Spaziergang Süd-Nord

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Beitragsfoto: Sülmerstraße

Trotz des gerade nicht so prickelnden Wetters bin ich unterwegs, um im Norden der Kernstadt „nach dem Rechten zu schauen“ — eine fast tägliche Routine, die ich gerne übernommen habe. Zwei Strecken bieten sich dazu an, die erste führt über die Allee und die zweite über die Fleiner- und Sülmerstraße.

So komme ich heute von der Wilhelmstraße, wobei ich inzwischen doch so einiges Gewohntes vermisse. Der ASB und ein neues Studentenheim sind schnell passiert, kurz darauf die Tanzschule Brenner und zwei etwas bessere Gaststätten, dann kommt schon das Gerichtsgebäude und auch etwas zum Gucken, nämlich der Möbel Fromm.

Dann wird es allerdings wieder sehr duster, das Wollhaus steht — nur vom Telekom-Laden beleuchtet — einfach nur so herum, ein paar Kinder spielen bei den Holzschäfchen. Und wenn man jetzt rechts einbiegen würde, käme man zum Seel.

Dann ist man aber schon am Fleinertorbrunnen und guckt, was der Hund des Herren, der dort meistens sitzt, gerade macht. Ein, zwei Bettler weiter leuchtet ein wenig der Kaufhof, den die meisten noch als Horten oder Merkur kennen. Dort gegenüber stellt sich gleich die Frage, ob die ausgestellte Schokolade immer noch munter vor sich her schimmelt, oder ob sich doch noch etwas tut.

Ein Blick auf eine Baustelle lässt etwas hoffen, denn ein weiteres Schnellrestaurant soll dort einziehen, und gleich links davon geht es in eine kleine Shopping Mall, die zusammen mit dem Kaufhof immer noch mit ein paar interessanten Angeboten aufwarten kann.

Rechts davon das Fischschnelltrestaurant, welches ich nur einmal und zwar die Dependance in Brüssel — wegen der Champagner-Bar — betreten habe. Die Bettlerin in Gebetshaltung ignoriere ich und steuere dafür die Schaufenster vom Messer Maurer an. Dann wird es bis zum Juwelier Beilharz wieder ziemlich duster.

Auf dem Kiliansplatz angekommen, sieht man immer einige Menschen. Diese genießen die Atmosphäre, die sich durch die Beleuchtung von vier Läden etwas größerer Ketten ergibt, und wo doch so manche Menschen immer wieder auch einkaufen. Ein Kaffee an der Ecke zur Kaiserstraße rundet das Ensemble ab.

Mit Betreten der Sülmerstraße wird es wieder ziemlich duster, was sich erst kurz vor dem Hafenmarkt etwas bessert. Das Reisebüro an der Ecke war wohl schon immer dort und das neue Steakhaus schräg gegenüber bringt etwas Publikumsverkehr. Den Platz nutzen dafür spielende Kinder und bringen auch Schwung in die Stadt.

Weiter die Sülmerstraße entlang freue ich mich schon auf die Schaufenster des Optik Fickartz und denke kurz darüber nach, ob ich einen Schwenk zum Plattenladen um die Ecke machen soll, bevor ich schon zum neuen Lebensmittelladen komme. Dort frage ich mich dann immer wieder, warum es in der gesamten Sülmerstraße keinen Lidl gibt — ist das doch der Ursprungsort dieser Handelskette.

Die Nikolaikirche in Sicht, sind dann auch die nächsten Bettler nicht weit und gegenüber der Kirche ist schon immer — zumindest seit ich denken kann — der Foto Kuss.

Dann sind wir auch schon am Berliner Platz, den es so eigentlich gar nicht mehr, der aber durch einige Restaurants erhellt wird und wo es doch so einiges zum Schauen gibt; und immer auch Bettler. Wenn ich jetzt noch in die Turmstraße einbiege, komme ich am Elektro Krauss vorbei — und dort gibt es dafür immer etwas zum Gucken.

Kürzlich konnte man in der Heilbronner Stimme lesen, dass sich die Menschen darüber ärgern, nicht mit ihrem Auto direkt in die Läden fahren zu können, und das Ordnungsamt hat wohl auch schon reagiert, denn die Autos, welche durch die Fleiner- und Sülmerstraße fahren, werden immer mehr. Und ganz offensichtlich sind es nicht nur Zulieferer und Ladeninhaber, die offensichtlich das Recht erworben haben, ihre Autos — und wohl auch die der gesamten Familie — vor dem Laden parken zu dürfen.

