Meine Heimatstadt

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Beitragsfoto: Blick auf Heilbronn im Oktober 2018

Ich bin ein gebürtiger Heilbronner, der auch tatsächlich in Heilbronn und nicht, wie viele heutzutage, in Sontheim geboren wurde. Zudem bin ich in Heilbronn aufgewachsen und musste erst beruflich bedingt Heilbronn verlassen. Weder konnte ich dort studieren — was man auch heute noch nur sehr eingeschränkt kann, noch fanden meine späteren Arbeitgeber in Heilbronn einen Arbeitsplatz für mich.

Über Jahre hinweg hatte ich das Pendeln aus Heilbronn heraus versucht, nur um wiederholt festzustellen, dass dies nach außerhalb von Baden-Württemberg oder auch nur in seine südlicheren Gebiete nicht möglich ist. Dazu ist Heilbronn zu weit von sämtlichen Flughäfen weg und auch die Anbindung an die heutigen ICE-Bahnhöfe Mannheim, Würzburg, Nürnberg, Karlsruhe, Heidelberg oder Stuttgart ist seit Jahrzehnten mehr als bescheiden.

Aber ohne jegliche Frage, Heilbronn ist und bleibt meine Heimatstadt. Und da ich nach meinem Berufsleben wieder mit meiner besseren Hälfte nach Heilbronn — was man nicht von sehr vielen meiner ehemaligen Klassenkameraden behaupten kann — zurückgekehrt bin, darf ich mich sogar als Wahlheilbronner bezeichnen, was mich ohne Wenn und Aber alles in allem zu einem waschechten Heilbronner macht.

Deshalb ist es mir auch nicht wurscht, was so alles in Heilbronn geschieht, ganz im Gegenteil, ich kann mich noch heute über sehr viele Dinge, die inzwischen bereits seit Jahrzehnten völlig falsch laufen, so richtig und fürchterlich aufregen.

Was nicht bedeutet, dass mir meine Heimatstadt nicht gefällt! Sie gefällt mir weiterhin sehr, vor allem dann, wenn man sich vor Augen führt, dass wir eine sehr beschauliche aber damit auch äußerst lebenswerte „Mittelstadt“ sind und tatsächlich dabei auch das florierende Zentrum des Unterlandes sein könnten, wenn wir dies nur wollten.

Heilbronn hat sehr viele Vorteile, man ist zum Beispiel gerade soweit weg vom Schuss, dass man es sich hier gemütlich einrichten kann aber auch, wenn man möchte und dabei nicht die Stoßzeiten nutzt, ziemlich schnell in die Metropolen gelangt — mein persönlicher Favorit ist dabei Straßburg.

Heilbronn hat durchaus seinen Charme, als Beispiel kann man die Gemeinderatssitzungen nehmen: selbst die konfliktträchtigsten Sitzungen gehen andernorts immer noch als Seminare zur Tiefenentspannung durch. Städtische Probleme werden erst nach Jahrzehnten als solche halbwegs anerkannt und für beabsichtigte Lösungen denkt man eher in der Kategorie kommendes Jahrhundert. Nicht umsonst bezeichneten wir uns bis vor Kurzem selbst noch sehr gerne als Deutschlands gemütlichstes Weindorf, aber zumindest wissen wir alle auch heute noch, wo man den besten Lemberger weltweit findet.

Inzwischen aber finden wohl viele von uns diese durchaus liebenswerte Beschaulichkeit nicht mehr ganz so erstrebenswert, und so bezahlen wir Menschen dafür, dass diese uns suggerieren, dass wir nicht nur Universitätsstadt und das Zentrum der globalen Wissenschaft sind, sondern gleich auch noch Weltraumstadt.

Ohne Frage, Heilbronn ist für mich persönlich die schönste Stadt der Welt, die Stadt in der ich sehr gerne lebe, aber bitte, bleiben wir dabei etwas realistisch und lügen uns nicht ständig selber in die Tasche. Wir sind eine Stadt mit sehr vielen Vorteilen, manche davon vielleicht nicht sofort von jedem erkennbar. Wir sind aber keine Weltstadt und auch kein globales Demokratie-, Forschungs-, Entwicklungs- oder Industriezentrum.

Wenn wir das alles tatsächlich einmal werden wollten, dann müssen wir doch so einiges in Heilbronn und dies sehr schnell ändern — in knapp 100 Jahren die Turmstraße einmal halbwegs zu sanieren ist dabei nicht die dafür passende Geschwindigkeit!

Stichwort Demokratie

Wir Heilbronner haben bereits zu über 50% Migrationshintergrund und deshalb wäre es nur folgerichtig und auch wünschenswert, wenn sich dies nicht nur in der Stadtverwaltung widerspiegelt, sondern auch im Gemeinderat.

Stichwort Energie

Ursprünglich gab es nicht nur zwei Atomkraftwerke um Heilbronn herum, sondern mit dem Kohlekraftwerk auch einer der größeren Energieproduzenten in Baden-Württemberg. Atom und Kohle wollen wir nicht mehr, und so müssten wir schnell dafür sorgen, dass wir ein Gaskraftwerk bekommen, welches nicht nur später als Wasserstoffkraftwerk genutzt werden kann, sondern auch dafür sorgt, dass die lokale Strom- und Wärmeproduktion mindestens wieder die Kapazitäten aus den 1970er-Jahren erreicht.

