Souveränität

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Beitragsfoto: Schachfiguren | © Elmer L. Geissler auf Pixabay

„Diese Woche hätte nicht treffender illustrieren können, warum die Europäer die Ausrichtung ihrer Sicherheitspolitik dringend überarbeiten müssen.“ schreibt Katrin Pribyl in der heutigen Heilbronner Stimme (14.01.2022: 2). Und damit sind die jahrzehntelangen Bemühungen der europäischen Nationalisten, die friedliche, demokratische und föderale europäischen Einigung zumindest kaputt zureden, endgültig im Mainstream angekommen.

Denn die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union wäre sehr gut aufgestellt, wenn nicht beständig die Nationalisten in Europa diese seit Jahrzehnten unterminieren und immer wieder durch nationale Alleingänge oder Unterlassen ad absurdum führen. Und genau so machen sie es auch mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union.

Dabei liegen die Fakten seit spätestens 1945 auf dem Tisch und wurden bisher von keinem ernstzunehmenden Fachmann bestritten — höchstens von unseren doch so geliebten Experten, die so gerne durch die Medien tingeln.

Ohne eine immer tiefergehende europäische Zusammenarbeit, die tatsächlich auch die Aufgabe von Teilen der bisherigen nationalen Souveränität beinhaltet, kann kaum ein einzelner europäischer Mitgliedstaat seine eigene Souveränität noch garantieren. Das Vereinigte Königreich bemüht sich gerade, die Ausnahme von der Regel zu werden — wir werden gut mitverfolgen können, ob und wie dies funktioniert.

Ohne die Zugehörigkeit zur NATO wird die Europäische Union auch ihre eigene Sicherheit nicht garantieren können, es sei denn wir Europäer verzichten auf maßgebliche Errungenschaften, wie zum Beispiel die soziale Absicherung jedes Einzelnen, in unseren Gesellschaften — so wie es die US-Amerikaner seit Jahrzehnten praktizieren.

Von Anfang an stellen die Superstaateuropäer, so werden die europäischen Nationalisten schon etwas länger genannt, genau diese beide Fakten in Frage und unternehmen wirklich alles, um Recht zu behalten. Zum Beispiel verhindern sie die notwenige Finanzierung der NATO und zudem die Bereitstellung der zugesagten nationalen Beiträge und Ressourcen. Auch verhindern sie eine gemeinsame Rüstungspolitik der NATO, um für alle die Gesamtausgaben für Verteidigung reduzieren zu können — ganz im Gegenteil, sie steigern die Ausgaben durch völlig absurde nationale oder manchmal auch trinationale Rüstungsprojekte. Und den NATO bzw. EU Resterfolg unterminieren sie dadurch, dass sie in sämtlichen entsprechenden Gremien alles unternehmen, um gemeinsame Beschlüsse und koordinierte Maßnahmen zu unterbinden.

John F. Kennedy hat uns Europäer noch regelrecht hofiert, aber spätestens seit Ronald Reagen machen alle US-Präsidenten auf dieses unsägliche europäische Getue aufmerksam und versuchen die Europäer sowie auch einzelne europäische Staaten zu einem gemeinsamen konzertierten Handeln, oder wenigstens zum Einhalten der vertraglich garantierten Zusagen zu bewegen.

Im Gegenzug machen wir Europäer uns über unsere amerikanischen, auch die kanadischen, Bündnispartner lustig, lassen diese bei fast jeder Gelegenheit im Regen stehen, aber fordern selber beständig deren Bündnisleistungen und -garantien ein.

Jüngst haben wir den US-Amerikanern sogar noch offenbart, dass wir eine offene strategische Autonomie, aber auf jeden Fall die völlige Souveränität gegenüber den USA erreichen wollen — während wir allesamt unverhohlen um die Gunst der Chinesen und Russen buhlen, deren beider Führungen bekanntermaßen nicht für Demokratie, sondern für Unterdrückung der eigenen Bevölkerungen, Angriffskriege und Völkermord stehen.

Notgedrungen haben sich die US-Amerikaner nun wieder einmal an den Verhandlungstisch gesetzt, um den Chinesen und Russen zumindest ein paar Zugeständnisse zur Sicherheit und Versorgung Europas und dessen ureigenen „Vorhöfen“ abzuringen … und schon liest man wieder in den Medien: „Am Montag hatten sich die USA und Russland in Genf getroffen, um über die Ukraine-Krise zu beraten. Die Europäer fehlten am Tisch.“ und dies mit der Forderung verbunden, dass man zugleich weniger von Washington abhängen und selbst handlungsfähiger werden muss (Heilbronner Stimme, 14.01.2022: 2).

Dabei wäre das Ganze sehr, sehr einfach: Wir müssten

  1. alle verlässliche Bündnispartner werden und auch unsere selbst eingegangen Verpflichtungen erfüllen;
  2. anfangen politisch koordiniert zu agieren, sowohl in Europa als auch innerhalb der NATO;
  3. sämtliche Rüstungsprojekte auf NATO-Ebene koordinieren und, wenn möglich, zusammenlegen, damit wir allesamt unsere Verteidigungsausgaben minimieren können.

Das immer lauter und offen zu Tage tretende Souveränitätsgeschrei ist nichts anderes als ein lautstarkes Bekenntnis gegen Europa, gegen die Europäische Union, gegen die NATO und alle unsere gemeinsamen Werte.

Das dazugehörige Motto lautet: Nationalisten aller Länder vereinigt Euch! und lasst uns neue Kriege führen, denn sterben werden immer die anderen.

So werden diese Nationalisten weiterhin um Russland und China buhlen anstatt gleichberechtigte Partner unserer demokratischen Nachbarn zu werden — damit sind die tatsächlichen Schwerpunkte und Präferenzen unserer (europäischen) Nationalisten eindeutig gesetzt und offenkundig.

Zugegebener Maßen gab es tatsächlich einmal eine Alternative zum europäischem Vasallentum gegenüber China oder Russland auf der einen und einer Nordatlantischen Partnerschaft auf der anderen Seite, nämlich die einer Afro-Europäischen Kooperation, welche als „Eurafrika“ tatsächlich sogar auf französischer Seite in den 1950er und 1960er Jahren im Gespräch war. Da aber Nationalisten meist auch Rassisten, zumindest aber Chauvinisten sind, wurde diese Idee sehr schnell wieder beerdigt und deren kleinere Version, eine „Mittelmeerunion“, ebenfalls vehement abgelehnt.

So werden wir Europäer so lange nach Souveränität und Autonomie schreien, bis sich die Amerikaner, Afrikaner, Chinesen und Inder darüber streiten müssen, wer sich denn nun um die alten Europäer kümmert.


„Competition has been shown to be useful up to a certain point and no further, but cooperation, which is the thing we must strive for today, begins where competition leaves off.“

Franklin D. Roosevelt, Rede beim People’s Forum in Troy, New York (3. März 1912)

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