Ich kann es durchaus verstehen, dass wir vom Unterland gerne 10 Euro für grottenschlechten Wein, verwässerte Cocktails, kaltes Bier oder Kaffeeersatz ausgeben, aber keinen Euro für ein Parkhaus übrig haben, denn man muss im Leben Schwerpunkte setzen. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass das gewünschte Einkaufserlebnis sich nicht dadurch einstellt, dass man mit dem Auto direkt vor die Kasse fährt — dies verwechseln viele wohl mit den Schnellrestaurants.

Auch konnte man lesen, dass es bei uns in Heilbronn zu wenig inhabergeführte Geschäfte gibt. Dies ist leider ein Faktum, und rührt meines Erachtens daher, dass wir alle eher auf die „schnelle Mark“ — nämlich dieselbe einzusparen — aus sind, als uns alle gegenseitig und langfristig das Leben zu erleichtern. Wer inhabergeführte Geschäfte vermisst, sollte damit anfangen, bei den noch vorhandenen einzukaufen. Das führt dann dazu, dass sich weitere und auch neue Geschäfte in Heilbronn ansiedeln. Der Tritschler aus Stuttgart oder der Spielwaren Wiedmann aus Backnang, die sich auch in Heilbronn angesiedelt haben, können als gute Beispiele dienen.

Hinzu kommt leider die Ur-Heilbronner Eigenart, dass, sobald man es sich leisten kann, man selbst zum Einkaufen nach Stuttgart, München oder Mailand fährt und dies dann gerne auch die Heilbronner Stimme wissen lässt.

Zuletzt konnte man auch lesen, dass die Hauseigentümer an der Misere schuld seien, da diese vermehrt an Döner-Buden, Nagelstudios, Friseure und Ein-Euro-Läden vermieten. Dem ist zu entgegnen, dass ein Hauseigentümer, wenn er nicht gerade durch Abschreibungen reich wird, dafür sorgen muss, dass die Läden auch vermietet sind — Leerstände sehen nicht nur schlecht aus, sondern schaden den Gebäuden auch.

Und aufgrund staatlicher Vorgaben, wie z. B. der Begünstigung von Geldwäsche jeder Art, oder städtischen Versäumnissen, wie z. B. bei Ordnung und Sauberkeit, kommt es dazu, dass die, selbst von den Vermietern gewünschten, Mieter eher fernbleiben und „nur“ sehr kurzfristige Geschäftsmodelle noch Interesse an den durchaus „guten Lagen“ haben. Und wenn dann noch die lokale Zeitung das Ganze mit Wollust ausschlachtet und weiterhin schlechtschreibt, muss man sich über solche Erlebnisse beim Spazieren wie heute von „Süd nach Nord“ auch nicht wundern.

Dieser Teufelskreis kann nur noch von der Stadtverwaltung durchbrochen werden, indem man auf Teufel komm raus Ruhe, Ordnung und Sauberkeit gerade in der Heilbronner Fußgängerzone durchsetzt und dann auch kontinuierlich sicherstellt. Denn gute Mietverträge werden über Jahrzehnte abgeschlossen und nicht auf monatlicher Basis!

Und sobald man dies sichergestellt hat, und die Vermieter eine Grundlage für eigene Investitionen haben, dann beginnt man mit einer langfristigen und vor allem auch fundierten Werbe- und Akquirierungsaktion, die die Vorteile und Vorzüge der Heilbronner Innenstadt zum Thema hat. Interessanter Weise leisten wir Heilbronner uns dafür bereits schon jetzt eine sehr große eigene Marketing-Gesellschaft.

Und sobald sich dann das Einkaufserlebnis bei uns wieder einstellt, sollten wir Heilbronner über unseren eigenen Schatten springen und auch selbst wieder in Heilbronn einkaufen!

Ich freue mich schon jetzt auf die wunderbaren Anblicke von vielen glücklichen Menschen mit noch mehr Einkaufstaschen, die durch die Innenstadt schlendern und sich immer wieder bei einem Getränk oder gutem Essen von ihrem Einkaufserlebnis etwas ausruhen, nur um kurz darauf wieder, frisch gestärkt, in den nächsten Laden zu streben.

Wir haben in Heilbronn wirklich alles, was dazu nötig wäre — wir sollten dies auch nutzen!


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