Deshalb müssen wir auch über einen größeren Batteriepuffer und auch über eine Müllverbrennungsanlage nachdenken, die den immer noch anfallenden Müll wesentlich reduziert bevor er im Salzbergwerk Heilbronn endgelagert wird.

Stichwort Neckar

Wenn wir Hafenstadt bleiben wollen, dann müssen nicht nur die Schleusen ausgebaut werden, sondern auch unsere Hafenbahn mit sämtlichen daran angebundenen Straßen, einschließlich der Zu- und Anfahrtsstraßen, und dies unbedingt verbunden mit dem Ausbau der Hafenanlagen, der Speicher- und Umschlagplätze.

Diese Hafenanlagen würden dann zu einem Wahrzeichen Heilbronns und auch sehr sichtbar werden. Wenn wir das aber nicht wollen, dann fahren künftig alle Schiffe an Heilbronn vorbei.

Stichwort Bahn

Wenn wir tatsächlich wieder richtige Züge in Heilbronn haben wollen, dann müssen wir hierbei die größten städtebaulichen Maßnahmen ergreifen. Die Straßenbahn muss dabei auf die Schienen im Bahnhof verlegt werden, dessen Bahnsteige nicht nur auf 400 Meter verlängert, sondern alle Bahnsteige wieder reaktiviert werden.

Um den Bahnhof herum müssen Gebäude abgebrochen werden, um einen Busbahnhof daneben bauen zu können und um die Zu- und Abfahrtstraßen zum Bahnhof zu verbreitern. Nicht nur die Paula-Fuchs-Allee mündet dann in die Kanalstraße, sondern auch die Bahnhofstraße wird zur Kanalstraße hin verlängert, die ebenfalls entsprechend ausgebaut wird. Und in Richtung Stadtmitte muss der Verkehr über die neue Kranenstraße abfließen können. Das Ganze krönt man dann noch mit einem IC-Hotel am Bahnhof und auch der Busbahnhof erhält eine eigene Infrastruktur mit Läden und Sanitäranlagen.

Stichwort Auto

Auch künftig wird der Individualverkehr eine große Rolle spielen, vor allem dann, wenn die Antriebe umweltfreundlicher werden und die Automatisierung für ganz andere Verkehrsfrequenzen sorgt. Und so lange der Individualverkehr bodengebunden bleibt — bei uns wohl bis in 23. Jahrhundert hinein — müssen wir daran denken, dass die ursprünglich geplante Westumfahrung auf einer Autobahn um Heilbronn herum doch noch realisiert werden wird. Deshalb sollten wir uns auch darüber schnellstmöglich Gedanken machen.

Stichwort Luftverkehr

Wenn wir nicht möchten, dass zukünftig bei uns jeder wie er möchte durch die Stadt fliegt, müssen wir schon heute daran denken, dass wir einen Start- und Landeplatz in Heilbronn (kein Flughafen!) einrichten, der ebenfalls an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden wird. Umso schneller wir hierfür einen Platz finden, umso einfacher haben es spätere Generationen diesen auch zu realisieren.

Stichwort Straßenbahn

Dass man alte Strecken reaktivieren möchte, ist keine schlechte Idee. Und da man den Südbahnhof viel zu schnell aufgegeben hat, sollte man jetzt dafür sorgen, dass eine in Sontheim ankommende Straßenbahn auch bis an die Allee angebunden wird. Diese in Sontheim enden zu lassen und den Rest dann mit Bussen zu stemmen, ist weder Fisch noch Fleisch.

Manche der von mir hier angesprochenen Punkte sollten wir schnellstmöglich nicht nur allgemein thematisieren, sondern auch nach entsprechenden Lösungswegen suchen. Denn wenn wir wieder einmal feststellen müssen, dass wir vor über 50 Jahren die Dinge einfach nicht gesehen haben wollen, dann wird dies von kommenden Heilbronnern nicht mehr zu reparieren sein.

Bestimmte Dinge und vor allem Arbeitsplätze werden sich immer schneller dort ansiedeln, wo eine entsprechende Infrastruktur und hier vor allem die Kommunikationswege vorgehalten oder sehr einfach realisiert werden können.

Deshalb, wenn wir in Baden-Württemberg weiterhin mitreden und uns nicht, laut Wirtschaftswoche bereits vor ein paar Jahren, nur als „ideale Pendlerlage zwischen Stuttgart und Sinsheim“ sehen möchten, müssen wir damit anfangen, Nägel mit Köpfen zu machen.

Und wer von einer Universität Heilbronn oder gar einer Weltraumstadt Heilbronn spricht, muss auch dafür sorgen, dass man in Heilbronn studieren kann: z. B. Mathematik, Physik, Chemie, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrtechnik.

Tourismus und Vineologie sind nicht schlecht, vor allem dann, wenn man Weindorf bleiben, aber zu wenig, wenn man für Heilbronn den Anspruch als Großstadt oder gar Wissensstadt und schon gar nicht als maßgebliche Industriestadt (4.0) erheben möchte.

Nochmals, ich bin gerne Heilbronner und fühle mich hier ganz wohl, aber ich renne auch nicht den ganzen Tag herum und erzähle jedem, dass ich hier im technologischen Zentrum der Galaxie lebe.

Deshalb habe ich überhaupt keine Lust dazu, ständig Besuchern die tatsächlichen Vorzüge Heilbronns erklären zu müssen, nur weil diese fälschlicher Weise meinen, in einer „europäischen Metropole“ gelandet zu sein und deswegen vergeblich nach einer Oper oder einem funktionierenden Schwimmbad Ausschau halten.


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