring geworfen. Jeder und Jede arbeitet z.Zt. nach einem eigenen Plan aber auf eigene Rechnung. Senator Lindsey Graham reiste zu Trump nach Florida, um ihn zur konstruktiven Mitarbeit bei den nächsten Wahlen zu gewinnen. Trump sei der überzeugendste Mann in der Partei. Kevin McCarthy, der Fraktionsvorsitzende im Repräsentantenhaus war der erste aus der Spitzenriege, der bei Trump in Mar-a-Lago anklopfte. Es dürften in nächster Zeit weitere „Wallfahrer“ folgen.  

Eine andere, m.E. weitsichtigere Taktik verfolgt Mitch McConnell, der Fraktionsvorsitzende im Senat. Er hatte gegen die Verurteilung Trumps gestimmt und ihn anschließend öffentlich durch den Wolf gedreht. Mein Eindruck war: Da versucht einer auf beiden Schultern Wasser zu tragen. Trump hat postwendend zurückgeschossen und die Republikaner aufgefordert, McConnell abzulösen. Dieser wird – anders als die anderen – nicht nach Florida reisen; er hat mit Trump seit dem 15.12.20 nicht mehr gesprochen. Bei CNN stand am 17.2.21 im Internet: „McConnells Plan, wie man Trump behandeln sollte: Ihn ignorieren.“ Er will einer GOP ohne Trump und arbeitet daran, die Republikaner im Kampf gegen die Agenda Bidens zusammenzubringen. Sollte ihm dies gelingen, würde er wieder der Held der Partei sein, der das Auseinanderbrechen verhindert hat. Aber wahrscheinlich würden auch dann die Republikaner in einigen Jahren erneut vor der Frage stehen: Welchen Preis muss die Partei bezahlen, um die Bürgerinnen und Bürger mit ehrlichen Augen ansehen zu können. Oder – mit dem Blick von draußen: Welches moralische Fundament braucht das Land, um als Führungsmacht in der Welt anerkannt zu werden? Die GOP hat ein politisch-inhaltliches und ein moralisches Problem.

Es sollen hier noch zwei Namen genannt werden: Mike Pence, der Vizepräsident unter Trump, und die bereits erwähnte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, aus Virginia, die der Spiegel als neuen Star der Rechten bezeichnet hat. Auf den ersten Blick könnte man Pence als die tragische Figur im Königsdrama sehen. Als Vizepräsident hatte er die Chance, im Anschluss an den Amtsinhaber ins Rennen um die Präsidentschaft zu gehen. Doch Trump hat verloren und als Pence nicht tat, was sein Chef von ihm erwartete und was er nach der Verfassung nicht tun konnte, hat Trump ihn zum Abschuss freigegeben. Mit dem Schlachtruf „Hang Mike Pence“ sind Trumps Anhänger durchs Kapitol gezogen. Eine tragische Figur? Vielleicht. Doch ich kann ihn nicht bedauern. Pence wusste, auf was er sich mit Donald Trump einließ. Er hat ihn für die Evangelikalen wählbar gemacht, er hat Trump vier Jahre lang die Treue gehalten, ihn gepriesen und häufig geschwiegen, wenn er etwas hätte sagen können oder müssen. Den Vizepräsident hätte Trump nicht feuern können, so wie seinen Außenminister Rex Tillerson, seinen Stabschef John Kellyoder kurz vor dem Ende seinen Justizminister William Barr und den Verteidigungsminister Mark Esper.  

Ich erinnere mich an eine Fernsehübertragung aus der Corona-Taskforce für die Pence verantwortlich war. Er hat eine kurze Ansprache von Trump überschwänglich angekündigt und dessen Weitsicht und Klugheit bei den Planungen und Anordnungen in der Pandemie gepriesen. Er hat dies zur Steigerung des öffentlichen Ansehens von Trump getan, vielleicht auch, um diesem zu schmeicheln. Aber wie mag er sich dabei gefühlt haben, denn er wusste ja, dass Trump intern zwar über die Gefährlichkeit des Virus Bescheid wusste, diese aber öffentlich verharmloste und herunterspielte. Vielleicht wird Pence in seinen Memoiren darlegen, wie das System Trump im Inneren ablief und damit der Autokratieforschung einen Dienst erweisen.

Zu Marjorie Taylor Greene wage ich die Prognose, dass sie nicht in die oberste Führungsriege der Republikaner aufsteigen wird. Sie mag ihre Wählerinnen und Wähler im Gordon County in Georgia begeistern, die zu den Demokraten neigenden Menschen in den urbanen Regionen wird sie nicht gewinnen können. In den Vorwahlen zur Kandidatensuche der GOP für 2020 hat sie den Neurochirurgen John Cowan aus dem Rennen geworfen. Dessen Programm lautete: „Pro live, pro Trump; pro gun“. Auch Cowans ist gewiss kein progressiver Republikaner. Später hat er angemerkt: „Die Lady ist verrückt.“ (Der Spiegel, Nr. 7/13.2.2021).

Was aus der Republikanischen Partei wird, ist gegenwärtig nicht absehbar. Entweder eine Partei des Personenkults mit einem aus zwei Worten bestehenden Programm: „Donald Trump“. Oder es gelingt die Rückbesinnung auf den amerikanischen Konservatismus – allerdings war dieser schon vor Trump nicht mehr besonders ausgeprägt. Trump wird die GOP in seiner Rede bei CPAC am 28.2.21 kräftig aufmischen. Ich werde die Entwicklungen – aus Respekt und auch aus emotionaler Bindung zu Amerika – interessiert beobachten. Ratschläge zu geben steht mir dabei nicht zu. Doch was immer geschehen mag, Europa wird davon berührt sein.

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